Читать книгу Das Zuckerfrei-Kochbuch für Kinder - Cathy Hummels - Страница 4
ОглавлениеWährend der Stillzeit habe ich mir ehrlich gesagt keine großen Gedanken über die Zeit danach gemacht und angenommen, dass Ludwig einfach das Gleiche essen würde wie ich oder sein Papa. Stichwort „Vorbild“ und so. Was ich dabei nicht bedacht habe, ist, dass Kinder eine ganz besondere Vorliebe für Süßes haben und ihnen vieles, was wir ganz toll finden, erst mal nicht schmeckt.
Süß bedeutet „nicht giftig“
Die Vorliebe für Süßes ist uns tatsächlich angeboren. Süßes zu mögen, muss man nicht lernen – im Gegensatz zu Saurem, sehr Salzigem und Bitterem. An diese Geschmacksrichtungen gewöhnt man sich erst im Laufe der Jahre – indem man es immer wieder ausprobiert (wozu wir es den Kindern immer wieder anbieten müssen). Wissenschaftler vermuten, dass die genetische Vorliebe darauf beruht, dass es in der Natur nichts gibt, das süß schmeckt und giftig ist. Jahrtausendelang mussten die Menschen also mit der Zunge entscheiden, ob man etwas runterschlucken oder lieber wieder ausspucken sollte. Süß war ein „Sicherheitsgeschmack“. Das prägt.
Dazu kommt, dass schon ungeborene Babys auf Süß programmiert sind. Sie schlucken im letzten Schwangerschaftsdrittel ständig Fruchtwasser und das schmeckt süß – genauso wie die Muttermilch oder Formulamilch (Säuglingsfertignahrung), die sie in den ersten Lebensmonaten trinken.
Süß macht stark
Kinder tun in den ersten Lebensjahren vor allem eins: wachsen und lernen. Dafür brauchen sie enorm viel Energie. Und die steckt nun mal ganz besonders in Zucker. Deshalb wollen sie intuitiv mehr davon. Auch das ist biologisch begründet. Früher gab es ja weder Supermärkte noch Lieferservice, wenn man Hunger hatte. Stattdessen war strategische Planung gefragt. Wenn es Honig oder frische Früchte gab, hieß es: zuschlagen. Bären und Murmeltiere machen es im Prinzip noch immer so und fressen sich im Herbst mit vielen reifen Früchten eine richtige Extraspeckschicht für den Winterschlaf an.
Für mich die besten Süßigkeiten der Welt: frische Beeren. Sie haben die richtige Naschgröße, sind schön süß und supergesund.
Brauchen Kinder „eigene“ Lebensmittel?
Seit Ludwig auf der Welt ist, springen mir überall Aufdrucke wie „mit extraviel Milch“, „mit wertvollen Vitaminen“ oder „für gesunde Knochen“ ins Auge. Die Werbeabteilungen der großen Lebensmittelkonzerne spielen mit dem Wunsch der Eltern, ihren Kindern nur das Beste zu geben. Bei genauerer Betrachtung sind die angeblich gesundheitlichen Vorteile aber gar nicht so groß. Das Plus an Vitaminen, Mineralstoffen oder anderen als gesund geltenden Bestandteilen ist im Hinblick auf den tatsächlichen Tagesbedarf eines Kindes in den meisten Fällen zu vernachlässigen. Außerdem sind zugesetzte Vitalstoffe gar nicht so gesund wie die in frischen, natürlichen Lebensmitteln. Und viele, wie beispielsweise Vitamin C, scheidet der Körper auch gleich wieder aus, wenn die Tagesdosis gedeckt ist.
Bunte Frühstückszerealien sind oft kein Müsli, sondern wahre Zuckerbomben und somit im Grunde genauso Süßigkeiten wie Gummibärchen. Fruchtjoghurt enthält nicht mehr Kalzium als Naturjoghurt – aber dafür viele andere Zutaten, die kein Mensch braucht. Die Hauptaufgabe der „Wunderzutaten“ ist vielmehr, erfolgreich darüber hinwegzutäuschen, dass die Produkte vor allem auch ein dickes Plus an Salz und Fett enthalten, an Aromen und Farbstoffen – und natürlich an Zucker. Ist doch klar, könnte man nach all dem, was oben steht, jetzt meinen: Kinder brauchen halt einfach besonders viel davon.
Das Problem ist aber, dass sich der Zuckerkonsum nicht mehr irgendwie von allein reguliert. Früher gab es Süßes nur im Sommer und Herbst, heute ständig. Die Organisation foodwatch hat ausgerechnet, dass unsere Kinder und Jugendlichen schon nach 224 Tagen das Zuckersoll des ganzen Jahres erreicht haben – so viel Zucker essen sie. Theoretisch dürften sie also ein Drittel des Jahres gar keinen Zucker essen, um das auszugleichen. Dass dies jemand macht, ist aber ziemlich unwahrscheinlich …
Auf Zucker konditioniert
Kinder brauchen Energie. Sie brauchen aber definitiv keinen Industriezucker! Der macht zwar satt, enthält aber keine Vitamine und Mineralstoffe, liefert also nur „leere“ Kalorien. Außerdem hält das Sättigungsgefühl nicht lange an – schon kurze Zeit später hat man wieder Appetit. Dadurch nimmt man erstens schnell zu viele Kalorien zu sich. Und zweitens braucht der Körper auch mal Essenspausen, damit der Stoffwechsel optimal funktioniert und der Körper die Möglichkeit hat, sich zu reinigen. Deshalb mache ich übrigens seit einiger Zeit Intervallfasten und fühle mich dadurch viel besser.
Die ganzen extra für Kinder empfohlenen Nahrungsmittel sind also keineswegs so wertvoll, wie die Hersteller vorgeben. Und das sehe nicht nur ich so, sondern auch Ernährungswissenschaftler und Ärzte. Vor allem gewöhnen sich Kinder damit ganz schnell an den intensiven Geschmack und werden regelrecht auf Zucker konditioniert. Die Folge ist, dass sie „echten“ Lebensmitteln dann bald nicht mehr viel abgewinnen können. Dabei wären die doch wirklich wertvoll. Der Höhepunkt des Absurden sind für mich übrigens Bonbons „mit gesun-den Vitaminen“. Wie wäre es stattdessen einfach mit ein paar frischen Beeren?
Wissen, was guttut
Ich hoffe wirklich, dass es, bis Ludwig in die Schule kommt, endlich ein Fach „Ernährung“ gibt. Zu wissen, wie man durch Essen gesund und fit bleibt, finde ich nämlich genauso wichtig wie Sport. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir durch unsere Ernährung und durch Bewegung die Selbstheilungskräfte unseres Körpers wahnsinnig unterstützen. So können wir selbst viel dazu beitragen, dass es uns gut geht. Und je früher unsere Kinder das wissen, desto besser! Sie werden sicher trotzdem gern mal etwas Süßes essen, aber bestimmt viel gesünder „naschen“.
Christina Wiedemann
Vorsicht, Zuckerfalle!
Der Geschmackssinn muss sich in den ersten beiden Lebensjahren erst ausbilden. Wenn Kinder in dieser Zeit regelmäßig Süßes essen, passt er sich daran an. Dabei wären Kinder nach der Babyphase durchaus bereit, sich auf neue Geschmacksexperimente einzulassen. Je mehr sie aber auf Süß geeicht werden, desto mehr sinkt die Neugier. Schlimmer ist, dass sich auch der Stoffwechsel an die schnellen „Energiebomben“ gewöhnt. Die gute Nachricht: Es ist nie zu spät umzulernen.