Читать книгу Susan - Falsche Freunde - Cedrina Lautenfeld - Страница 7

Prüfungsstress

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Scotts Gemütszustand wechselte immer häufiger zwischen Euphorie und Depression hin und her. Das war eine Folge seines Kokainkonsums. Doch er wollte diese Nebenwirkungen nicht wahr haben.

Ich versuchte ihm zu helfen durch gesundes Essen, Sport, mehr Schlaf als sonst und natürlich intensives, aber nicht zu hartes gemeinsames Lernen für die bevorstehenden Prüfungen. Dennoch besserte sich sein Zustand nicht. Im Gegenteil.

Meine Vermutung war, dass er bereits süchtig war und nicht mehr ohne eine tägliche Dosis seiner Droge auskam. Als ihm dann kurz vor der Abschlussprüfung das Kokain ausging, sah ich mich in meiner Einschätzung bestätigt und machte mir sehr große Sorgen um ihn, aber auch um unsere gemeinsame Zukunft.

Als er sich auf den Weg zu Harry machen wollte, begannen bereits die ersten Schwierigkeiten. „Susan“, fragte er mich fast beiläufig, als er nach seinen Autoschlüsseln suchte, „kannst Du mir Geld geben für meine Drogen?“

Überrascht und erstaunt, dass er mich um Geld bat, fragte ich: „Wieviel brauchst Du denn?“ Seufzend antwortete er, „alles was Du hast.“ „Alles? Mein ganzes gespartes Geld für mein erstes eigenes Auto?“, fragte ich geschockt. Er nickte. „Ja, meine Eltern haben irgendwie erfahren, dass ich Drogen nehme und mir das monatliche Studentengeld auf das Nötigste zusammen gestrichen.“

Ich schluckte. „Die Sache wird jetzt richtig ernst“, bemerkte ich geschockt. Er nickte. „Gibst Du mir Dein Geld?“ Zustimmend und sehr traurig, holte ich all meine Ersparnisse aus einem Schuhkarton ganz unten in meinem Kleiderschrank. „Hier. Das sind 3.000 Dollar.“ Er nickte, nahm das Geld und gab mir einen Kuss.

Während er mein Zimmer verließ und sich beeilte zu seinem Drogendealer Harry zu fahren, machten sich in mir große Befürchtungen breit. „Harry ist ein Schlitzohr. Hoffentlich reichen die 3.000 Dollar, damit Scott eine ausreichende Menge Kokain bekommt. Sonst schafft er es vielleicht nicht, die so scheiß wichtige Abschlussprüfung zu bestehen.“

Unzufrieden mit der ganzen Situation, fluchte ich innerlich. Wütend über mich selber, weil ich seine Drogensucht nicht früher erkannt hatte, gab ich mir eine Mitschuld an unserer Situation.

Ich ging immer noch grübelnd und fieberhaft nach einer Lösung suchend durch mein Zimmer, als Scott plötzlich hineinstürzte.

„Ist das wahr? Hast Du mit Harry geschlafen?“ sprudelte es nur so aus ihm heraus. Seine Stimme klang hart und sehr wütend. Erschrocken schloss ich erst einmal die Tür hinter ihm, damit nicht jeder auf diesem Stockwerk mitbekam, worüber wir uns unterhielten.

Scott sah mich erbost an und wartete ungeduldig auf eine Antwort. Ich sah ihn traurig an und erklärte meine Sicht der Dinge. „Nein, ich habe nicht mit Harry geschlafen.“ Scott atmete erleichtert auf. Doch sein Gesicht verfinsterte sich wieder als ich weitersprach.

„Harry hat mich vergewaltigt.“ „Susan, nein. Wie konnte das geschehen? Warum ist es dazu gekommen? Hast Du ihn angezeigt?“ Ich schluckte. Scotts Worte drückten sein Unverständnis, aber auch seinen Schmerz über das was geschehen war aus.

Kopfschüttelnd antwortete ich ihm. „Ich weiß nicht warum es passiert ist. Ich habe ihn nicht provoziert oder beleidigt, ganz im Gegenteil. Aber er sah mich als eine reiche Göre an und wollte die Gelegenheit, die sich ihm bot nutzen. Außerdem vermute ich, dass er die Rechtslage wohl kennt.“

Scott sah mich sehr traurig an. Sein Gesicht zeigte deutlich den Schmerz und die Wut, die er empfand. „Was meinst Du mit Rechtslage?“ fragte er mich irritiert.

„Na, Du hast doch eben gefragt, ob ich die Vergewaltigung angezeigt hätte.“ Er nickte. Seufzend erklärte ich ihm was ich meinte. „Ich habe keine Anzeige erstattet. Im ersten Moment wollte ich das natürlich. Aber die Situation spricht für Harry.“ Scott legte seine Stirn in Falten und schaute mich grimmig an.

„Also, wenn ich Harry angezeigt hätte, dann wäre herausgekommen, dass ich für Dich Drogen besorgt habe. Sie hätten bei Dir einen Drogentest gemacht und Dich von der Teilnahme an den Prüfungen gesperrt. Eine Sperre hätten sie auch für mich ausgesprochen, da ich Dich wegen Deines Drogenkonsums nicht gemeldet habe, sondern Dich auch noch unterstützt habe.“

Er nickte resigniert. „Du hast Recht. Harry wäre mit einer Verwarnung davon gekommen, denn natürlich hätten wir nicht nachweisen können, dass die Drogen von ihm kamen.“ „Genau“, bestätigte ich ihm traurig und sah direkt in sein Gesicht.

Verzweifelt seufzend nahm er mich liebevoll in seine Arme. „Du bist eine viel bessere Anwältin als wie ich es je sein werde. Du hast sofort die juristischen Konsequenzen erfasst. Ich war viel zu verärgert, um klar denken zu können.“ Er küsste mich und umarmte mich inniger als zuvor.

„Du hast Dich mit Harry geprügelt und er hat Dir ein blaues Auge verpasst. Oh, Scott. Wozu auch das noch?“, rief ich nun und holte einen nassen Lappen, damit er sein Auge kühlen konnte.

„Susan, das ist nichts. In ein paar Tagen ist das wieder weg.“ Er versuchte seine sicherlich schmerzende Augenverletzung klein zu reden. „Aber was Harry Dir angetan hat, ist viel, viel schlimmer und nicht in ein paar Tagen geheilt.“ Seufzend bat er mich um Verzeihung.

„Oh, Susan. Es tut mir so leid. Hätte ich Dich nicht zu ihm geschickt, wäre es nicht passiert. Bitte verzeih mir.“ Ich nickte und schmiegte mich an ihn. Ich wollte jetzt nur noch seine Wärme und seine Zuneigung spüren. „Ich werde zusammen mit Dir schon darüber hinwegkommen“, bestätigte ich ihm meine Einschätzung der Lage.

Sanft strich er über meinen Rücken, dabei drückte er mich innig an sich. Ich genoss seine Zärtlichkeit sehr und war enttäuscht, als er abrupt damit aufhörte und in Tränen ausbrach.

„Scott, was ist denn plötzlich los mit Dir?“, fragte ich ihn entsetzt, denn ich hatte ihn noch nie weinen gesehen. Irritiert, aber auch geduldig wartete ich auf eine Antwort.

„Susan“, sagte er mit tränenerstickter Stimme, „ich verdiene eine so tolle Frau wie Dich nicht. Ich bin ein schlechter Student, weshalb ich auch nie ein guter Anwalt werde. Ich nehme Drogen und verschwende damit Dein mühsam gespartes Geld. Und zu allem Überfluss wirst Du, durch meine Schuld, auch noch von Harry vergewaltig.“

Ich nickte. „Es stimmt zwar, dass Du mir wirklich viel zugemutet hast. Aber ich bin eine Kämpfernatur. Ich schaffe das schon, wenn ich weiterhin Deine Liebe habe.“ Er sah mich zweifelnd an. Doch seine Tränen waren versiegt.

„Meinst Du wirklich?“ fragte er mit dünner, leicht zitternder Stimme. Ich nickte und versuchte ihm zumindest einen Teil der Schuld und des Schmerzes abzunehmen. „Ich liebe Dich, Scott. Wir können mit dieser Vergewaltigung leben. Wichtig ist nur das Du Deine Prüfung schaffst. Danach leben wir in einer kleinen Stadt, wo uns keiner kennt und wir nicht viel Geld brauchen. Du wirst Anwalt. Ich arbeite für irgendeine IT-Firma. Wir schaffen das. Ich liebe Dich.“

„Wirklich?“, fragte er ungläubig. Ich nickte heftig und sah ihn lächelnd an. „Auch wenn ich nie der brillante Staranwalt werde, den meine Eltern aus mir machen wollen?“ Ich nickte. „Ja, Scott auch dann.“ Er schüttelte immer noch zweifelnd seinen Kopf.

„Doch Scott. Du schaffst Deine Abschlussprüfung. Mit welchem Ergebnis ist mir völlig egal, Hauptsache Du bestehst.

Scott sah mich an. Er schien immer noch bedenken zu haben. „Aber meine Eltern werden unsere Entscheidung nicht akzeptieren. Auch wenn wir uns in irgendeiner Stadt verstecken. Sie werden uns suchen lassen und uns dann eine Strafpredigt halten, damit wir danach genau das tun was sie wollen.“ Er seufzte entmutigt.

„Na und. Wir brauchen ihr Geld nicht. Wenn wir unsere Prüfungen bestanden haben, dann sind wir frei. Können eigene Entscheidungen treffen und eigene Wege zu gehen.“ Doch meine Worte schienen ihn nicht zu überzeugen.

„Nein, Susan. Du kennst meine Eltern nicht. Sie werden mit finanzieller Gewalt dafür sorgen, dass wir auf Knien zu ihnen kommen.“ Verwundert schaute ich ihn an. „Wie meinst Du das denn?“ „Meine Eltern werden mit ihrem Geld dafür sorgen, dass wir keines verdienen können. Sie haben die Macht dazu.“

„Aber ich lasse mich nicht einschüchtern. Ich werde kämpfen. Das habe ich immer schon gemacht.“ Er nickte traurig. „Ja, Du bist auch eine Kämpfernatur. Ich bin es aber nicht. Ich habe ohne große Mühe immer alles bekommen, was ich wollte, selbst Dich.“ Ein glückliches Lächeln huschte für einen Moment über sein Gesicht.

„Scott, ich gebe nicht auf. Wir beide schaffen das. Zusammen sind wir stark.“ Aber mein Versuch ihm Mut zu machen, zeigte keine Wirkung. Er ließ die Schultern hängen.

In diesem Moment kam Alice ins Zimmer. Sie bemerkte sofort die bedrückte Stimmung zwischen Scott und mir und fragte helfend. „Soll ich heute Nacht bei einer Freundin schlafen?“ Ich nickte erleichtert. „Ja, danke, das ist eine gute Idee.“ Sie lächelte uns zu, suchte ein paar ihrer Sachen zusammen und verließ wieder das Zimmer.

Scott ging auf mich zu und umarmte mich liebevoll. In meine blauen Augen schauend sagte er: „Ich liebe Dich Susan. Bitte vergieß das nie.“ Lächelnd schmiegte ich mich an ihn und dachte: „Wenn er nicht kämpfen will, dann mache ich das für uns beide. Nur seine Prüfung muss er alleine bestehen.“

Später im Bett streichelte er mich sehr lange und zärtlich. Doch nach Sex mit mir war ihm nicht zu Mute. Stattdessen kuschelten wir uns aneinander und schliefen gemeinsam ein.

Alice weckte mich am nächsten Morgen, als sie erst laut gegen die Zimmertür klopfte und dann ins Zimmer trat. Ich erwachte sehr müde und bemerkte im ersten Moment nicht, dass Scott nicht mehr neben mir im Bett lag.

Verwundert zog ich mich an, als mein Blick auf den Schreibtisch neben meinem Bett fiel. Dort lag ein Brief, der an mich gerichtet war. Überrascht öffnete ich ihn und lass die wenigen Zeilen. „ Geliebte Susan, bitte verzeih mir. Ich konnte nicht anders. Denn ich liebe Dich zu sehr, um Dir weiteres Leid zuzumuten. Scott“

Ich lass den Brief ein zweites und ein drittes Mal bis mir dämmerte, dass Scott irgendetwas getan haben musste, was unsere Situation völlig veränderte.

Alice sprach mich besorgt an, da ihr mein grimmiges Gesicht nicht entgangen war. „Ist alles in Ordnung zwischen Dir und Scott?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Gestern Abend schien es zumindest so zu sein.“

Ich steckte den Brief von Scott wieder in den Umschlag und nahm ihn mit, als ich das Zimmer eilig verließ.

Ein mulmiges Gefühl breitete sich in mir aus, als ich zu Scotts Studentenwohnheim ging. Immer wieder fragte ich mich: „Wie hat er diese Zeilen gemeint? Was hat er bloß gemacht?“ Doch eine Antwort erhielt ich erst, als ich in seinem Zimmer im Studentenwohnheim eintraf.

Scott lag auf seinem Bett. Er war vollständig bekleidet und hatte seine Augen geschlossen. Verwundert, ging ich auf ihn zu, als plötzlich sein Zimmergefährte hereinstürmte und rief: „Sorry, wollte nicht stören. Habe nur etwas vergessen.“ Mit Blick auf Scott meine er. „Lange Nacht gestern, oder?“ Ich nickte und war froh als der Student wieder verschwunden war.

Seufzend ging ich weiter auf Scotts Bett zu. Als ich davor stand, setzte ich mich auf die Bettkante und beugte mich über ihn. Ich hörte keinen Atem, auch seine Brust hob und senkte sich nicht.

Erschrocken griff ich nach seinem linken Arm, um seinen Puls zu fühlen. Doch sein Arm war kalt und einen Puls konnte ich nicht feststellen. In Panik rüttelte ich an ihm. Aber er wachte nicht auf.

„Scott, nein. Was hast Du getan?“ schrie ich ihn verzweifelt an. Er reagierte immer noch nicht. „Nein, nein“, dachte ich und spürte wie sich ganz langsam, meine Vermutung, er könnte tot sein, in Angst und Panik wandelte.

„Scott, wach endlich auf“, bettelte ich ihn an. Dann legte ich mein rechtes Ohr auf seine Brust, genau dorthin wo sein Herz war. Aber ich hörte nichts. „Er ist tot. Er ist tot“, schoss es mir augenblicklich durch den Kopf.

„Nein, nein, nein, das kann doch nicht wahr sein“, wimmerte ich und fing bitterlich an zu weinen. „Der Mann, den ich so sehr liebe und mit dem ich eine Familie gründen wollte, ist tot Mein großer Traum vom Glück mit ihm ist ganz einfach zerplatzt wie eine Seifenblase.“ Ich seufzte und erinnerte mich daran, wie wir uns kennengelernt hatten.

Er hielt mit seiner roten Corvette neben mir und ich sollte einsteigen. Etwas später durfte ich diesen Wahnsinns Wagen sogar fahren.“ Ich lächelte unter Tränen. „Er war der Mann mit dem ich mein erstes Mal hatte. Danach war Sex für mich mit ihm eine wunderbare und ganz natürliche Sache.“ Ich seufzte. „Wie soll ich jetzt bloß ohne ihn weiterleben? Ohne seine Liebe?“ Fassungslos starrte ich eine lange Zeit auf seinen leblosen Körper vor mir und kämpfte gleichzeitig gegen Tränen und Verzweiflung.

Als ich schließlich den ersten Schock überwunden hatte, stand ich auf und ging mit zitternden Beinen zu seinem Schreibtisch. Ich durchsuchte nervös, aber zielstrebig all seine Fächer und fand schließlich den kleinen Umschlag mit dem Kokain. Seufzend steckte ich ihn ein und warf noch einen letzten Blick auf Scott, bevor ich den Notarzt rief.

Der Notarzt stellte offiziell den Tod von Scott fest und einer der herbei gerufenen Cops fragte mich nach Details. „Sie sind doch die Verlobte des Toten, richtig?“ Ich nickte traurig und strich mit den Fingern der rechten Hand über meinen Verlobungsring an der linken Hand.

„Haben Sie eine Vermutung was den Tod ihres Verlobten verursacht haben könnte und wissen Sie woher er sein blaues Auge hat?“ fragte der Cop nun.

Kopfschüttelnd und erneut mit den Tränen kämpfend, stand ich vor diesem Mann, der nur seinen Job tat, mich aber dennoch unnötig quälte.

„Wo waren Sie in der Zeit von 2.00 Uhr und 3.00 Uhr in der letzten Nacht?“ Seufzend schaute ich ihn an. „Ich war allein in meinem Bett in meinem Studentenwohnheim und habe geschlafen. Wir haben in wenigen Tagen unsere Abschlussprüfungen.“

Er nickte und notierte sich meine Aussage. Eine weitere Frage von ihm wurde durch das Hereinkommen der Spurensicherung gestoppt. Denn die Cops vermuteten, dass Scott eines gewaltsamen Todes gestorben war, weil er ein blaues Auge hatte und der Notarzt keine sofortige Todesursache feststellen konnte.

Ich wurde gebeten das Zimmer zu verlassen. Draußen auf dem Flur gab ich dem ermittelnden Cop meine Telefon- und meine Zimmernummer in meinem Wohnheim. Als ich schließlich gehen durfte, kam ich nicht weit. Denn der Rektor der Uni hatte nach mir schicken lassen und wollte ein Gespräch mit mir.

Rektor Marc Flemming, ein älterer, untersetzter Mann mit schütteren, grauen Haaren, stellte mir in etwa die gleichen Fragen wie die Cops. Doch auch ihm konnte und wollte ich nicht mehr sagen als zuvor den Cops.

Ein paar Tage später ergab die Obduktion, die an Scotts Leiche vorgenommen worden war, weil die Cops wegen seines blauen Auges einen gewaltsamen Tod vermutet hatten, dass er an einer Überdosis Kokain gestorben war. Mich überraschte es nicht. Ich fragte mich nur immer wieder, warum er Selbstmord begangen hatte. „Das war doch keine Lösung für unser Problem“, dachte ich und grübelte über einer Antwort.

Sein Drogentod hatte für mich in mehrfacher Hinsicht arge Konsequenzen. Unter anderem wurde auch ich auf Kokainkonsum getestet. Dazu musste ich eine Urin-, eine Speichel-, eine Blut- und eine Haarprobe abgeben.

Die Uni war alarmiert und wollte auf Nummer sicher gehen, dass kein Student bei den Abschlussprüfungen schummelte. Das galt jetzt natürlich ganz besonders auch für mich. Doch ich war drogenfrei und durfte an den Abschlussprüfungen teilnehmen.

An den letzten Tagen vor der Prüfung tat ich nichts anderes als Lernen. Einerseits, weil ich sehr gute Ergebnisse erreichen wollte und musste wegen meines Stipendiums und andererseits, weil ich nur so nicht ständig an Scott dachte.

Alice war genauso geschockt wie ich durch seinen plötzlichen und unerwarteten Tod. Sie versuchte mich zu trösten. Doch ich baute eine Mauer um mich herum auf und wollte meine Trauer auch ihr gegenüber nicht zeigen.

Stattdessen konzentrierte ich mich eisern auf meine Abschlussprüfungen. Den Schmerz den ich empfand verdrängte ich.

Alice versuchte dennoch mir zu helfen und besorgte Getränke und belegte Brote für mich, damit ich bei Kräften blieb, trotz meiner schwierigen Situation. Ich war Alice sehr dankbar für ihre Hilfe mit der ich in dieser Form nicht gerechnet hatte, da sie und ich zwar gut miteinander auskamen, wir aber nach all der Zeit, die wir ein Zimmer teilten, nie wirklich Freundinnen geworden waren.

Scotts Beerdigung fand nur einen Tag nach meiner letzten Prüfung statt. Rektor Marc Flemming fuhr mit mir zum Ort seiner Aufbahrung und begleitete mich auch zur Grablegung. Er tat dies nicht aus Anteilnahme, sondern weil er als Rektor der Universität dazu verpflichtet war. Denn Scotts Eltern hatten der Uni mehrfach einen größeren Geldbetrag gespendet.

Diese Tatsache erfuhr ich aber erst im Nachhinein. Sie sorgte dafür, dass ich mich noch mehr über den Freitod von Scott wunderte. Er hatte offenbar ein ganz anderes Verhältnis zum Geld als seine Eltern. Er musste befürchtet haben, dass er nur deshalb die Prüfung bestehen würde, weil seine Eltern die Universität großzügig finanziell unterstützt hatten. Doch er wollte es aus eigener Kraft schaffen und scheiterte schließlich an seiner eigenen Erwartung.

Ich liebte ihn. Mir war nur der Mensch wichtig. Es war mir egal, wie er an seinen Abschluss kam. Aber das sah er leider anders.

In den Räumen des Bestattungsinstituts suchte ich nach Lisa, Scotts jüngerer Schwester. Denn nach der Begrüßung seiner Eltern und seines älteren Bruders Brad, war mir klar, dass sie meine Trauer nicht teilten. Zumindest aber war ihnen ein Bedauern wegen des Todes ihres Sohnes bzw. Bruders nicht anzumerken.

Ich hasste sie dafür, denn ich machte sie für Scotts Tod verantwortlich. Sie hatten ihn ganz offensichtlich unter Druck gesetzt. Er konnte diesem Druck nicht standhalten und beging Selbstmord.

Seine Eltern liebten ihn nicht. Denn sonst wären sie ihm mehr entgegen gekommen und seine fatale Konsequenz wäre nicht geschehen.

Ich brauchte in dieser Situation dringend eine mitfühlende Seele, weshalb ich mich erst zu meiner Trauer bekennen konnte, als ich Lisa endlich gefunden hatte. Sie stand zwischen all den mir völlig unbekannten Trauergästen, wodurch ich sie nicht sofort gesehen hatte.

„Lisa, Lisa“, stammelte ich und brach auch schon in Tränen aus. Sie nickte und nahm mich in den Arm. Neben ihr weinte ich so dezent wie möglich. Auch sie hatte Tränen in den Augen. Doch konnte sie sich besser beherrschen als ich.

Nach der Trauerfeier war auch ich zum Totenschmaus eingeladen. Aber mein Magen schnürte sich zu, bei dem Gedanken jetzt an einem Tisch mit Scotts Eltern zu sitzen. Ihre Gegenwart war mir unerträglich. Ich wollte daher keinen Moment länger in ihrer Nähe sein.

Rektor Flemming schien mein Desinteresse an dem nachfolgenden Essen nur Recht zu sein, da er den Eltern seines toten Studenten nur ungern weitere Erklärungen geben wollte, wie es zum Drogentod kommen konnte.

Lisa bedauerte meinen Verzicht auf das Essen, da sie nun keine mit ihr trauernde Person mehr neben sich hatte. Dennoch war sie die einzige, die mich wirklich verstand. Daher vereinbarten wir in Kontakt zu bleiben.

Rektor Flemming und ich schwiegen auf der Rückfahrt zur Universität. Wir hatten einander nie viel zu sagen gehabt, obwohl ich von Anfang an eine seiner besten Studentinnen war. Er redete erst wieder mit mir, als meine sehr guten Abschlussnoten bekannt waren.

Mit Scotts Verlobungsring am Finger ging ich schweren Herzens zur Verleihungsfeier unserer Universitäts-Abschlussdiplomen. Meine Mutter erschien nicht zu dieser Veranstaltung. Es war ihr unangenehm unter so vielen klugen Leuten zu sein und selber keinen Universitätsabschluss zu besitzen.

Daher versuchte ich allein diesen glorreichen Moment zu genießen, der die Krönung meiner jahrelangen, harten Arbeit an der Universität war. Doch ohne Scott und meine Mutter konnte ich diesen Augenblick nicht wirklich genießen.

Erst als Alice mich mit ihrer Familie begrüßte und sie in meinem Beisein mein Engagement und das sehr gute Ergebnis lobte, konnte auch ich endlich strahlen. Für kurze Zeit vergaß ich den Tod meines Verlobten und genoss im Kreis der Familie von Alice die Feierlichkeiten rund um die Vergabe der Universitätsdiplome.

Meine Zeit an der Uni war vorbei. Ich packte meine Kleidung und alles was sonst noch mir gehörte in meinen Koffer und einen Rucksack.

Draußen vor meinem Studentenwohnheim machte ich mich auf den Weg zu Lisa. Sie wollte mich zusammen mit einer Freundin vor dem Hauptgebäude der Uni abholen, damit ich ein paar Tage ausruhen konnte, bevor für mich die Zeit in einer großen IT-Firma beginnen sollte.

Doch als ich an Scotts Studentenwohnheim vorbeikam, stand seine rote Corvette verlassen davor. Mir kamen die Tränen beim Anblick des Wagens mit dem alles begonnen hatte. Bilder von Scott in seinem Auto kamen mir in den Sinn und erinnerten mich daran, wie er mich mit seiner Corvette aufgegabelt und sehr beeindruckt hatte.

Spontan und ohne zu überlegen, ging ich zu seinem Wagen, knackte das Sicherheitssystem der Corvette und setzte mich auf den Fahrersitz. Mein Koffer und der Rucksack fanden gerade noch Platz auf den sehr knapp bemessenen Rücksitzen. Doch das war mir in diesem Moment egal. Ich wollte nur noch einmal, ein letztes Mal mit seinem Auto fahren. Außerdem hatte ich noch Zeit bis Lisa mich abholen würde.

Der Sound des Motors begeisterte mich und ließ mich augenblicklich alles vergessen. Langsam und mit viel Gefühl für diese Art von Fahrzeug, fuhr ich den Wagen vom Universitätsgelände.

Auf der Hauptstraße beschleunigte ich und genoss es, die Möglichkeiten dieses teuren und hochwertigen Sportwagens auszukosten. Da ich die Gegend durch diverse Ausflüge mit Scott gut kannte, wusste ich genau wo und wie ich seinen Wagen noch einmal ausfahren konnte.

Ich strahlte für das ganze Gesicht, lauschte dem tiefen, brummenden Motorengeräusch und hatte plötzlich den Eindruck, als wenn Scott neben mir auf dem Beifahrersitz sitzen würde.

Ich wusste, dass ich mir seine Gegenwart nur einbildete. Dennoch hielt ich an diesem Eindruck so lange fest, bis ich durch Zufall genau an dem Parkplatz mit Aussicht vorbei kam, auf dem Scott sich mir vorgestellt hatte und wo wir die Plätze getauscht hatten damit auch ich einmal seine Corvette fahren konnte.

Unwillkürlich bog ich auf genau diesen Parkplatz ein und hielt genau dort, wo Scott gehalten hatte. Ich stoppte den Motor und schaute auf die Beifahrerseite. Ich hatte gehofft er würde dort neben mir sitzen. Doch natürlich war der Platz leer.

Ich bin allein. Er hat mich verlassen. Für immer…“, dachte ich und fing an zu weinen. Ich weiß nicht mehr wie lange ich dort saß und weinte, aber nach einiger Zeit hörte ich das Sirenengeheul eines Einsatzwagens der Cops. Minuten später stand dann ein Cop neben mir und fragte: „Haben Sie die Papiere für den Wagen?“ Ich schüttelte meinen Kopf und antwortete wahrheitsgemäß.

„Nein, denn das ist der Wagen meines toten Verlobten. Ich wollte ihn nur noch einmal, ein letztes Mal fahren.“ Der Cop nickte, bat um meinen Führerschein und überprüfte meine Identität.

Kurze Zeit später fand ich mich auf einem Revier wieder. Man unterstellte mir, die Corvette gestohlen zu haben. Für diesen Diebstahl würde ich ins Gefängnis gehen. Damit war mein gut bezahlter neuer Job weg.

Als mir das bewusst wurde, kamen mir erneut die Tränen. Ich hatte nach den Ereignissen der letzten Wochen und den hohen Anforderungen der Abschlussprüfung einfach keine Kraft mehr zu kämpfen und ergab mich müde meinem Schicksal.

Lisa sah das alles ähnlich wie ich. Doch zu meiner Überraschung kämpfte sie für mich und sorgte dafür, dass ihre Eltern keine Strafanzeige wegen Diebstahls stellten. Der zuständige Richter entschied daraufhin meine Tat als Ordnungswidrigkeit einzuschätzen und ließ mich gehen.

Ich atmete erleichtert auf. Denn diese Entscheidung bedeutete, dass ich nicht vorbestraft war. Leider sah mein zukünftiger Arbeitgeber die Sache ein wenig anders und suspendierte mich von meiner Tätigkeit, noch bevor ich überhaupt angefangen hatte. Man wolle mir eine Bedenkzeit geben, hatte es lapidar geheißen. Doch mir war klar, dass man für mich bereits einen Ersatz suchte und ich sehr wahrscheinlich nichts mehr von dieser Firma hören würde.

Im ersten Moment ärgerte ich mich sehr über diese Firma und über mich, weil ich mir durch diese fatale, spontane und sehr emotionale Aktion, meine berufliche Zukunft verscherzt hatte. Dann jedoch sah ich es als große Chance an und wollte ein paar Monate ausspannen, bevor ich mich dann auf die Suche nach einem neuen passenden Arbeitgeber machte.

Zum Ausspannen bot sich die Einladung von einer Freundin von Lisa an, die mir zusammen mit Lisa gern helfen wollte.

Ich zog also mit meinen spärlichen Habseligkeiten für kurze Zeit in das Haus von Lisas Freundin Vivienne. Dort verbrachte ich die ersten Tage nur schlafend, da ich davon in der Vergangenheit offensichtlich viel zu wenig bekommen hatte.

Nach und nach spürte ich wie mein Kampfeswille wieder erwachte und ich erneut Interesse daran hatte, mein Wissen in den Dienst der Menschheit zu stellen. Zuvor jedoch wollte ich mein Leben genießen. Doch wusste ich nicht recht, wie ich meine Auszeit bezahlen sollte. Denn ich wollte weder Lisa noch Vivienne um Geld bitten.

Beim Stöbern durch meine Bücher, fiel mir dann wieder das kleine Päckchen mit Scotts Drogen in die Hände. Ich lächelte traurig und kam auf die verrückte Idee, seine Drogen an seinen Ex-Drogendealer zu verkaufen.

Harry muss das Zeug einfach zurück nehmen. Ich brauche das Geld und ich kann mit diesem totbringenden Kokain sowieso nichts anfangen“, dachte ich und überlegte bereits wo ich hinfahren wollte, wenn die Rückabwicklung von Scotts Drogendeal geklappt haben würde.

Ich machte Harrys Telefonnummer ausfindig und rief ihn an, um meinen Deal abzuwickeln. Für die Fahrt zu seiner Wohnung lieh ich mir den kleinen Volkswagen von Vivienne. Der war nicht so auffällig wie Lisas Porsche und hatte dennoch eine gute Diebstahlsicherung.

Susan - Falsche Freunde

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