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Newman und die ökumenische Öffnung der Kirche

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Eine bedeutsame Dimension des Konzils haben wir bisher ausgeklammert: die Erneuerung des Verhältnisses der katholischen Kirche zu den übrigen Kirchen und Kirchengemeinschaften. Auch hier war Newman Wegbereiter und gleichsam »das Gewissen des Konzils«. Es war Papst Paul VI., der schon von Anfang an die Wende, die das Konzil bereits in der ersten Sitzungsperiode gebracht hat, die Weitung und Öffnung des katholischen Kirchenverständnisses als ökumenische Aufgabe gesehen hat. Die Erneuerung der Theologie, die wir soeben aufgezeigt haben, sollte, wie Papst Paul VI. sagte, der »inneren Ökumenizität der Kirche« dienen.66 Als »Konvertit eines neuen Typus« brachte Newman die Werte der anglikanischen Kirche mit in die katholische Kirche ein. Er hat den Glaubensinhalt seiner frühen Predigten, die Dessain so ausführlich darstellt, nie verleugnet. Und so wurde er trotz seiner zuerst oft polemischen Urteile über die Kirche seiner Herkunft zum Wegbereiter der Ökumenischen Bewegung.

Papst Johannes XXIII. hatte das von ihm gegründete »Sekretariat zur Förderung der Einheit der Christen« mit der Wahrung der ökumenischen Dimension der Arbeiten des Konzils beauftragt. Es zeigte sich bald, dass diejenigen Theologen des Sekretariates, die von der Notwendigkeit eines neuen Ansatzes der katholischen Theologie überzeugt waren, auch eine persönliche Beziehung zur Lehre Newmans hatten. Unter ihnen sind besonders zu nennen der anglikanische Newman-Forscher H. F. Davis, G. Thils, J. Hamer und die Deutschen H. Volk, E. Stakemeier, J. Höfer, erst recht der spätere Kardinal J. Willebrands.67 Schon die ersten Entwürfe des Dekretes über den Ökumenismus, erstellt vom »Sekretariat für die Einheit der Christen«, atmen seinen Geist. Grundlegend für das Dekret ist die Unterscheidung zwischen dem Ziel der Ökumenischen Bewegung, das im Vorwort als eine »sichtbare, wahrhaft universale Kirche« der Zukunft charakterisiert wurde68, sowohl von der Frage der »korporativen«69 Wiedervereinigung der getrennten Kirchen wie von der Frage des persönlichen Weges einzelner Konvertiten. Newman hatte erklärt, als man ihm vorwarf, nicht mit großen Zahlen von Konvertiten aufwarten zu können, es sei nicht nur notwendig, Konvertiten »für die Kirche vorzubereiten«, sondern auch (oder zuerst) »die Kirche für die Konvertiten«. Die katholische Kirche müsse zur Selbstkritik und Reform bereit sein.70 Dazu gehörte ebenso für Newman wie für das Konzil die Sorge um die Schaffung eines ökumenischen Klimas zwischen den christlichen Kirchen. Bei Newman findet sich schon das Schuldbekenntnis für die Sünden wider die Einheit auch aufseiten der katholischen Kirche, ähnlich wie es Papst Paul VI. in seiner Eröffnungsansprache zur zweiten Konzilssession 1963 und daraufhin Kardinal Bea und seine Mitarbeiter in den späteren Entwürfen des Ökumenismusdekretes ausgesprochen haben. Auch nach Newman kann die Kirche der Zukunft nur »unter Opfern auf beiden Seiten« zustande kommen, vorbereitet durch den Dialog über die zentralen Fragen von Wort und Sakrament.71

Otto Karrer gibt bei seiner Darstellung der »ökumenischen Haltung Newmans« folgende Gesichtspunkte an72: »Der Geist der Einheit im Großen wirkt im einzelnen Christen«; »Angriffe auf den Anglikanismus kämen dem Unglauben zugute«; »Schärfen sind unangebracht und unchristlich«, ebenso »persönliche Polemik«, stattdessen »brüderlicher Dialog«; »Stellungnahme zum Plan einer Aktion für Wiedervereinigung mit Rom«.

Newman hat nie vergessen, was er der anglikanischen Kirche und den Freunden aus seiner frühen Zeit verdankte, nicht zuletzt sein Verhältnis zum Wort Gottes in der Heiligen Schrift. (Hier war es von großer Bedeutung, dass der spätere Kardinal Hermann Volk im Geiste Newmans bei der neuen Bestimmung des Verhältnisses von Schrift und Tradition im Konzil mitwirkte.)

Newman hatte bei seinem Lebensweg durch die beiden Kirchen, die anglikanische und die katholische, nie das gemeinsame Ziel aus den Augen verloren: die Einheit der Kirche in der Nachfolge Christi und im Gehorsam gegen sein Wort. Er war der Überzeugung, »dass die 300-jährige Spaltung der abendländischen Christenheit nicht ohne Sinn vor Gott sein kann«.73 Besonders an den persönlichen Briefen Newmans zeigt sich, wie sehr er unter der Spaltung der Kirche gelitten hat, und sein Gebet um die Wiedervereinigung war geleitet von der Gewissheit, dass Gott die Sehnsucht nach der Einheit nicht umsonst in die Herzen der Christen gesenkt habe. Der erste und entscheidende Schritt ist für jeden einzelnen das Leben aus dem Evangelium. Zur Zeit Newmans nahmen beide Kirchen, die anglikanische und die katholische, eine »abweisende, sich in sich selbst verschließende Haltung« ein (J. Artz), die den später vom Konzil geforderten Dialog damals noch unmöglich machte. Eine Öffnung der Kirchen zueinander, wie sie im Ökumenismusdekret zum Ausdruck kommt, konnte Newman noch nicht voraussehen; sie entsprach aber durchaus der liebenden Zuwendung Newmans zur Welt, im Ernstnehmen des Gewissens und seinem Sinn für die Geschichtlichkeit der Kirche und ihrer Lehre.74

John Henry Newman

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