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Kapitel 5
ОглавлениеIch hätte noch ewig so am Strand liegen können. Ich war tatsächlich ein bisschen weg genickt und wurde wach, weil Pias nasse Haare auf meinen Rücken tropften. Ich zuckte zusammen.
„Oh, Sorry. Hast du geschlafen?“
Pia stand neben mir und drückte das Wasser aus ihren langen Haaren. Sie lächelte mich an. Dann verschwand ihr Lächeln plötzlich und sie sah besorgt auf meinen Rücken.
„Obie, du hast ja totalen Sonnenbrand!“
Chris kam zu uns und beugte sich ebenfalls über meinen Rücken.
„Uuuhhh, das sieht aber nicht gut aus!“
Die beiden machten mir nicht gerade Mut. Ich musste wohl ein bisschen zu lange in der Sonne gelegen haben.
„Oh, echt? Sieht es so schlimm aus?“
Ich versuchte etwas zu erkennen, aber konnte meinen Rücken natürlich nicht sehen.
„Ich mach dir dann ein Spray drauf, wenn wir oben sind. Wir müssen auch glaub ich mal wieder zurück. Die wollten noch so ein Informationsding machen wegen der Touren und Verhaltensregeln und sowas.“
„Ja, gehen wir wieder hoch.“ stimmte Raffi zu. „Wir müssen nur noch Alex und Dennis bescheid sagen. Wo…“
Ich hielt den Finger vor den Mund und stieß Raffi an, während ich auf die beiden zeigte. Alex lag auf Dennis gekuschelt ein paar Meter entfernt unter einem Baum und es sah aus, als ob die beiden auch eingeschlafen waren. Sie sahen süß zusammen aus. Wir lächelten vor uns hin. Dann nahm ich Pias nasses Handtuch und schlich mich langsam an die beiden an. Ich wringte es direkt über ihren Köpfen aus und sie standen panisch auf.
„Toby, du Pisser!“ schrie Alex mir nach, während ich die Flucht ergriff.
Auf den spitzen Steinen kam ich barfuß nicht voran und plötzlich spürte ich einen beißenden Schmerz im Nacken. Alex hatte mich am Schlafittchen gepackt und hielt mich fest. Ich sog die Luft zwischen meinen Zähnen ein und murmelte nur vorsichtig.
„Au, au, au. Sonnenbrand. Bitte loslassen.“
„Mach das nicht nochmal.“ drohte sie mir, während sie mich ziehen ließ.
„Siehst du, Alter! Auf DIE Frau muss keiner aufpassen. Das schafft die schon selbst.“ kommentierte Dennis lachend und spielte auf seine Bemerkung an, dass ich auf Pia aufpassen sollte um meine Besitzansprüche deutlich zu machen. Ich kam zu Pia, Raffi und Chris zurück und sie lachten hart über die Szene. Nur Pia nahm mich tröstend in den Arm und strich sanft über meinen geplagten Nacken.
Wir schleppten uns wieder den Berg hoch und er fühlte sich diesmal gar nicht so steil an, weil ich durch mein Gespräch mit Chris abgelenkt war.
„Wie kommt man dazu, alleine zu verreisen?“
„Ach, ich bin eh oft so ein Eigenbrötler. Ich hab ein paar Kumpels gefragt, ob sie mitkommen wollen, aber irgendwie konnten wir uns auf kein Ziel einigen. Dann hab ich einfach beschlossen, es alleine zu versuchen.“
„Ich finde das total beeindruckend. Ich hätte mich das nicht so einfach getraut. Für uns war es aber auch echt schwer, uns auf was zu einigen. Sechs Leute, sechs Ideen. Wir haben dann einfach den Katalog genommen und per Zufallsprinzip eine Seite aufgeschlagen. Und das war hier.“ sagte ich.
„Ich habe mich schon gewundert, was so eine Truppe wie ihr im Aktivurlaub zu suchen hat. Nichts für ungut, aber bis auf Alex und euren anderen Mitbewohner macht ihr alle nicht den Eindruck, dass ihr auf sowas steht.“
Wow, das war ziemlich direkt. Ich fühlte mich etwas angegriffen, dass man uns die Unsportlichkeit so offen ansah. Ich war etwas verdutzt. Aber Pia verteidigte uns.
„Naja, Abenteuer und aktiv sein hat ja nicht immer was mit Sport zutun. Du wirst uns schon noch von unserer Action-Seite kennen lernen. Mach dich auf was gefasst!“ sagte sie forsch und fuchtelte mit erhobenem Zeigefinger vor Chris Gesicht herum.
„Hört, hört! Ich kann es kaum abwarten zu erfahren, was damit gemeint ist.“ lachte er uns an..
„Du wirst unsere Qualitäten noch kennen lernen. Nur so viel vorweg: Wir werden meist erst gegen Abend aktiv.“ versuchte Raffi zu erklären.
Chris lachte vor sich hin, während wir gemächlich wieder den Hang hinauf gingen.
Die Infoshow war sehr aufschlussreich. Die verschiedenen Touren wurden vorgestellt und der generelle Tagesablauf erklärt. Es gab ein Frühstück wie heute, eine Lunchtüte und abends immer warmes, frisch gekochtes Essen. Wir erfuhren einige Tipps, was in der Umgebung gut zu erreichen war und wo wir selbst etwas unternehmen konnten. Danach konnte man sich für die Touren einbuchen. Pia und ich wollten auf jeden Fall die zwei Kanutouren machen und Klettern trauten wir uns auch zu. Alex hatte natürlich die selbstmörderischsten Aktivitäten heraus gesucht und wollte sich die nächsten Tage mit Paragliding, Canyoning und Wildwasserschwimmen in Gefahr bringen. Dennis war total begeistert von ihren Plänen und trug sich direkt mit ein. Die zwei hatten sich echt gefunden.
Beim Abendbrot saßen wir alle zusammen an unserem Tisch und genossen die kühler werdende Luft, während die Sonne langsam am Horizont verschwand. Der Himmel wurde glutrot und das ganze Camp wurde in ein rotes Licht getaucht. Ich stand etwas abseits vom Tisch, als sich Pia vor mich stellte. Ich legte einen Arm um sie, während ich mit der anderen meine Zigarette rauchte. Wir sahen uns einfach verträumt den Sonnenuntergang an und lächelten vor uns hin.
„Boah, ist das schön!“ sagte sie.
„Du bist schön.“ erwiderte ich leise.
Pia drehte sich um und zog meinen Nacken zu ihrem Gesicht. Ihre Lippen schwebten nur einige Zentimeter vor meinem Gesicht, als sie mir noch einmal tief in die Augen sah. Dann küsste sie mich leidenschaftlich. Sie drückte ihren Körper fest an mich. Ich ließ sie einfach tun, was sie wollte und gab mich ihr hin. Ich umschloss ihren Kopf mit meinen Händen und vergrub sie in ihren Haaren. Ich wollte, dass dieser Kuss nie endet. Aber nach und nach kamen wir wieder im Hier und Jetzt an. Ich hörte wieder die Musik und sah die Menschen, die um uns herum saßen und sich unterhielten. Ich sah, wie Sarah uns abschätzig ansah und mit den Augen rollte. Wir genossen noch die letzten, roten Sonnenstrahlen und gingen dann wieder zu den Anderen an den Tisch.
„Wie war euer erster Tag im Abenteuercamp?“ fragte Sascha in die Runde.
„Voll gut.“ fing Raffi an, zu erzählen. „Wir waren am Strand und haben den See eingeweiht. Es war echt witzig. Toby hat sich voll den Sonnenbrand geholt.“
„Ja, echt witzig…“ nickte ich ironisch vor mich hin.
Raffi grinste mich frech an.
„Ich war im Nachbardorf, da hinter dem Hügel.“ erzählte Sascha und zeigte auf einen Berg. „Es ist echt schön dort. Man kann einkaufen und Souvenirs shoppen. Nächste Woche findet ein Jazzfestival dort statt.“
Das klang wirklich cool und ich nahm mir vor, auch unbedingt einen Ausflug dahin zu unternehmen. Sarah saß beteiligungslos auf der Bank und trank einen Apfelwein. Diese Zurückhaltung war eigentlich nicht ihre Art.
„Sarah? Wo warst du eigentlich? Wir wollten dich fragen, ob du mit zum Strand kommst, aber haben dich nicht mehr gesehen.“
Sarah schreckte aus ihrer Gedankenwelt auf und richtete sich auf ihrem Platz auf. Sie versuchte gefasst zu wirken und ihre gewohnte Haltung einzunehmen.
„Ach, echt? da war ich wahrscheinlich noch im Bad. Ich hatte nachher nach euch Ausschau gehalten, aber ihr wart alle verschwunden. Ich hatte angenommen, dass ihr mich nicht dabei haben wolltet.“
Sie lächelte, als ob sie einen Witz gemacht hatte, aber an der Art, wie sie ihren Blick abwendete, konnte ich sehen, dass etwas nicht mit ihr stimmte. Ich kniff die Augen zusammen und versuchte, ihre Mimik zu deuten, aber ich konnte nichts erkennen.
„Nein, das ist doch Quatsch, Sarah! Wir haben echt noch gewartet, um dich zu fragen. Das war wirklich keine Absicht!“ entschuldigte uns Alex.
„Oh, okay. Ist schon gut.“ versuchte Sarah gefasst zu wirken.
Aber ich konnte sehen, dass sich ihre Augen mit Tränen füllten. Sie versuchte, das zu unterdrücken, aber kam nicht dagegen an. Sie stand schnell auf und ging schnellen Schrittes zu den Zelten herunter. Alex rief ihr noch „Warte!“ hinterher und rannte ihr nach. Was war mit Sarah los? Hatten wir sie so verletzt damit, dass wir sie nicht gefragt hatten oder steckte etwas Anderes dahinter? Alle am Tisch waren sehr nachdenklich, sagten ein paar Minuten gar nichts. Raffi unterbrach unser Schweigen mit einem theatralischen Gähnen.
„Ich geh mal schlafen.“ sagte er trocken und verließ unseren Tisch.
„Ich werde mich auch mal in die Heia auf machen.“ klinkte sich Chris ein.
Dennis war schon direkt nach dem Essen verschwunden.
„Was denkt ihr, was mir ihr los ist? Ist sie sauer, weil wir nicht auf sie gewartet haben?“ fragte Pia Sascha und mich nach Rat.
Ich zuckte mit den Schultern. Vielleicht gab es wirklich etwas anderes, was sie beschäftigte.
„Keine Ahnung.“ gab Sascha zu. „Sarah ist schwer zu verstehen. Sie ist immer so darauf bedacht, die Haltung zu bewahren und nicht zu verletzlich rüber zu kommen, dass ich kaum einschätzen kann, was sie ärgert und was ihr egal ist.“
„Ich kenne sie ja von Bergheim noch. Da war sie auch schon ein Buch mit sieben Siegeln. Aber ich denke nicht, dass sie sich die Blöße geben würde zu weinen, nur weil wir sie nicht gefragt haben, ob sie mit zum Strand geht. Dafür ist sie zu stolz.“
Sarah war wirklich schon immer eine sehr elegante und bedachte Person gewesen. Sie würde sich nicht wegen einer Lappalie so gehen lassen und vor uns allen weinen. Sie machte sowas immer mit sich selbst aus.
„Ich hoffe, es wird sich alles aufklären.“ sagte Pia skeptisch.
Wir tranken noch ein Bier und sahen in den Nachthimmel. Dann gingen auch wir in unsere Zelte. Ich lag die halbe Nacht wach und dachte nach. Sarahs Verhalten verunsicherte mich aus irgendeinem Grund, aber ich konnte mir nicht wirklich erklären, was es war.
Dass ich so wenig geschlafen hatte, machte sich am nächsten Morgen bemerkbar. Ich konnte die Augen kaum öffnen und musste mich zwingen aufzustehen. Die Müdigkeit zerfraß mich fast. Pia hatte mich nicht geweckt. Sie war schon aufgestanden, als ich mein Waschzeug zusammen kramte. Ich machte mich in Boxershorts auf den Weg zu den Sanitäranlagen, als mich jemand am Hosenbund zurück zog. Es war Pia, die mich mit einem gewohnt fröhlichen
„Morgen, Obielein!“ begrüßte. Ich gab ihr einen Kuss auf die Wange und grinste sie müde an. Mit einem Klaps auf den Po schubste sie mich in das Sanitärhäuschen und ging weiter zu unserem Zelt.
„Wir sehen uns beim Frühstück.“ säuselte sie noch.
Nachdem ich den Schock der kalten Dusche am Morgen überstanden hatte, Zähne geputzt und meine Haare zurecht gezupft hatte, war ich bereit für den Tag. Ich traf Dennis am Waschbecken, der auch dabei war, seine Haare zu legen. Nur, um dann eine Käppi darauf zu setzen. Wir quatschten etwas und gingen zusammen zum Frühstück. Sarah war noch nicht da. Ich hatte gehofft, dass sie und Alex etwas klären konnten und sie wie gewohnt bei uns sitzen und uns abschätzig ansehen konnte. Dass mir das mal ein Gefühl von Vertrautheit geben würde…
Wir frühstückten also ohne sie und Alex und Pia gingen danach runter, um das Geschirr zu spülen. Ich unterhielt mich mit Dennis.
„Hast du überhaupt in deinem Zelt geschlafen?“ fragte ich ihn neugierig.
„Naja, ein Gentleman genießt und schweigt.“ antwortete er vieldeutig. Die beiden legten wirklich ein rasantes Tempo vor, aber wenn alles passte, warum sollten sie nicht Nägel mit Köpfen machen?
Ich beobachtete Alex und Pia, die sich beim Spülen aufgeregt unterhielten. Ich fragte mich, ob Alex Pia ins Vertrauen zog, was mit Sarah los war. Ich wusste nicht mal, warum mich das so beschäftigte. Ich kannte Sarah schon lange, ja. Aber nicht besonders gut. Wir hatten nie einen Draht zueinander. Vielleicht war es einfach die Tatsache, dass ich keine Streitereien in unserem Urlaub haben wollte. Ob Pia darin verwickelt war? Vielleicht stellte sich endlich heraus, warum die beiden so im Clinch standen.
Am Nachmittag hatten wir die Kanutour gebucht und ich war so gespannt, wie wir uns anstellen würden. Ab Mittag war es im Zelt nicht mehr auszuhalten und ich beschloss mich oben in den Essensbereich zu setzen. Sarah saß schon auf einer der Bierbänke und ich setzte mich neben sie. Sie las eine Zeitschrift und trank einen Kaffee.
„Hi, Sarah. Darf ich mich setzen oder willst du deine Ruhe?“
Sie sah von ihrem Magazin auf und klopfte lächelnd neben sich auf die Bank.
„Wie geht’s dir?“ fragte sie freundlich.
„Mir ist heiß.“ Ich prustete. „Sonst sehr gut. Ich bin irgendwie richtig im Urlaub angekommen. Und wie geht es dir? Du warst gestern Abend so traurig.“
„Mir war irgendwie alles zu viel. Ich bin ja sonst eher so der Einzelgänger und dann jetzt hier mit den ganzen Menschen… Aber es ist lieb, dass du fragst. Mir geht es jetzt schon besser.“
„Das ist gut zu hören.“ lächelte ich sie an.
„Achso! Hör mal, wir sind nachher auf der Kanutour. Hast du vielleicht Lust mitzukommen? Wir brauchen noch einen Steuermann – also Frau! Eine Steuerfrau. Sagt man das so?“
Sarah lachte und zog die Schultern hoch.
„Ich überlege es mir.“
Ich schaute über das Camp und jetzt um die Mittagszeit war wenig los. Viele Gäste waren an den See gegangen. Ich entdeckte Raffi, der zerknautscht aus seinen Zelt gekrochen kam. Er hatte wohl Mittagsschlaf gemacht und sah aus, als ob er von der Hitze aufgewacht war. Er blinzelte in die Sonne und schlappte dann Richtung Sanitärhäuschen. An der Tür kam Pia ihm entgegen und sie stießen zusammen. Beide lachten und Pia drehte sich nochmal um und rief irgendwas zur Tür hinein. Dann ging sie lächelnd wieder Richtung Zelte. Sie lief lange, schöne Schritte und ich genoss ihren Anblick, wie sie so verträumt über das Camp sah und ihre Haare versuchte im Wind zu richten. Dann sah sie uns und winkte.
Pia war bei uns angekommen und setzte sich neben mich. Mit einem „Hi.“ ließ sie sich neben mich auf die Bank fallen und legte eine Hand auf mein Knie. Sie grinste mich an, als ob sie mir etwas sagen wollte. Sarahs Miene verdunkelte sich wieder und sie fing an, in ihrer Zeitschrift zu blättern. Ich wollte versuchen, sie wieder aus der Reserve zu locken.
„Ich hab Sarah grad gefragt, ob sie nicht zur Kanutour mitkommen will. Als unsere Steuerfrau.“ erzählte ich Pia.
Die zog nur unauffällig die Augenbrauen hoch.
„Steuerfrau? Oh, ich hab Chris schon gefragt und er hat zugesagt. Aber ich kann nochmal hingehen und ihm sagen, dass wir jemand anderes haben.“ sagte sie schon halb am Gehen und zeigte runter auf die Sanitäranlagen. Sarah wedelte durch die Luft und meinte direkt:
„Nein, nein. Ist schon gut. Ich wusste eh noch nicht, ob ich mitkomme. Geht ihr nur mit Chris. Er kann das bestimmt auch viel besser als ich.“
„Ok, gut.“ antwortete Pia beruhigt.
Ich sah sie erwartungsvoll an, aber es kam nichts mehr.
„Sorry, ich wusste nicht, dass Pia schon jemanden gefragt hat. Vielleicht schaffen wir es ja die Tage mal, was zusammen zu unternehmen.“ lenkte ich noch ein und gab Pia einen unauffälligen Stoß mit dem Ellenbogen.
„Mh! Ja, Sorry.“ stotterte sie heraus.
Sarah winkte ab und lächelte peinlich berührt. Pia stand auf und holte sich eine Tasse Kaffee. Ich fand es schade, dass die beiden es einfach nicht schafften, auf einander zu zu gehen.
„Ich geh mal in mein Zelt. Wir sehen uns später.“ sagte Sarah, während sie ihr Kleid richtete.
Sie lächelte mich verhalten an und ging langsam nach unten. Es tat mir leid, dass Pia sie so abgesägt hatte. Jene kam mit einer Tasse Kaffee zurück zur Bank und setzte sich wieder. Sie nahm einen großen Schluck und schaute auf das Camp.
„Warum bist du so abweisend zu ihr? Sie will doch nur dazu gehören.“ fragte ich sie vorwurfsvoll.
Pia zuckte nur mit den Schultern und schaute in ihre Kaffeetasse.
„Ich habe sie nicht provoziert und ich habe mich nicht mit ihr gestritten. Ich hab doch sogar angeboten, dass ich Chris wieder absage. Was willst du von mir? Der Vertrag ist kein Freundebuch und ich schulde ihr nichts.“ verteidigte sie sich.
Sie hatte Recht, also konnte ich nichts sagen.
Die Kanutour war anstrengender als gedacht. Pia und ich ruderten in die komplett falsche Richtung. Chris tat sich dafür nach etwas Üben leicht mit dem Lenken des Kanus und wir lachten so viel, dass meine Mundwinkel schon weh taten. Wir ruderten tief in die Schlucht hinein und hielten an einer kleinen Bucht. Wir badeten im Meer und tollten im Wasser herum. Ich spürte die pure Lebensfreude in mir brodeln. Pia setzte sich auf einen Felsen und ich schwamm zu ihr ran. Ich zog mich hoch und fühlte mich ziemlich stark, wie ich mich mit der bloßen Kraft meiner Arme nach oben hievte. Pia sah mich auch bewundernd an und legte sich in meinen Arm, als ich oben angekommen war. Es war romantisch. Nach einer Weile kam Chris zu uns und fragte, ob wir wieder mit ins Wasser kämen. Wir schüttelten beide den Kopf. Chris sah uns mit großen Augen an und legte den Kopf schief. Ich glaube er zog sogar einen kleinen Schmollmund. Pia ließ sich erweichen und streckte die Hand nach Chris aus, der ihr mit einem Griff an die Taille runter half. Plötzlich schnappte er sie und lege sie sich auf die Schulter. Pia schrie laut auf. Ich musste lachen, weil ich genau wusste, was er vorhatte. Er schwang sie mit Anlauf durch die Luft und ließ sie ins Wasser plumpsen. Pia kam wieder nach oben und schwor Rache. Nach einer mittelgroßen Wasserschlacht, schwammen die beiden zur anderen Seite der Bucht. Dort angekommen, kletterten sie auf den gegenüberliegenden Felsen und winkten mir zu. Pia sah wunderschön aus. Ich liebte ihr freies Wesen und, dass sie immer machte, was sie wollte. Trotzdem konnte ich in ihren Augen immer sehen, dass wir verbunden waren. Sie war wie ein zahmer, wunderschöner Vogel, der den ganzen Tag durch die Lüfte flog und den Wind genoss und abends stets zu mir zurück kam in ihr Nest, um die Geborgenheit meiner Nähe zu genießen. Ich ließ sie fliegen und ich wusste, dass wenn sie bei mir blieb, es immer aus freien Stücken war. Es gab keine Abhängigkeiten zwischen uns. Sie war meine Freundin, weil sie es sein wollte. Und ich liebte sie so wie sie war, mit ihrem ganzen Wesen. Ich liebte sie so sehr. Und ich war mir sicher, dass es ihr genauso ging. Wir waren einfach Pia und Toby. Wir liebten uns.
Bevor wir zurück ins Camp gingen, holten wir uns im Restaurant noch eine Pizza. Wir saßen schließlich oben an den Bierbänken und schlugen uns den Bauch voll.
„Daf ift go lecker.“ schmatze Pia mich mit vollem Mund an.
Ich nickte nur inständig und kaute weiter. Was gab es Besseres, als nach einem langen Tag im Wasser nach Hause zu kommen und eine wundervolle Pizza zu verspeisen? Nach dem Essen waren wir so voll, dass wir uns für eine Siesta in unsere Zelte verzogen. Pia schlief auf meinem Bauch, nachdem wir versucht hatten möglichst leise Sex zu haben. Sie hatte in mein Kissen geschrien und wir hatten entschieden, dass es das wert war, auch wenn uns jemand gehört hatte. Ich genoss die Schwere ihres Körpers auf meinem und schloss die Augen.
Als ich wieder wach wurde, war es schon später Nachmittag und fast Zeit für das Abendbrot. Ich rollte Pia langsam zur Seite und wollte mich auf den Weg machen, um mich zu waschen. Nach dem Abendessen sollte noch eine Party mit den Teamern steigen. Ich ging vorbei an den Zelten unserer Mitbewohner, als ich aus Sarahs Zelt plötzlich Alex’ Stimme hörte.
„Sprich doch mit Toby. Vielleicht klärt sich dann alles.“ riet Alex Sarah.
„Nein, das will ich nicht. Es würde ja auch nichts ändern.“
Ich stand wie ein Spion hinter dem Zelt und versuchte leise zu atmen. Ich sollte dieses Gespräch wirklich nicht belauschen, vor allem weil es offensichtlich um mich ging. Oder sollte ich es gerade deshalb hören? Ich konnte mich einfach nicht vom Fleck rühren.
„Du hast doch ein Recht darauf zu erfahren, warum er so tut, als ob er sich nicht erinnert.“ redete Alex weiter auf Sarah ein.
„Vielleicht hat er es ja wirklich vergessen. Ich glaube es ist einfach schon viel zu spät, dieses Fass aufzumachen.“
„Toby! Was machst du da?“ rief Chris aus der Ferne, der auch gerade aus seinem Zelt gekommen war und mich gesehen haben muss, wie ich geduckt neben dem Zelt rumlungerte. Ich erschrak und versuchte lautlos ein paar Meter zu rennen, damit ich nicht direkt neben dem Zelt stand, wenn ich antwortete.
„Ich hab nur eine Grille beobachtet.“ log ich. „Die war mindestens SO groß.“ zeigte ich mit Daumen und Zeigefinger.
Chris sah mich ungläubig an und wir gingen zusammen Richtung Waschräume. Was hatte ich gerade mitgehört? An was konnte ich mich nicht erinnern? hatte ich Sarahs Geburtstag vergessen? Und wenn schon? War das Anlass für Drama?
Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte.