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Kapitel 7

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„Obielein! Zeit zum Aufstehen!“

Pia kroch im Zelt auf mir herum und säuselte direkt in mein Ohr. Ich war verkatert und todmüde. Der Cocktail-Bier-Mix hatte mir den Rest gegeben. Das Wort ‚Aufstehen’ fühlte sich in meinem Kopf an wie ‚Schlachtung‘. Ich grummelte vor mich hin und drehte mich weg.

„Komm schon, wir fahren gleich zum Supermarkt. Ich habe eine Mitfahrgelegenheit organisiert.“

„Was willst du denn im Supermarkt? Wir haben Vollpension gebucht.“ murmelte ich in mein Kissen.

Jetzt wurde sie grob. Sie riss den Reißverschluss meines Schlafsackes auf und schüttelte mich an der Schulter.

„Pia…“

„Steh jetzt auf!“

„Pia, bitte…“

Sie schüttelte mich immer noch und quengelte ungeduldig.

„Pia, verdammt! Was soll der Scheiß?!“ sagte ich und schubste sie von mit weg.

Sie saß auf ihrer Isomatte und sah mich verschüchtert mit großen Augen an.

„Sorry, Obie. Ich dachte nur, wir könnten da ein paar Snacks besorgen und Getränke. Und ich hab doch auch schon zugesagt…“

Ich war wach und erschrocken über mich selbst. Ich hätte sie nicht so anbrüllen sollen.

„Es tut mir leid. Mir dröhnt der Kopf. Deshalb bin ich etwas ausgerastet. Es ist ne gute Idee. Ich muss nur erstmal kurz klar kommen mit dem wach sein.“ sagte ich, während ich beruhigend ihre Schulter streichelte. Pia legte sich in meinen Arm.

„Die Ibuprofen sind in meinem Rucksack.“

„Du weiß doch, dass ich nichts nehme. Ich brauche nur Wasser und Kaffee.“

„Dann besorge ich dir schon mal einen Kaffee, während du dich fertig machst.“

„Danke!“

Ich küsste ihre Stirn und verschwand schnell im Sanitärhäuschen.

„Obie?“ schrie Pia in den Herrenbereich. „Ich hab hier deinen Kaffee.“

Ich stand unter der Dusche und sonst war keiner im Waschraum.

„Bring ihn hier rein.“ rief ich zurück.

„Dein Ernst?“

Ich öffnete leicht die Tür und grinste Pia verwegen an. Ich winkte sie zu mir rein. Sie lugte vorsichtig um die Ecke, ob sie auch niemand beobachtete und kam zu mir an die Duschkabinen-Tür. Ich nahm ihr den Kaffee ab und stellte ihn auf das Waschbecken. Dann zog ich sie zu mir in die Kabine und drückte sie gegen die Wand. Sie war überrascht, aber sichtlich angetan von der Idee und dem Gedanken, dass uns jemand erwischen könnte. Ich war nackt und ich denke, sie konnte auf den ersten Blick erkennen, was ich im Sinn hatte. Ich drückte meinen Körper gegen ihren und hielt ihre Hände mit einer Hand über ihrem Kopf an der Wand fest. Sie war sofort willenlos und stöhnte leise in mein Ohr.

„Psch…“ flüsterte ich, während ich ihre Brüste unter dem T-Shirt drückte und massierte und ihre harten Nippel zwischen meinen Fingern drehte.

Sie atmete schwer aus und ein, während ich sie leidenschaftlich küsste und meine Zähne sanft mit ihren Lippen spielten. Meine andere Hand wanderte runter zu ihrem Jeansrock und ich arbeitete mich zu ihrer Unterwäsche vor. Ich konnte spüren, dass auch Ihr Körper Blut in den Schritt gepumpt hatte. Ihre Vagina fühlte sich warm und angeschwollen an. Ich strich langsam über die Säume ihres Slips und konnte beiläufig ihre Schamlippen spüren. Auch ihre Hand hatte bereits ihren Weg an meinen Penis gefunden und sie massierte und streichelte ihn sanft. Meine Errektion wurde immer härter und mein Wille, das hier bis zum Äußersten zu treiben immer größer. Schließlich flüsterte sie mir ins Ohr

„Ich will dich in mir!“

Pia rieb sich bereits durch ihre Unterwäsche an meiner Latte. Ich schob ihren Slip zur Seite und hob sie an der Wand in die perfekte Position. Dann drang ich kraftvoll in sie ein. Pia stöhnte laut auf und auch ich konnte mir ein lautes „Mmmhhh“ nicht verkneifen. Wir sahen uns erschreckt an und kicherten dann etwas, weil wir kurz vergessen hatten, dass man jeden Ton in dem hellhörigen Sanitärhäuschen hören konnte. Wir hörten um uns herum das Wasser rauschen und dazu nur das gleichmäßige Geräusch unserer vereinten Körper und das schwere Atmen des Anderen. Pia fiel es immer schwerer keine Geräusche von sich zu geben und ich sah, dass sie sich auf die Lippe biss, um nicht zu stöhnen. Schließlich flüsterte sie

„Ich… komme… gleich… Ich kann nicht mehr… leise sein… Obie… Ah! Mh! Mh!“

Ich wurde von ihrem gleichmäßigen Zucken umschlossen. Ich stieß weiter rhythmisch in sie hinein und kam schließlich lautlos und atemlos. Wir versuchten wieder zu Luft zu kommen und sie ließ sich langsam an der Wand wieder auf den Boden sinken. Ich stand immer noch vor ihr und stütze mich gegen die Wand, bis ich wieder atmen konnte.

„Das war unglaublich.“ sagte sie leise und strahlte mich immer noch schwer atmend an. Ich küsste sie lange. Dann schlich sie sich wieder aus dem Herrenbereich und ich duschte ein zweites Mal, bevor ich endlich meinen kalten Kaffee trank.

Zusammen mit Chris standen wir pünktlich zur Mitfahrgelegenheit am Auto eines unserer Mitcamper bereit.

„Warum bist du so nass?“ fragte Chris Pia, deren Kleidung noch nicht ganz getrocknet war und hier und da noch einige Wasserflecken erkennen ließ.

„Ach, lange Geschichte.“ antwortete sie und wir grinsten uns heimlich an.

Chris nahm das mit einem Schulterzucken hin, ergänzte aber:

„Na, wenn du mal nichts damit zu tun hast, Toby du Schlingel!“

Ich hob nur unschuldig die Hände und legte einen Arm um Pias Taille.

Die Fahrt zum Dorf war kurz, aber es war trotzdem toll, etwas von der Umgebung zu sehen. Zu Fuß waren wir bisher ja nicht sehr weit gekommen. Der Supermarkt selbst, an dem wir zuerst hielten, war allerdings mehr als unspektakulär. Ein großer Parkplatz mit ein paar Bäumen und drinnen sah eigentlich alles aus, wie in Deutschland. Franzosen erwarteten Ost und Gemüse genauso im Eingangsbereich, wie Schokolade kurz vor der Kasse. Wir fanden uns gut zurecht und kauften allerhand Luxusgüter, an die wir im Camp nicht einfach so dran kamen. Obwohl ich ihr davon abgeraten hatte, wollte Pia sich unbedingt einen Schokoladenvorrat anlegen, der natürlich noch bevor wir wieder im Camp waren im Auto geschmolzen war. Raffi hatte angemerkt, dass er sich über Chips freuen würde. Außerdem holten wir noch ein paar Flaschen Wein und einige unverderbliche Snacks für den Tag.

Danach gingen wir noch durch das Dorf und bestaunten mit offenen Mündern die Häuser und Straßen. Das Dorf war komplett von Felsen und hohen Bergen umgeben und man hatte hier oben sogar einen fantastischen Blick auf den See und die Schlucht.

„Wow, guck dir die Häuser an! Ein Wunder, dass die alle noch stehen.“ flüsterte ich fast ehrfürchtig, als ob ich Angst hätte sie würden einstürzen, wenn ich zu laut sprach. Keines, der schmalen, aneinander gereihten Häuser stand mehr gerade. Aber alle waren bewohnt und in den unteren Etagen waren kleine Läden, in denen Stoffe oder Lampen verkauft wurden. Ein kleiner Bach führte durch den ganzen Ort und kleine, krumme Brücken gingen darüber.

„Ich liebe es hier! Lass uns nach einer freien Wohnung suchen und einfach hier bleiben. Wir stehen morgens am Fenster und schauen auf den See. Trinken einen Café au Lait und sitzen bei einem Croissant und Marmelade aus dem Laden nebenan auf dem Balkon. Ich trage nie mehr als Unterwäsche und nach dem Frühstück haben wir Sex bei offener Balkontür. Kannst du dir unser Leben bitte mal vorstellen?!“

Ich strahlte vor mich hin und träumte mich in diesen Gedanken hinein. Ich küsste Pia. Ich liebte ihre verrückten Ideen. Unser Leben wäre traumhaft. Aber es war eben nur eine verrückte Idee.

„Und womit bezahlen wir unsere Miete?“ flüsterte ich an ihre Lippen.

„Du könntest malen und ich könnte Postkartenmotive fotografieren. Wir wären das berühmte junge Künstlerpaar aus Moustiers, das man in den Morgenstunden immer hört. Die Nachbarn verdrehen die Augen, wenn sie bei ihrem Café sitzen. ‚Aber die Bilder sind wirklich schön.‘ würden sie untereinander munkeln. ‚Und die beiden sind auch wirklich so nett – dafür, dass sie Deutsche sind – Stets freundlich und immer ein Lächeln im Gesicht.‘ Und die alte Frau, die neben uns wohnt, würde hinter vorgehaltener Hand noch ergänzen: ‚Und eins muss man der talentierten, jungen Fotografin ja lassen: Diesen hübschen Maler würde ich auch nicht von der Bettkante stoßen.‘ Und dann würden sie kichern und beim nächsten Mal, wenn sie uns morgens hören wieder kopfschüttelnd lächeln, während sie einen Schluck von ihrem Café nehmen.“

Ich liebte sie so dafür, dass sie sich solche Geschichten ausdachte. Und, dass sie sie einfach so erzählen konnte. Weil sie es fühlte. Weil sie, wenn ich gesagt hätte „Lass uns das machen!“ versucht hätte, das zu machen. Sie lebte einfach und dachte nicht zu viel über die Zukunft nach. Alles was zählte, war das Hier und Jetzt. Die Zukunft würde schon von ganz alleine kommen. Das fand ich unglaublich attraktiv an ihr. Ich sah sie nur fasziniert an und strahlte. Dieses Leben mit ihr zu führen, wäre ein Traum. Und es würde genauso sein, wie sie es beschreibt.

„Ich liebe dich.“ sprudelte es einfach so aus mir heraus.

Oh, shit. Hatte ich das echt gerade einfach so gesagt? Während ich mir auf die Lippe biss, wartete ich auf eine Reaktion von ihr. Sie lächelte mich an und öffnete den Mund, um zu antworten.

„Ich…“

„Hey, ihr beiden! Da seid ihr ja.“

Verdammt! Chris kam um die Ecke und kam strammen Schrittes auf uns zu. Ich war beruhigt, dass meine Aussage jetzt nicht mehr im Fokus stand. Aber jetzt, wo ich es ausgesprochen hatte, schuldete sie mir irgendwie schon eine Antwort. Pia trennte ihren Blick von meinem und sah zu Chris.

„Hört mal, der Steffen will gleich wieder ins Camp fahren. Wir sollten schon mal zum Auto zurück gehen.“

Pia nickte und sah mich dann wieder an.

„Wir reden später, okay?“ sagte sie noch leise zu mir.

Ich nickte und wir gingen Hand in Hand zum Auto zurück. Die Rückfahrt war still und wir schauten nachdenklich aus den Seitenfenstern. Es kam mir vor, als ob es ihr gelegen kam, dass Chris uns unterbrochen hatte. Sie hatte die Gelegenheit sofort genutzt um die Spannung zwischen uns zu unterbrechen. Wahrscheinlicher war allerdings, dass ich nur etwas Schiss hatte, dass sie anders für mich empfinden könnte als ich für sie. Sie hatte gelächelt und meine Hand gehalten. Das waren erstmal gute Zeichen. Der Rest blieb abzuwarten.

Zurück im Camp saßen wir mit Chris bei den Bierbänken und unterhielten uns über das Dorf. Chris hatte allerhand über die Historie und Architektur von Moustiers gelesen und gab uns jetzt sein geballtes Wissen weiter. Ich sah währenddessen abwesend über das Camp zum See herunter und dachte an Pia in Unterwäsche auf unserem Balkon mit einem Café au Lait in der Hand, wie sie ins Schlafzimmer schaute und mich anlächelte. Ich lag noch im Bett und hatte einen Zeichenblock auf dem Schoß. Ich arbeitete an einer Bilderreihe über die Schlucht, in der ich die Gefahr der Natur betonen wollte und zeichnete Skizzen.

„Habt ihr euch die Kapelle oben angeschaut. Sie ist aus dem zwölften Jahrhundert. Könnt ihr euch das vorstellen? Das ist einfach mal scheiß achttausend Jahre her.“

„Wir sind einfach in den Gassen versackt.“ antwortete Pia, lächelte Chris aber anerkennend für sein Wissen an.

„Sagt mal, habt ihr heute noch was vor?“ fragte Chris uns beide und schaute gespannt zwischen uns hin uns her. Wir sahen uns an und zuckten mit den Schultern.

„Ne.“ antworteten wir beide im Chor.

„Wieso?“ wollte Pia wissen.

„Naja, ich dachte wir könnten ja eine sehr anspruchsvolle Wanderung den Hügel hinunter machen und diese atemberaubende Sehenswürdigkeit, namens Lac de St. Croix, vom Ufer aus betrachten. Oder sogar hinein steigen. Völlig ohne Schutzausrüstung. Wir sind ja schließlich im Aktivurlaub.“

„Strandtag?“ fragte ich sicherheitshalber.

Chris lachte und nickte inbrünstig. Pia stimmte auch nickend ein und schon fanden wir uns im Zelt wieder, wie wir eine Strandtasche packten. Also eigentlich packte Pia eine Strandtasche und ich versuchte mir im Liegen meine Badehose über meinen verschwitzten Körper zu ziehen. Als ich mich aufsetzte, beschloss ich, dass ich jetzt lange genug auf meine Antwort gewartet hatte.

„Pia?“ fragte ich zurückhaltend.

Sie sah mich nicht an und sagte nur „Hm?“, während sie weiter Sachen in die große Tasche stopfte. Ich legte meine Hand auf ihren Arm und drückte ihn leicht. Sie sah mich nun an.

„Ich habe dir vorhin gesagt, dass ich dich liebe. Das ist mir nicht so raus gerutscht. Ich fühle das so. Schon länger. Also sage ich es jetzt nochmal und hoffe, dass wir mehr als zwei Sekunden haben, bevor jemand deine Antwort unterbricht. Ich liebe dich, Pia.“

Es war raus und ich fühlte mich so selbstbewusst und ehrlich. Ich schaute sie erwartungsvoll an und sie lächelte wieder. Ich konnte ein Funkeln in ihren Augen erkennen. Trotzdem platzte ich fast vor Spannung.

„Obie, das ist so schön, dass du das empfindest und ich bin unendlich dankbar, dass du das mit mit teilst. Ich fühle mich geehrt, dass ich die Frau bin, die bei dir solche starken Gefühle auslöst.“

Sie machte eine Pause und ich war jetzt schon völlig desillusioniert. Das hörte sich nicht an, als ob darauf ein ‚Ich liebe dich auch‘ folgen würde. Mein Blick wandte sich traurig von ihr ab und ich zog die Augenbrauen zusammen. Pia legte eine Hand auf meine Wange und schob meinen Kopf wieder nach oben, damit ich sie ansah. Sie sah glücklich aus und sah mich aufmunternd an.

„Es tut mir leid, dass ich dir nicht das antworten kann, was du hören willst. Ich liebe nicht so einfach. Ich habe auch sehr starke Gefühle für dich. Ob es Liebe ist? Das kann ich noch nicht sagen. Aber ich bin mir sicher, dass es das Stärkste ist, was ich jemals für jemanden empfunden habe, Obie.“

Mein Baum kribbelte. Ich wusste, dass das alles war, was sie mir geben konnte. Und ich beschloss es dankbar anzunehmen.

„Du wirst mich schon noch lieben lernen.“ sagte ich neckisch zu ihr und nahm sie fest in meinen Arm. Sie schmiegte sich perfekt in meine Arme und wir lächelten beide. Ich konnte das akzeptieren.

Wir gingen zum Strand und richteten uns unsere Liegeplätze ein. Ich wühlte in unserer Tasche und fand einen Wasserball. Ich pustete ihn auf und sah Pia und Chris herausfordernd an.

„Leute, wie gut seid ihr so in Wasserball? Weil… Ich bin ziemlich gut. Mein Schlag ist hart und ich kann mit einer Hand fangen.“

Chris Blick verdunkelte sich und er sah mich mit gesenktem Kopf an, wie ein Stier, der zum Angriff überging.

„Challenge accepted, Loser.“ sagte er trocken und stapfte Richtung Wasser.

Pia und ich sahen uns überrascht an. In Windeseile zogen wir unsere Klamotten über der Badekleidung aus und folgten ihm ehrfürchtig und schulterzuckend. Chris war ohne eine Mine zu verziehen einfach in den See gelaufen, als wäre es nichts. Ich versuchte das gleiche, aber ich musste mir eingestehen: Es war scheiß kalt. Pia schrie mehrmals kurz laut auf, aber ging rein. Auch ich war schließlich bis zu den Beiden vorgedrungen. Wir begonnen unser knallhartes Match jeder gegen jeden. Diverse Wasserbälle flogen gegen Köpfe und jeder von uns ging unzählige Male unter und kam laut lachend wieder hoch. Wir hatten unglaublichen Spaß. Wir lachten unfassbar viel und mein Bauch tat schon weh, bis wir endlich entschieden hatten, dass es keinen Gewinner gab, sondern jeder von uns sich damit abfinden musste, von zwei absoluten Pros im Wasserball geschlagen worden zu sein. Ich wusste, dass eigentlich ich gewonnen hatte. Ich meine… Ich konnte mit einer Hand fangen! Also ließ ich den anderen beiden den Triumph. Wir gingen zurück zum Strand und lagen in der Sonne. Nach einer viertel Stunde kamen Sarah und Alex auch am Strand an und schlugen ihre Lager ein paar Meter von uns entfernt auf. Ich war geschafft vom Wasserball spielen und legte mich, diesmal eingecremt, auf mein Handtuch. Der Wind wehte mir um die Ohren. Es war so angenehm, nass auf dem Handtuch zu liegen und den kühlen Wind auf der Haut zu spüren. Es dauerte keine zwei Minuten, bis ich eingeschlafen war.

Als ich aufwachte, schnappte ich Wortfetzen eines Streits auf und meine Welt begann, sich langsam zu verändern.

„Was mein Problem ist? Dass du auf meinen Freund…“

Ich hörte Pias Stimme, wie sie jemanden anschrie. Ich wachte auf und versuchte etwas wahrzunehmen.

„Na, und? Was weißt du schon über uns…“

Immer wieder brachen die Stimmen ab und der Wind wehte stattdessen in meinem Ohr. Ich hörte jetzt auch Sarahs Stimme. Stritten Pia und Sarah sich?

„Verbindet?… Er würde dich niemals…“ Wind.

„Ach ja? Das sah vor ein paar Jahren aber noch anders aus! Was er dir nie erzählt hat…“ Wind.

Ich setzte mich auf und versuchte die Richtung auszumachen, aus der der Streit kam. Ich sah mich um und erblickte Sarah und Pia, die sich ein paar Meter entfernt am Strand wie Rivalen gegenüber standen.

„Das ist ja lächerlich… Wann soll das denn gewesen…“ Wind.

Ich musste näher heran, um etwas zu verstehen. Ich stand auf.

„Ich kenne ihn länger… Er war mal… Du würdest dich wundern…“

Ging es bei dieser Unterhaltung um mich? Ich näherte mich den beiden langsam und konnte immer mehr ihrer Wortre verstehen.

„Das ist doch Wunschdenken! Als ob er was mit dir anfangen würde.“

„Nicht würde! Wir haben…“ Wind.

Verdammt. Ich musste noch näher ran. Ich stand jetzt nur noch ein paar Meter von beiden entfernt und wunderte mich, dass mich keiner bemerkte. Pia lachte hämisch.

„Und warum hat er mir das nie erzählt?“

„Damit du nicht eifersüchtig wirst.“

„Auf dich?“ Pia lachte noch lauter.

Sie drehte sich um, um zu gehen. Dann stolperte sie fast über mich. Ich stand fassungslos neben den beiden und verstand die Welt nicht mehr.

„Obie! Hast du das gehört?“

Sarah sah erschrocken auf und versuchte die Fassung zu bewahren.

„Tobias…“

„Was ist hier los?“ fragte ich endlich.

Beide sahen mich mit großen Augen an. Sarah erlangte schließlich ein paar Sekunden später ihre Fassung zurück und antwortete.

„Erzähl ihr, was damals passiert ist!“ verlangte sie.

Ich hatte keine Ahnung wovon sie sprach. Beide Frauen sahen mich erwartungsvoll an.

„Was meinst du?“

„Auf der Party von Micha. Der Dachboden. Du musst nicht mehr so tun, als ob du dich nicht erinnerst.“

In meinem Kopf spielten sich im Zeitraffer Szenen aus meiner Jugend ab. Parties mit meinen Schulfreunden. Sarah war auch in unserer Clique. Jedes mal wenn eine Erinnerung aufblitzte, verdunkelte sie sich nach wenigen Sekunden. Ich wusste warum. Ich versuchte mich an eine Party von Micha zu erinnern. Ich versuchte. das Stichwort „Dachboden“ in meinem Gehirn hinzu zu fügen. Jedes Mal brach die Erinnerung ab. Ich wusste warum. Ich hielt meine Schläfen und gab zu:

„Ich erinnere mich nicht an diese Zeit.“

„Was meinst du damit? Du weißt gar nichts mehr?“ fragte Sarah ungläubig.

„Ich weiß nichts mehr von den Parties. Es war nicht meine hellste Stunde. Ich hab viel Scheiß gemacht zu der Zeit. Es tut mir leid, aber ich kann mich nicht mehr erinnern, was auf dem Dachboden passiert ist.“

Sarah wirkte sehr resigniert. Sie sah nervös zu Boden und suchte Halt. Aber fand ihn nicht.

„Obie, was ist hier los? Sarah behauptet, ihr hättet etwas am Laufen gehabt damals.“

Oh, Fuck. Echt? Ich wusste warum ich mich nicht erinnern konnte. Aber jetzt war der Zeitpunkt gekommen, es allen mitzuteilen. Und ich hatte ein scheiß Angst. Ich schämte mich für mein damaliges Verhalten.

„Ich… Es war eine doofe Zeit. Ich war oft zugedröhnt. Ich habe…“ Ich brach ab. Und holte tief Luft. Alle warteten auf eine Erklärung.

„Ich hab damals einige Experimente mit Drogen gemacht und zu der Zeit habe ich Pillen geschluckt. Ich weiß wirklich nicht viel von den Abenden. Es tut mit leid.“

Es war mir peinlich wie Hölle. Ich fühlte mich wie ein Vollidiot. Vor allem, weil zwei Frauen vor mir standen mit den unterschiedlichsten Gefühlen und ich einfach nur gehen wollte. Aber beide sahen mich an, als ob ich noch so einiges zu erklären hatte. Ich stand weiter da und ließ mich anstarren. Chris war mittlerweile zu uns vorgedrungen und stand zusammen mit Alex einige Meter abseits und bot durch seine Anwesenheit seine Hilfe an. Keiner wusste, was er noch sagen sollte. Also entschloss ich mich dazu, den nächsten Schritt zu machen.

„Sarah, wollen wir ein Stück zusammen gehen und du erzählst mir alles, was damals passiert ist?“

Sie zog die Augenbrauen zusammen und sah mich verständnislos an.

„Du weißt es wirklich nicht mehr?“ fragte sie ungläubig.

„Es tut mit leid, ich weiß echt nichts mehr, Sarah.“

Pia stand neben mir und wusste nicht wie ihr geschah. Sie sah mich verwirrt an und dann wieder zu Sarah. Ich hatte ihr nie von meiner Drogensucht erzählt. Denn das war es damals. Ich habe die Tragweite zu dieser Zeit damals nicht erkannt, aber ich war drogensüchtig. Ich schluckte Pillen, weil ich süchtig war nach den Gefühl des Loslassens und der Freiheit, die es mir gab. Ich musste keine Konsequenzen tragen für mein Verhalten, denn ich wusste ja nichtmal, was ich getan hatte.

„Komm, wir gehen ein Stück.“ sagte ich zu Sarah.

Sie nickte und setzte sich in Bewegung. Pia lehnte sich an Chris. Er legte einen Arm um sie und ich war froh, dass sie jemanden hatte, der sie jetzt auffing. Sarah und ich gingen weiter den Strand runter.

„Es war eine Party bei Micha. Du warst gut gelaunt, wie immer. Und du hast mit mir geflirtet. Du hast meine Nähe gesucht. Definitiv. Du weißt, dass ich niemand bin, der sich leichtfertig hingibt, wenn jemand mit mir flirtet. Aber ich fand dich schon immer süß und habe einfach die Gelegenheit genutzt. Du warst ziemlich forsch und abenteuerlustig. Es gab einen Dachboden und wir sind einfach die Leiter hinauf gestiegen und haben rumgeknutscht. Und naja… Irgendwie ist dann noch mehr passiert.“

Ich konnte nichts mehr denken. Ich hatte mit Sarah geschlafen? Das war so jenseits von Gut und Böse, dass ich es kaum in Worte fassen konnte. Ich sah nur zu Boden und schüttelte ungläubig den Kopf.

„Wir hatten Sex?“ fragte ich zur Sicherheit.

„Naja, nicht ganz. Aber alles andere außer das.“

Das beruhigte mich etwas. Wir waren jung und Sex mit jemanden zu haben, bedeutete noch mehr als heute. Ich nickte trotzdem schuldbewusst, weil es darauf gar nicht ankam.

„Sarah…“ fing ich schwer meine Entschuldigung an.

„Es tut mir so leid, dass ich das einfach vergessen habe. Ich hoffe, du weißt, dass das nichts mit dir als Person zutun hat, sondern, dass ich einfach nicht Herr meiner Sinne war. Das war so eine schwierige Zeit für mich. Ich habe total rebelliert und niemals an Konsequenzen gedacht. Ich hoffe, du kannst das verstehen.“

Sarah sah mich mit hoch gezogenen Augenbrauen an.

„Ob ich das verstehen kann? Es fällt mir ehrlich gesagt schwer. Wie kann es sein, dass du dich nicht erinnerst? Ich meine, ich dachte die ganze Zeit das wäre der Grund, warum du in die WG eingezogen bist.“

Wow. Das hatte sie gedacht? Sie dachte, ich würde ihre Nähe suchen. Zu dem Zeitpunkt war es Jahre her, dass das mit uns gelaufen sein muss.

„Okay?! Wie meinst du das?“

„Naja, ich dachte du stehst auch heimlich auf mich und willst in meiner Nähe sein. Und dann ist Pia dazwischen gegrätscht.“

„Was meinst du mit ‚auch‘?“

Sarah schluckte. Langsam wurde ihr klar, dass wir anscheinend völlig aneinander vorbei redeten.

„Ich… wie soll ich das sagen? Ich dachte das wäre offensichtlich. Ich stehe auf dich, Tobias. Ich habe die ganze Zeit versucht, dich zu erobern. Ich hatte ja keine Ahnung, dass du dich nicht mehr an unsere verbundenen Momente erinnerst. Ich dachte, das wäre ein Spiel oder so.“

Irgendwie tat jedes Wort von ihr weh. Weil sie so krass daneben lag, wie sie nur konnte. Aber auch, weil sie mir so leid tat, dass alles was sie sich bisher ausgedacht hatte, keinen Sinn mehr ergab. Und ich wusste was das bedeuten konnte.

„Sarah, ich weiß nicht, was ich anderes dazu sagen soll, als dass es mir leid tut! Ich war zu der Zeit zu nichts zu gebrauchen. Ich war völlig in meinem Tunnel. So hart es klingt… Aber vermutlich hatte all das nichts mit dir zutun. Du bist zufällig ausgewählt worden und mir hat es nichts bedeutet.“

Wow. Das war hart. Aber wahr. Und ich musste es einmal so klar sagen. Sarahs Augen füllten sich mit Tränen. Es schmerzte mich, sie so zu sehen, aber es brachte ja nichts, ihr etwas vor zu machen.

„Warte, Sarah!“ rief ich ihr noch hinterher.

Sie drehte sich nicht um. Sie ließ mich alleine stehen. Und es war ihr gutes Recht! Ich war alleine mit meinen Gedanken. Und ich war etwas froh darum. Ich ließ sie ziehen und ging in die andere Richtung des Strandes. Ich dachte über meine Zeit als Drogensüchtiger nach. Es klang so hart, aber es war wahr. Ich war süchtig nach den Pillen. Ich konnte keine Party ohne sie feiern. Ich tat Dinge, die ich nicht kontrollieren konnte. Und das, was ich über diese Dinge wusste, war nur die Spitze des Eisbergs. Nach dem, was ich von Sarah erfahren hatte, schossen mir so viele Dinge durch den Kopf, was sich alles noch im Verborgenen befand. Und ich fühlte mich so machtlos dabei.

Was hatte ich noch alles getan und dann vergessen?

Kryptonit

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