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NOELLA
Ich kann es noch gar nicht richtig fassen: Wir sind tatsächlich an Bord dieses traumhaften schwimmenden Hotels namens Yolanda!
Natürlich waren mir Leandro O. und seine Luxusyacht schon vorher ein Begriff. Ich lese schließlich regelmäßig verschiedene in- und ausländische Personality- und Lifestyle-Magazine. Immerhin will ich in Zukunft für diese Sorte Blätter schreiben.
Kontakte zu einschlägigen Redaktionen hatte ich noch während der letzten Studientage in München hergestellt, auch einige Quasizusagen erhalten: Ich solle am besten mal Artikelvorschläge einreichen für eine der nächsten Redaktionskonferenzen. Dann würde man weitersehen und mich gegebenenfalls benachrichtigen.
Ein Blatt bat sogar um eine Kopie meiner Abschlussarbeit.
Na bitte – und jetzt befinde ich mich prompt an Bord einer momentan zumindest recht bekannten privaten Segelyacht.
Also, da lässt sich auf alle Fälle was draus machen, Titel, Aufhänger, Schlagzeile sehe ich schon fett gedruckt vor meinem inneren Auge prangen.
Patrick ist mit dieser zweiten Überraschung für mich ein echter Coup geglückt!
Der Sunnyboy hat’s drauf, das muss ich sagen. Erst ein Luxuscallboy zur Begrüßung, und dann auch noch eine Luxusreise.
Der Mann weiß, was Frauen wünschen ... Wo das wohl noch alles enden wird?
Gleichzeitig versteht er es, aus sich und seinem Beruf das Beste herauszuholen.
Barkeeper an Bord der Yolanda. Bedient die schönen und vor allem reichen Gäste des fast schon legendären Leandro O.
Viktor ist ebenfalls mit von der Partie.
Das hat mich zunächst überrascht, aber jetzt, nachdem wir der Reihe nach den allesamt bereits anwesenden weiblichen Gästen vorgestellt worden sind – die Männer lassen noch auf sich warten, wahrscheinlich hängen sie im Hafen in einer der Bars fest –, beginne ich zu verstehen: Unser Gastgeber will vor allem diesen Damen etwas Besonderes bieten!
Da darf es dann schon mal etwas mehr sein: ein Callboy der Luxussonderklasse gefällig, gnädige Frau? Bitte sehr, bedienen Sie sich nur! Eintritt ist selbstverständlich frei für Sie, Gnädigste ...
Ja, ja, ich weiß: Ich bin vorlaut, böse und gehässig.
Aber mal ehrlich und Spaß beiseite: Die Damen, deren Namen ich noch nicht alle behalten habe vor lauter Aufregung, sehen allesamt zwar attraktiv, aber leider auch etwas verkniffen um die Mundwinkel herum aus. Warum auch immer, ich erlaube mir hier zumindest noch kein weiter reichendes Urteil, vielleicht sind ja alle bloß gestresst.
Zu viel Geld, zu viele Charity-Veranstaltungen, zu viel Gehabe rund um den äußeren Schein: Das alles zerrt naturgemäß an den Nerven.
Und wo bleibt das Vergnügen? – Dafür sorgen von Zeit zu Zeit gleichgesinnte Freunde, wie etwa unser Yachtbesitzer.
Eine schwimmende Insel, wie die Yolanda eine ist, schützt vor allem Möglichen, auch vor allzu aufdringlichen Paparazzi. Oder Privatdetektive im Auftrag von Ehemännern oder Liebhabern. In Amerika ist die Beschattung des oder der Liebsten übrigens längst ein gesellschaftsfähiges Spiel. Schließlich will man wissen, woran man ist, wenn man schon seine Herzensangelegenheiten zumindest für eine gewisse Zeit in die Hände eines Partners legt.
Was jedoch die nächsten Tage draußen auf hoher See passiert, bekommt nur der allerengste und sorgfältig von Leandro O. ausgewählte kleine Kreis an Bord mit.
Einige Tage Ausspannen pur also, loslassen, Energie tanken, Vergnügen bis zum Abwinken: Der Gastgeber und seine Großzügigkeit machen es möglich.
Man wird sich revanchieren bei Gelegenheit, keine Frage. Eine Hand wäscht die andere in diesen Kreisen.
Die Idee mit dem Callboy allerdings ist nicht so leicht zu toppen, meine Damen, das müssen Sie Leandro O. irgendwann mal doppelt gutschreiben!
An dieser Stelle meiner Überlegungen muss ich unwillkürlich kichern, ich gestehe es: Wenn die Herrschaften wüssten ...
Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen befindet sich eine Spionin unter Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Darf ich mich vorstellen?
Mein Name ist Noella.
Ich bin die Freundin des Barkeepers an Bord, seinen Namen kennen Sie ja: Patrick.
Ich habe eben mein Studium abgeschlossen und befinde mich offiziell in der Erholungsphase danach.
Es ist ungeheuer großzügig von Señor O., Patrick zu gestatten, mich für diesen Segeltrip der Sonderklasse mit an Bord zu nehmen. Als nichtzahlende Begleitperson. Für den kleinen Hilfsjob hinter der Theke werde ich darüber hinaus fast schon fürstlich entlohnt werden. Der Job wurde eigens für mich kreiert.
Sobald ich ihm vorgestellt worden bin, werde ich mich bei Mister O. auch ganz, ganz artig bedanken.
Sonst gibt es nicht viel über meine Person zu berichten. Ich bin leider nicht so reich wie Sie alle hier, dafür bin ich aber schön – nach Patricks Ansicht.
Wie ich die Bemerkung eben mit der »Spionin« gemeint habe?
Vergessen Sie es, war nur ein kleiner Scherz.
Wir sehen uns später alle an der Bar wieder, zum Begrüßungscocktail!
Dabei lerne ich dann endlich auch Leandro O. persönlich kennen. Ich bin ja so gespannt.
Vielleicht sollte ich jetzt zuerst einmal einige Daten über die Yolanda sammeln.
Ich werde das Infomaterial für meinen geplanten Artikel benötigen, also vollbringe ich die unvermeidliche Fleißarbeit am besten gleich zu Beginn.
Eigentlich ist die Yacht relativ klein, gemessen an Luxusmaßstäben, das hat mir Patrick bereits erklärt.
Sie bietet Platz für maximal vierzig Besatzungsmitglieder und rund zwanzig Gäste.
Nun ja, »klein« ist eben relativ.
Dafür verfügt die Yolanda aber über einige Details, welche die Segelyacht tatsächlich unvergleichlich – und unwiderstehlich – machen: beispielsweise einen Pool, dessen Boden aus lauter kostbaren Mosaiksteinchen besteht.
Was alleine noch nichts so Besonderes wäre, außer natürlich, dass es teuer war. Und immerhin sieht es wunderschön aus.
Aber das wirklich Besondere kommt noch: Man kann diesen Poolboden anheben, dann wird er zur Tanzfläche.
Die Bar ist ebenfalls ein Hammer, schon rein optisch. Sie ist ebenfalls mit diesen funkelnden Mosaiksteinchen verziert.
Die Auswahl an Getränken lässt keinerlei Wünsche offen, das hat mir Patrick mit leuchtenden Augen versichert.
Aber das Tollste für mich sind die superbequemen Barhocker aus feinstem Leder!
Bei ihrem ersten Anblick strich ich fast feierlich mit der Hand darüber und konnte dann nicht anders, ich musste das Material einer weiteren Prüfung unterziehen.
Also kletterte ich auf einen der Hocker – und hatte fast sofort eine feuchte kleine Fantasie bei diesem unvergleichlichen Sitzgefühl: nämlich eines schönen Abends im superkurzen Minihängerchen und ohne Slip darunter darauf Platz zu nehmen ...
Aber weiter im Text: Es gibt zwei große, wunderschön möblierte Räume, jeweils als »Salon« bezeichnet, wo die Gäste sich zwanglos aufhalten können.
Ein Billardzimmer, eine holzgetäfelte Bibliothek, ein so genanntes Spielzimmer und dann natürlich die Luxuskabinen für die geladenen Gäste.
In die Kabine des Kapitäns haben Patrick und ich vorhin einen mehr als dreisten Blick geworfen. Wir haben uns heimlich hineingeschlichen.
Der Mann war mitsamt Gepäck noch nicht an Bord gekommen und die Kabine deswegen nicht abgesperrt, also beschlossen wir, es zu riskieren.
Tja, der Gute hat einen eigenen Whirlpool im riesigen und noch dazu von oben bis unten verspiegelten Badezimmer!
Wir brauchten uns nur anzusehen, mein Sunnyboy und ich – und mir schwante, dass wir gerade an ein und dasselbe dachten: Es wäre nett, jetzt auf der Stelle hier drinnen zur Sache zu schreiten. Im Whirlpool.
Leider hörten wir dann aber an Deck Schritte näher kommen, also ließen wir es bleiben.
Beim Hinausschlüpfen fragte ich mich noch halblaut, ob der Kapitän wohl die Dame seines Herzens an Bord mitbringen würde, aber das wusste Patrick auch nicht.
Nun, wir werden diese und andere Details ja bald herausfinden. Sollte der arme Kapitän aber ein Solo hier geben, dann hat er als Trost zumindest einen wunderschönen Whirlpool im Badezimmer.
Vielleicht lässt sich in dem Fall auch eine der anderen Damen bitten. Bei dem bloßen Gedanken muss ich mal wieder kichern.
Verglichen mit diesem Luxus ist unsere gemeinsame Kabine eher spartanisch, aber die gehört auch zum Typus »Crew Cabin«, Mannschaftskabine. Trotzdem ist sie geräumig, hell und einladend möbliert, verfügt über Satelliten-TV, Video und Internetanschluss.
Zurück an Deck treffen wir auf Viktor, der sich über die Reling beugt und gedankenverloren ins Wasser unter dem Kiel starrt.
Als er uns kommen hört, hebt er den Kopf und sieht uns lächelnd entgegen. Bel seinem Anblick beschleunigt sich mein Puls spürbar. Er sieht einfach zum Anbeißen aus, ein hinreißender Typ, ich kann also gar nichts für meine spontane Körperreaktion. Ich bin schließlich auch nur eine Frau.
Als Nächstes bemerke ich seinen Blick, der mich eine Sekunde lang zärtlich streichelt und mir wieder mal eine verräterische Gänsehaut beschert, trotz der Hitze.
Dann schweifen seine Augen auch schon weiter, hinüber zu Patrick. Wobei sein Blick ein wenig nervös zu flackern beginnt: Ist Viktor etwa verlegen?
Befürchtet er, von Patrick ertappt zu werden, während er mich so unverschämt anstarrt?
Ich wende den Kopf und merke, dass Patrick seinerseits mir einen – fragenden? nachdenklichen? – Blick zuwirft.
Aber Viktor rettet mich, indem er uns anspricht: »Na, ihr zwei? Auf Erkundungsrundgang? Habt ihr den sagenhaften Club schon entdeckt?«
»Welchen Club?«, fragen Patrick und ich gleichzeitig.
Viktor grinst vielsagend, zuckt lässig mit den Schultern und meint nur: »Ach, dann ist das Geheimzimmer vermutlich bereits wieder verschlossen worden. Ich hatte Glück, ich konnte vorhin einen kurzen Blick erhaschen. «
Ich will gerade nachhaken – forcierte Recherche gehört schließlich zum Journalistinnendasein, und ich gewöhne mich besser beizeiten daran, mich nicht mit Halbinformationen oder vagen Andeutungen abspeisen zu lassen –, da ereignet sich irgendetwas Besonderes hinter unseren Rücken.
Auftritt Seiner Majestät höchstpersönlich: Leandro O. kommt über die Gangway an Bord ... geschritten!
Er ist eher klein und auch nicht sehr kräftig gebaut, aber trotzdem halte ich unwillkürlich den Atem an bei seinem Anblick.
Der Mann besitzt Charisma, Donnerwetter!
Er kommt nicht einfach an Bord seiner Yacht, er tritt, wirklich und wahrhaftig auf.
In einer Art weißer Fantasieuniform mit goldfarbenen Litzen und Kordeln, die vermutlich an jedem anderen nur lächerlich wirken würde : Marke Operettentenor.
Er ist auch nicht wirklich ein gut aussehender Vertreter seines Geschlechts.
Aber er hat was, wenn ich auch noch nicht weiß, was genau es ist, aber ich komme schon noch dahinter: Ich sage nur: VERSCHÄRFTE RECHERCHE! Ich kann doch meine späteren Leser nicht mit angedeuteten Halbheiten und Gemeinplätzen langweilen.
Er sieht uns da stehen an der Reling, wie festgezurrt, setzt ein kleines, feines Lächeln auf und winkt uns dann alle drei heran: damit wir ihn feierlich begrüßen können, wie es sich gehört, wenn der König höchstpersönlich die Arena betritt.
»Ah, Patrick! Das ist also Ihre kleine Freundin. Allerliebst! «
Allerliebst?!
Dabei grinst er mir frech ins Gesicht und zwinkert mir auch noch anzüglich zu.
Ich ärgere mich und fühle mich gleichzeitig – erregt! Und geschmeichelt, ich gestehe auch dies.
Hier stehe ich nun also wie ein dummes Schulmädchen, habe einen Schweißausbruch trotz meines superleichten roten Thaiseide-Fummels, spüre mein Herz wie verrückt hämmern und gestehe mir fast in derselben Sekunde noch etwas ein: Ich habe Lust auf alle drei Männer – Patrick, Viktor und Leandro O. In dieser Reihenfolge, nacheinander oder alle zusammen, das muss ich noch mit mir selbst klären. Aber das ist bereits eine Detailfrage, das hat noch Zeit.
Als Nächstes mache ich mir Gedanken über den Grund: Die drei Männer sind so unterschiedlich, wie sie nur sein können!
Habe ich den Verstand verloren? Ist mein Nervenkostüm von dem luxuriösen Ambiente angegriffen und überreizt?
Der »König« ist darüber hinaus für meinen Geschmack zu alt und auch sonst – rein äußerlich betrachtet – eigentlich überhaupt nicht mein Typ.
Viktor stand mir bereits zur Verfügung, und ich habe aus freien Stücken nicht zugegriffen.
Außerdem bin ich weiterhin und sogar immer mehr in Patrick verliebt, und daran wird sich hoffentlich auch die nächsten Jahrzehnte nichts ändern. Jedenfalls nicht, wenn es in meiner Macht steht!
Bin ich eben im Begriff, eine weitere unbekannte Noella-Version zu entdecken? Sozusagen eine Zwillingsschwester, die in mir steckt, theoretisch angelegt ist wie ein physikalisches Feld, das nur darauf wartet, sich bei passender Gelegenheit zu materialisieren?
»Wir sehen uns dann gleich an der Bar, zum Begrüßungscocktail! «, sagt Leandro in diesem Augenblick, und es klingt warm, aber dennoch wie ein Befehl, dem sich tunlichst niemand widersetzen sollte.
Sein Tonfall und die für meinen Geschmack etwas zu tiefe Stimme reißen mich aus meinen Überlegungen heraus und holen mich zurück ins gleißende Sonnenlicht.
Ich transpiriere immer noch, spüre deutlich den feuchten Film auf meiner Haut und insbesondere zwischen den Brüsten. Es fühlt sich an wie nach dem Sex!
Er tritt jetzt ganz dicht vor mich hin, sieht mir in die Augen, legt dann eine Hand fest und gebieterisch unter mein Kinn, hebt es ein wenig an.
»Wirklich, ganz bezaubernd!«, sagt er, dieses Mal so leise, dass vielleicht nur ich es hören kann.
Und das verdammte Blut beginnt in meinen verdammten Ohren zu rauschen. Mir wird schwindlig, am liebsten würde ich meinen Kopf an Leandros Schulter sinken lassen.
Was zum Teufel ist los mit mir?