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Regenzeit

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Die erste Regenzeit in Sawateenatari hätte Tiko fast umgebracht. In den Bergen fiel um diese Zeit Schnee vom Himmel und es war kalt. Aber gegen diese Kälte konnte man sich schützen. Dicke Pelzmäntel, pelzgefütterte Mützen und Stiefel, ebenso dick gefütterte Beinkleider. So gekleidet machte es sogar Spaß, in den Schnee hinauszureiten. Die Jagd war einfach, denn das Wild hinterließ deutliche Spuren, und die deutlich leichteren Hunde hatten keine Schwierigkeiten, auf der gefrorenen Eiskruste zu laufen, ihre Beute einzuholen und für die Jäger zu stellen.

Hier dagegen …

Hier regnete es. Und regnete. Und regnete. Alles war irgendwie klamm, wenn es nicht gleich nass war, und die Kohlepfannen konnten auch nur unzureichend Wärme in die Räume bringen. Die Luft schien zugleich zu stehen, ein Dunst, der trotz der Wärme kalt war. Und da die Kohlepfannen vor dem Fenster standen, wurde Tikos Pritsche von der Wärme überhaupt nicht mehr erreicht.

Sein Bettzeug begann zu schimmeln.

Er versuchte, es tagsüber in der Nähe der Kohlepfannen aufzuhängen, aber Zakari verbot es ihm schroff. „Ich will nicht, dass es hier aussieht wie in einer Wäscherei. Der Hauptmann soll einen ordentlichen Raum sehen.“

Also machte Tiko sein Bett nach Vorschrift und legte sich abends unter die schimmlige Decke.

Und er wurde krank. Ein hartnäckiger, bellender Husten, der ihn nicht mehr schlafen ließ. Die anderen allerdings auch nicht. Schließlich hatte Zakari die Nase voll und schickte Tiko zum Heiler. Der hörte sich an, was der schniefnasige, fiebernde junge Mann vor ihn erzählte, und packte ihn auf die Krankenstation, in ein sauberes, durch heiße Steine gewärmtes Bett. Ohne Schimmel.

*

Als Tiko endlich zu seiner Gruppe zurückkehrte, war der schlimmste Teil der Regenzeit vorbei, und er hatte eine neue Decke.

Schenomat war heilfroh, dass er seine Aufgaben wieder mit jemandem teilen konnte. „Ich glaube, ich verstehe jetzt die Seufzer der Diener, die immer hinter uns Kindern her putzen durften, wenn wir mal wieder im Schlamm am Flussufer gespielt hatten“, vertraute er Tiko an. „Meine Finger sind so aufgesprungen, dass ich manchmal kaum ein Schwert halten kann.“

Genau das mussten sie zurzeit jeden Tag. Der Hauptmann war inzwischen von den Holzschwertern zu richtigen eisernen Waffen übergegangen, wenn auch welche, die keine scharfen Klingen hatten. Aber auch stumpfe Klingen taten gemein weh, wenn man damit getroffen wurde. Tiko hatte einen blauen Fleck neben dem anderen. Nicht, dass es ihn wunderte, ihm fehlten schließlich fast zwei Monde an Übungen. Er versuchte, diese fehlende Zeit durch vermehrten Einsatz und zusätzliche Übungen wettzumachen. Nicht auszudenken, was sein Vater sagen würde, wenn Hauptmann Bodoke ihm seinen Sohn als Versager zurückschickte.

Tiko konnte spüren, wie er kräftiger wurde. Und nicht nur er spürte es, auch seine Gegner. Hin und wieder gelang es ihm jetzt sogar, Sieger in den Übungskämpfen zu sein. Zakari sah ihn nicht mehr ganz so geringschätzig an, und einige der anderen aus seiner Gruppe redeten tatsächlich mit Tiko. „Sie sehen, dass du nicht aufgibst, und das imponiert ihnen“, erklärte Schenomat. „Du könntest es tatsächlich schaffen.“

*

In der Nacht hatte es gewittert. Die Sonne schien durch eine geradezu erfrischend klare, kühle Morgenluft in den Übungshof, wo die Rekruten sich versammelt hatten, die Schwerter und Schilde bereits in der Hand.

„Heute ändern wir die Kampfpartner“, erklärte Hauptmann Bodoke, während er mit auf den Rücken gelegten Händen und wiegendem, breitbeinigen Gang an ihnen vorbeimarschierte. „Bislang habt ihr nur innerhalb eurer Gruppen geübt. Ihr kennt eure Kameraden, wisst, wie sie kämpfen, und habt euch darauf eingestellt. Aber im wirklichen Leben kriegt ihr keine Chance, euch auf eure Gegner einzustellen. Jeder, egal, ob Soldat, Krieger oder ein mit einer Mistgabel bewaffneter Bauer, der sich euch entgegenstellt, wird eine andere Art zu kämpfen haben, eine, die euch vollkommen unbekannt ist. Ihr müsst lernen, aus den Bewegungen eurer Gegner auf deren Vorhaben zu schließen, und das könnt ihr nur, wenn ihr hier nicht ewig gegen die gleichen Leute antretet. Darum mischen wir ab sofort die Gruppen. Also: Gruppen teilen, und die jeweilige zweite Hälfte rückt auf dem Platz heute eine Gruppe weiter, morgen zwei, übermorgen drei und so weiter, bis ihr alle Gruppen durch habt. “

Selbstredend hatte der Hauptmann recht, das sah Tiko ein, aber er würde auf diese Weise auch gegen die engeren Freunde des Kronprinzen kämpfen müssen. Wenn nicht sogar gegen Rumaru selbst. Soviel hatte Tiko durch Beobachtungen schon gelernt: Rumaru verlor nicht gerne. Alles, was ihm zu seinem Unglück noch fehlte, war ein Kronprinz, der sauer auf ihn war.

Es war, als ob die Winddämonen seine Gedanken gelesen und beschlossen hatten, ihm den größtmöglichen Streich zu spielen. Es dauerte nur drei Tage, da musste Tiko gegen Rumaru antreten.

Schon als Hauptmann Bodoke die Paarungen verlas, hörte Tiko hässliche Pfiffe und unterdrücktes Lachen. „Als ob man eine Bergmaus gegen einen Falken kämpfen lassen könnte! Der macht sich gleich vor Angst nass!“

„Kein Wunder. Der hat doch mit Sicherheit zu Hause kein vernünftiges Training bekommen. Welcher Vater würde schon eine Ausbildung auf einen Sohn verschwenden, den er nur zwei Silben wert hielt?“

„Und so einer soll gegen den Kronprinzen antreten? Da könnte ja jeder dahergelaufene Niedriggeborene kommen!“

Rumaru selbst sagte nichts. Aber der Blick, mit dem er Tiko von oben bis unten musterte, triefte vor Verachtung.

Tiko wartete vorsichtig auf den ersten Zug seines Gegners. Rumaru ließ sich Zeit, umrundete ihn fast zwei Mal, bevor er mit einem langen Ausfallschritt zuschlug. Tiko riss seinen Schild hoch und parierte. Ein zweiter Angriff lief fast genauso ab. Tiko sah, wie Rumarus Augen sich verengten. Der Prinz hatte begriffen, dass er so nichts erreichen würde. Jetzt griff er richtig an, mit einer raschen Folge von Schwertschlägen. Wieder parierte Tiko, ohne seinerseits anzugreifen.

„Bist du zu feige, richtig zu kämpfen?“, zischte Rumaru böse. „Kleine Bergratte!“

Und er griff erneut an.

Mit gleichem Ergebnis.

Rumaru trat einen hastigen Schritt zurück und musterte Tiko über den Rand seines Schildes. Sein Gesicht war gerötet, Schweiß glänzte auf seiner Stirn. Dann griff er erneut an, dieses Mal mit einer Wucht, die Tiko verriet, dass es aufs Ganze ging. Wenn einer dieser Schläge ihn jetzt traf, würde es gebrochene Knochen geben oder Schlimmeres. Ihm blieb keine Wahl, er musste sich wehren. Er parierte erneut. Und dann griff er seinerseits an.

Die Welt bestand nur noch aus Staub, den Hall der Schwertklingen und stechender Sonne und mitten darin Rumarus Gesicht, jetzt bar jeden Ausdrucks. Nur seine Augen schienen noch zu leben und sie funkelten vor Hass. Tiko fixierte seinen Blick darauf, nahm die Bewegungen von Schwert und Schild nur noch undeutlich wahr, ließ seinen Körper reagieren, während sein Blick sich in den des anderen krallte. Tosendes Gebrüll war um ihn.

Dann riss ihn eine harte Hand zurück, dass er mit Wucht zu Boden ging, und die Welt wurde still.

Tiko blinzelte. Gut drei Mannslängen entfernt stand Rumaru, von drei weiteren Kadetten gehalten, heftig atmend, staubbedeckt, mit einem Schild, der irgendwie einen langen Riss bekommen hatte. Und über ihm selbst schien Hauptmann Bodoke fast in den Himmel zu ragen.

„Welcher Winddämon hat euch geritten? Ihr sollt miteinander üben, nicht einander umbringen!“ Bodokes Stimme überschlug sich fast. „Und warum, bei allen Ungeheuern der Wüste, habt ihr nicht gehört, als ich euch befahl, mit dem Unsinn aufzuhören? Egal, wie sehr die Schlacht tobt, ein Soldat muss immer imstande sein, die Befehle seines Vorgesetzten zu hören! Ihr dagegen tobt euch aus wie zwei Straßenköter, die den gleichen Knochen wollen. Seid ihr noch zu retten?“

Erst dann registrierte er offensichtlich, dass einer der Ausgeschimpften der Kronprinz war. Sein Mund klappte zu, seine Schultern sanken herab und sein Gesicht wurde blass. Aber Kronprinz oder nicht, momentan war Bodoke der Ausbilder und somit, rein technisch gesehen, der Ranghöhere. Er drückte seine Schultern wieder hoch.

„Strafexerzieren für beide. Den kompletten Rest des Tages. Und heute Abend könnt ihr euch die Nachtwache teilen“, fügte er grimmig hinzu. „Hoffentlich wisst ihr dann Morgen, euch besser zu betragen.“ Dann drehte er sich auf dem Absatz um und befahl den anderen, ihre Übungen wieder aufzunehmen.

*

Nahezu fünf Kerzen lang Strafexerzieren. Tiko tat ohnehin jeder Knochen weh von dem Schwertkampf und zum Ende des Tages waren seine Arme und Beine nahezu Pudding. Rumaru schien es nur wenig besser zu gehen.

Dann durften sie etwas essen, aber Tiko fühlte sich so miserabel, dass er das Essen nicht bei sich behalten konnte. Am Ende musste er sich mit Kräutertee und trockenem Fladenbrot begnügen. Rumaru hatte etwas weniger Schwierigkeiten, er vertrug wenigstens noch das Fleisch.

So wenig er auch gegessen hatte, Tiko war nach dem Essen so müde, dass er im Stehen hätte einschlafen können. Aber es half nichts, sie mussten zum Wachgang und dort ihre Runden drehen. Rumaru sprach während der ganzen Zeit nur ein einziges Mal mit ihm. „Das wirst du büßen, Bergratte!“ Danach ignorierte er Tiko.

Aber auch wenn er sich den ewigen Zorn des Kronprinzen zugezogen hatte, etwas Gutes kam doch bei dieser Sache heraus. Tiko fand neue Freunde, sowohl im niederen Adel als auch zwei Sohne des Hochadels. „Die bewundern dich“, sagte Schenomat grinsend. „Dafür, dass du so lange und so gut gegen Rumaru durchgehalten hast. Das hätte sich keiner von denen getraut.“

„Ich war trotzdem ein Idiot“, knurrte Tiko. „lege mich ausgerechnet mit dem Kadetten an, dessen Vater der einzige Mensch in ganz Karapak ist, der mir einen längeren Namen verleihen kann.“

„Ach, vergiss doch den blöden Namen. Das ist auch nur so eine Marotte von euch Karapakiern. Bei uns ist es egal, wie lang ein Name ist. Der Name meiner Mutter hat sogar nur eine einzige Silbe.“

Tiko starrte seinen Freund verblüfft an. „Aber … Wie wisst ihr dann, welchen Rang euer Gegenüber hat?“

„Ganz einfach. Wer die meisten goldenen Ringe trägt, hat den höchsten Rang.“ Schenomat musterte seine nackten Finger und fügte fast ein wenig klagend hinzu. „Die musste ich alle hier ablegen. Hauptmann Bodoke sagte, mit den Dingern kann ich nicht kämpfen.“

„Und wo sind die geblieben?“

Schenomat tauchte unter seine Pritsche und kam mit einem grauen Steinkästchen wieder hoch. Er hielt es unter Tikos Nase und klappte es auf.

Tiko hielt die Luft an. Soviel Gold und glitzernde Steine hatte er noch nie auf einmal gesehen. „Du bist ja reich!“, stieß er hervor.

„Und? Nützt mir überhaupt nichts. Auch reich bin ich nichts als eine Geisel, damit mein Vater pariert.“ Schenomat klappte das Kästchen wieder zu und stellte es zurück an seinen Platz.

*

Rumaru ließ seine Beziehungen spielen. Wie zufällig traf er sich mit dem Aufseher der Kleiderkammer, dem Stallmeister, dem Waffenmeister und diversen anderen, für die Kadetten zuständigen Männern. Beiläufig fiel die eine oder andere Bemerkung, dass ein gewisser Tiko wohl nicht das Zeug für die königliche Garde habe und dass es gut wäre, wenn dieser ungebildete Bergtrampel ein paar dezente Hinweise bekam, dass er besser verschwände. Etwas, was die meisten seiner Gesprächspartner nur zu gerne erfüllten. Wer wollte sich nicht mit dem zukünftigen König gut stellen?

Tiko merkte ziemlich schnell, dass er nicht zufällig immer die schlechtesten Sparring-Partner, die schäbigsten Dienste und die schartigsten Übungsschwerter bekam. Bei den Beurteilungen landete Tiko folgerichtig jetzt fast immer am untersten Ende der Skala. Er konnte von Glück sagen, wenn er mal nicht unter den letzten dreien war. So würde das nie etwas mit einem längeren Namen.

Anfangs beklagte er sich.

Seine Zimmergenossen taten, als ob sie nichts hörten.

Hauptmann Bodoke sah ihn lange schweigend an. Dann sagte er nur: „Wer in die Garde will, muss mit allen Schwierigkeiten fertigwerden.“

Also übte Tiko verbissen, jede freie Kerze Zeit, wieder und wieder.

Nachdem er endlich dreimal hintereinander im Schwertkampf gesiegt hatte, bekam er plötzlich bessere Sparrings-Partner. Viel bessere. Solche aus dem Hochadel, von Kindsbeinen an in Waffen geübt, sozusagen mit dem Stahl in der Wiege aufgewachsen. Seine eigenen Künste verblassten ihnen gegenüber zu einem kläglichen Nichts. Niemandem fiel mehr auf, dass er tatsächlich besser geworden war und nach wie vor zulegte. Niemandem außer Schenomat. Zumindest war der der einzige, der es ihm sagte.

„Du hast Ehrgeiz“, meinte er. „Mehr als ich auf jeden Fall.“

„Willst du es denn diesen arroganten Arschlöchern nicht zeigen?“

„Wozu?“ Schenomat spuckte aus, traf zielsicher eine dicke Kakerlake, die gerade die Wand hinaufmarschierte. „Ich will nur meine Zeit hier überleben.“

Tiko starrte düster auf die Kakerlake, die nun rücklings auf dem Boden lag und zappelnd versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Unwillkürlich verglich er sich mit diesem Insekt. Immer wieder von stärkeren Mächten zurückgehalten, unfähig, sein Ziel zu erreichen.

„… finde ich, ist vollkommener Quatsch!“

„Wie ... Was?“ Tiko schreckte hoch.

„Du hast mir überhaupt nicht zugehört, oder?“

„Nein“, gestand er.

„Ich habe gesagt, dass deine Methode, wie du hier vorankommen willst, meiner Meinung nach vollkommener Quatsch ist.“

Tiko spürte jenen nur allzu vertrauten Trotz in sich aufsteigen, der ihn immer wieder in Schwierigkeiten gebracht hatte.

„Und du kennst natürlich eine bessere!“

„In der Tat.“ Schenomat musterte ihn irgendwie vorsichtig. „Du zeigst es einfach zu deutlich, was du willst. Weißt du, wenn du derart deinen Ehrgeiz zeigst, machst du es ihnen viel zu leicht, dich zurück in den Staub zu treten. Versuch es behutsamer, einschleichender. Ein passendes Wort, eine unauffällige Hilfeleistung, ein kleiner Gefallen … Das bringt dich weiter als jede noch so gute Schwertkunst.“

„Aber es bringt keine Ehre!“ Jetzt war Tikos Stimme so eisig wie die Klammer, die sich um sein Herz gelegt hatte und es zu erdrücken drohte. „Ich brauche einen ehrenhaften Sieg, groß genug und wichtig genug, dass der König selbst ihn zur Kenntnis nimmt und mir eine Belohnung anbietet. Ich muss einfach einen anderen Namen bekommen! Aber das verstehst du ja sowieso nicht!“

Er drehte sich um und marschierte hinaus, ohne Schenomat noch einmal anzusehen.

An dem Tag sprach er nicht mehr mit Schenomat und Schenomat nicht mit ihm. Auch am nächsten Tag herrschte eisiges Schweigen zwischen den beiden. Natürlich blieb das nicht unbemerkt.

„Unsere beiden Turteltäubchen haben Streit! Wie schade! Wo sie doch so eng miteinander schienen, dass ich schon gedacht habe, sie bauen sich ein Nestchen und brüten zusammen!“, höhnte Piktattwa.

Rumaru höhnte nicht. Er lächelte nur.

Als sie abends nach den Übungskämpfen die Waffen putzten, setzte Tiko sich neben Schenomat. Leise, damit die anderen es nicht mitkriegten, begann er zu sprechen. „Rumaru hat heute gelächelt.“

Schenomat zog den Wetzstein an der Schwertklinge entlang und antwortete nicht.

„Er hat gelächelt, als er in unsere Richtung blickte.“

Der Wetzstein zog unbeirrt weiter über die Klinge.

„Vermutlich hat er recht, so zu lächeln. Es war ausgesprochen dumm von mir, meinen Frust ausgerechnet bei dem abzulassen, der mir helfen wollte und dessen Ratschlag nur gut gemeint war.“

Der Wetzstein hielt einen Moment inne, dann zog er wieder über die Klinge. Dem Geräusch nach war der Stein bereits trocken. Nicht gut für die Klinge. Aber der Wasserkrug stand bei Tiko, und es sah nicht danach aus, dass Schenomat ihn darum bitten würde.

„Schenomat, ich entschuldige mich bei dir.“

Der Stein glitt unbeirrt weiter. Tiko konnte Schenomat kaum verstehen, als er jetzt leise zu reden begann.

„Du hast recht, euer karapakisches Prinzip von Ehre verstehe ich nicht. Ich will es auch nicht verstehen. Eure Ehre bringt Leute um. Ihr stürzt euch in aussichtslose Kämpfe, nur der Ehre wegen. Ist Ehre wirklich so viel wert? Soll man ihretwegen sein Leben, das Leben seiner ungeborenen Kinder, vielleicht sogar die Existenz seiner ganzen Familie aufs Spiel setzen? Niemand bei mir zu Hause würde je so denken. Meinem Vater ist es egal, ob ich siege oder verliere, solange er mich nur lebendig wieder in die Arme schließen kann.“

„Und mein Vater“, sagte Tiko ebenso leise, „bringt mich um, wenn ich ohne Ehre nach Hause geschickt werde.“

Schenomat ließ den Wetzstein sinken und sah ihn an. „Vermutlich wird keiner von uns das kriegen, was er haben möchte. Unser Schicksal bestimmen andere. Wir leben in einer echt beschissenen Welt.“ Tiko sah, dass die Augen seines Freundes verdächtig glitzerten. Er antwortete nicht. Aber er beugte sich vor und goss ihm ein wenig Wasser auf die Schleiffläche des Wetzsteins.

Falkenblut

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