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Der Hund

Sommer 1025

„Ich wette, es sind zwei!“

Die Stallsklaven drängten sich um den Hundezwinger. Die graugefleckte Hündin fletschte die Zähne und rutschte ein Stück zurück. Weit kam sie nicht, der Zwinger war klein und eng. Sie trat auf der Stelle, legte sich dann schützend vor eine mit Stroh aufgeschüttete Ecke.

„Höchstens eines! Letztes Mal war überhaupt keines dabei! Und ich wette sogar, das ist auch dieses Mal wieder so. Keines, ganz bestimmt!“

„Aber davor war es der halbe Wurf. Wenn sie jetzt wieder eines dabei hat, war’s das. Dann ist sie raus aus der Zucht.“

„Ja, und wir kriegen sie dann irgendwann als Festbraten, wenn sie nicht vorher bei der Bärenhatz draufgeht.“

„Und, hältst du die Wette? Schwarz gegen blau?“

„Um welchen Einsatz?“

„Ich setze zwei Kupfer.“

„Halte dagegen!“

Die Hündin winselte. In dem Stroh hinter ihr bewegte sich etwas. Dann schob sich der Welpe hervor, kletterte ungeschickt über ihren Leib und begann nach der Zitze zu suchen. Ein zweiter, folgte, ein dritter, ein vierter. Nach einigen Rangeleien fanden auch Nummer fünf, sechs und sieben ihren Platz.

„Und? Haben sie die Augen schon auf?“

Der Hundeführer kletterte in den Zwinger und griff nach einem der Welpen. Die Hündin knurrte, rührte sich aber nicht.

„Schwarz.“

Er hob den nächsten Welpen hoch. „Schwarz.“

Steinkind war irritiert. Die Welpen waren doch gescheckt, wie ihre Mutter!

„Schwarz!“

„Schwarz!“

„Verdammt“, murmelte der Initiator der Wette.

„Schwarz!“

Der Hundeführer zögerte. „Blau.“ Seine Stimme war leise geworden. Er griff nach dem letzten der Welpen und schob noch ein „Schwarz“ hinterher, aber es klang nicht mehr so forsch wie am Anfang.

„Ha, ich hab’s gewusst!“ Der Gewinner machte einen Freudensprung und hielt dann sofort die Hand auf. „Deine Kupfer!“ Sein Wettgegner zahlte mit verdrossener Miene.

Im Zwinger jaulte die Hündin auf. Steinkind sah, wie der Hundeführer ihr die beiden letzten Welpen zurücklegte. Aber nur einer bewegte sich sofort wieder in Richtung der mütterlichen Zitzen. Der andere regte sich nicht, auch nicht, als seine Mutter ihn intensiv zu lecken begann. „Was ist mit dem Kleinen?“, fragte Steinkind.

„Tot“, gab der Hundeführer mürrisch zurück.

„Aber … warum?“

„Falsche Farbe.“

Steinkind war kein bisschen schlauer. „Wieso falsch? Die sehen doch alle gleich aus.“

„In welcher Höhle bist du denn groß geworden? Haben dir deine Eltern überhaupt nichts beigebracht? Ich meine natürlich die Augen!“

„Du meinst, du hast den kleinen Hund getötet, weil er die falsche Augenfarbe hatte? Darum ging das die ganze Zeit? Weil die Welpen heute das erste Mal ihre Augen offen hatten?“

„Ja. Und jetzt halt endlich den Schnabel, Junge. Ich will nicht weiter darüber reden. Schlimm genug, dass ich eine zuverlässige, gute Jagdhündin deswegen verlieren werde. Nach diesem Wurf wird unser Herr sie nicht noch einen Winter durchfüttern.“

Steinkind schwieg wie befohlen. Aber ihm war absolut nicht klar, weshalb blaue Augen bei einem Welpen so schlimm sein sollten, dass man nicht nur den Welpen, sondern auch seine Mutter deswegen tötete.

Bei den Ponys gab es keine blauen Augen. Steinkind war den Göttern dankbar dafür. Er sparte seine Kupferlinge, versorgte die Tiere und versuchte, möglichst niemandem aufzufallen.

Drei Winter zogen ins Land. Und als zu Beginn des Frühlings Steinkind seine Münzen zählte, stellte er erfreut fest, dass er bereits genügend Kupferlinge für einen ersten Silberling zusammenbekommen hatte.

Am nächsten Abend war der Beutel fort.

Steinkind ging zu Warg.

„Du hast einen Silberling einfach unter deinem Lager liegen lassen?“

„Keinen Silberling. Einen Beutel Kupferlinge. Vier Doppelhände große Kupferlinge, der Rest kleine Kupferlinge“, erklärte Steinkind.

„Und ich hab’ mich schon gewundert, woher Kromur so schnell neues Wettgeld bekommen hat.“

Steinkind war entsetzt. „Du meinst, er hat mein Geld einfach genommen?“

„Genommen und verwettet.“

„Aber … das kann er doch nicht einfach tun!“

„Offensichtlich doch.“

„Er muss bestraft werden!“

Warg seufzte. „Dir spuken immer noch die Gebräuche deiner Heimat im Kopf herum. Niemand wird Kromur bestrafen. Hätte er unseren Herren oder einen anderen freien Mann bestohlen, dann ja. Aber er hat nur einen Sklaven bestohlen, noch dazu einen aus seinem eigenen Haus. Was Sklaven untereinander treiben, ist den Herrn egal.“

„Aber … so kriege ich nie genügend Silberlinge für meinen Freikauf zusammen. Kromur … oder irgendein anderer … er könnte jederzeit dasselbe machen.“

Warg zuckte mit den Achseln. „Wenn du dein Geld behalten willst, musst du dich selbst darum kümmern. Such dir ein besseres Versteck.“

Das würde er tun. Aber vorher hatte Steinkind noch ein gewaltiges Hühnchen mit jemandem zu rupfen.

Da lief er, der Dieb. Ein gestandener Mann von zwanzig Wintern, langbeinig, breitschultrig, einen Kopf größer als Steinkind und zurzeit sehr gut gelaunt. Das würde ihm vergehen, dem elenden Dieb. Sein Ziel war ganz offensichtlich der Küchenhof, er war also nicht im Auftrag des Herrn unterwegs. Gut so. Steinkind beeilte sich, auf der anderen Seite der Scheune ebenfalls zum Küchenhof zu gelangen. Er pflanzte sich im Tor auf und wartete.

Kromur tauchte auf, wollte an ihm vorbei, und bekam prompt eine Faust zwischen die Rippen. Er taumelte einen Schritt zurück, blieb verdutzt stehen. „He, Junge, was soll das?“

„Du hast mein Geld gestohlen!“

„Deine paar Kupfer? Warum sollte ich die stehlen wollen?“

Steinkind spürte, wie ihm das Blut in die Wangen stieg. „Du hast es gerade zugegeben, woher könntest du sonst wissen, dass es lauter Kupferlinge waren?“

„Und wenn. Was kann ich dafür, dass du deinen Geldbeutel einfach so liegen lässt. Das ist doch die reinste Aufforderung, ihn zu nehmen!“

„Ich will es zurück!“

Kromurs Gesicht verzog sich zu einem bösen Grinsen. „Ist aber nichts mehr da!“

Steinkind hechtete vor und rammte mit seinem Kopf Kromurs Bauch. Drei Jahre Ställe ausmisten verschaffte einem ordentlich Muskeln. Der Mann ging zu Boden. Noch bevor er reagieren konnte, schlug Steinkind mit der linken Hand zu. Mit dem Stein, einem glatten, runden, gut hühnereigroßen Stein, den er die ganze Zeit darin festgehalten hatte. Der Stein traf Kromurs Schläfe. Der Mann erschlaffte. Steinkind schlug noch einmal zu, dieses Mal in Kromurs Gesicht. Die Nase brach mit einem hässlichen Knacken. Noch ein Schlag. Zähne splitterten. Dann packten ihn harte Fäuste und rissen ihn von seinem Opfer weg.

Sie warfen ihn in einen Verschlag ohne Fenster. Ein wenig faulendes Stroh lag auf dem Boden, sonst nichts. Seine Notdurft musste er in einer Ecke verrichten, unter den interessierten Augen quiekender Ratten. Es gab nichts zu essen, nichts zu trinken, und sobald er nachts einschlief, kamen die Ratten und versuchten an ihm zu knabbern. Nur das wenige Licht, das durch einige Ritzen zwischen den unteren Brettern hereindrang, verriet ihm, dass er bereits zwei Tage in diesem Loch saß. Am Abend des zweiten Tage hörte er ein Flüstern hinter der Wand. „Steinkind?“

„Warg!“ Steinkind hätte weinen können vor Erleichterung, dass ihn nicht alle vergessen hatten.

Es kratzte in der Wand. Dann schob sich ein Strohhalm in Kniehöhe hindurch, und aus dem Strohhalm begann Wasser zu tropfen. „Trink, Junge!“

Steinkind legte sich unter den Strohhalm, öffnete den Mund und trank jeden einzelnen Tropfen, bis nichts mehr kam. Der Strohhalm verschwand wieder.

„Du hast Glück, Junge. Kromur lebt noch und die Heiler sagen, er wird wieder.“

„Hat er nicht verdient“, knurrte Steinkind düster. „Und überhaupt, wen interessiert das?“

„Dummkopf! Dich! Hast du die geringste Ahnung, was dir sonst geblüht hätte? Vermutlich nicht, sonst hättest du dich nicht so dämlich verhalten. Es mag dem Herrn egal sein, ob wir einander bestehlen. Es ist ihm aber ganz sicher nicht egal, wenn einer von uns einen anderen verletzt oder sogar tötet. Das ist Beschädigung seines Eigentums, da wird der Herr sehr ungemütlich. Für das, was du getan hast, wird er dich auspeitschen lassen.“

Steinkind schwieg eine Weile. Dann fragte er zögernd: „Und wenn Kromur gestorben wäre?“

„Dann hätte der Herr dich totpeitschen lassen. Als Warnung. Aufsässige Sklaven kann er nicht gebrauchen.“

Steinkind hörte, wie Warg sich hinter der Bretterwand erhob und fortging. Er hatte eine Menge, worüber er nachdenken konnte. Die Peitsche also.

Noch nie war ihm eine Nacht so lang vorgekommen.

Es war Mittag, als der Herr ihn endlich holen ließ. Halb geblendet durch das plötzliche Licht stolperte Steinkind mit gefesselten Händen hinter dem Aufseher her, der ihn direkt zur Strafsäule brachte und festband. Der Herr hatte es sich nicht nehmen lassen, persönlich der Bestrafung beizuwohnen, und alle Sklaven standen im Hof der Schreie und mussten zusehen. Sie vermieden es, Steinkinds Blick zu begegnen.

„Ich dulde keine Aufsässigkeit. Ich dulde es nicht, dass einer von euch, egal aus welchem Grund, mein Eigentum beschädigt“, hörte er den Herrn in seinem Rücken laut sagen. „Normalerweise würde ich für eine Rauferei zwanzig Peitschenhiebe verhängen. Aber diese kleine Missgeburt aus den Bergen hat einen guten Arbeiter so sehr verletzt, dass ich teure Heiler bezahlen musste und trotzdem noch dreißig Tage auf seine Dienste verzichten muss. Für jeden dieser Tage verhänge ich einen zusätzlichen Peitschenhieb, und für jedes einzelne der dreiundzwanzig Kupferlinge, die ich den Heilern zahlen musste, ebenfalls.“

Steinkind sackte an der Strafsäule zusammen. Dreiundsiebzig Peitschenhiebe. Er konnte froh sein, wenn er danach überhaupt noch Haut auf seinem Rücken hatte. Dann klatschte auch bereits die Peitsche herab. Nach dem vierten Schlag schrie er. Nach dem achtunddreißigsten hörte er auf zu zählen. Kurz danach verlor er jedes Zeitgefühl. Die Welt versank in Schmerz.

Warg pflegte ihn gesund. Mit kühlenden Salben und einem Tee, der scheußlich schmeckte, aber das Wundfieber zurückdrängte. Es dauerte trotzdem fast einen Mond, bis Steinkind wieder arbeiten konnte. Er tat es mit zusammengebissenen Zähnen. Das frisch vernarbte Gewebe auf seinem Rücken spannte und schmerzte.

Drei Tage später passte er Kromur in der Küche ab, als der gerade seine Mahlzeit abholen wollte. Der Mann erstarrte, als er ihn sah. Seine Nase hatte eine hässliche Delle, und als er jetzt den Mund zu einem schiefen Grinsen öffnete, sah Steinkind, dass drei Zähne fehlten. Und über seinem Grinsen zuckten seine Augen nervös.

„Eines solltest du wissen“, sagte Steinkind. „Ich bereue nichts. Und ich würde es wieder tun, wenn nötig. Selbst, wenn es mich das Leben kostet. Also überlege dir, ob du noch einmal etwas von mir stiehlst.“

Zufrieden wandte er sich ab. Kromurs Grinsen klebte zwar immer noch in dessen Gesicht, aber er war aschfahl geworden. Dieser Mann würde ihn nie wieder bestehlen. Und vermutlich auch kein anderer.

Steinfaust

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