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»Ehefragen und Ehestreitigkeiten«

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Da Fontane ab 1850 – mit einer kurzen Unterbrechung – ein regelmäßiges, wenn auch kleines Einkommen hatte, heiratete er im Oktober desselben Jahres Emilie Rouanet-Kummer (1824–1902), mit der er seit 1845 verlobt gewesen war. Auch Emilie entstammte einer Hugenottenfamilie, war aber unehelich geboren. Ihre leibliche Mutter sah sich außerstand, ihr Kind aufzuziehen, und so wurde es im Alter von drei Jahren von dem Berliner Kommerzienrat K. W. Kummer und dessen Frau adoptiert, die allerdings bald starb. Fontane kannte Emilie flüchtig schon aus seiner Berliner Schulzeit; im Alter schrieb er, in Von Zwanzig bis Dreißig: »Ich habe viele hübsche Hochzeiten mitgemacht, aber keine hübschere als meine eigne.«


Brief Fontanes von einer seiner Reisen durch Brandenburg am 18. Mai 1868 an seine Frau Emilie

Der Briefwechsel des Ehepaars zwischen 1844 und 1898 ist weitgehend erhalten und erlaubt einen geradezu ›voyeuristischen‹ Einblick in die Ehe. Er lässt an ihrer tiefen lebenslangen Zuneigung und der Dauerhaftigkeit der Ehe keinen Zweifel, aber im Alltag war ihr gemeinsames Leben über Jahrzehnte durch Fontanes künstlerische, sensible, nervenschwache, krankheitsanfällige »Junggesellennatur« – so 1855 in einem Brief an Ludwig Metzel – und Emilies Bedürfnis nach bürgerlicher und finanzieller Sicherheit starken Belastungen, gegenseitigen Kränkungen und Vorwürfen ausgesetzt. 1870 sprach er in einem Brief an Emilie sogar von seiner »20 jährigen, unerträglichen Ehe«. Erst im Alter verlief das Eheleben harmonisch, konnte das Ehepaar bequeme gemeinsame Urlaube unternehmen. Nun fand Fontane liebenswürdige, anerkennende Worte für seine Frau:

ein anständiges sich Helfen, mit guter Rollenverteilung, bedeutet viel in der Ehe, und »mine Fru« hat diese große Sache geleistet. Um nur zwei Dinge zu nennen: sie hat mir alle Bücher und alle Zeitungen vorgelesen und hat mir alle meine von Korrekturen und Einschiebseln starrenden Manuskripte abgeschrieben, also, meine dicken Kriegsbücher mit eingerechnet, gute vierzig Bände. Sie war vor allem auch eine Haushälterin von jener nicht genug zu preisenden Art, die Sparsamkeit mit Ordnungssinn und Helfefreudigkeit verbindet. […] Ich muss […] noch weiteres an meiner Ehehälfte loben, und zwar ihr Temperament, ihren ausgesprochenen ästhetischen Sinn, ihre Naivität und nicht zum wenigsten ihre Unlogik. (Von Zwanzig bis Dreißig)

Von den sieben Kindern, die Emilie zwischen 1851 und 1863 gebar, erreichten drei Söhne und eine Tochter das Erwachsenenalter. Fontane musste seine wachsende Familie mit einem geringen Einkommen durchbringen. Manchmal war es schwierig, »auch nur das bescheidenste Brot zu finden«, vertraute er Wilhelm Wolfsohn im Januar 1852 an. Noch als Fünfzigjähriger bedauerte Fontane seiner Frau gegenüber »die ganze Bettelhaftigkeit unserer Zustände«. Zeitweilig versuchte er sein Einkommen mit Vorträgen und Privatunterricht und kurzfristig sogar mit einer Schülerpension aufzubessern, und wiederholt schrieb er ›Bettelbriefe‹ an den preußischen König. Die »bedrohliche Finanzlage des Hauses« verurteilte die stimmungsabhängige Emilie zu einem entbehrungsreichen, erschöpfenden Leben. Fontane war sich bewusst, dass seine Frau »den Schmerz nicht verwinden kann, arm zu sein«. Sie litt unter der niedrigen gesellschaftlichen Stellung ihres Mannes, der umgeben war von erfolgreichen, besser gestellten Freunden mit adligen, akademischen, militärischen Titeln oder Beamtenstatus.

Zweimal wurde Emilies Seelenruhe noch in den Siebzigerjahren auf eine harte Probe gestellt:

1 1870 kündigte Fontane, verärgert über die mangelnde Altersversorgung, seine Stellung bei der Kreuzzeitung. Ohnehin hatte er begonnen, sich von deren reaktionärem politischen Kurs zu distanzieren. Er wechselte als Theaterkritiker zur liberaleren Vossischen Zeitung. Diese Position war nun »das Einzige halbwegs Sichere«, so schrieb er später, »was ich habe«. Er erwarb sich dabei den Spitznamen ›Theaterfremdling‹ (T. F.), füllte seine Rolle aber zwanzig Jahre lang aus – und der Respekt, der ihm entgegengebracht wurde, wuchs in dieser Zeit beträchtlich.

2 1876 übernahm Fontane zum letzten Mal eine feste Anstellung: als erster Sekretär der preußischen Akademie der Künste. Doch enttäuscht von dem mangelnden Respekt, den man ihm dort entgegenbrachte, gab er die Position zu Emilies Entsetzen nach einem halben Jahr entnervt wieder auf.


Emilie Fontane, nach 1865

Theodor Fontane. 100 Seiten

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