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Das wirft die stärkste Kuh um

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In Europa setzte bereits ab Mitte des 18. Jahrhunderts eine äußerst fruchtbare Zeit für die Meteoritenforschung ein. Zum einen kam es in dichter zeitlicher Abfolge, mitunter im Jahrestakt, zu spektakulären Sichtungen von Boliden und herabstürzenden Gesteinsbrocken. Zum anderen machte die Untersuchung der geborgenen Objekte beachtliche Fortschritte – angetrieben vom zunehmend naturwissenschaftlich orientierten Blick auf die Welt sowie den allmählich besseren Methoden und Instrumenten der Forscher.

Die Serie begann mit einem Meteoritenfall im Oktober 1750 in Nicorps, Frankreich. Gut ein halbes Jahr später, am 26. Mai 1751, sahen sieben Zeugen, wie ein Feuerball bei Hraschina in Kroatien niederging. Noch während das Objekt über den Himmel zog, teilte es sich in zwei Stücke, die wie durch eine brennende Kette miteinander verbunden schienen. Es folgte eine Explosion, dann donnerte eine vorerst undefinierbare Masse auf ein frisch gepflügtes Feld und ließ den Erdboden erzittern. Anfang Juli 1753 verfolgten Menschen in Tabor, unweit von Prag, wie einem Gewitter plötzlich ein Stein entsprang. So wuchs die Sammlung der Berichte über derartige Vorkommnisse ständig, und die zugehörigen Schilderungen wurden mit der Zeit sachlicher, präziser und detailreicher.

Das Muster der Überlieferungen ist naturgemäß stets relativ ähnlich: zunächst ein Zischen, Pfeifen, Grollen in der Luft, dann eine mächtige Explosion, schließlich scheinen die Wolken eine Art Felsen auszuspucken. Solcherart nahm man auch den Meteoritenfall von Albareto bei Modena Mitte Juli 1766 wahr. Gegen fünf Uhr Nachmittag traf der Körper aus dem All mit solcher Wucht auf den Erdboden, dass eine Kuh von den Beinen gerissen wurde. Zwei Frauen klammerten sich an einem Baum fest, um nicht hinzufallen. Schließlich fand man einen schwarzen Gegenstand, der ein etwa einen Meter tiefes Loch geschlagen hatte. Als ein paar Leute aus der Nähe den Stein ausgruben, stellten sie fest, dass er noch warm war. Wie einst in Ensisheim und bei vielen Begebenheiten dieser Art hackten sie auch diesmal den wundersamen Stein in Stücke und trugen sie nach Hause.

Von besonderer Bedeutung ist Albareto, weil es nach dem damaligen Stand der Wissenschaft eine sorgfältige Untersuchung gab. Der Jesuitenpater Domenico Troili archivierte nicht nur Zeugenaussagen des Ereignisses, sondern nahm auch Teile des Steins in Augenschein. Troili beschrieb das Objekt als sehr schwer, magnetisch und teils bedeckt mit einer dunklen Kruste, die für ihn wie Spuren eines Feuers aussah. Weiters prüfte er das Fundstück unter dem Mikroskop und bemerkte: Die Konsistenz erinnere an Sandstein, durchsetzt mit kleinen, leuchtenden Partikeln aus Eisen und Bronzekörnern. Dieses in Meteoriten sehr häufige Material erhielt später die Bezeichnung „Troilit“, womit die historische Rolle des Jesuiten aus Modena bei der Erforschung von Meteoriten gewürdigt wurde.

Innerhalb weniger Wochen verfasste Troili ein 120 Seiten starkes Buch über das analysierte Fragment, in dem er Vermutungen über dessen Herkunft äußerte. Er stellte sich eine gewaltige unterirdische Explosion vor, die das Material in die Luft geschleudert hatte. Der Pater debattierte seine Thesen auch mit anderen Gelehrten seiner Zeit, und zumindest in einem Punkt herrschte Übereinstimmung: Der Stein war gewiss irdischen Ursprungs und durch eine auf der Erde wirkende Kraft emporgewirbelt worden.

Zwei Jahre nach Albareto sauste neuerlich ein extraterrestrischer Brocken zu Boden, der die Wissenschaft auf den Plan rief. Am Nachmittag des 13. September 1768 blieb einigen Erntehelfern in Lucé, Frankreich, der Mund offenstehen, als nach Donnerschlägen aus buchstäblich heiterem Himmel ein Stein aufs Feld fiel und sich ein gutes Stück im Boden eingrub. Die Akademie der Wissenschaften in Paris, die von dem Vorfall unterrichtet worden war, schickte drei Chemiker, um die Sache mit den Methoden strenger Naturwissenschaft zu prüfen. Die Experten, darunter ein Mann namens Antoine-Laurent de Lavoisier, beschrieben ebenfalls eine dünne, schwarze Kruste sowie ein gräulich schattiertes Inneres samt metallischen Körnchen. Vor allem aber nahmen sie die erste chemische Analyse eines Meteoriten vor. Resultat: 55,5 Prozent glasig wirkende Erde, 36 Prozent Eisen, 8,5 Prozent Schwefel.

Später entwickelte Lavoisier eine eigene Theorie über die Entstehung derartiger Objekte. Er vertrat die Ansicht, sie könnten unter besonderen Umständen in der Erdatmosphäre geformt werden. Würden Luftschichten elektrisch aufgeladen, gewissermaßen „entzündet“, könnte sich Staub womöglich zu Brocken aus Gestein und Metall zusammenballen. Auf diese Weise würden solide Körper in der Atmosphäre heranwachsen, aus der sie anschließend zur Erde fielen.

Von besonderem wissenschaftlichen Wert war außerdem ein Fund in Sibirien. Der deutsche Naturforscher Peter Simon Pallas durchstreifte im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts das russische Reich. Im Jahr 1772 machte er Station in einer Stadt namens Krasnojarsk. Während Pallas sich von den Strapazen erholte, schickte er einen Gehilfen auf Erkundungstour. Der schnappte im Dörfchen Ubeisk eine seltsame Geschichte auf: Dort lag ein riesiger Klumpen aus Metall, durchsetzt von rätselhaften Hohlräumen, die teils mit einer gelblichen Substanz gefüllt waren. Die Struktur des Objekts erinnerte ein wenig an einen Schwamm. Pallas beschloss, den mysteriösen, mehr als 700 Kilo schweren Körper zur näheren Untersuchung nach Sankt Petersburg transportieren zu lassen.

Eine mühevolle Prozedur, die sich über vier Jahre hinzog: Während der Wintermonate schleifte man das Trumm durch die Schneelandschaft, im Sommer kam man per Floß auf Flüssen voran. Im Mai 1776 traf die Fracht schließlich in der Kunstkammer von Sankt Petersburg ein. Nicht zuletzt das genaue Studium dieser Materialmischung, (heute heißen Meteoriten dieses Typs „Pallasit“), sollte einige Jahre später zu einem grundlegenden Umdenken über die wahre Herkunft der Meteoriten führen.

Achtung Steinschlag!

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