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Ein berühmter Meteorit stärkt den Kampfesmut

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Das Jahr 1492 hat mindestens zwei bedeutsame historische Ereignisse zu bieten. Am 12. Oktober erreichte Christoph Kolumbus den amerikanischen Kontinent. Und knapp einen Monat später, am 7. November, donnerte in Europa ein Meteorit herab. Kurz vor Mittag an diesem Tag erschütterte eine gigantische Detonation das Elsass und Teile der Schweiz. Ein kleiner Bub aus der Stadt Ensisheim beobachtete, wie ein großer Stein mit ohrenbetäubendem Getöse vom Himmel raste und außerhalb der Stadtmauern in ein Weizenfeld krachte. Der Einschlag ließ den Boden erzittern und hinterließ eine Grube von etwa einem Meter Tiefe.

Wenig später eilten die vom Spektakel alarmierten Stadtbewohner herbei. Fast augenblicklich fielen sie über den mysteriösen Stein her, wohl in der Annahme, es handle sich um ein Zeichen Gottes. Sie schabten, kratzten und brachen Teile davon ab und stopften sie in ihre Taschen, vermutlich in der Hoffnung, der Stein besäße wundersame Heilkräfte, könne für magische Rituale oder als Talisman dienen. Behördenvertreter schritten schließlich beherzt ein, untersagten das wilde Treiben, ließen den Stein in die Stadt schaffen und dort sicher verwahren. Heute sind noch 56 Kilo davon übrig, das ursprüngliche Gewicht dürfte rund 135 Kilo betragen haben. Es handelte sich somit um einen durchaus stattlichen Brocken – und zugleich um den ersten sorgfältig dokumentierten Meteoritenfall in Europa.

Kurz nach der Bergung des wundersamen Steins machte der römisch-deutsche König Maximilian I. Station in Ensisheim, damals ein Verwaltungssitz der Habsburger. Maximilian führte seine Armee gerade Richtung Frankreich und inspizierte bei seinem Zwischenstopp auch den mysteriösen Felsen. Grundsätzlich vertrat man die Ansicht, dass derartige Gegenstände ein böses Omen darstellen. Wenn der Allmächtige die Erde mit Steinen bewirft, sei dies als sicheres Zeichen dafür zu werten, dass er grollte – und womöglich auch noch Seuchen, Missernten oder Hungersnöte schickt. In dem Fall allerdings einigten sich Maximilian und die lokalen Autoritäten nach eingehender Beratung darauf, den mächtigen Stein lieber als wohlwollende Botschaft des Himmels zu betrachten, als Signal, Gott werde Maximilian in der nahenden Schlacht zur Seite stehen. Derart optimistisch gestimmt, säbelte Maximilian selbst zwei Stücke vom Meteoriten ab, eines für sich, eines für einen Freund, den österreichischen Landesfürsten Sigismund.

Um der Angelegenheit noch mehr Würde zu verleihen und deren Tragweite für die Nachwelt zu erhalten, verfasste der berühmte Schriftsteller und Poet Sebastian Brant ein aufwendig gestaltetes Flugblatt, das sowohl den Fall des „Donnersteins von Ensisheim“ beschrieb und illustrierte, als auch dem König Mut zusprach. Die Schrift in Latein und Deutsch war recht flott fertig: Bei dem Meteoriten von Ensisheim handelte es sich immerhin um das erste derartige Exemplar seit der Erfindung des Buchdrucks.

Vielleicht zog Maximilian mit all dem Zuspruch und spirituellen Beistand im Rücken besonders zuversichtlich in die Schlacht. Jedenfalls gewann er sie, und in späteren Gedichten pries Brant den vom Himmel gefallenen Stein als Beweis der göttlichen Gnade, die Maximilian zuteil geworden war. Brant fertigte aber auch sachlichere Notizen an. Zum Beispiel listete er auf, in welchen umliegenden Regionen die Menschen den Knall gehört hatten. Aufgrund seiner Angaben ließ sich rekonstruieren, dass die Explosion über ein Areal von rund 40.000 Quadratkilometern wahrnehmbar gewesen sein könnte.

Ein Zeuge war womöglich ein 21-jähriger Maler namens Albrecht Dürer, der sich am fraglichen Novembertag in Basel aufhielt, nur 40 Kilometer südlich von Ensisheim. Gesichert ist nicht, ob Dürer von dem Meteoritenfall wusste, doch malte er zwischen 1494 und 1496 ein kleines Bild auf die Rückseite seines Gemäldes „Büßender Hieronymus“, das heute zum Schatz der National Gallery in London zählt. Es ist ein düsteres, reichlich abstraktes Werk, in dessen Zentrum knallrot und bizarr gezackt das Schema einer Explosion zu sehen ist – und ein steinförmiges Objekt inmitten dieser Apokalypse.

Achtung Steinschlag!

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