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»Nano« entpuppt sich als etwas ganz Besonderes
ОглавлениеFaradays Gold-Flüssigkeit erregte lange Zeit kaum Aufmerksamkeit, auch in den 50 Jahren nach der elektronenmikroskopischen Untersuchung nicht. Doch dann geschah Erstaunliches: So um das Jahr 2000, verwiesen Wissenschaftler in vielen Arbeiten auf die Vorlesungen Faradays. Zeitlich fällt das mit dem Beginn des Booms des Begriffes »Nanotechnologie« zusammen, über den in Kapitel 6 noch die Rede sein wird.
Was steckte hinter dieser späten Ehre für Faradays Gold? Viele Forscher hatten erkannt, dass Gold-Nanopartikel leistungsstarke Reaktionsbeschleuniger sind, die die chemische Industrie umkrempeln könnten. Das war sehr überraschend, denn Gold galt als chemisch absolut träge. Es will mit anderen Stoffen sozusagen nichts zu tun haben. Ein Goldbarren lässt beispielsweise Sauerstoff- oder Wasserstoffmoleküle (O2 bzw. H2) nicht an seine Oberfläche binden. Gold rostet deshalb nicht; einer der Gründe, warum es für Schmuck oder Zahnfüllungen verwendet wird.
Gold-Nanopartikel benehmen sich völlig anders: Sie binden Sauerstoff- und Wasserstoffmoleküle nicht nur an ihre Oberfläche, sondern helfen ihnen auch noch dabei, sich emsig zu Wasserstoffperoxid zu verknüpfen. Sie wirken quasi als chemische Partnervermittlung, die Stoffe zusammenbringt. Chemiker nennen so ein Kuppler-Material »Katalysator«. Heute wollen Forscher mithilfe von Gold-Nanopartikeln aus Biomasse großtechnische Produkte für die chemische Industrie erzeugen.
Gold ist ein Paradebeispiel dafür, wie sehr es auf die Größe ankommt. Und dafür, dass es einen Unterschied gibt zwischen den Größenordnungen (unter einer Größenordnung versteht man das »Kilo«, »Zenti«, »Milli«, »Mikro« oder eben »Nano« vor der Längeneinheit »Meter«). Die Größenordnung »Nano« – wir wollen sie im Folgenden als »Nanoskala« bezeichnen (Kasten 1) – entpuppte sich immer mehr als etwas Besonderes. Ob etwa ein Goldkristall einen Zentimeter, einen Millimeter oder einen Mikrometer (Millionstel Meter) misst, ändert nichts an seiner chemischen Trägheit. Aber unterschreitet die Partikelgröße zehn Nanometer, macht das Gold seine bemerkenswerte Wandlung durch und wird zum hoch aktiven Katalysator.
In der Nanoskala verändern sich auch physikalische Eigenschaften dramatisch, beispielsweise der Schmelzpunkt: Der eines Goldbarrens liegt bei 1064 °C, der von 1,5 Nanometer kleinen Gold-Nanopartikeln nur bei 500–600 °C3, also etwa der Hälfte!
Nicht nur Gold ändert seine Eigenschaften, wenn es in Form von Nanopartikeln vorliegt, sondern auch viele andere Stoffe. So absorbieren etwa Nanopartikel aus Titandioxid die besonders hautschädliche UVB-Strahlung der Sonne stärker als größere Titandioxid-Partikel, weshalb sie für Sonnencremes interessant sind4. Zudem streuen Titanoxid-Nanopartikel, die kleiner als 50 Nanometer sind, sichtbares Licht nicht, und zwar aufgrund des gleichen Prinzips, das die Augenhornhaut transparent macht. Sonnencreme mit derart kleinen Nanopartikeln ist transparent und erspart dem Sonnenanbeter den weißen Film auf der Haut.
Von »Nano-Effekten« ist oft die Rede, wenn es um die chemischen und physikalischen Besonderheiten geht, die in der Nanoskala auftreten. Die »Nano-Effekte« sind natürlich interessant für die Industrie, denn sie bringen neue Funktionen. Und die geben etablierten Produkten einen Mehrwert, z.B. Transparenz für die Sonnencreme, Kratzfestigkeit für Brillengläser oder eine Freiheit von Beschlagen für Skibrillen.