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»Nanotechnologie«, ein austauschbares Attribut?

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Die schwere Fassbarkeit des Begriffes »Nanotechnologie« bringt freilich eine gewisse Beliebigkeit mit sich, um die es im zweiten Teil dieses Buches wesentlich gehen wird, und die die Debatte um Chancen und Risiken der Nanotechnologien erschwert. Da auch andere Begriffe rund um Nanotechnologien, wie etwa »Nanoskala« oder »Nanomaterial« oft recht schwammig sind und es bis auf wenige Anwendungsbereiche keine rechtlich verbindlichen Definitionen gibt, verwenden Forscher und Industrie in ihrer Kommunikation mit der Öffentlichkeit die Vorsilbe »Nano« oft nach Gutdünken. Wenn sie damit zum Ausdruck bringen wollen, dass sie am Puls der Zeit forschen oder innovative Produkte herstellen, dann ist »Nano« ein willkommener Werbeträger. Wenn es hingegen um Risiken geht, die die Nanotechnologien mit sich bringen könnten, wird der Begriff gerne weggelassen und ausgeblendet. Man hat dann einfach nichts damit zu tun. Das geht, weil »Nanotechnologie« ein so breiter Überbegriff ist. Das, was ein Forscher oder ein Industrieunternehmen auf der Nanoskala tut, lässt sich meist auch anders, konkreter, bezeichnen. Man verteilt zum Beispiel Additive in einem Lack, um ihn kratzfest zu machen oder man stellt »Halbleiter-Heterostrukturen« her, die blaues Licht emittieren. Schließlich zwingt einen niemand, dazuzusagen, wie groß die Additiv-Partikel sind, oder wie dick die einzelnen Halbleiter-Schichten in der »Heterostruktur« sind. Oder man mischt eben Partikel von 110 Nanometer Durchmesser in eine Kosmetik, statt unter 100 Nanometer kleine Teilchen und entgeht so einer »Nano«-Kennzeichnung wie sie die EU-Kosmetikrichtlinie seit 2013 fordert.

Letzteres Beispiel zeigt einen weiteren Aspekt der Beliebigkeit: die Grenzen der Nanoskala von einem und 100 Nanometern. Für diese Grenzen gebe es keine wissenschaftliche Begründung, sagen Experten.

Bevor wir zu solchen Streitfragen und der spannenden, konfliktreichen Debatte um die Nanotechnologien kommen, werden wir uns noch ansehen, wo Otto Normalverbraucher Nanotechnologien in seinem Alltag begegnet, wie die Zukunft der Nanotechnologien aussehen könnte und welche Risiken heutige und künftige Nanotechnologien mit sich bringen. Eine spannende Exkursion in den Kosmos des Winzigen steht uns bevor.

Ganz schön klein – Begriffe rund um Nanotechnologien

Nanometer

Ihren Fingernägeln beim Wachsen zuzusehen wäre eine langweilige Angelegenheit. Da bewegt sich ja gar nichts. Tut es doch: Pro Sekunde wächst ein Nagel ungefähr einen Nanometer. Womit wir bei der Längeneinheit wären, um die es in diesem Buch geht.

Standen Sie schon einmal zu Füßen des Matterhorns? Und kamen sich klein vor? Genau so klein käme sich ein auf einen Nanometer Körpergröße geschrumpfter Mensch gegenüber einem roten Blutkörperchen vor.

Im Folgenden ein paar Beispiele, die einen Nanometer veranschaulichen:

– ein Stecknadelkopf hat etwa einen Durchmesser von einer Million Nanometern.

– ein menschliches Haar hat einen Durchmesser von rund 80.000 Nanometern.

– acht aneinandergereihte Wasserstoff-Atome ergeben einen Nanometer.

Nanoskala

Jener Größenbereich, in dem sich Nanotechnologien abspielen. Er reicht von 1 bis 100 Nanometern. Die untere Grenze dient dazu, einzelne Atome oder Moleküle aus dem Spielfeld der Nanotechnologien auszuschließen. Einige Beispiele: Das Erbmolekül DNA liegt mit zwei Nanometern Durchmesser im unteren Bereich des Nanomaßstabs, Viren mit Größen von 50 bis über 100 Nanometern am oberen Ende. Allerdings wird auch gefordert, die Nanoskala auf 300 oder 500 Nanometer auszudehnen, um der bis zu etwa dieser Größe erhöhten Mobilität von Partikeln im Körper besser Rechnung zu tragen.

Wie klein die Nanoskala ist veranschaulicht folgender Vergleich (Abb. 4): Ein Nanopartikel von 100 Nanometer Größe ist verglichen mit einem Fußball so winzig, wie dieser Fußball verglichen mit der Erde.


Abbildung 4: Veranschaulichung der Größe eines Nanopartikels.

Nano-Objekt

Ein Ding, das mindestens in einer der drei Raumrichtungen Länge, Höhe und Breite nanoskalig ist. Das kann ein Nanopartikel sein (drei Richtungen nanoskalig), ein Nano-Röhrchen oder -Drähtchen (zwei Richtungen nanoskalig) oder eine ultradünne Schicht (eine Richtung nanoskalig).

Nanomaterial

Sammelbegriff für eine Vielfalt von künstlich hergestellten Materialien und Werkstoffen, die eines gemeinsam haben: eine charakteristische Größe des Materials.

Das kann eine Ansammlung von Nano-Objekten sein, etwa ein Pulver von Nanopartikeln, die durchaus verschiedene Durchmesser haben können (herkömmliche Herstellungsprozesse liefern meist so ein Gemisch verschieden großer Partikelchen). Laut der Definition der EU-Kommission müssen mindestens 50 Prozent der Partikel kleiner als 100 Nanometer sein, damit ein Nanomaterial vorliegt. Klumpen miteinander verbundener Nano-Objekte bilden nach dieser Definition auch dann ein Nanomaterial, wenn sie größer als 100 Nanometer sind.

Andere Definitionen fassen den Begriff etwas weiter: Sie schließen Objekte mit ein, die eine Nanostruktur aufweisen, d.h. im Aufbau der Objekte sind für die Funktion wichtige Bestandteile enthalten, deren Größe in der Nanoskala liegt. Das können z.B. die wenige Nanometer kleinen Noppen auf einer selbstreinigenden Oberfläche sein, die nur wenige Nanometer dünnen Halbleiter-Schichten in einer Leuchtdiode oder die in einen Kunststoff eingebetteten Nanoröhrchen.

In diesem breiteren Sinne will ich den Begriff Nanomaterial im Folgenden verwenden.

spezifische Oberfläche

Die Oberfläche eines Materials bezogen auf sein Gewicht, gemessen etwa in Quadratmeter pro Gramm. Ein Gramm Nanopartikel hat eine wesentlich größere Oberfläche als ein Gramm größerer Partikel, daher wächst die spezifische Oberfläche mit abnehmender Teilchengröße.

Ein Mikroskop, das Atome sieht und bewegt – oder die Geburtsstunde der Nanotechnologien

Viele datieren die Geburt der Nanotechnologien auf das Jahr 1981. Die Physiker Gerd Binnig und Heinrich Rohrer haben damals im IBM-Forschungslabor Rüschlikon bei Zürich das so genannte Rastertunnelmikroskop entwickelt. Es war das erste Mikroskop, das einzelne Atome abbilden konnte. Das erstaunliche Gerät gab den Startschuss zur Entwicklung einer ganzen Klasse von Werkzeugen, mit denen sich einzelne Atome nicht nur abbilden, sondern auch greifen, transportieren und an einem anderen Ort wieder ablegen lassen, den so genannten Rastersondenmikroskopen. Zudem ist das Prinzip so einfach, dass sich die Technik rasant in vielen Labors verbreitete. Forscher konnten den Nanokosmos von nun an deutlich intensiver erforschen und manipulieren als zuvor.


Abbildung 5: IBM-Logo aus 35 Xenon-Atomen, unter dem Rasterkraftmikroskop als Kegel sichtbar. Wäre ein rotes Blutkörperchen im gleichen Maßstab gezeigt, hätte es etwa die Größe eines Fußballstadions. Quelle: IBM.

Das wichtigste Teil eines Rastersondenmikroskops ist eine superfeine Nadel, die an ihrer Spitze nur ein einziges Atom besitzt. Die Nadel wird über das Objekt geführt, analog einer Plattenspielernadel über eine Schallplatte. Obwohl der direkte Kontakt ausbleibt, registriert die Nadel Unebenheiten auf der Oberfläche des Objekts. Auch ohne den Kontakt gibt es nämlich Wechselwirkungen zwischen Oberfläche und Nadelspitze, die vom Abstand zwischen den beiden abhängen (beispielsweise van-der-Waals-Kräfte oder magnetische Kräfte). Die Variation dieser Wechselwirkungen wird bei der Reise über das Objekt gemessen. Sie entspricht den Unebenheiten auf der Oberfläche, deren Relief sich somit berechnen lässt.

Die Kräfte lassen sich auch nutzen, um Atome auf einer Oberfläche zu bewegen. Zwei IBM-Forscher erregten 1990 Aufsehen, indem sie 35 Xenon-Atome auf einer Nickel-Unterlage zu der Buchstabenfolge »IBM« zusammenschoben. Das entsprechende Bild ist zu einer Ikone der Nanotechnologien geworden (Abb. 5).

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