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Nach Afrika.

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Am 9. Dezember, nachmittags 3 Uhr, erfolgte die Einschiffung. Ohne Wehmut verließen wir die Stätte, in der wir wenig Schönes, wohl aber recht viel Unangenehmes erfahren hatten. Zur Überfahrt nach Oran war der Dampfer „Ville de Madrid“ ein altes aber großes Frachtschiff der Compagnie des Messageries Maritimes zur Abfahrt bereit. Großartig ist der Verkehr am Hafen, in welchem die kleinsten Fischerboote bis zu den größten Dampfern vor Anker lagen, die ihrer Ein- und Ausladung harrten. Ganze Straßenlängen bilden mächtige Lagerhäuser, in denen Produkte aller Länder aufgestapelt sind. Eisenbahngeleise ziehen sich den Hafen entlang, so dass aus den Schiffen und Lagerhäusern die Güter gleich in den Zug verladen werden können. Auf dem Weg zum Schiff redete keiner ein Wort, denn jeder war sich jetzt schon bewusst den dümmsten Streich seines Lebens gemacht zu haben. Mit dem Gedanken: „Werde ich meine liebe Heimat auch wieder sehen?“ bestieg ich den Dampfer, in den gerade Pferde eingeladen wurden. Nach einer Stunde wurden die Anker gelichtet und ein mächtiges Geheul aus der Dampfpfeife, das nervenerschütternd durch den Körper fuhr, war das Zeichen, dass der Dampfer sich in Bewegung setzte. Das überaus zahlreiche Publikum drängte sich in lebensgefährlicher Weise bis an den Rand des Wassers heran. In allen möglichen Farben wehten die Tücher und immer wieder aufs Neue erschallt auf beiden Seiten das unaufhörliche „au revoir“, bis das Schiff den Blicken entschwunden war. Ich durfte nicht an die Meinen denken, sonst hätte ich die Tränen nicht zurückzuhalten vermocht.

Gleich nach der Abfahrt wurden die Teppiche für die Nacht ausgeteilt. In der uns angewiesenen Kajüte wollte ich mir für die Nacht ein angenehmes Plätzchen aussuchen, aber ich hatte mich verrechnet. Auf der Treppe kam mir ein fäkalienartiger Geruch entgegen, so dass ich gezwungen war, plötzlich Halt zu machen, um mit gemischten Gefühlen in den Raum hinunterzuschauen. Dort, wo ich meine Lagerstätte für die Nacht aufschlagen sollte, sah ich Pferde, Rinder und Schafe in bunter Gesellschaft beisammen. Ich zog deshalb vor, zwischen Himmel und Wasser auf dem Verdeck die Nacht zuzubringen. Das Wetter war angenehm und mild. Als Ruheplätzchen wählte ich mir die Schiffstaue neben den Masten. Die Ernährung auf dem Schiff war bedeutend besser, doch dafür war der Appetit unter den ausgehungerten Legionären desto grösser.

Nach Mitternacht, während alles im besten Schlaf lag, passierte das Schiff die Meeresströmungen im Golf de Lyon. Wie eine Nussschale wurde das Schiff von den Wellen hin und her geschleudert; eine Welle, die mit aller Macht über das Verdeck schlug und uns vom Schlaf erweckte, verursachte eine große Panik unter denen, die dort schliefen. Ganz durchnässt mussten wir abziehen und flüchteten uns unter das Mittelschiff, wo wir uns einigermaßen gegen die häufigen Sturzseen, die über Bord schlugen, schützen konnten. Stehend verbrachten wir die Nacht, denn die Wellen spülten unaufhörlich über das Deck. Gegen Morgen hatte der Dampfer wieder ruhigen Seegang, alles atmete erleichtert auf, zumal uns die Sonne begrüßte, die dann auch den ganzen Tag auf den blauen Meeresspiegel herniederstrahlte.


Oran: Hafen und Fort Santa Cruz.



Sidi-Bel-Abbés: Kaserne des 1. Regiments.

Von dem schönsten Wetter begünstigt, fuhr das Schiff am 8. Dezember in den Hafen von Oran ein. Welcher Anblick bot sich uns, als wir an Land kamen! Ich musste staunen über die verschiedenen Uniformen, die hier zu sehen waren. Dort erwartete uns schon eine Eskorte Zuaven mit aufgepflanztem Seitengewehr, um uns Blaue, wie man die Legionssoldaten dort nennt, nach dem kleinen Fort St. Therese zu begleiten. Außerdem war eine Menge Trödler, meist Juden, am Landungsplatz, die sich auf uns stürzten, um unsere guten Kleidungsstücke gegen ältere und einem kleinen Entgelt zu vertauschen, einige versuchten uns das Handgepäck zu entreißen, was jedoch die Gewehrkolben der Zuaven aufs wirksamste verhinderten. Im Fort angekommen wurden wir nochmal verlesen und durften dann wegtreten. Die Zustände waren dieselben miserabeln wie in Marseille. Hier konnte man erfahren, was uns im Regiment erwartete, da immer Abkommandierte der beiden Regimenter da sind. Nach dem Gehörten sah ich vollends ganz ein, wie sehr ich hereingefallen war. Genanntes Fort, das Depot, verfügt über die Zuteilung in die beiden Regimenter der Fremdenlegion: das erste liegt in Sidi-Bel-Abbés, das zweite in Saida. Ich wurde dem ersten zugeteilt. Am 12. Dezember verließen alle Angeworbenen das Fort und marschierten zu ihren Regimentern.

Wieder in Begleitung von Zuaven, ging’s zur Bahn, wo wir mit frischem Mut und neuen Hoffnungen den zur Abfahrt bereitstehenden Zug bestiegen. Um 9 Uhr erreichten wir die Station Le Clelat. Hier hatten wir einen längeren Aufenthalt, weil die Bahnlinie in die Garnison des II. Regiments nach Saida abzweigt. Nach einer 6stündigen Fahrt über St. Lucien, Imbert, Les Crembles fuhr der Zug in Sidi-Bel-Abbés, unserer zukünftigen Garnison ein. Auf dem kleinen Bahnhof bemerkte ich außer ein paar Reisenden eine kleine Abteilung Soldaten der Legion, die die Zivilisten mit argwöhnischen Blicken musterten, ob nicht ein Legionär darunter sei, der den Staub von Sidi-Bel-Abbés von seinen Füßen schütteln wollte. Der Weg zur Kaserne führte zuerst durch ein sandiges Terrain, dann passierten wir eine 300 Meter lange Pappelallee, die bis zur Stadtmauer angepflanzt ist. Vor der Porte d’Oran stand schon die Torwache, von der man mit einem „Bon jour les bleus“ empfangen wurde. Es ging dann durch eine breite, saubere Straße, an einer großen Standuhr vorbei, von der aus man die 4 Stadttore Porte d’Oran, Daya Mascara und Tlemcen sehen konnte. Hier schwenkten wir rechts ab und nach einigen Minuten befanden wir uns in der Kaserne der Legion. Durch ein großes Tor, vor dem die Soldaten auf langen Bänken saßen, marschierten wir hinein. Da der Transporttag immer auf den Mittwoch festgesetzt ist, so stand sofort eine Menge Neugieriger hinter uns, die nach Landsleuten Umschau hielten. Der Sinn der Fragen und Redensarten, mit denen wir bestürmt wurden, war der, ob es denn in Deutschland nichts mehr zu essen gäbe, weil man nötig hätte, hieher zu kommen.

Mit großer Aufmerksamkeit hörte ich dem diensttuenden Offizier zu. Auf einmal packte mich jemand am Arm, ich schaute mich um und vernahm die Worte: „Was machst du hier?“ Ich erkannte zu meiner Freude einen Schulkameraden mit Namen Wellner, der dann im folgenden Jahr bei Tanarivo in Madagaskar von den Hovas leider ermordet wurde. Nach dem Verles wurden wir der 17. Kompanie zugeteilt und in das Revier jener Kompanie gebracht. Wir stiegen zwei breite, saubere Treppen hinauf, unser Sergeant Namens Favet öffnete eine Türe und wir befanden uns in einem großen Schlafsaal, in dem 28 frisch überzogene Betten standen. Auf jeder Seite stand ein großer, sauber gescheuerter Tisch und zwei Bänke, direkt über den Tischen war ein Gestell mit einem giebelartigen Aufsatz an die Decke angeschraubt, unter dem man Brot, Teller und Bestecke aufbewahrte. Über den Betten waren lange Bretter mit verschiedenen Haken, auf denen die „paquetage“, die Ausrüstung gelegt wird. Der Legionär hat keinen Kasten, er muss deshalb seine Effekten auf einen Raum, so breit sein Bett ist, verpacken. Dieses Zimmer bewohnten wir, bis die Kompanie kurz vor Weihnachten von Ain-Sefra zurückkehrte. Nachdem ich mir die erste Legionssuppe trefflich schmecken ließ, ging es in die Kleiderkammer.

Hier nahmen wir die Ausrüstung, bestehend aus Leibwäsche, Drillichzeug, rote Hosen, blaue Jacke, Mantel, Ceintures, Tornister, Feldflasche, Leder- und Putzzeug sowie eine Zipfelmütze in Empfang. Alles war neu. Der Kammerverwalter, ein Soldat erster Klasse (= Gefreiter), zog mit uns ab, um unsere Ausrüstung zu matrikulieren. Jeder von uns bekam die Litera E und eine Nummer, die „matricule“ der Legion. Mein Name war jetzt Nebensache geworden, ich hieß von heute ab 17 913. Im Laufe des Nachmittags erhielten wir ein Brausebad und wurden nochmal in der „Infirmerie“ vom Regimentsarzt untersucht. Nach Beendigung der Visite machte uns Sergeant Favet darauf aufmerksam, dass unsere Zivilkleider alsbald verkauft werden müssen. Wir wurden zu einem großen Tor bei den Speisesälen geführt, woselbst schon eine Schar einheimischer und spanischer Juden, Araber und Neger, warteten, denen wir um jeden Preis unsere Kleider abgeben mussten. Hierbei gab es eine wahre Keilerei, denn jeder wollte die größere Beute für sich haben. Für meinen Anzug mit Überzieher erhielt ich 10 Frs. Bei meiner Rückkehr ins Zimmer war mein Landsmann Wellner anwesend, er bot mir eine hilfreiche Hand und legte meine Kleidungsstücke nach Vorschrift zusammen. Staunend schaute ich auf seine flinken Finger, mit denen er Stück für Stück faltete, damit alles die gleiche Länge hatte.

Durch die Hilfe meines Freundes war ich der erste, der seine paquelage auf dem Brett aufgebaut hatte, auch war ich schon angezogen, um gleich nach dem Essen in die Stadt zu gehen. Bis zum Essen, das um 5 Uhr verabreicht wird, besichtigte ich die Kaserne. Auf unserm Weg über den peinlich sauber mit Kies bestreuten Kasernenhof, der auf allen Seiten mit großen Maulbeerbäumen angepflanzt ist, kamen wir auch zur Regimentskantine, ein Häuschen, das im rechten Kasernenwinkel halb versteckt liegt. Vor dem Eingang vernahm ich einen Wortschwall in allen Sprachen, das Lokal war gedrängt voll, wir mussten uns zum Büfett hindurchzwingen, um einen Liter Wein zu bekommen. Auf langen Bänken saßen die Legionäre einer neben dem andern, in roter Hose, blauer Jacke und Käppi. Der eine deklamierte, der andere sang Pariser chansons. Es war ein ohrenbetäubender Lärm, den die Afrikaner bei ihrem Liter schweren Rotwein für 5 Sous machten.

Mit Verwunderung betrachtete ich die Ruhe der hinter dem Schanktisch stehenden Cantinière, Frau Rux, eine Bayerin, mit welcher sie die lärmenden Legionäre bediente. Beim Verlassen des Lokals vernahm ich ein tremolierendes Signal, das, wie mein Freund sagte, das Zeichen zum Nachtessenholen sei.


Sidi Bel Abbés: Der Hauptplatz.

Als ich ins Zimmer zurückkam, stand schon eine Gamelle Makkaroni mit Käs und gebratenem Rindfleisch auf meinem Bett. Diese Mahlzeit war gut zubereitet und schmeckte vorzüglich. Nach einer Viertelstunde kam Wellner, brachte mir ein Seitengewehr und ohne vorher Ehrenbezeugungen gelernt zu haben, ging’s zum Tor hinaus. Am Ausgang der Kaserne steht den ganzen Tag ein Sergeant, „planton“, der jeden einzelnen inspiziert, ob der Anzug ordonnanzmäßig ist. Eigene Uniformen zu tragen ist verboten. In drei Minuten waren wir mitten in der Stadt. Die vier Hauptstraßen sind nach den Stadttoren benannt, sie sind auf beiden Seiten mit uralten Maulbeerbäumen bepflanzt und machen auf den Fremden einen guten Eindruck. Ich war auch überrascht von den stattlichen Geschäftshäusern, eleganten Cafés und öffentlichen Plätzen. In allen diesen Straßen wimmelte es von Soldaten der Legion und Spahis mit ihren weiten Pluderhosen.

Negerjungen mit ihren Wichszeugkasten vorn hängend und andere, die eine Zeitung, das „Echo d’Oran“, mit gellender Stimme feilboten, lungerten an den Straßenecken herum. Alsdann gelangten wir an der Markthalle vorbei in die Gässchen, wo gehandelt und geschachert wird. Ich konnte es nicht begreifen, dass sich Menschen bei solchem Leben und Treiben in diesen engen Gassen mit ihrem Schmutz und Unrat wohl fühlen konnten. Dieses Quartier war das Rendezvous der Legionäre, dort saßen die Söldner des glorreichen Fremdenregiments und verzehrten ihre Soustücke in den arabischen Speiseanstalten und Kaffeehäusern, wo man für 2 Sous eine Portion „Kußguß“ oder „galette arabe“ mit Honig erhält. Schon die ärmlichen und schmutzigen Einrichtungen dieser Garküchen schreckten uns von einem Besuch ab und wir suchten deshalb die Kantine auf, wo alle Deutsche sich zusammenfanden.

In den paar Stunden, die ich in diesem Lokal zubrachte, hatte ich Gelegenheit, die Legionswunder mit anzuhören. Ich kam zu der Erkenntnis, dass ich für 8 Cent. täglicher Löhnung einem militärischen Ausbeutertum auf 5 Jahre meine Kräfte verkauft habe. Um ¾ 9 Uhr kehrten wir zur Kaserne zurück. Das Nachtlager ist gut und besteht aus Strohsack, Unterbett und 2 leinenen, weißen Tüchern und zwei Teppichen.

Die afrikanische Morgenröte drang schon ins Zimmer, als ich erwachte, und es dauerte nicht mehr lange, ertönte die Reveille. Um ½ 8 Uhr kam Sergeant Favet in Begleitung eines anamitischen Leutnants, eines kleinen, niedlichen Offiziers mit Namen Chan, um Instruktionsstunde abzuhalten, wobei der im zweiten Engagement stehende Straßer, ein Bayer, uns die Ausführungen des Instrukteurs ins Deutsche übersetzte. Mittags wurden wir in Arbeitsdienst kommandiert und mussten die Zimmer für die eintreffende Kompanie einrichten. Das angenehme Leben, das ich bis zur Ankunft der Kompanie von Ain-Sefra genießen durfte, hatte mir wieder neuen Mut eingeflößt.

Einige Tage vor Weihnachten hielten die 4 Kompanien des 5. Bataillons ihren Einzug in Sidi-Bel-Abbés, sie waren 22 Tage auf dem Marsch. Es war geradezu mitleiderregend, mitansehen zu müssen, wie die Mannschaften im Tempo des Regimentsmarsches staubbedeckt, schweißgebadet und vornübergebeugt in die Kaserne einmarschierten. Unter den Baumalleen setzten sie die Gewehre zusammen und legten sich total erschöpft hinter den Pyramiden auf den Boden.

Die gemütlichen Stunden waren nun vorüber. Wir „jeunes soldats“ wurden gleich unter die alten Mannschaften eingeteilt. Ich kam in die 10. escouade. Der Kapitän hieß Maier, mein Korporal Duffner und mein Bettnachbar Walter, beide Württemberger. Das Zusammenleben mit den neuen Kameraden gefiel mir nicht, weil den ganzen Tag über die Ungeschicklichkeiten der Blauen geschimpft wurde. Ich ärgerte mich über die Insultationen, die von allen Seiten über uns hereinfielen.


Exerzierplatz in Sidi Bel Abbés: Deutsche Rekruten beim Exerzieren. Im Hintergrunde die Moschee.

Mein vis-à-vis, ein naturalisierter Spanier, hatte einen besonderen Hass auf uns Deutsche, dieser schleuderte mir eine Unzahl Schimpfworte ins Gesicht wie tête carée, casque à pjque und sale prussien. Hierüber geriet ich in große Wut, stürzte mich auf den Spanier los und hieb solange auf ihn ein, bis mich die Stubenkameraden von ihm wegzogen.

Zum Unglück musste der Adjutant Neumann durch das Zimmer gehen. Dieser, ein Elsässer, war den Deutschen auch nicht hold, und ich wurde auf seinen Befehl durch Duffner in den salle d'attente abgeführt. Noch am gleichen Tag verlangte ich den Rapport vor dem Kompaniechef, der mich kurz vor dem Abendessen holen ließ. Da ich mit ihm deutsch sprechen konnte, so erzählte ich all die Schikanen, denen die jungen durch die alten Legionäre ausgesetzt sind. Der Kapitän ließ sämtliche Korporalschaftsführer zu sich rufen und sagte: In seiner Kompanie dürfe nicht geschimpft und geprügelt werden, er wolle nicht mehr hören, dass einem Mann aus seiner Nationalität ein Vorwurf gemacht werde. Die Legion sei ein Regiment von Ausländern, in dem der deutsche Legionär eben so viel Recht habe wie jeder andere. Der Adjutant mit seinem grämlichen Gesicht ließ seine zornfunkelnden Augen auf mich blitzen, als ich das Kompaniebüro verließ und in meine Korporalschaft zurückkehrte.

Nach 3 Ruhetagen begann der reguläre Dienst. Kaum graute der Tag, so stand der Mann vom Zimmerdienst auf und holte in einem großen Tonkrug in der Küche Kaffee. Bei seiner Rückkehr zündete er die an der Gewehrstütze hängende Lampe an und rief mit schallender Stimme „1a sauce“. Ganz phlegmatisch richtet sich jeder Legionär auf, langt sein am Kopfende hängendes „quart“, eine blecherne Viertellitertasse, und hält sie dem Zimmerdienst hin, der von einem Bett zum andern geht und Kaffee austeilt. Punkt 7 Uhr morgens mussten wir Rekruten auf dem Kasernenhof im Exerzieranzug antreten. In roter Hose, blauer Jacke und Ceinture ging es im raschen Legionsschritt durch die Clemencstraße zum kleinen Exerzierplatz beim village nègro. Die Ausbildung geschieht anfangs ohne Gewehr. Während 4 Wochen wurden nur Freiübungen, Laufschritte, Einschwenkungen und Aufstellungen zum „boxe“ geübt. Nach dieser Zeit wurden wir mit einem „Gras“-Gewehr, Modell 1874 ausgerüstet, um die Griffe zu erlernen. Da die Mehrzahl der Rekruten nicht französisch konnte, so wurde die Geduld des Instrukteurs auf eine harte Probe gestellt.

Durch den raschen Klimawechsel und die körperlichen Anstrengungen erkrankte ich im Monat Februar 1895 an einem fieberhaften Bronchialkatarrh und musste ins Lazarett. Die Krankenzahl in der Legion ist immer eine enorme. In dem Krankensaal für innere Krankheiten, wo auch ich untergebracht wurde, waren alle Betten belegt. Die peinliche Sauberkeit, die überall anzutreffen war, fiel mir angenehm auf. Die mit weißer Lackfarbe angestrichenen Bettstellen, an deren Kopfende eine schwarze Tafel hing, enthielten gute Betten. Auf den Tafeln stand der Name, Truppenteil, Krankheit und Beköstigung. Die Verpflegung lässt nichts zu wünschen übrig, nur versucht der französische Arzt mit „Diät“ die Legionäre zu kurieren. Für die äußerlich Kranken und Rekonvaleszenten steht ein großer Garten zur Verfügung. In dessen Mitte ist ein großartig gärtnerisch angelegtes, mit Bänken versehenes Rondell, in dem die Regimentsmusik jeden Mittwoch konzertiert. Mein Bettnachbar hieß Berger, er war élève-Korporal; dieser hat mir während meiner Krankheit bis zum Monat April französischen Unterricht erteilt.

Bei meiner Rückkehr zur Kompanie wurde ich gleich von meinem Korporal darauf aufmerksam gemacht, dass die beiden Österreicher wegen Desertation mit Cellule bestraft seien. Durch meine Erkrankung blieb ich mit der Ausbildung etwas zurück, deshalb übergab mich der Kapitän Meier, ein humaner Vorgesetzter, der als Landsknecht diente wie ich, in die Hände des élève-Korporals Fuchs, der mich allein ausbildete. Nach einem vierwöchentlichen „Drill“ war meine Ausbildung so weit, dass ich mit der Kompanie exerzieren konnte. Der Dienst ging auch ganz ordentlich von statten. Ich bemerkte auch, dass die Beziehungen zwischen den Alten und den Rekruten kameradschaftlichere geworden waren. Nur an den Löhnungstagen kam es oft zu Streitigkeiten. Alle 5 Tage bekommt der Soldat seine Löhnung ausbezahlt. An diesen Tagen habe ich mich stets geärgert, der Sold beträgt 40 Cent. = 32 Pfennig. Ich konnte nicht begreifen, dass mit dieser Summe die meisten des Abends betrunken waren. Der billige Wein, den man zwischen 10—20 Cent. in den Kneipen der Spanier trinkt, ist manchem zum Verhängnis geworden. Auch Absinth und Pernot gehören zu den Getränken, die den Menschen zugrunde richten.

Fünf Jahre Fremdenlegionär

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