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Abgang ins Manöver nach Saida.

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Das erste Jahr meiner Dienstzeit war nahezu verflossen. Ende September 1895 wurde auf dem Rapport bekannt gemacht, dass am 1. Oktober die Manöver mit dem 2. Regiment in Saida beginnen sollen und wir die 15. Kompanie bei den Disziplinären in Bedeau abzulösen haben. Auf allen Gesichtern konnte man die innere Freude lesen, die der Gedanke verursachte, dass der erdrückend einförmige Garnisondienst nun bald ein Ende haben sollte. Jeder wünschte nur Abwechslung, andere Menschen und andere Umgebung. Am andern Tag sollte abmarschiert werden. In den Zimmern wurde unter Singen und Pfeifen fieberhaft an der Ausrüstung gearbeitet, denn am Nachmittag mussten wir schein zum Appell in afrikanischer Feldausrüstung antreten. Da die Kompanie nach Manöverschluss nicht wieder in die Garnison zurückkehrte, musste das ganze Kompanie-Inventar ans Regiment abgegeben werden. Mit einem leisen Grauen denke ich heute noch an die bis in die Nacht hinein dauernden Arbeiten.

Punkt 6 Uhr marschierte das Regiment unter den Klängen der Regimentsmusik ab. In wenigen Minuten waren wir außerhalb der Stadt und marschierten auf der schnurgeraden Heerstraße nach Mascara. Die Kompanien marschieren immer in Reihen zu vieren, die Mannschaft trägt das Lebelgewehr, Modell 1886, bequem am Riemen über die Schulter gehängt. Während des Marsches gelten keinerlei Vorschriften, der Soldat kann sich jede Bequemlichkeit im Anzug und Gepäck selbst erlauben. Im gleichmäßigen Marschtritt werden stündlich 5 Kilometer zurückgelegt, dann gibt der Kapitän ein kurzes Pfeifensignal, die Reihen schwenken von selbst ein, setzen die Gewehre zusammen und legen den Tornister ab.

Durch die unübersehbare Ebene von Selimann zog die lange Schlange der Marschkolonne, eingehüllt in einen Staub- und Schweißdampf. Keiner von uns hatte ein Auge für die Schönheiten der Natur. Ab und zu wandte ich mein schweißbedecktes Gesicht auf meinen Nebenmann, den kleinen Wiener, der unter der Last des Tornisters fast zusammenbrach. Nach der 4. Pause um 10 Uhr brannte die Sonne schon so entsetzlich auf die dampfenden Körper, dass ich selbst glaubte am Ende meiner Kraft zu sein. Meine Drillichhosen waren vom Schweiß durchnässt und sobald ich mein Käppi lüftete, schoss mir der angesammelte Schweiß übers Gesicht. Alle Augenblicke stürzte einer aus dem Gliede ohnmächtig zusammen. Viele lagen schon im Straßengraben und mancher musste zum Schaden auch noch Spott über sich ergehen lassen.

Um 11 Uhr kam das Regiment total erschöpft in der Nähe von Baudens bei den Zisternen an. Auf einem großen Feld wurde bataillonsweise im Karree das Lager aufgeschlagen. Im Nu verwandelte sich das Stoppelfeld in eine Stadt Von zirka 500 kleinen weißen Zelten. Nach dieser Arbeit, die nur einige Minuten in Anspruch nimmt, wurden am Lagerende Kochrinnen gegraben, in denen bald darauf mächtige Feuer emporloderten. An den großen Wassergölten bei den Zisternen ging es besonders heiß zu, weil die Wasserverteilung unter strenger Aufsicht vor sich ging. Das Essen, welches in der Früh aus einem „riz au gras“ besteht, wurde mit einem wahren Heißhunger hinuntergeschlungen.

Um 2 Uhr kam Ruhe übers Lager. Zwei Stunden später fand ein Appell im feldmarschmäßigen Anzug statt, zu dem man ebenso proper erscheinen musste, wie in der Garnison. Nach dem Appell holte man seine Gamelle, die Makkaroni und Hammelfleisch enthielt, alsdann scharten sich die verschiedenen Nationen zusammen und unterhielten sich an den Biwakfeuern. Im Felde findet jeden Abend ein Zapfenstreich statt, das Zeichen zur Nachtruhe. Die Legionäre verschwinden dann unter die mit 6 Mann belegten Zelte, die Fußdecke auf einer Schichte Stroh ausgebreitet, mit dem Mantel zugedeckt, die Tornister als Kopfkissen. Die Nacht verging ziemlich ruhig, nur die hungrigen Schakale und Hyänen gestatteten sich einen Besuch zu machen bei ihrem nächtlichen Rundgang und veranstalteten oft ein grässliches Geheul; doch hielten die vielen Wachtfeuer und die rings um die Zeltstadt marschierenden Posten diese Tiere fern.

Bei Manövermärschen wird immer in den ersten Stunden nach Mitternacht aufgebrochen, denn man ist bestrebt, auf den Etappen anzugelangen, ehe die größte Hitze beginnt. Unter denselben körperlichen Anstrengungen marschierte das Regiment über Mercier-Lacombe, Ain-Fekane, Franchetti nach Saida. Durch die prachtvolle hügelige Landschaft zog die Militärmasse von Mercier-Lacombe ab, was alles ganz gewaltige Anforderungen an den Soldaten stellte. Alltäglich kamen Ohnmachten vor infolge von Überanstrengung während des Marsches. Besonders der letzte Etappemarsch war für den lebensmüden Wiener der schwerste.

Er wurde etwa 6 Kilometer vor Saida bei dem friedlichen Städtchen Nazereg unfähig weiter zu marschieren, und verlangte austreten zu dürfen. Sein Hass gegen die „Legionsbrutalitäten“ hatte so tiefe Wurzeln in ihm gefasst, dass er einige Mal offen seine Absicht äußerte, nicht mehr mit nach Sidi-Bel-Abbés zurückkehren zu wollen. Während die Kolonne weitermarschierte, ging er in gebückter Haltung, zusammengekrümmt wie ein Wurm hinter einen Busch, kaum waren wir 100 Meter von demselben entfernt, hörten wir einen Schuss, der von Ladislaw abgegeben wurde.

Meine Kompagnie machte Halt und als wir Leute vom 4. Zug bei dem Busch ankamen, sahen wir unsern armen Leidensgenossen mit zur Unkenntlichkeit zerrissenem Kopf tot daliegen. Nach Aussage des Arztes hatte er den Gewehrlauf mit Wasser gefüllt, und sich so erschossen. Ein Schauer durchfuhr meinen Körper, als ich diese zerfetzte Fleischmasse sah. Seine linke Hand umkrallte wie im Fieber den Riemen seines Gewehrs, das über dem kleinen Körper lag. In Nazereg liegt er begraben. Nach der Beerdigung, die nicht viel Zeit in Anspruch nahm, und der Kapitän einige Worte über dem Grabe gesprochen hatte, marschierte die Kompanie in trauriger Stimmung nach Saida weiter.

Am 6. Oktober marschierten wir in das Manövergelände nach Ain el Badjar. In langen Reihen zogen die Regimenter über die Landstraße, um das Hochplateau zu erreichen.

Die Übungen waren abwechslungsreich aber auch anstrengend, weil dort schon die Gegend einen wüstenartigen Charakter annimmt. Von allen Übeln war der Durst das Schlimmste und ich hatte Gelegenheit, erstmal den Wert des Wassers kennen zu lernen. Vor dem Abmarsch in der Frühe wurde die 2 Liter-Feldflasche mit Wasser gefüllt, das oft schmutzig und übelriechend war. Gleichzeitig wurde durch Regimentsbefehl bekannt gegeben, dass nach dem Gefecht abgekocht werde, dazu mussten wir bei der Ankunft ein halb Liter Wasser unter Aufsicht des Sergeanten abliefern.


Marschpause.



Saida: Kaserne des II. Regiments.

Hat nun ein Unglücklicher während der Übung seine Feldflasche leergetrunken, was häufig vorkam, so bekam er vom Küchenunteroffizier, ohne dass derselbe ein Wort dazu sprach, ungekochten Reis in die Hand geschüttet und konnte nun sehen, wie er zu seinem Essen kam. Diese Gefühllosigkeit ist auch eine von den vielen „Härten“, die in der Legion existieren. Bis Mitte Oktober waren die Übungen vom schönsten Wetter begünstigt. Im Biwak von Tafaraua jedoch setzte Regenwetter ein und der Regen fing an in langen, schweren Streifen auf die Zelte zu fallen. Da am 3. Tag noch keine Aussicht auf besseres Wetter vorhanden war, und unsere Uniformen nicht mehr trockneten, ließ der General die Übungen abbrechen und wir kehrten nach Saida zurück. In der Kaserne des 2. Regiments hatten wir 2 Tage Zeit zur Erholung und um unsere Uniformen, die in einem ganz traurigen Zustand waren, wieder in Ordnung zu bringen.

Fünf Jahre Fremdenlegionär

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