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G. Grenzüberschreitender Wirtschaftsverkehr: Bestimmungslandprinzip

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Wenn im Falle einer grenzüberschreitenden Lieferung oder sonstigen Leistung alle beteiligten Staaten uneingeschränkt die Erhebung von Umsatzsteuer für sich beanspruchen würden, wäre eine Mehrfachbelastung die Folge. Darin läge ein Hemmnis für den internationalen Wirtschaftsverkehr. In der EU wäre das Ziel der Verwirklichung eines Binnenmarktes (Art. 26 AEUV) gefährdet. Eine Aufteilung der Steuerbefugnisse zwischen den beteiligten Staaten ist daher sinnvoll. Als Methode der Aufteilung kommen vor allem[53] die folgenden Alternativen in Betracht:

Nach dem Herkunftsland– oder Ursprungslandprinzip besteuert nur derjenige Staat, aus dem die Lieferung oder sonstige Leistung stammt.
Nach dem Bestimmungsland– oder Verbrauchsortprinzip besteuert nur derjenige Staat, in den die Lieferung oder sonstige Leistung gelangt.

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Dem Belastungszweck der Umsatzsteuer als einer Verbrauchsteuer (s. bereits Rn 26 ff) wird das Bestimmungsland- oder Verbrauchsortprinzip am besten gerecht. Denn nach diesem Prinzip wird die Umsatzsteuer von dem Staat erhoben, in dem der Verbrauch stattfindet. Für das Bestimmungslandprinzip spricht zudem der Gedanke einer wettbewerbsneutralen Besteuerung. Denn es sorgt dafür, dass alle Unternehmer, die in ein- und demselben Bestimmungsland um Kunden konkurrieren, bei ihrer Kalkulation dieselbe Umsatzsteuerbelastung (jene des Bestimmungslandes) berücksichtigen müssen. Insoweit sind die Startbedingungen für die im Bestimmungsland ansässigen Unternehmer und für Unternehmer aus sonstigen Staaten dieselben. Ein Unternehmer aus einem umsatzsteuerrechtlichen „Niedrigsteuerland“ (z. B. Luxemburg: 17 %) hat beim Wettbewerb um Kunden in einem „Hochsteuerland“ (z. B. Dänemark: 25 %)[54] keine Vorteile. Das Bestimmungslandprinzip hat sich daher international weitgehend durchgesetzt.[55] Dazu haben auch Bemühungen der OECD beigetragen.[56] Dass die Staaten das Bestimmungslandprinzip in ihren nationalen Umsatzsteuerrechten umgesetzt haben, macht den Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) im Bereich der Umsatzsteuer (anders als bei den Steuern vom Einkommen und Vermögen) entbehrlich.

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Bei Lieferungen (§ 3 Abs. 1 UStG) zeigt sich das Bestimmungslandprinzip vor allem[57] darin, dass eine Export-Lieferung im Ausgangsstaat als innergemeinschaftliche Lieferung (EU-Fälle) oder als Ausfuhrlieferung (Drittlandsfälle) von der Steuer befreit ist (§ 4 Nr 1 lit. a) i. V. m. § 6 UStG bzw. § 4 Nr 1 lit. b) i. V. m. § 6a UStG), während im Bestimmungsstaat ein innergemeinschaftlicher Erwerb zu versteuern ist (EU-Fälle) oder Einfuhrumsatzsteuer anfällt (Drittlandsfälle); s. u. Rn 425 ff.

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Das Bestimmungslandprinzip gilt allerdings nicht lückenlos. So gilt etwa das Ursprungslandprinzip, wenn ein Unternehmer innerhalb des Gemeinschaftsgebietes grenzüberschreitend an einen sog. Schwellenerwerber (z. B. einen Kleinunternehmer, § 19 UStG) liefert, der weder die maßgebliche Erwerbsschwelle überschritten noch auf deren Anwendung verzichtet hat (zu Einzelheiten Rn 926 f). Auch die Differenzbesteuerung bei der Lieferung von Gebrauchtwaren (§ 25a UStG) folgt dem Ursprungslandprinzip (s. noch Rn 1020 f).

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Bei sonstigen Leistungen (§ 3 Abs. 9 UStG) wird das Bestimmungslandprinzip vor allem[58] durch Regelungen zum Ort der Leistung umgesetzt (s. noch Rn 340). Ein Meilenstein aus deutscher Sicht war das JStG 2008, das mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 das Bestimmungslandprinzip als Auffangregel für sonstige Leistungen im Bereich B2B[59] umgesetzt hat (§ 3a Abs. 2 S. 1 UStG). Als jüngste Änderung ist die Neufassung von § 3a Abs. 5 UStG durch das sog. Kroatien-AnpG[60] zu nennen. Dadurch wurde im B2C-Bereich für Telekommunikationsleistungen, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen und auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen der Empfängerort als Leistungsort bestimmt.[61]

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Wie bei Lieferungen (s. o.) gilt das Bestimmungslandprinzip bei sonstigen Leistungen nicht lückenlos. So gilt im B2C-Bereich die Auffangregel, dass eine sonstige Leistung an dem Ort ausgeführt wird, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt (§ 3a Abs. 1 S. 1 UStG). Die vorrangig anwendbaren Ortsregelungen (§ 3a Abs. 2 bis 8, §§ 3b, 3e und 3f UStG) lassen für diese Auffangregelung aber nur einen kleinen Anwendungsbereich (s. noch Rn 341).

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