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IM ANFANG WAR DER TRAUM

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»Wovon soll der Mensch träumen, wenn er bereits im Paradies lebt?«

Hollywood-Besucher Max Colpet

Hollywood gleicht einem Geschäftsviertel, aus dem man nach getaner Arbeit wieder verschwindet, um nach Hause zu fahren. Oft nach Beverly Hills, der »Bettenburg« der High Society. Aber die New Yorker Bankiers leben schließlich auch nicht in der Wall Street. Die Oase Hollywood, in der es sich gut leben lässt, hat vielleicht nie wirklich existiert oder sie ist ein Märchen aus längst vergangenen Tagen. Und »von gestern zu sein«, das ist in dieser rasend schnellen Zeit, die dort noch ein bisschen schneller läuft als überall sonst auf der Welt, möglicherweise sogar das Schlimmste.

Doch im Prinzip funktioniert Hollywood so ähnlich wie Wien. Entscheidend ist, jemanden zu kennen, der jemanden kennt, der jemanden kennt. Das macht das Leben und Arbeiten dort nicht einfacher, sondern überhaupt erst möglich.

1997, vier Jahre vor dem berüchtigten 11. September, nach dem in den USA nichts mehr so sein sollte wie davor, galt das noch nicht ganz so wie heute. Damals jedenfalls warf ich die ersten ORF-»Seitenblicke« auf die Traumfabrik, mit Danny Bellens, einem belgischen Maskenbildner, der zu jener Zeit eine Make-up-Artist-Schule in Österreich betrieb, als Reiseleiter. Von Oscar®-Verleihungen waren wir damals noch weit entfernt, aber dank Dannys Kontakten zu anderen Maskenbildnern haben wir doch von Anfang an gelernt. Zum Beispiel, dass die Tatsache, dass es in Hollywood auch heute noch Filmateliers gibt, im Prinzip den Touristen und dem Fernsehen zu verdanken ist, denn genau so kamen auch wir (Kameramann Richard Marx und ich): als Touristen mit (Fernseh-)Kamera.

Und wie stolz waren wir doch auf unsere ersten »richtigen« Hollywood-Storys, als wir David Hasselhoff am Strand von Malibu bei Dreharbeiten zu seiner Bademeister-Soap »Baywatch« trafen, oder, ohne Eintritt bezahlen zu müssen (heutzutage immerhin schlanke 250 Dollar pro Tag und Nase), eine VIP-Tour durch »Universal City« bekamen, wo wir zwar keine Prominenten, aber immerhin berühmte Film- und TV-Kulissen sehen konnten.

Und dann natürlich unser Besuch bei Paramount. Im legendären Filmstudio durften wir bei Dreharbeiten für den »Star-Trek«-Ableger »Deep Space Nine« dabei sein, Aug in Aug mit den Special Effects von Hollywood, den wohl bestgehüteten Geheimnissen der Filmmetropole. Seitdem weiß ich, wie man sich zu verhalten hat, wenn ein Raumschiff angegriffen wird: Man legt sich so wie die Besatzung nach Regieanweisung einfach auf die rechte Seite, zittert ein wenig, die Kameraassistenten wackeln am Stativ der schweren Kamera, und zur Garnierung wird noch ein bisschen Trockeneis, das Rauch simuliert, mit einem Gartenschlauch hineingeblasen. Und: fertig! Auch in Hollywood wird halt nur mit Wasser gekocht …

Wir begegneten Ur-»Gladiator« Gordon Mitchell im World’s Gym, jenem Bodybuilding-Zentrum, nahe dem »Muscle Beach« von Venice, wo auch die Karriere eines gewissen Arnold Schwarzenegger begonnen haben soll, lauschten im legendären Premieren-Kino El Capitan der »Fox 4/37 Mighty Wurlitzer«-Kinoorgel, trafen »Golden Girl« Betty White in Irene Larsens Zauberclub Magic Castle und ließen uns von Prinz Frédéric von Anhalt, der uns im Rolls-Royce von Zsa Zsa Gabor (jene Alt-Österreicherin, die Ehemänner statt Oscars® sammelte) durchs Nobelviertel Bel Air führte, erklären, warum die Reagans ursprünglich die Hausnummer 666 gehabt hätten, was für Nancy Reagan aber inakzeptabel war, weshalb sie die Nummer schlicht auf 668 ausbessern ließ.

Der alternde Filmstar Burt Reynolds ließ uns auf Anfrage wissen, dass er 25.000 Dollar für ein Interview verlange, aber sein Filmpartner und Freund Dom DeLuise kam – ohne einen Dollar zu verlangen – mit seinem Cadillac und als Luciano Pavarotti verkleidet sogar zu uns ins Highland-Gardens-Hotel und gab eines der lustigsten Interviews, an das ich mich erinnern kann.

Walter Koenig, den Mr. Chekov aus dem »Raumschiff Enterprise«, trafen wir im »Planet Hollywood«, den legendären »Aliens«- und »Terminator«-Effektmeister Stan Winston, einen immerhin vierfachen Oscar®-Preisträger, in seinem Studio, und auch bei der 3783. Folge von »Reich und Schön«, einer TV-Serie, die in präzise 111 Länder übertragen wurde, durften wir am Set dabei sein und in den Drehpausen die Hauptdarsteller vor die »Seitenblicke«-Kamera bitten.

So unternahmen wir jahrelang Reisen in die USA und fühlten uns stets herzlich willkommen. Bis 2002, denn knapp nach dem Anschlag auf das World Trade Center und der damit einhergehenden Verschärfung der Kontrollen fiel der Einwanderungsbehörde erstmals etwas ganz Entscheidendes auf: der Nachname meines Kameramannes: Richard Marx!

Er ist zwar nicht mit dem gleichnamigen Sänger verwandt, aber vielleicht mit Karl …? Kommunisten, Popstars, Islamisten – alles ziemlich suspekt. Seitdem bekommt Richard jedenfalls bei jedem Besuch der Vereinigten Staaten das Privileg einer »Second Inspection«. Die kann zehn Minuten dauern, aber mitunter auch mehrere Stunden.

Natürlich haben wir versucht, Mr. Marx, der selbstverständlich über gültige Arbeitsvisa verfügt, das Prozedere etwas zu verkürzen und so das Leben zu erleichtern.

Die recht knappe Antwort des Konsulats: »Geht nicht, solange es Computer gibt.«

Dabei hat sich Richard Marx’ »Sonderbehandlung« mittlerweile schon bis zu manchen Oscar®-Preisträgern durchgesprochen. Eines Tages kam George Clooney auf ihn zu und fragte ihn, ob er jener Österreicher sei, der bei der Einreise immer solche Zores hätte, weil er Marx hieße.

Richard, nicht gerade ein Mann vieler Worte, murmelte überrascht so etwas Ähnliches wie »Mhm«, worauf Clooney ihm die Hand schüttelte und sich in aller Form für das ungastliche Verhalten der Vereinigten Staaten entschuldigte.

Wir trafen Arnold Schwarzenegger bei der monatlich stattfindenden »Cigar Night« in seinem Stammlokal »Schatzi on Main« (zufällig war er auch der Besitzer, und über dem Ausgang stand in Riesenlettern sein berühmter »Terminator«-Satz, leicht abgewandelt: »You’ll be back!«), wo peinlich genau darauf geachtet wurde, dass man nur ja keine kubanischen Zigarren raucht (zumindest solange Kameras in der Nähe waren). Neben Austro-Prominenz (Gottfried Helnwein, Klaus Heidegger …) und Nachwuchs-Bodybuildern kamen immer wieder auch gerne Filmstars wie Sylvester Stallone oder James Caan vorbei.

Mittlerweile ist das »Schatzi« längst Geschichte. Offenbar ging es »Ah-nuhld«, wie er in Hollywood genannt wird, irgendwann, gleich zu Beginn seiner Amtszeit als Gouverneur, auf die Nerven, dass diese »Cigar Nights« von vielen, die was von ihm wollten, als »Sprechstunde« miss(b)raucht wurden.

Und wir standen bei den »kleinen Oscars«, den »Independent Spirit Awards«, die traditionellerweise am Tag vor den Oscars® vergeben werden, auf dem roten Teppich. Nochmals unterstrichen: nicht am, sondern tatsächlich auf dem Teppich.

Wenn also Stars wie Brad Pitt, Robert Duvall, Elvis Costello oder das damalige Traumpaar Uma Thurman und Ethan Hawke vorbeikamen, konnte man sich ihnen für eine kurze Frage in den Weg stellen. Heute unvorstellbar, und doch vor gar nicht langer Zeit noch Wirklichkeit.

Die »richtigen« Oscars®, vor allem die in den nicht ganz so populären Nebenkategorien, waren zu diesem Zeitpunkt allerdings ausschließlich den Kultursendungen des ORF vorbehalten. So konnten wir zum Beispiel dem Salzburger Filmemacher und Multimedia-Künstler Virgil Widrich, dessen Film »Copy Shop« 2002 als bester Kurzfilm nominiert war, damals gar nicht gratulieren, obwohl sein Zwölf-Minuten-Streifen, der mit zahlreichen internationalen Preisen bedacht wurde, es sich redlich verdient hätte.

Dafür waren wir dabei, als Morgan Freeman seinen Stern auf dem Walk of Fame, direkt vorm neugebauten Kodak Theatre (damals hieß es noch so), bekam, und Ehrenbürgermeister Johnny Grant erklärte uns bei dieser Gelegenheit, dass hier künftig nur Sterne von Oscar®-Preisträgern hinkämen. Halle Berry nahm, als beste Hauptdarstellerin ihre eben gewonnene Trophäe in Händen, fast an derselben Stelle (die mittlerweile in der Oscar®-Nacht hermetisch abgeriegelt ist) dankbar unsere Gratulation zum Gewinn entgegen, ebenso wie im Jahr darauf Adrien Brody, der ganz entspannt zu Fans auf der anderen Straßenseite ging, um Autogramme zu schreiben. Abgesehen davon, dass die mittlerweile nicht mehr in Sichtweite sind, würde Mister Brody dafür heutzutage wahrscheinlich verhaftet werden. Peter Jackson sahen wir im Jahr darauf immerhin noch mit seinen Oscars® für »Herr der Ringe« winken, wenn auch bereits hinter Gitterzäunen. Wie nahe wir den Stars damals noch gekommen sind!

Mittlerweile gleicht das Dolby Theatre, in dem die Zeremonie stattfindet, eher einem militärischen Sperrgebiet als einer Gala-Location. Doch der Berichterstattung im Fernsehen soll man das nicht anmerken. Da will jeder, obwohl eigentlich ziemlich weit weg, doch so tun, als ob er mittendrin wäre. Bis zum heutigen Tag basteln so gut wie alle TV-Stationen eifrig an der Aufrechterhaltung dieser »großen Illusion« mit, weil irgendwas ja (meistens) doch geht und kein Journalist gerne zugibt, dass er ausgesperrt worden ist. Die hohen Zäune, die zwischen uns und dem eigentlichen Geschehen stehen, sieht man im Fernsehen und auf Zeitungsbildern nämlich sowieso nicht.

Noch viel leichter haben es freilich die Kollegen vom Radio. Mit einem von ihnen, der sich vor Jahren auch zur Oscar®-Berichterstattung einfand und mit den Arbeitsbedingungen vor Ort so gar nicht zurechtkommen konnte (oder wollte), leistete ich mir einen kleinen Scherz. Als er wieder einmal gelangweilt am Hotelpool lümmelte, fragte ich im Vorbeieilen in gespielter Hektik: »Wo warst’ denn? Grade haben wir ein Interview mit Arnold Schwarzenegger gemacht. Er hat uns exklusiv erzählt, dass er zur Oscar®-Verleihung kommt und dem Wolfgang Puck beim Verteilen der Schokolade-Oscars hilft.« Die Panik des jungen Kollegen, der einen Fluch ausstieß und sofort in sein Zimmer sauste, hat mich allerdings nur kurz erheitert – dieser Scherz ging nämlich ziemlich nach hinten los. Ein paar Stunden später klingelte bei mir das Telefon, am anderen Ende, in der »Seitenblicke«-Redaktion in Wien, eine ganz aufgeregte Chefredakteurin: »Du, auf Ö3 haben s’ gerade gesagt, dass der Schwarzenegger am Sonntag mit dem Puck gemeinsam Oscars® verteilt. Die G’schicht müssen wir unbedingt haben!«

Die Öscars®

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