Читать книгу Das Überlebensprinzip - Christian Ruf - Страница 7
4. Tag
ОглавлениеUnsere Nacht wurde jäh durch einen Höllenlärm unterbrochen! Von unten aus dem Dorf drang ein fürchterliches Geschrei herauf und laute Schüsse schallten durch das Tal.
Aus dem Schlaf aufgeschreckt zog ich mir meine kalten und gefrorenen Schuhe an um aus unserem Unterschlupf in der Höhle raus ins Freie gehen zu können. Ben sagte ich noch, dass er besser dableiben solle. Der Lärm war zwar weit genug weg aber er klang überhaupt nicht gut. Er reichte mir noch das Fernglas.
Im Schutz des Waldes ging ich bis an den Heckenrand und blickte hinunter ins Tal auf unseren Ort. Erst sah ich nichts. Dann hörte ich wieder ein Rufen und laute Befehle - als ich plötzlich zwei der Kerle auf der Straße mit Messern kämpfen sah. Leider konnte ich nicht deutlich genug verstehen, was sie sich zuriefen oder was der Grund für die Auseinandersetzung war. Mit dem Fernglas beobachtete ich ihren heftigen Kampf.
Erst jetzt entdeckte ich noch mehr auf der Straße verstreut liegende Körper - die brachten sich gerade gegenseitig um! Wahrscheinlich waren die so besoffen, dass sie voll durchgedreht waren…
Plötzlich ergriff einer der Kämpfer eine herumliegende Waffe. Er schrie etwas von „aufhören“. Der andere warf im selben Moment sein Messer nach ihm und traf. Ein Schuss löste sich und verwundet sanken beide zu Boden. Danach herrschte Totenstille.
Die ganze restliche Nacht hatte ich die Situation noch weiter beobachtet. Aber es sah nicht gut aus. Niemand regte sich. Nun zog der Morgen langsam auf. Ein gelblich fahler Streifen erhob sich über dem Nebelgrau des Waldes.
Ich ging zu Ben zurück und erzählte ihm kurz was vorgefallen war während er mir mit ernstem Gesicht und bedeutungsvoll nickend zuhörte. Dann legte ich mich erstmal hin und schlief ziemlich unruhig und halb erfroren ein. Den Schlaf brauchte ich jetzt dringend.
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Als ich aufwachte saß Ben schon voller Erwartung neben mir. Der gute Kerl hatte mich noch etwas länger schlafen lassen. Nach einem tiefgefrorenen Frühstück, welches wir durch stetiges lutschen und knabbern zu uns nahmen, machten wir uns auf den Weg.
Es gibt hier einen prima Ausguck: das Flachdach eines Wasserhäuschens. Es ist rundum mit Tannen und Gebüsch zugewachsen, liegt aber genau oberhalb des Ortes direkt am Hang und hat den perfekten Überblick auf alle Straßen und Gärten. Ich ließ von da aus meinen Blick mit dem Fernglas hin und her schweifen. Auch Ben durfte mal durchschauen. Zusammen kamen wir auf nur fünf leblose Körper im Außenbereich. Wo aber waren nur die anderen?
Gegen Mittag ging Ben kurz zu unserem Unterschlupf um uns etwas zum Essen zu holen. Den ganzen Vormittag hatte sich an der Szenerie unten nichts verändert. Waren die restlichen der Gruppe etwa abgehauen? Das konnte aber nicht sein, da sie die auf dem Boden liegenden Waffen bestimmt nicht einfach so zurückgelassen hätten. Es nutzte nichts - wir warteten noch die nächste Nacht ab. Ben war davon überhaupt nicht begeistert. Unser Proviant hier draußen war längst nicht so gut wie im Haus. Tiefgefrorene Erbsensuppe in Stücke schlagen und wie ein Eis schlecken ist nicht jedermanns Geschmack. Aber meine Entscheidung stand fest. Abwarten war schließlich eine der Gründe warum ich noch lebe.
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Es war nun wieder Abend geworden. Keine Anzeichen von Leben oder Veränderung. Kein Licht, kein Geräusch.
Wir entschlossen uns morgen früh zurück ins Dorf zu gehen und nachzuschauen. Selbst wenn jemand nicht tot sondern schwer verletzt wäre, so dürfte er die lange Zeit in der Kälte nicht überlebt haben. Wie ich mich bei diesen Gedanken fühle, möchte ich jetzt lieber nicht aufschreiben…