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EDUARD HANSLICK

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Trotz zahlreicher Publikationen verschiedener Autoren, die über Musik schrieben, wurde die Musikkritik in Wien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit einem einzigen prominenten Namen identifiziert: mit Eduard Hanslick (Prag 1825 – Baden bei Wien 1904). Er hatte ab 1843 in Prag weitgehende Musikstudien bei Wenzel Johann Tomášek{31} betrieben, absolvierte auch eine kurze Gesangsausbildung (Hanslick war Tenor) bei dem Bariton Arnold Vogel, studierte aber gleichzeitig Jus an der Prager Universität. In Prag begann er im Dezember 1844 seine musikpublizistische Tätigkeit mit Beiträgen für das belletristische Journal Ost und West, die ihm eine Einladung Robert Schumanns nach Dresden eintrugen. Dort erneuerte er die persönliche Bekanntschaft mit Richard Wagner, den er im Juli 1845 in Marienbad kennengelernt hatte. 1846 übersiedelte er nach Wien, wo er 1849 zum Dr.jur. promovierte. Nach Abschluss seines Jusstudiums trat er in den Staatsdienst ein, zunächst als „Aushilfsreferent“ im Fiskalamt in Klagenfurt (1850-52). Im Mai 1852 wechselte er als „Konzeptspraktikant“ ins Zolldepartement des Finanzministeriums in Wien, später ins Universitätsdepartement des Unterrichtsministeriums in Wien, wo er alsbald sein „Avancement zum Ministerialkonzipisten“ feiern konnte.


Eduard Hanslick (1865)

Bereits seit 1846 arbeitete Hanslick als Musikrezensent, anfänglich für die Sonntagsblätter und die Wiener Musikzeitung. Ab 1848 war er Leiter des Musikreferats der Wiener Zeitung, von 1853 bis 1864 bei der Presse, danach bei der Neuen Freien Presse. Im Oktober 1856 habilitierte er sich an der Wiener Universität, an der er, zunächst als Lektor (1856-61), dann als a.o. Univ.-Prof. (1861-70) und später schließlich als o. Univ.-Prof. (1870-95) Geschichte und Ästhetik der Musik lehrte. Im Herbst 1861 verließ er seinen Beamtenposten im Unterrichtsministerium, wurde danach aber als „Regierungsrat“ in beratender Funktion immer wieder für diese Institution tätig. Die Lehr- und die Kritikertätigkeit bildeten fortan das Zentrum seiner Arbeit. 1876 – im reifen Alter von einundfünfzig Jahren – heiratete er Sophie Wohlmuth (1856-?), eine neunzehnjährige talentierte Sopranistin, die für ihren Mann auf eine Karriere verzichtete – „ohne es je zu bereuen“, wie Hanslick anzumerken nicht verabsäumt – und die in seinen Erinnerungen merkwürdigerweise nur en passant erwähnt wird. Sophie Wohlmuth hatte bei der berühmten Mathilde Marchesi studiert und „mit einer vollendeten Wiedergabe der sterbenden Margarethe in Gounods ‚Faust‘ den ersten Conservatoriums=Preis“{32} erhalten. Bemerkenswert ist, dass Marchesi – zweifellos die bedeutendste und erfolgreichste Gesangspädagogin des 19. Jahrhunderts – die Entscheidung von Hanslicks junger Gattin unterstützt: „Wir Frauen sollten, wie in früheren Jahren, unser Wirken und Schaffen auf das Haus beschränken, unser Sinnen und Denken der Familie widmen. Nur in wenigen Fällen, bei ganz hervorragenden Anlagen und ausgesprochenem Talent sollte es den jungen Mädchen vergönnt sein, sich eine öffentliche Laufbahn zu erwählen.“{33}

Neben seiner Kritikertätigkeit publizierte Hanslick zahlreiche musiktheoretische und musikhistorische Werke, darunter Vom Musikalisch-Schönen: ein Beitrag zur Revision der Ästhetik der Tonkunst (Leipzig 1854), jenes Buch, welches in zahlreichen Auflagen erschien und ihn berühmt machte. Er entwickelte darin eine Theorie der absoluten Instrumentalmusik. Die Komposition verstand er als „ein Arbeiten des Geistes in geistfähigem Material“, den Inhalt der Musik bezeichnete er – gegen die „verrottete Gefühlsästhetik“ polemisierend – als „tönend bewegte Formen“. Die Bibliographie der ersten Ausgaben von Hanslicks Publikationen umfaßt fünfzehn Bände, zu ihnen zählen z.B. Geschichte des Concertwesens in Wien (1. Theil Wien 1869, 2. Theil 1870), Die moderne Oper. Kritiken und Studien (Berlin 1875), Aus dem Opernleben der Gegenwart (Berlin 1884) sowie seine Autobiographie Aus meinem Leben (Berlin 1894), die auf großes Interesse stieß und mehrere Auflagen erlebte. Eine vollständige Gesamtausgabe seiner in verschiedenen Medien veröffentlichten Schriften, Artikel und Rezensionen steht bis heute aus.

Hanslick erblickte in Mozart, Beethoven, Schumann und Brahms die Höhepunkte der musikalischen Entwicklung, die Arbeiten neudeutscher Komponisten wie Liszt, Bruckner und Wagner lehnte er vehement ab (die Reaktion des letzteren auf Hanslicks Kritik bestand darin, daß er die Figur des Beckmesser in Die Meistersinger von Nürnberg ursprünglich „Hans Lick“, später „Veit Hanslich“ nennen wollte).

Hanslicks Beurteilungen und Verunglimpfungen der Werke von Komponisten wie Berlioz, Wolf oder Tschaikowsky sind Legende. Vom Violinkonzert des letzteren befand er: „Es bringt uns zum erstenmal auf die schauerliche Idee, ob es nicht auch Musikstücke geben könne, die man stinken hört“, ein oft zitiertes Verdikt, das in krassem Gegensatz zu Hanslicks Rezension des Eugen Onegin steht. Seine oft als Fehlurteile bezeichneten Einschätzungen bestimmter Kompositionen von Wagner oder Richard Strauss geben Zeugnis von Hanslicks unverblümt subjektivistischer Haltung, zu der er nach seinen ersten „objektiven“ musiktheoretischen Arbeiten übergewechselt war. Sie sind vor dem Hintergrund des kulturellen Klimas der Zeit zu begreifen.

Ungemein brillant ist Hanslicks Formulierkunst, bewundernswert sein Geist, kaustisch sein Witz. Als Vorbild beim Schreiben diente ihm wohl sein „Lieblingshumorist Dickens“.{34} Grenzenlos sind seine begeisterte Zustimmung, Verehrung und Liebe (vor allem für Brahms), grenzenlos sind aber auch seine wütende Ablehnung vieler Komponisten, seine dramatische Verkennung und tiefe Verachtung derselben, seine heftige Empörung über deren Arbeiten. Seiner Selbsteinschätzung der „weichen Empfindlichkeit meines Charakters“{35} mag man dabei nicht ganz vorbehaltlos folgen, auch wenn auf ihn und sein Verhältnis zu Verdi wahrscheinlich das zutrifft, was Ernest Hemingway im 20. Jahrhundert diagnostizierte, dass nämlich Sensible zumeist nur in eigenen Belangen sensibel sind, anderen gegenüber hingegen oft von ausgesuchter Brutalität. Oftmals schoß Hanslick übers Ziel hinaus, wenn er beispielsweise, gegen ein ungeschriebenes Gesetz der Zunft verstoßend, Namen witzelnd verwendete oder, was häufig vorkam, die Grenzen des guten Geschmacks überschritt und ins Peinliche abrutschte. Trotzdem räumten die Zeitungsherausgeber, für die er tätig war, diesem nicht unumstrittenen Literaten der Musikkritik viel Platz für seine episch breiten Ausführungen ein.

Eduard Hanslick über Giuseppe Verdis Opern

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