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Der Pirat
ОглавлениеZeit: Gegenwart
Koordinate: Fuxina
Hieronymus Stern war der Einladung der Pangäerin zu einem Treffen
nachgekommen und so versammelten sich zu nächtlicher Zeit,
genau zur Stunde der Eule, fünf Menschen um ein knisterndes
Lagerfeuer, das der Barde Bentus Clovis zuvor entfacht hatte. Haya
Moon’dan oder Mondlicht, wie sie meist genannt wurde, war nur in Begleitung
ihres Gefährten gekommen während Stern seine Waffenmeisterin
Gysell Sadori und den Schiffsmedicus Doc Jalinka Merith im Gefolge hatte.
Die Fee war eine außergewöhnliche Person. Von Gestalt hoch gewachsen,
reichte sie fast an Sterns Größe heran. Sie war eine faszinierende
Frau und in punkto weiblicher Schönheit und Ausstrahlung
seiner eigenen Gefährtin durchaus ebenbürtig. Ihre langen
silbernen Haare fielen offen bis zur Hüfte herab und umschmeichelten
den schlanken Körper. Aus einem fein geschnittenen elfengleichen
Gesicht blitzten ein Paar tiefblauer Augen mit einem
kobaltfarbenen Schimmer, wie Stern sie noch nie gesehen hatte.
Ihre alabasterfarbene Haut bildete einen wunderbaren Kontrast zu
dem schlichten Kleid, das sie trug. Ein langes, bis zu den Knöcheln
reichendes, fast weißes ärmelloses Gewand umspielte ihren weiblichen
Körper mit unerhört luftiger Leichtigkeit. Es schmiegte
sich verführerisch und faltenlos um ihre Kurven und betonte dabei
mehr als es verhüllte.
Dazu passend ein schwarzes gürtelartiges breites Band, das sich
um die schlanke Taille wand und mit auffälligen runenhaften Stickereien
verziert war. Die zierlichen Füße steckten in Sandalen,
deren Riemen unterhalb des Gewandes verschwanden und die
Waden bis auf halbe Kniehöhe umschlangen.
Sie hatte Temperament und hielt es auch nicht zurück während
sie mit rauchiger Stimme eine unglaubliche Geschichte vortrug.
Heftig gestikulierte sie beim Reden mit allen Gliedmaßen und
legte die schmale Hand mit den langen Fingern immer wieder vertraulich
auf den Arm von Hieronymus Stern. Dabei fiel ihm sogleich
ein großer breiter Ring auf, der am Mittelfinger ihrer linken
Hand steckte. Er bestand aus einem matt silbern schimmernden
Material, doch es handelte sich nicht um Silber. Stern vermutete,
dass der Ring aus dem überaus seltenen Obsidianmetall gearbeitet
war, was den Reif überaus selten und sehr kostbar machte. Die ungewöhnliche
Formgebung unterstrich seinen Eindruck nachdrücklich.
Das Schmuckstück ähnelte einem Baum mit langen fadenartigen
Ästen, an denen, kaum sichtbar, fein ziselierte Blätter von
winzigen grünen Juwelen dargestellt wurden. Dazwischen waren
mehrfarbige, nur um eine Winzigkeit größere Steine eingearbeitet,
die wie Früchte eines Baumes wirkten.
Eigenartigerweise glaubte er, darin ein Muster zu erkennen, das
ihm seltsam vertraut vorkam. Tief in seinem Unterbewusstsein
regten sich verschollene Erinnerungen an eine ferne Zeit aus seiner
Vergangenheit. Doch bevor dergleichen an die Oberfläche seines
bewussten Denkens gelangten konnte, holte ihn die Stimme der
Pangäerin aus seiner Gedankenversunkenheit zurück. Immer noch
betrachtete Hieronymus Stern gebannt den Ring und überhörte
dabei fast ihre Worte.
»Hört ihr mir überhaupt zu, Kapitän?«, schalt Mondlicht den
abwesend erscheinenden Piraten.
»Bei Neptun, ich bin ganz Ohr und bekomme alles mit – seid
unbesorgt«, lächelte Stern verlegen und legte die Stirn in nachdenkliche
Falten, um damit den Anschein angestrengter Aufmerksamkeit
zu erwecken.
»Ich befürchtete schon, dass Murania mir einen falschen Rat gab
als sie mir empfahl, euch um Hilfe und Unterstützung zu bitten.
Schließlich geht es um die Rettung Aluriens, wenn nicht von ganz
Joy. Da kann ich keine Tagträumer brauchen, sondern nur kampferprobte
Männer und Frauen, die weder Tod noch Teufel oder,
wie in eurem Fall, den Klabautermann fürchten.«
Beruhigend legte ihr Begleiter Clovis seinen Arm um sie und
machte mit dieser Geste klar, dass sie beide zusammengehörten.
Auch der Barde zählte zu den hochgewachsenen Männern seines
Volkes und war mit Sicherheit noch ein wenig größer als Hieronymus Stern.
Schlanker und zierlicher gebaut, wirkte er in seiner ganzen Erscheinung
sehnig und ausdauernd. Weniger wie ein Liedermacher,
sondern mehr wie ein einheimischer Waldläufer. Eine freche grüne
Kappe, geschmückt mit einer farbenprächtigen Feder, saß nachlässig
auf seinem schmalen Kopf, der von üppigen dunkelbraunen
Haaren bedeckt war. Hervorstechend prägte eine wohlgeformte
Adlernase das Gesicht. Zwei etwas größer geratene spitz zulaufende
Ohren, die zudem eng am Schädel anlagen, lenkten ein wenig
vom großen Mund mit den perlweißen Zähnen ab. Ebenfalls auffällig
waren seine Augen, die ebenso tiefblau wie die seiner Gefährtin
waren. Mit ihnen blickte er im Moment freundlich, dennoch
bestimmt auf seine Begleiterin.
Bentus Clovis trug schlichte Waldläuferkleidung. Dazu ein
grünes Hemd sowie eine ebenso gefärbte Hose. Leichte Wildlederschuhe
vervollständigten seine zweckmäßige Kleidung. Umso
mehr fiel die Laute des Barden auf. Ein wundervolles Instrument,
das aus einem unbekannten Holz und fein gearbeitetem Metall
hergestellt war. Es wirkte etwas abgegriffen, war jedoch hervorragend
gepflegt. Auf ihr vermochte der Barde die herrlichsten Töne
zu spielen und mit seiner unnachahmlich sanften Stimme zu begleiten,
wie er seinen Zuhörern bereits unter Beweis gestellt hatte.
»Bleib ruhig, Haya. Der Rat der Zauberin Murania war sicher
richtig und sobald wir Kapitän Stern von unserem Anliegen überzeugt
haben, wird er uns sicher die Hilfe gewähren, die wir benötigen.«
Zustimmend nickte Gysell Sadori, Waffenmeisterin des Sternenteufel
und warf ihr langes brünettes Haar mit einer entzückenden
Kopfbewegung nach hinten. In ihrer Erscheinung brauchte sie sich
nicht hinter der Pangäerin zu verstecken, war sie doch mit ihren
dreißig Jahren noch ziemlich jung, jedoch schon sehr erfahren und
kampferprobt. Ihre schwarzen Augen bildeten einen wunderbaren
Kontrast zu der tief gebräunten Haut. Man sah ihr an, dass sie
lange Fahrten im Sternenmeer unternommen hatte. Die vollen
Lippen lagen unter einer kleinen Nase während zwei Grübchen
ihrem Gesicht einen schelmischen Ausdruck verliehen.
Die zierlichen Ohren, an denen zwei sternförmige Anhänger
baumelten, trugen noch ihren Teil dazu bei. Ihr schlanker und
wohlproportionierter Körper steckte in einer braungrün gefleckten
Kampfuniform, die auch Angehörige der Mördergilde bevorzugten.
Um den schlanken Hals schlang sich ein roter Seidenschal,
der sich vorteilhaft von der wild gemusterten Tarnjacke abhob.
Als Fußbekleidung zog sie anscheinend leichte Mokassins vor, wie
sie die hiesigen Waldläufer gern trugen und nicht die schweren
ledernen Stiefel, die normalerweise zu dieser Uniform gehörten.
An dem breiten Gürtel, der um ihre schlanke Taille geschnallt war,
hing der typische Entersäbel der Piraten, welcher in einem Futteral
aus Kuduleder vor Regen geschützt war.
Widrige Lebensumstände hatten ihr zu einem Platz auf dem
Sternenteufel verholfen und dafür war sie Kapitän Stern unendlich
dankbar. Auch dafür, dass er ihr so viel Vertrauen entgegenbrachte
und sie zur Waffenmeisterin des Sternenteufel ernannte, eine der
wichtigsten Positionen auf dem Piratenschiff. Ihre Herkunft umgab
ein dunkles Geheimnis, das sie dem Kapitän und seiner Gefährtin
Aurelia anvertraut hatte.
Sie gehörte inzwischen, nach nur wenigen Jahren auf dem Sternenteufel,
zu den engsten Vertrauten von Kapitän Stern. Für kein
Gold dieser Welt würde sie das Schiff verlassen wollen, das ihr
Heimat und Familie in einem geworden war.
»Ich bin auch der Meinung, dass wir uns das Gesagte erst einmal
in aller Ruhe durch den Kopf gehen lassen, danach wird der
Käpt’n schon wissen, was zu tun ist«, unterstützte sie mit ihrer
angenehmen Altstimme ihren Kapitän. »Oder was meint ihr, Jalinka?
«, wandte sie sich an den bisher stumm gebliebenen Schiffsmedicus
Doc Merith, von der Mannschaft auch respektvoll Skalpell genannt.
»In der Tat sind das unglaubliche Neuigkeiten, die erst einmal
verarbeitet werden müssen. Einfach unvorstellbar, dass sich dies
alles unbemerkt vor den Augen der Wächter der Gilde abgespielt
haben soll. Das verstehe ich nicht ganz. Sie haben doch ihre Spione überall
und hören sonst die Flöhe husten«, stellte sie trocken
fest und traf mit dieser Aussage einmal mehr ins Schwarze.
Die sechzigjährige Frau mit dem gelehrt wirkenden Aussehen
war eine logische Denkerin. Es war nicht ihre Art, lange um den
heißen Brei herumzureden, sondern sagte klar, was sie dachte. Sie
war von mittelgroßer Statur, etwas stabiler gebaut und vermittelte
den Typ einer fürsorglich mütterlichen Frau, was ihre kurzen grauen
Haare noch betonten. Mund und Ohren waren wie bei ihrem
Volk nicht unüblich ein wenig groß geraten. Hierzu passte auch die
nicht gerade kleine Nase, die ein wenig spitz nach vorn ragte. Der
rundliche Kopf saß auf einem kurzen, schon leicht faltigen Hals.
Der Medicus war bereits auf eine Sehhilfe angewiesen und trug
ein sehenswertes Spektrakel. Dieses Ungetüm hatte sie von einem
hiesigen Uhrmacher in Fuxina, der zusätzlich noch ein Spektrakelgeschäft
betrieb, zu einem sündhaften teuren Preis erstanden. Unbestritten
brachte es die blassblauen Augen gut zu Geltung, denn
es verlieh ihrem Blick etwas Scharfes und Durchbohrendes, was
manche ihrer Gesprächspartner als sehr unangenehm empfanden.
Gewöhnlich kleidete sie sich schlicht und trug nur ein weißes
weit geschnittenes Kostüm, worauf deutlich das Symbol der Heilkundigen
angebracht war, damit für jeden ihr angesehener Stand
ersichtlich war. Zum heutigen Landgang hatte sie ausnahmsweise
unauffällige Kleidung angezogen und sich in eine einfache blaue
Matrosenhose aus festem Drillstoff gezwängt. Dazu hatte sie eine
schlichte Bluse der gleichen Farbe gewählt. Einfache Schuhe aus
robustem Kuduleder machten die schlichte Aufmachung komplett.
Im Hüftgürtel aus Büffelmufftileder steckte ein kleiner Dolch in
einer kurzen Scheide aus Drachenbaumholz. Doch das Wichtigste
ihres Berufsstandes befand sich in einem kleinen Rucksack neben
ihr, ohne den sie nie das Schiff verließ. Sie stammte von Greenland
und die Bewohner dieser Welt waren in der medizinischen
Kunst den meisten Welten weit voraus, denn bereits ihre Vorfahren
übten den Beruf der Heilkunde aus.
Unglückliche Lebensumstände führten die lebenslustige und
erfahrene Frau von ihrem Heimatplaneten fort. Nach Jahren im
Dienst eines Handelsmagnaten war sie bei der Eroberung der
Galeone, auf der sie ihre schlecht bezahlte Arbeit verrichtete, von
Kapitän Stern vor die Wahl gestellt worden. Entweder als Schiffsmedicus
bei ihm anzuheuern oder sich auf einer nahe gelegenen
Welt aussetzen zu lassen. Weil ihr der Piratenkapitän respektvoll
sowie höflich entgegentrat und ihr dazu weitgehend freie Hand
einräumte, entschied sie sich für Leben und Arbeiten an Bord des
Sternenteufels. Bis heute hatte sie ihre Entscheidung nicht bereut,
denn das dunkle Geheimnis, das sie in sich verbarg, war auf diesem
Schiff gut gehütet.
Hieronymus Stern nickte zustimmend.
»Wie immer habt ihr den richtigen Rat, Doc. Ich werde einige
Erkundigungen einziehen und mich umhören. Schließlich habe ich
gute Verbindungen in Fuxina, die ich zu nutzen gedenke. MayLi
wird mit Sicherheit etwas wissen, auch wenn es sich nur um Gerüchte
handeln sollte. Wir wissen ja, so manche Zunge löst sich in
ihrem Haus der Freude und plaudert über Dinge, die sie woanders nie
ausgesprochen hätte. Ich werde sie noch heute Nacht aufsuchen,
denn wenn es stimmt, was Mondlicht und der Barde uns mitgeteilt
haben, wird es nicht mehr lange dauern, bis die Rotröcke zuschlagen.
Die JIXX-Spiele dauern nur noch wenige Tage und wenn sie
zu Ende sind, werden diese Darq ihre üblen Pläne in die Tat umsetzen.
Vorher werden sie sich hüten, weil jetzt die ganzen Spieler und
Besucher aus allen Regionen des Arms hier versammelt sind.«
Die beiden Pangäer blickten hoffnungsvoll auf und nickten
dann zustimmend. »Ja, ich stimme euch zu, Kapitän. Nutzt eure
Kontakte, vielleicht könnt ihr noch mehr in Erfahrung bringen als
das, was wir bereits von Murania gehört haben.«Moon’dan erhob
sich und zog ihren Gefährten Clovis mit empor.
»Das Wichtigste habe ich euch mitgeteilt und ich bin guter
Dinge, was die weitere Entwicklung betrifft. Wir werden sicherlich
Unterstützung bekommen. Auch von einigen Einwohnern Fuxinas
und vielen Spielern, die diese Welt nicht kampflos aufgeben wollen.
Nur müssen wir vorsichtig sein und dürfen niemanden einweihen,
dessen wir uns nicht ganz sicher sind, denn Augen und Ohren
dieser Bande sind überall anzutreffen. Man weiß nie, wer gerade
am Nebentisch lauscht. Wir sollten uns morgen nochmals treffen,
um weitere Informationen auszutauschen und einen vorläufigen
Plan zu entwerfen. Seid ihr damit einverstanden, Kapitän?«
Hieronymus Stern hatte sich ebenfalls erhoben und überdachte
dabei kurz das Gesagte, bevor er antwortete.
»Ja, so sollten wir es machen. Wir werden uns morgen in eurer
Hütte treffen, Mondlicht. Den genauen Zeitpunkt kann ein Botenwiesel
überbringen, weil ich nicht genau sagen kann bis wann
ich meine Erkundigungen abgeschlossen habe.«
»Gut, ich werde eure Nachricht abwarten, Kapitän. Habt viel
Erfolg und bis morgen.« Mit diesen Worten verabschiedete sich
Mondlicht von Stern, nickte den beiden Frauen zu und verließ
mit ihrem Gefährten das nur noch schwach glimmende Lagerfeuer.
Mit gemischten Gefühlen blickte Stern der davonschreitenden
Pangäerin Moon’dan, genannt Mondlicht, hinterher. Der leichtfüßige
Barde Bentus Clovis glitt geschmeidig neben ihr dahin.
Die zauberhaften Lautenklänge und das Flackern des Lagerfeuers
hatten das ihrige zu der mystischen Stimmung beigetragen,
die sie immer noch gefangen hielt. Der Bericht hatte ihn und seine
beiden Begleiter in den Bann gezogen, denn die Fee hatte schier
Unglaubliches erzählt.
Von der geheimnisvollen Zauberin Murania hatte sie erfahren,
dass der Welt Aluriens Unheil drohte. Eine finstere Macht plante
die Herrschaft über den gesamten Planeten Joy an sich zu reißen,
um das JIXX-Spiel für ihre Zwecke zu missbrauchen. Am Ende
ihrer Geschichte gab sie Mondlicht den Auftrag, sich mit Piratenkapitän
Stern, dem Besitzer der Viermastfregatte Sternenteufel, in
Verbindung zu setzen und ihn um Hilfe und Unterstützung zu
bitten.
Stern war es rätselhaft, was die Zauberin damit meinte. Doch
jetzt beschlich ihn eine leise Ahnung, worum es sich hierbei handeln
könnte. Nun, er hatte zugesagt, die Angelegenheit zu überdenken,
um sich dann erneut mit ihr zu treffen. Die Fee wohnte
außerhalb der Stadt in einer Hütte, die auf einer Waldlichtung
gelegen unter dem Schutz eines großen Drachenbaums stand. Es
war bekannt, dass eine Baumdyrade, die dort seit Urzeiten als seine
Hüterin lebte, den Baum als Behausung nutzte und sich in seinem
38 dichten Laubwerk den Blicken Fremder entzog. Zwischen den alten
Bäumen und dem geheimnisvollen Volk der Dyraden herrschte
eine Art Symbiose, dessen Ursprung sich im Dunkel der Geschichte
verlor.
»Ich habe noch etwas in der Stadt zu erledigen«, bemerkte Doc
Merith nachdenklich. »Wenn es euch recht ist, Käpt’n, werde ich
erst morgen früh zurück an Bord sein.«
»Erledigt eure Geschäfte, Doc oder was immer ihr zu tun habt.
Haltet dabei Augen und Ohren offen. Es liegt eine ungewohnte
Spannung in der Luft. Ich spüre da unterschwellige Strömungen
von Unruhe, die sich nicht auf den Wettkampf der Spiele zurückführen
lassen, also bleibt wachsam.«
Mit einem Kopfnicken verabschiedete sich Jalinka Merith und
strebte auf dem ausgetretenen Pfad der Stadt entgegen. Schweigend
hatte die Waffenmeisterin des Sternenteufel den Abschied
ihrer Schiffskameradin verfolgt und wandte sich an ihren Kapitän.
»Ihr wisst ja, Käpt’n, dass ich die Nähe von Flair spüren kann.
Ist euch auch aufgefallen, dass es vorhin eine starke Präsenz magischer
Kraft gegeben hat? Ich glaube, dass diese Mondlicht eine
mächtige Zauberin ist. Bei dem Barden bin ich mir nicht ganz sicher.
Möglicherweise ist er ebenfalls der Magie kundig.«
»Ja, ihr habt recht, Gysell. Ich spürte es ebenfalls«, bemerkte Stern
nachdenklich. »Das Flair ist groß und mächtig in ihr, ich konnte
es fühlen.«
Für den Bruchteil einer Sekunde schimmerte um seine Augenkappe
ein dunkelrotes mattes Glühen auf. Ein regenbogenfarbiges
Irrlicht umflackerte für einen Wimpernschlag seine hohe kräftige
Gestalt. Gysell Sadori blinzelte überrascht und war sich nicht sicher,
ob dieses Licht vom Kapitän ausgegangen oder nur ein letzter
Widerschein des verlöschenden Lagerfeuers gewesen war. Sie
unterließ es, ihn darauf anzusprechen, denn sie wollte sich nicht
seinem ironischen Spott aussetzen, für den er bisweilen gefürchtet
wurde.
»Ich werde zum Schiff zurückkehren. Es ist spät und morgen
wird einiges zu tun sein. So wie es aussieht, sollten wir unsere
Waffen überprüfen und bereit für den Einsatz halten.«
»Ja, macht das, Gysell. Richtet Aurelia aus, dass ich noch unterwegs bin und
nicht genau weiß, wann ich wieder da sein werde, es könnte also
spät werden.«
Mit einem freundlichen Gruß verabschiedete sich Stern von
seiner Waffenmeisterin und eilte den gleichen Pfad entlang, den
vor einigen Augenblicken auch Doc Merith beschritten hatte. Er
wollte sein ehemaliges Mannschaftsmitglied MayLi aufsuchen.
Sie unterhielt das beste und auch teuerste Freudenhaus der Stadt.
In ihrem Etablissement trafen sich nur die gehobenen Mitglieder
der Gesellschaft. Wenn es Gerüchte oder Hinweise gab, so hoffte
Stern, würde er hier rasch fündig werden.
MayLi war ihm auch nach ihrem Weggang in Treue verbunden
und würde ihm jede Unterstützung zukommen lassen, zu der sie
in der Lage war. Anschließend musste er eilig zum Schiff zurück,
um einige der Gedanken, die ihm während des Berichts der Fee
durch den Kopf gegangen waren, ausführlich mit Aurelia zu besprechen.
Er schüttelte bekümmert den Kopf, die Nacht würde
lang und sein Schlaf kurz werden.
* Lied an die Liebe *
Liebe braucht der Worte nicht,
sie ist fühlen im Herzen pur.
Erstrahlt so hell mit Glanz und Licht,
spürst du ihre Nähe nur.
Verbunden durch der Seele Band –
sie in uns’rem Herzen ruht.
Das Schicksal webt es mit zarter Hand,
sind wir zusammen – ist alles gut.
Mag dich nimmer missen,
muss fühlen deines Herzens Schlag.
Bist mir Trost und Ruhekissen,
weilst du fern – ich es nicht ertrag.
Der Liebe Lust dem Alltag weicht,
verkümmert ist die Leidenschaft.
Wehmut nun – die uns erreicht
und Erinnerung nur – an Freud und Kraft.
Die Haare grau, der Atem schneller,
Zeiten sind vorbeigebraust.
Das Haupt wird licht und immer heller,
Schicksal – du hast uns arg gezaust.
Das Leben gräbt dir Falten ins Gesicht –
Runzeln erzählen wohl Geschichten.
Doch deine Liebe ist ein Gedicht –
unsere Chronik wird es einst berichten.
Im Jenseits wir uns wieder sehn,
wo im neuen Kleid die Liebe wohnt.
Von Anbeginn wart vorgesehn,
das Einigkeit der Herzen lohnt.