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Identitätsdiebstahl

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Stellen Sie sich vor, Sie führen ein geruhsames Dasein, schlummern verdient Ihrem nächsten Arbeitstag entgegen und plötzlich steht um fünf Uhr morgens ein Sondereinsatzkommando der Polizei vor Ihrem Bett, weil Sie angeblich im Internet Drogen verkauft und dabei auch noch Geldwäsche betrieben haben. Wahrscheinlich genügt Ihnen schon einer dieser beiden Vorwürfe, um die Bedeutung des Begriffs Morgengrauen für die Zukunft völlig neu zu interpretieren. Dabei haben Sie mit all dem rein gar nichts zu tun. Ein findiger Drogendealer hat einfach Ihre Identität angenommen und unter Ihrem Namen – aber leider, ohne Ihnen etwas vom Gewinn abzugeben – einen Account im Darknet eröffnet, auf dem er munter Drogen verkauft. Es könnte dann schnell passieren, dass Sie Ihre Freiheit für lange Zeit einbüßen. Zumindest so lange, bis Sie die Staatsanwaltschaft und das Gericht davon überzeugt haben, dass Sie unschuldig sind. Wie, Ihnen muss doch bewiesen werden, dass Sie schuldig sind? Meinen Sie? Ja, Sie haben recht, das sollte so sein. Aber die Wirklichkeit sieht leider oft anders aus. Haben Sie schon einmal etwas von der Verfügbarkeitsheuristik gehört? Menschen – und Juristen sind bitte schön auch nur Menschen! – neigen zwanghaft dazu, die oft wenigen verfügbaren Informationen in ihrem Kopf zu einem für sie plausiblen Gesamtbild zu vereinen. Egal, ob das Gesamtbild, das dabei dann herauskommt, der Wirklichkeit entspricht oder nicht, ist es verdammt schwer, einen Menschen, der sich auf dieser Basis erst einmal ein Urteil gebildet hat, von seiner Überzeugung wieder abzubringen. Verfügbarkeitsheuristik eben.

Es saßen in Deutschland vor einigen Jahren drei Menschen aufgrund von Indizienbeweisführung über mehr als fünf Jahre in Haft, weil sie angeblich Ihren Vater und Ehemann, der plötzlich unauffindbar war, angeblich erschlagen, zerstückelt und an die Schweine verfüttert haben sollen. Irgendwo musste die Leiche, die man nicht gefunden hatte, ja hin verschwunden sein, dachte sich die Staatsanwaltschaft. Und da gab es ja die Schweine auf dem Bauernhof der Missetäter. Wie sich einige Jahre später durch einen Zufall herausstellte, ist das angebliche Tatopfer eines Abends aufgrund eines Navigationsirrtums mit seinem Fahrzeug in den Rhein gefahren und dort im Fahrzeug ertrunken. Der Familienvater war offenbar der Empfehlung seines Navigationsgeräts gefolgt, von der parallel zum Rhein verlaufenden Landstraße per Fähre überzusetzen, und war mangels vorhandener Fähre direkt in den Fluss gefahren. Das Urteil wegen gemeinschaftlichen Mords gegen die Angeklagten hielt sämtlichen Instanzen stand, bis dann eines Tags zufällig in einem anderen Zusammenhang das Fahrzeug aus dem Rhein gezogen wurde, wo man den Toten fand. Daraufhin wurde das Urteil in einem Wiederaufnahmeverfahren dann kleinlaut aufgehoben. So viel zum Thema Verfügbarkeitsheuristik.

Auch wer an Ihre DNA-Spuren kommt, hat es leicht. Hier ein Haar, hier ein wenig Körperflüssigkeiten hingeworfen, ein abgebissener Fingernagel am Tatort – et voilà, willkommen im Knast! Es geht aber auch viel trivialer. Vielleicht gibt sich jemand auf Partnerbörsen als Sie aus, da Sie als Dummies-Leser bekanntlich überaus attraktiv, wohlhabend, unterhaltsam und überdurchschnittlich gebildet sind. In diesem Fall steht dann zwar kein SEK vor der Türe, aber möglicherweise eines Tags Ihr Partner mit dem Nudelholz hinter der Türe. Nämlich dann, wenn Sie nach einem längeren Geschäftstermin müde und harmoniebedürftig ins Haus purzeln, während Ihr Partner von den Umtrieben Ihres Alter Ego Wind bekommen hat. Großartige Gelegenheiten, um Sie gesellschaftlich unmöglich zu machen, gibt es auch über Leserbriefe oder Kommentare, die angeblich von Ihnen verfasst worden sind. Sie selbst haben sie nie gelesen und schon gar nicht verfasst. Das wissen aber leider nur Sie. Und es glaubt Ihnen auch keiner. Es steht doch Ihr Name drunter, Mensch! Semper aliquid haeret (irgendwas bleibt immer hängen), wie die alten Römer schon wussten.

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