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1. 3. 23 Aloys Fischer (1880–1937)

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Fischer stellt in zahlreichen Abhandlungen Überlegungen zum Selbstverständnis und Aufgabenbereich der Sozialpädagogik an.

Aus seinem Menschenbild, das im Sinne unserer Systematik vor allem ethisch begründet ist, leitet er die Aufgabe der Sozialpädagogik ab. Mit Natorp stimmt er darin überein, dass Theorie und Praxis dieser Disziplin nicht durch die Formulierung einzelner sozialer Erziehungsziele konstituiert werden könnten (vgl. FISCHER 1924). Erst die Geschlossenheit des Erziehungsanspruches unter dem Leitbild eines sozialen Humanismus kann für ihn den Horizont der Sozialpädagogik bilden. Erziehungserfolge finden dabei operationalen Ausdruck in gelebter Solidarität und Verantwortung der Erzogenen.

Trotz der Ganzheitlichkeit der Betrachtungsweise sieht Fischer jedoch anders als Natorp in der Sozialpädagogik nicht die Gesamtheit des Erziehlichen. Er bezeichnet sie ausdrücklich als Teildisziplin der Pädagogik (vgl. FISCHER 1924). Ihre Thematik ist die pädagogische Vermittlung zwischen individuellen Bedürfnislagen und individueller Selbstwerdung gegenüber objektiven Forderungsgehalten von Natur und Kultur im Rahmen gesellschaftlicher und historisch unverwechselbarer Bedingungen. Dabei erinnern gleichsinnige Überlegungen Fischers an die kritischen Gedanken zur Spannungslage zwischen Sozialpädagogik und Staatspädagogik, wie wir sie bei Willmann und zuvor schon bei Mager gefunden haben; die Aufgabe der Kritik der Staatspädagogik durch die Sozialpädagogik wird zur Verantwortungsübernahme für sozialpolitische Veränderung ausgeweitet. Die Sicherung des sozialen Systems kann nur unter dem übergeordneten Zielpunkt seiner stetigen Verbesserung sinnvoll sein. So ist auch Fischers Sozialpädagogik mit der Forderung nach sozialpädagogischer Kritik, Verantwortung und Erneuerung von Gesellschaft und Politik Vorläufer einer „kritischen Pädagogik“.

Für die praktische Dimension macht Fischer operationale Vorgaben, die bis heute Gültigkeit haben. Als grundsätzliches Ziel aller sozialfürsorgerischen Maßnahmen fordert er, dass sie sich durch Verstopfung der Quellen, aus denen die vorhandenen Notlagen entspringen, wieder überflüssig machen. Hierzu sind zwei Wege zu beschreiten:

 Zum einen müssen die Menschen durch Erziehung beeinflusst werden, jene Unzulänglichkeiten zu überwinden, die die Notlagen und Abhängigkeiten mit verursachen. Damit erhält die Sozialfürsorge eine sozialpädagogische Ausrichtung, eine Verbindung, die im Junktim der Sozialen Arbeit von Sozialarbeit und Sozialpädagogik auch heute Bestand hat.

 Zum anderen hat Sozialfürsorge die sozialpolitischen Interventionen einzuleiten, die notwendig sind, die gesellschaftlichen Ursachen sozialer Benachteiligung und Not zu beheben. Damit ist – wie bei Mager, Natorp, Willmann, Tews, Klumker und Salomon – wiederum der gesellschaftskritische Aspekt deutlich gemacht. Zugleich wird eine moderne Sicht deprivierender Lebensverhältnisse, des heutigen „Präkariats“ artikuliert. Für ihre Behebung ist die Gesellschaft unter Mitwirkung der Benachteiligten verantwortlich.

Handbuch Sozialpädagogik

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