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5 - Pferde

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Den Abend verbrachte ich immer bei Fearless. Es war jetzt eine Woche her, dass ich die Kleine mitgebracht hatte. Mittlerweile kam sie schon angelaufen, wenn ich sie rief. Auch ließ sie sich streicheln und knurrte nur, wenn andere kamen, außer bei Dad. Anne hatte ihr ein Halsband aus Leder gemacht, das ich heute ausprobieren wollte. Wenn sich Fearless daran gewöhnt hatte, wollte ich mit ihr an einer Leine den Hof erkunden. Auch fing dann ihre Erziehung an. Heute sollte sie auch das erste Mal Fleisch bekommen. Dazu hatte ich ihr ein kleines Stück in Stückchen geschnitten und dann noch mit Omas Fleischklopfer zu Matsch geschlagen. Als ich mich in den Auslauf setzte, kam Fearless und stupste die Flasche Milch mit der Nase an.

„Nein meine Kleine, heute gibt es erst eine Vorspeise“, redete ich mit sanfter Stimme. Ich nahm ein wenig von dem Matschfleisch und schmierte etwas davon an Fearless Maul. Fearless leckte mit der Zunge darüber und es schien ihr zu schmecken. Sie putzte mit der Pfote über ihr Maul und leckte diese dann ab. Nun stellte ich die kleine Schüssel mit dem Matschfleisch vor Fearless. Diese fraß sie leer. Jetzt bekam sie auch noch ihre Milch.

„Na, du kleiner Vielfraß, bist du satt?“

Zufrieden legte sie sich neben mich. Ich holte nun das Halsband aus der Hosentasche und legte es Fearless um den Hals. Doch als ich es schließen wollte, knurrte Fearless und versuchte es mit der Pfote wegzuschieben. Gut zuredend gelang es mir, das Halsband zu schließen. Als ich sie losließ, sprang Fearless auf und versuchte das Halsband abzustreifen. Nach kurzer Zeit befreite ich Fearless wieder von dem Halsband, streichelte und lobte sie. Zur Belohnung gab es ein Stück Trockenfleisch. Sie nahm es und kaute darauf herum. Nach ein paar Tagen ließ sich Fearless das Halsband ohne Weiteres anlegen. Jetzt befestigte ich einen Strick daran. Seit Fearless Fleisch bekam, war ein aufgewecktes Wölfchen aus ihr geworden. Ihr Fell war weich und nicht mehr stumpf. Wenn sie nicht schlief, erkundete sie ihre Gehege. Sie versuchte darüber zu klettern oder sich untendurch zu graben. Lange konnte sie im Kaninchengehege nicht mehr bleiben, so wie sie wuchs. Ich hob Fearless hoch und setzte sie außerhalb des Geheges ab. Dann stieg ich auch heraus und ging ein kleines Stück, die Leine locker lassend. Fearless stand noch da, wo ich sie hingesetzt hatte. Lockend hielt ich ihr ein Stück Trockenfleisch hin und langsam kam sie zu mir. Ich lobte sie und es gab wieder ein Stück Trockenfleisch. Jetzt kam Caro zu uns und Fearless knurrte sie an. Ich gab den Befehl „Aus!“, aber Fearless war noch lange nicht so weit, um zu gehorchen. Das sagte ich Caro auch.

„Caro, wir müssen Geduld mit Fearless haben. Sie ist kein Hund. Es wird aber die Zeit kommen, wo du mit ihr herumtollen kannst.“

Caro nickte.

„Joyse, ist dir schon aufgefallen, dass keine Katzen mehr hier sind?“

„Ja, aber die werden sich schon noch an Fearless gewöhnen, bei Bruno war es ja genauso.“

„Da hast du recht, ich werde mal zu Oma gehen, auf die Hühner aufpassen. Falls der Strick Fearless‘ Zähnen nicht gewachsen ist“, grinste jetzt meine Schwester und ging.

Auch wenn Fearless jeden anknurrte, ging ich jeden Abend mit ihr zu allen, die draußen waren. Sie musste alle Bewohner kennen und akzeptieren lernen. Als Nächstes kam mein Dad mit Bruno vorbei. Wie jeden Abend. Bruno hatte Fearless akzeptiert, nur Fearless wollte noch nicht kleinbeigeben.

Aber ihre Abwehrhaltung gegenüber Bruno wurde jeden Tag weniger. Vielleicht, weil Bruno nachts wieder draußen war und ihre kleine Festung bewachte, seit Dad sicher war, dass Bruno Fearless nichts mehr tat.

Dann eines Morgens, als ich mit dem Futter zu Fearless kam, traute ich meinen Augen kaum. Bruno lag bei Fearless im Auslauf und beide schliefen aneinander gekuschelt. Ich blieb wie angewurzelt stehen und nahm das Bild in mir auf. Es war so niedlich. Leise stahl ich mich wieder davon. In der Küche traf ich Dad, dem ich gleich davon berichtete.

Er lächelte. „Darauf habe ich schon gewartet, Fearless war klein, als sie zu uns kam. Sie sucht einen Mutterersatz. Jetzt wird die Erziehung leichter. Bruno wird uns viel Arbeit abnehmen.“

So geschah es auch. Abends durfte Fearless an der Leine mit Bruno das Gelände innerhalb des Zauns erkunden. Immer wenn Fearless etwas machte, was sie nicht sollte, bellte Bruno und ich gab den Befehl „Nein“.

So lernte sie schnell ihre Grenzen kennen. Zweimal die Woche

trainierte auch mein Dad mit ihr. Er zeigte mir, was sie lernen musste und dass man es immer wieder üben sollte. Auch Bruno wurde einmal die Woche von Dad trainiert.

Narvik hatte ihr einen Hundeknochen aus Holz geschnitzt, mit dem sie gern spielte. Da er nicht aufstehen durfte, hatte er Langeweile. Mittags wurde er mit Kilian zusammen von Brian im Hausbau unterrichtet. Sie sollten sich, wenn Narvik wieder aufstehen durfte, zusammen ein Haus bauen. Das sollte aus Platzgründen außerhalb des Zauns stehen. Der Zaun würde dann später versetzt werden. Ich sollte auch am Unterricht teilnehmen. Aber Hausbau war nicht mein Ding und es wurde von Brian akzeptiert. Ich freute mich schon darauf, dass das Haus fertig wurde. Dann hatte ich mein eigenes Zimmer. Das Zimmer von Narvik würden dann Victor und Anne für ihr Baby bekommen. Caro hatte schon ihr eigenes Zimmer auf dem Dachboden. Es war klein, aber ihr genügte es. Sie benutzte es nur zum Schlafen, ansonsten war sie entweder bei Kat oder bei Oma. Wohingegen ich mich bei ungemütlichem Wetter gern mit einem Buch im Zimmer vergrub. Zu meinem sechzehnten Geburtstag hatte ich einen Schaukelstuhl bekommen, in dem ich dann stundenlang lesen konnte, wenn ich frei hatte und nicht von Kilian gestört wurde. Bis zum achtzehnten Geburtstag hatten wir einen Tag pro Woche zur freien Verfügung. Die anderen Tage halfen wir den anderen. Vor allem Oma bei der Feldarbeit. Um für zwölf Personen immer ausreichend Essen zu haben, musste ein großer Acker bewirtschaftet werden, dazu noch ein Obstgarten und eine Wiese. Der kleine Zoo, wie ich Omas Tiere nannte, musste auch versorgt werden. Oma konnte das unmöglich allein schaffen. Mit achtzehn gab es keinen Faulenzertag mehr. Oma sagte: „Zum Ausruhen ist der Winter da!“

Und selbst da mussten die Tiere versorgt und Holz gemacht werden. Von der Jagd ganz zu schweigen. Aber ich sah die Jagd eher als ein Hobby an. Ich liebte Tiere, aber ich wusste, dass sie auch Nahrung waren und zum Leben gebraucht wurden. Und wie mein Dad mit einem Lächeln immer sagte: „Ich habe sie zum Fressen gern.“

Außerdem war da noch der Reiz, den die Jagd mit sich brachte. Nicht jedes Tier, das man erspähte, wurde auch zur Beute. Ein unachtsamer Tritt, ein fremdes Geräusch oder der sich ändernde Wind und schon war die Jagd zu Ende, noch ehe sie begonnen hatte.

Seit dem Tag, an dem ich Fearless gefunden hatte, waren jetzt drei Wochen vergangen. Bei der Waldwiese war alles fertig, das Gatter und der Pferch. Nun mussten nur noch die Pferde kommen. Anne und ich gingen früh morgens zur Waldwiese und etwas weiter in die Richtung, in der wir die Pferde vermuteten. Bruno und Fearless begleiteten uns. Fearless noch an der Leine. Wenn Anne eine Ente vom Himmel holte und Bruno sie apportierte, ließ ich Fearless frei mitlaufen. Danach kam sie wieder an die Leine. Auf der Waldwiese durfte Fearless ohne Leine mit Bruno herumtollen. Fearless liebte es, nach Mäusen zu graben und Bruno half ihr dabei. Wenn er eine hatte, legte er sie Fearless vor die Füße, die sie dann genüsslich verspeiste. Nach einer Weile gingen wir weiter, wir wollten noch bis zur nächsten Lichtung. Dort hoffte Anne auf Rehe zu stoßen. Es war Mitte August und es kündigte sich ein heißer Sommertag an. Im Wald war es noch angenehm kühl.

Als wir uns der Lichtung näherten, sah ich sie und hob die Hand. Das war das Zeichen zum Stehenbleiben. Anne schaute aufmerksam in die Richtung, in die ich zeigte. Dort standen sie, mitten auf der Lichtung, und grasten. Es waren aber keine Rehe, sondern die Pferde. Anne machte mir ein Zeichen, das wir uns zurückziehen würden. So leise, wie wir gekommen waren, gingen wir zurück. Noch vor der Waldwiese sahen wir eine Rotte Wildschweine im Waldboden nach Futter suchen. Der Wind kam uns entgegen. Anne schob mich hinter eine dicke Eiche, sie selbst stellte sich hinter mich. Dann, noch ehe ich protestieren konnte, hatte sie ihren Bogen gespannt und der Pfeil surrte durch die Luft. Noch während er sein Ziel suchte, drückte sie mich an die Eiche und wir verschmolzen mit dem Schatten. Das Quieken eines Überläufers ließ die Rotte losrennen und eine Bache brach durch das Dickicht. Auf ein Zeichen von Anne lief jetzt Bruno in die Richtung der Bache, drehte aber rechtzeitig ab und lockte so die Bache, die ihn jetzt im Visier hatte, weg. Das alles ging so rasend schnell, dass ich nur erstaunt zusehen konnte.

Ich wollte erst protestieren, als Anne den Bogen spannte, weil ich an Narvik und seine Verletzung dachte. Aber jetzt, als alles vorbei war, wusste ich, dass Anne das nicht zum ersten Mal machte und Bruno seinen Part kannte. Als Bruno zurückkehrte, traten wir hinter dem Baum hervor. Während wir zu den erlegten Überläufern gingen, spitzte Bruno seine Ohren. Er sollte aufpassen, nicht, dass die Bache zurückkam.

Anne brach das Schwein auf und weidete es aus. In der Zwischenzeit suchte ich einen Ast, an dem wir es aufhängen konnten, um es zum Heim zu tragen. Der Ast wog bestimmt seine dreißig Kilo. Als Anne fertig war, bekamen Bruno und Fearless die Innereien wie Herz, Leber und Niere. Danach banden wir die Pfoten zusammen und schoben den Ast durch. Anne und ich hoben je ein Ende auf die Schultern und das Schwein baumelte beim Laufen in der Mitte hin und her. Zufrieden und satt trabten Bruno und Fearless nebenher.

Zu Hause wurden wir für den Überläufer gebührend gelobt. Nachdem er noch von Anne fachmännisch zerlegt wurde, machten sich Mama und Oma daran, ihn zu verarbeiten. Beim Mittagessen, wo alle zusammensaßen, berichtete ich von den Pferden.

"Und, was meinst du, Joyse, wie geht es jetzt weiter?", fragte mich mein Dad.

„Ich weiß es nicht genau. Wir sollten wenigstens zu

viert sein, wenn wir versuchen, die Pferde in das

Gatter zu treiben. Drei von hinten und einer beim

Gatter hinter der Buche. Sodass er nicht gleich von den Pferden gesehen wird. Am besten, wir gehen jeden Morgen und Abend zur Waldwiese.“

Jetzt begann eine Diskussion, wer mit zur Waldwiese gehen sollte. Ann, Sus und Kat wollten nicht mit.

Caro war zu klein und Narvik durfte noch nicht wegen seiner Verletzung, was er nicht einsehen wollte, da es ihm gut ging. Aber in der Sache hatte Kat als Ärztin das letzte Wort, dem sich alle beugten.

Da sie aber wenigstens vier pro Gruppe brauchten, entschloss sich Kat mitzugehen. Morgens gingen Anne, Brian, Dad und Kat. Am Abend John, Victor, Kilian und ich. Am späten Nachmittag gingen wir zur Waldwiese, aber wir kamen ohne Erfolg zurück. Das ging drei Tage so, die Pferde waren nicht da. Am vierten Abend war es so weit, die Pferde grasten friedlich auf der Wiese.

Ich übernahm das Gatter und pirschte mich lautlos an die Buche. Kilian bezog seinen Posten gegenüber vom Gatter am Waldrand und Victor und Opa links und rechts im Wald. Das alles dauerte eine Weile, da sie sich im großen Bogen der Wiese nähern mussten, ohne die Pferde scheu zu machen. Jetzt erklang der Ruf eines Adlers durch den Wald, bald darauf ein zweiter und dritter. Beim vierten Ruf ging es los. Die Pferde hatten schon aufgehört zu grasen und spitzen die Ohren. Als Erstes fing Kilian an, laut zu singen, es klang grässlich und Victor und John fielen mit ein. Von drei Seiten der Waldwiese kam jetzt Gesang und die Pferde galoppierten in meine Richtung. Doch als der Leithengst am Gatter ankam, scheute er und brach nach rechts aus.

Die Pferde hinter ihm konnten nicht so schnell wenden und so rasten sie durch das Gatter. Weil das Gatter aber nicht so breit war und es zum Stau kam, brachen sie panisch nach links und rechts aus.

Ich stieß den Schrei eines Käuzchens aus. Das hieß für die anderen in Deckung gehen, die Pferde brechen aus. In dem Moment, als vor dem Gatter kein Pferd mehr war, sprang ich hinter dem Baum vor und verschloss das Gatter mit der Tür, noch bevor die Pferde im Pferch wenden und wieder fliehen konnten. Ich strahlte, im Pferch befanden sich zwei Stuten, wobei eine ein Fohlen hatte und ein Hengst.

Nach und nach trafen auch die anderen ein und staunten nicht schlecht, dass mein Plan funktioniert hatte.

„Und wie geht es jetzt weiter?“, fragte Victor.

„Jetzt müssen wir das Vertrauen der Pferde gewinnen, um sie zu uns zu bringen. Danach müssen sie lernen, sich uns unterzuordnen, erst dann kann ich sie zureiten“, schloss ich.

„Klingt, als wenn es dauern könnte, bis ich mein erstes Pferd vor den Pflug spannen kann“, seufzte Victor. Alle lachten.

„Ich bleibe jetzt hier, auch über Nacht, jetzt sollte immer einer bei den Pferden bleiben, da der Pferch klein ist. Wir brauchen drei Halfter. Zwei hat Anne schon fertig.“

„Okay, ich bleibe mit hier. Ihr anderen geht zurück. Stephan soll herkommen und zu essen und zu trinken mitbringen“, sagte mein Opa.

Victor und Kilian nickten und machten sich auf den Weg. Opa setzte sich ins Gras und ich daneben, wir unterhielten uns. Ich erklärte ihm, dass sich die Tiere erst einmal beruhigen müssen und sich gleichzeitig an unsere Stimmen und Gegenwart gewönnen sollen. Es war ein lauer Sommerabend, die Grillen zirpten und Glühwürmchen schwebten durch die Luft. Die Pferde zupften Blätter von den Bäumen, die in den Pferch hineinragten. Opa erzählte Geschichten aus seiner Jugend und so merkten wir gar nicht, wie schnell die Zeit verstrich, als plötzlich Dad bei uns auftauchte.

„Na, ihr zwei seid ja so vertieft in eure Geschichten, dass ich euch die Pferde wegstehlen kann. Lass mich mal deine Pferde anschauen.“

Wir gingen alle drei zum Pferch. Der Hengst stand am weitesten von uns entfernt, er hatte rotbraunes Fell mit einer schwarzen Mähne und einen schlanken Körperbau. Die Stute und das Fohlen waren schwarz und weiß gefleckt, wobei die weiße Farbe überwog. Ihrer beider Mähnen waren weiß. Die Stute war etwas kräftiger gebaut, aber nicht so wie die zweite. Die zweite Stute war kräftig gebaut, hatte ein hellbraunes Fell, eine etwas dunklere Mähne und eine weiße Blesse. Dad holte drei Mohrrüben aus seiner Tasche und reichte mir und Opa eine. „Versucht mal euer Glück.“

Opa und Dad gingen langsam und leise redend zu den Stuten an den Pferch, ich versuchte mein Glück bei dem Hengst.

Die Stuten schnupperten an dem Grünzeug von den Möhren und fraßen sie. Der Hengst wurde unruhig und schnaubte, als ich mich näherte, dabei rückwärtsgehend, bis er an den Pferch anstieß. Ich blieb stehen und wartete, ich wollte ihn nicht bedrängen. Leise redete ich auf ihn ein. Auch Opa und Dad rührten sich nicht mehr und warteten gespannt, ob der Hengst seine Möhre nahm. Der rührte sich nicht von der Stelle.

Leise flüsterte ich. „Ich lege dir die Möhre jetzt auf den Boden, aber beim nächsten Mal musst du schon zu mir kommen, wenn du sie haben willst.“

Daraufhin legte ich die Möhre auf den Boden und ging zu den anderen zurück.

„Na, der hat seinen eigenen Kopf, mit dem wirst du es schwer haben Joyse“, meinte jetzt mein Opa.

Dad packte seinen Rucksack aus. Er hatte kalten Braten und Maisbrot mitgebracht. Während ich mit Opa aß, ging mein Dad zu dem Bach, der ganz in der Nähe war, und schöpfte mit einem Eimer, den er mitgebracht hatte, Wasser für die Pferde. Er stellte den Eimer an einen Baum in den Pferch, damit er nicht gleich umkippen konnte. Es war mittlerweile dunkel geworden. Dad reichte mir und seinem Vater einen Schlafsack.

„Dad, ich übernehme die erste Nachthälfte die Wache und du die zweite.“

Ich wollte protestieren, doch Dad ließ mich gar nicht erst zu Wort kommen.

„Joyse, du schläfst die ganze Nacht und arbeitest morgen früh mit den Pferden, wir müssen sie schnell soweit bringen, dass wir sie bis zu uns bringen können.“

Ich nickte. Als ich im Morgengrauen erwachte, war mein Dad schon wach. Opa rüstete sich für den Weg nach Hause.

Nachdem wir etwas gegessen hatte, machten wir uns auf die Suche nach jungen Birken. Ich schnitt den Haupttrieb ab und kürzte ihn auf zirka einen Meter ein, anschließend entfernte ich alle Seitentriebe. Die Gerte hatte einen Durchmesser von eineinhalb Zentimeter. Dann ließ ich die Gerte durch die Luft auf meine Hand sausen. Sie besaß ausreichend Steifheit und Elastizität.

„So, das sollte gehen“, redete ich mit mir selbst.

„Hey Joyse, verprügelst du dich schon selbst?“

Mein Dad war zu mir gekommen und schaute zu, was ich machte.

„Das kann ich auch machen!“

„Dad, du träumst. Aus dem Alter bin ich raus. Das

sind Gerten für die Pferde.“

„Was, die armen Pferde willst du schlagen?“, tat er entrüstet.

Genervt rollte ich mit den Augen. „Nicht schlagen, nur touchieren oder antippen, um ihnen zu zeigen, was ich von ihnen möchte. Hast du überhaupt die Halfter mitgebracht?“

„Ja, vier Stück. Anne hat noch zwei angefertigt, ein

kleineres und ein größeres. Sie meinte, es könne nicht schaden, etwas Auswahl zu haben. Oma hat auch noch frische Möhren mitgegeben, die kennen die Pferde nicht. Vielleicht schmecken die ihnen besonders gut und so könnten wir sie leichter zutraulich machen, war ihre Ansicht.“

„Ja, dann wollen wir mal unser Glück probieren, gestern schien es ihnen ja zu schmecken.“

Wir gingen zum Pferch.

„Dad, nimm du die Stute mit dem Jungen, ich die andere. Pass auf deine Körpersprache auf. Du bist der Boss, das müssen die Pferde von Anfang an lernen. Schau einfach zu, wie ich es mache.“

Wir arbeiteten eine halbe Stunde mit den Pferden und ließen ihnen dann eine Stunde zum Verschnaufen. In der Zeit stellte Dad ihnen frisches Wasser hin. Der Hengst begutachtete das Ganze misstrauisch. Jedes Mal, wenn Dad oder ich in den Pferch stiegen, zog sich er zum äußeren Ende zurück. Aber da wir ihn in Ruhe ließen, beruhigte er sich schnell wieder. Am Nachmittag hatten wir den zwei Stuten das Halfter umgelegt. Mehr wollte ich ihnen heute nicht mehr zumuten. Auf der Waldwiese stand das Gras hoch und Dad schnitt es mit der Sichel, ich brachte es zu den Pferden. Anschließend gingen wir zum Bach, um uns zu waschen. Zurück bei den Pferden sahen wir Kilian mit einer Sense Gras hauen.

„Oma meint, es bleibe noch die nächsten Tage warm und trocken. Also hat mir Victor die Sense in die Hand

gedrückt. Er meinte, wir werden viel Heu brauchen und ich sollte bei der Waldwiese anfangen. Wenn ihr Hunger habt, schaut in meinen Rucksack, ich habe euch auch frischen Apfelsaft mitgebracht.“

Jetzt merkte ich erst, dass ich Hunger hatte. Wir

hatten seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Mittlerweile war es Nachmittag geworden.

Genüsslich machten sie sich über die Buletten her.

„Hey Joyse, wenn du nicht bald heimkommst, verhungert uns Fearless. Sie liegt heute in ihrer Hütte und frisst kaum was, selbst Bruno kann sie nicht aufheitern.“

„Ja, aber ich bin doch erst einen Tag weg?“

„Na ja, sie musste aber noch nie ohne dich sein.“

„Kilian, du bist doch noch eine Weile hier, oder?“

„Eigentlich wollte ich dich oder Dad ablösen, oder was meint ihr?“

„Mir wäre es recht, wenn wir noch eine Nacht bleiben und morgen mit den zwei Stufen heimkommen. Da brauchen wir hier jemanden, der auf den Hengst aufpasst, bis ich zurückkomme. Dad, was hältst du davon?“

„Ich dachte, wir machen hier solange, bis wir alle drei Pferde mitnehmen können?“

„Nein, es wird leichter mit dem Hengst, wenn die Stuten weg sind. Pferde sind Herdentiere, sie brauchen Kontakt. Er wird schneller zutraulich werden, wenn er allein ist.“

„Dann bleibe ich gleich da und übernehme die erste

Nachtwache.“

„Okay, dann lege ich mich hin. Ich bin satt und müde, das Schlafen auf den Waldboden ist auch nicht so ideal für meine alten Knochen. Da nutze ich meine Flaute. Wecke mich, wenn du es satthast, Schmiere zu stehen“, sagte Dad, schnappte sich einen Schlafsack und legte sich neben den Pferch schlafen.

Ich sah Kilian an und schüttelte den Kopf.

„Unser Dad schwächelt doch nicht etwa?“

„Ach ja in seinem Alter, er ist immerhin schon dreiundvierzig und muss langsam zurückstecken. Da kann er mit uns Jungen nicht mehr mithalten“, grinste mein Bruder mich jetzt an.

„Hey, ihr zwei, ich werde es euch morgen schon zeigen. Von wegen schwächeln und zurückstecken!“

Ich kicherte. „Na, die Ohren funktionieren ja noch

bestens.“

Auch ich schlüpfte in den Schlafsack. Ich wollte im Morgengrauen aufstehen, um zu jagen. Als ich erwachte, dämmerte der Morgen. Mein Dad begrüßte mich.

„Na, auch schon wach, du Schlafmütze?“

„Ich kann ja nichts dafür, dass du freiwillig Wache schieben willst. Auf jeden Fall gehe ich jetzt noch mal gucken, ob mir etwas vor den Pfeil läuft, bevor wir aufbrechen. Ich muss Fearless und Oma etwas mitbringen“, sprach ich und ging Richtung Waldwiese davon.

Nach etwa zehn Minuten kam ich mit einem Hasen in der Hand zurück.

„Hier Dad, kümmere dich um ihn, der saß auf der Waldwiese." Und schon war ich wieder weg. Zwei weitere Stunden später kam ich mit einem erlegten Dachs zurück und strahlte. Das Jagdglück war mir heute hold. Mittlerweile war auch Kilian auf den Füßen. „Hey Schwesterchen, wie machst du das eigentlich? Dir laufen doch die Tiere direkt vor den Bogen, während unsereins Stunden durch den Wald marschiert und nichts zum Schießen findet.“

„Du sagst es, marschieren, da brauchst du dich nicht wundern!“

„Pah, auch wenn ich auf leisen Sohlen durch den Wald schleiche, ist es nicht besser.“

„Du hast Schuhgröße fünfundvierzig, wie willst du

mit so großen Füßen schleichen? Außerdem fällst du mit deinen ein Meter neunzig auch gar nicht auf.“

„Glaubst du, du bist mit deinen ein Meter siebzig unauffälliger?“

„Scheint so!“ Ich wackelte mit dem Dachs vor Kilians Nase herum.

„Hört auf ihr zwei, sonst stelle ich euch jeden in

eine Ecke!“

Bei diesen Worten, die Dad schon als kleine Kinder zu ihnen gesagt hatte, mussten wir alle lachen.

Ich meinte: „Wo willst du hier im Wald zwei Ecken hernehmen?“

„Im Pferch“, grinste jetzt mein Dad.

Verblüfft über die Antwort schaute ich meinen Bruder an.

„Wo er recht hat, hat er recht. Hätten wir doch nur einen runden Pferch gebaut!“ Er seufzte theatralisch.

„Kindskopf!“

Dad gab ihm eine leichte Kopfnuss und verstaute jetzt den Dachs und den Hasen in dem großen Rucksack, es war Zeit zum Aufbruch.

Ich grinste zu meinem Bruder, der sich den Kopf hielt, als wenn es wehgetan hätte.

„Siehst du, das hast du jetzt davon, unseren Dad zu ärgern.“

Jetzt befestigte ich einen langen Strick an dem Halfter von den zwei Stuten und führte sie aus dem Pferch. Das Fohlen lief seiner Mutter hinterher. Die Stute mit dem Fohlen gab ich Dad und ich nahm die andere und ging vorneweg. Es ging besser, als ich gedacht hatte. Ich wollte am frühen Nachmittag zurück sein und mich noch mit dem Hengst anfreunden.

Zu Hause brachten wir die Stuten auf das eingezäunte

Waldstück an dem Bach. Danach gingen wir zum Tor, auf dessen anderer Seite wir schon Bruno und Fearless hörten. Narvik stand auf dem Wachturm.

„Die zwei gehen schon eine Stunde hier um, sie haben wohl gespürt, dass ihr heimkommt.“

Als er das Tor öffnete, sprang Bruno an Dad und Fearless an mir hoch. Das war eine Wiedersehensfreude, als wenn wir wochenlang weg gewesen wären, dabei waren es nur drei Tage.

Joyse

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