Читать книгу Mein wildes Leben zwischen Laufsteg und Swingerclub - Christiane Hagn - Страница 6

100 % Sexgarantie

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Es ist Freitag, sechs Uhr morgens, mein Wecker klingelt. Ich quäle mich aus dem Bett, dusche heiß und doch nicht kalt, so wie ich es mir eigentlich morgens immer vornehme. Eine Stunde später teile ich mir die U-Bahn Richtung Mariendorf mit ein paar Partyleichen von gestern Nacht sowie fleißigen Arbeitern und Arbeiterinnen, die zur Schicht antreten. Elektriker, Kassiererinnen, Büroangestellte, Einzelhandelsverkäufer, vielleicht auch Studenten – Menschen, die ich an Tagen wie diesen um ihren Job sehr beneide, die in Büros mit Teppichböden, in Werkstätten mit Kollegen oder einer ehrfürchtigen Aula ihren Tag verbringen dürfen. Mein Fahrtziel dagegen zeichnet sich durch die Abwesenheit von Tageslicht und die Anwesenheit vieler nackter Menschen aus. Ich habe Frühschicht im Swingerclub. Heute muss ich von acht bis sechzehn Uhr wieder hinter dem Tresen stehen. Zwischen Peitschen, Sperma und Pornos, die rund um die Uhr auf dem Fernseher in der Ecke laufen. Wir nennen sie »Heimatfilme«. Vielleicht auch deshalb, weil unsere Pornos in den Zimmern nebenan live stattfinden.

Als ich an meiner Haltestelle ankomme und die U-Bahn verlasse, spüre ich die Blicke auf mir. Ich bin wie meistens, wenn ich zur Arbeit gehe, ganz in Schwarz gekleidet. Meine Tattoos sind an vielen Stellen sichtbar, vor allem mein Markenzeichen, der Totenkopf auf meinem Kehlkopf. Die Büroangestellte hinter mir hat sich ihr Bild von mir bereits gemacht: drogenabhängig, arbeitslos, Schnorrer. Dass ich auch die Frau auf dem Werbeplakat ihrer Tankstelle oder aus dem Boulevardmagazin auf ihrem Wohnzimmertisch bin, würde ihr nie im Leben auffallen. Kurz vorm Aussteigen drehe ich mich noch einmal um, blicke in ihr erschrockenes Gesicht und schenke ihr ein entwaffnendes Lächeln.

Im Laden angekommen treffe ich auf Dani, meine Kollegin von der vorherigen Nachtschicht. Zuerst machen wir Schichtübergabe. Das heißt gemeinsam alles sauber machen und die Liste abhaken. Auf dieser Liste stehen alle möglichen Handgriffe wie: »Gebrauchte Handtücher aus den K örben entfernt?«, »Bar geputzt?«, »Tresen aufgeräumt?«, »Spülbecken sauber?«, »Putzwasser aufgefüllt?«, »Gläser poliert?«, »Abtropfmatten gereinigt?«, »Toiletten kontrolliert?«, »Duschseife nachgefüllt?«, »Sauna gecheckt?«, »Getränke aufgefüllt? « Dass unser Chef leicht kontrollsüchtig ist, merkt man dem Zettel an. Anschließend machen Dani und ich die Abrechnung, rechnen den Verdienst aus und sie erzählt mir alles über die Vorfälle der letzten Nacht: »Sandra, du glaubst es nicht, aber gestern hat eine Frau auf die Matratze gekackt. Das war vielleicht widerlich.«

»Igitt. Wie ist das denn passiert? Fetisch?«

»Ne, Analsex-Panne, glaube ich. Hab sofort die Putzfrau angerufen, aber es war so viel los, dass ich nicht drum rumkam, die größte Sauerei erst mal selbst wegzumachen. Ekelhaft!«

Ich nehme Dani tröstend in den Arm und kann mir ein Grinsen trotzdem nicht verkneifen.

Auch wenn ich das frühe Aufstehen hasse und mich im Laden morgens oft zu Tode langweile, hat die Frühschicht doch wirklich so einige Vorteile. Immerhin gibt es nicht allzu viele Leute, die ihre Vormittage in einem Swingerclub verbringen. Aber es gibt sie. Sonst hätten wir vermutlich auch nicht 24 Stunden, sieben Tage die Woche geöffnet.

Bevor Dani Feierabend macht, gehe ich noch mal schnell auf Toilette, das kann ich zwar auch während meiner Schicht machen, muss dann aber immer fürchten, dass jemand den Champagner plündert.

Die nächsten acht Stunden stehe ich hinter dem Tresen, fülle Getränkefächer auf, poliere Gläser und beantworte Telefonanrufe wie: »Hey Süße, ist schon was zum Ficken da?«

»Wenn du kommst, bestimmt!«, muss ich dann sagen.

»Was gibt’s denn heute Abend?«

»Heute ist ab zwanzig Uhr 100 % Sexgarantie

»Und was soll das sein?«

Ja, unglaublich, aber es gibt immer noch Kundschaft, denen ich dieses mehr als aussagekräftige Motto trotzdem erklären muss.

»Heute Abend kannst du garantiert Sex haben«, erkläre ich kurz und knapp.

»Geil«, sagt er und legt auf.

Dieses Motto hat sich unser geschäftstüchtiger Chef einfallen lassen, um eines der größten Probleme im Swingerclub zu umschiffen, nämlich dass ein Swingerclub von mehr Männern als Frauen aufgesucht wird, obwohl die sogar freien Eintritt haben. Mit »100 % Sexgarantie« garantieren wir jedem Mann, dass er Sex haben kann. Dazu werden zwei Prostituierte engagiert und bezahlt. Sollte jemand genauer nachfragen, haben wir strenge Anweisung zu sagen, dass diese Frauen natürlich freiwillig hier sind und eben gern viel Sex haben. Dass es sich dabei um wirklich schlecht bezahlte Prostituierte handelt, liegt eigentlich auf der Hand, doch das scheint offensichtlich niemanden zu stören, denn Freitagabend platzt der Laden immer aus allen Nähten. Gefüllt mit hässlichen alten Männern und zwei Prostituierten, die meist nach zwei Stunden völlig betrunken sind. Aber bei der schlechten Bezahlung muss man wenigstens die freien Drinks mitnehmen. Logisch. Und niemand hat gesagt, dass wir Sex mit nüchternen Frauen garantieren, oder?

Als ich gegen halb vier bereits anfange, meine Sachen zusammenzupacken, klingelt es an der Tür. Ich öffne den Sichtspalt und entdecke einen jungen Mann, der mir entgegenlächelt.

»Ist schon was los?«, fragt er durch den Spalt an der Tür. »Noch nicht die Hölle. Aber das kann nicht mehr lange dauern. Heute ist 100 % Sexgarantie

»Ich weiß. Hatte vorhin angerufen.«

Ich öffne ihm die Tür, zeige ihm die Umkleidekabine und gebe ihm einen Schlüssel für den Spind. Zehn Minuten später steht er splitterfasernackt vor mir an der Bar.

»Ähm, entschuldige«, sage ich verlegen, denn auch nach zweieinhalb Jahren bin ich noch nicht ganz abgebrüht, was komplett nackte Menschen angeht. »Du müsstest dir bitte ein Handtuch um die Hüften legen. Aus hygienischen Gründen.«

»Klar. Kein Problem. Hast du eines da?«

Ich greife in das Fach unter der Bar, reiche ihm ein Handtuch und er tritt einen Schritt zurück, um es sich umzulegen. Ich hatte mir fest vorgenommen, nicht hinzusehen, aber das ist so unmöglich wie nicht an einen Elefanten zu denken. Als mein Blick auf sein bestes Stück trifft, traue ich meinen Augen nicht. Dieser Kerl hat extrem große Hoden, Riesendinger, die nicht gerade vorteilhaft für seinen winzigen Penis sind.

»Da staunst du was?«, sagt der Typ und ich werde sofort knallrot. »Ich habe mir Kochsalzlösung in die Eier gespritzt«, erklärt er aufschlussreich. »Dadurch komme ich intensiver und spritze Minimum zwei Liter ab. Geil, oder?«

Ich reagiere mit Sprachlosigkeit, was mir eher selten passiert, und beschließe, überpünktlich Feierabend zu machen. Denn zwei Liter Sperma will ich heute sicher nicht mehr wegwischen. Vielleicht sollte man diesen Punkt auf unserer Checkliste ergänzen: »Sperma weggewischt?«

Mein wildes Leben zwischen Laufsteg und Swingerclub

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