Читать книгу Mein wildes Leben zwischen Laufsteg und Swingerclub - Christiane Hagn - Страница 8

Die Hausfrau von heute

Оглавление

Meine Mutter war und ist Hausfrau. Sie kümmert sich um das Wohlergehen ihrer Familie und sorgt dafür, dass zur rechten Zeit das rechte Essen auf dem Tisch steht. Auch wenn sie nicht immer alles richtig gemacht hat, gerade in Bezug auf ihren Umgang mit mir, erfüllte sie doch ihre hausfraulichen Pflichten. Oder versuchte es zumindest. Meine Mutter ist für mich die typische Hausfrau oder eben das, was ich darunter verstehe. Doch hier, an meinem Arbeitsplatz, lernte ich Jahre später die etwas andere Hausfrau kennen. Ob das nun die »Hausfrau von heute« ist oder »die Hausfrau von Berlin« kann ich nicht beurteilen. Aber es gibt sie: die Hausfrauen im Swingerclub.

Sie kommen gern am Montagvormittag. Vielleicht weil ihre berufstätigen Männer am Montagvormittag besonders stark eingespannt sind. Vielleicht aber auch weil Montag der Friseur geschlossen hat und sie deshalb einen anderen Ort für ihre Zusammenkunft benötigen. Denn die Hausfrau kommt selten allein, sondern am liebsten in einer Dreiergruppe, meist eine Hübsche, eine Dicke und eine Schüchterne, die sich eigentlich lieber in einem gemütlichen Café treffen wollte. Aber sie sucht den Anschluss und lässt sich daher von den anderen beiden regelmäßig überreden. Es sei ja nichts dabei! Die Getränke sind umsonst und man könne ja auch nur ein bisschen gucken, oder? Frei nach dem Motto: »Appetit holen kann man sich woanders, aber gegessen wird zu Hause!«

So zumindest stelle ich mir das bei unserer Hausfrauenstammgruppe vor, die fast jeden Montagvormittag hier ist. Außer in den Ferien. Da ist dann doch Familie angesagt.

Dafür, dass sie nur ein bisschen gucken wollen, tragen die drei offensive Kleidung. Die Hübsche trägt meistens ein viel zu kurzes Lackkleid, das ihr nicht steht, aber teuer aussieht. Vermutlich hat es ihr der reiche Ehemann geschenkt, für den sie es bestimmt noch nie angezogen hat. Die Dicke stellt gern ihr gewaltiges Dekolleté mit tiefem Ausschnitt zur Schau und kaschiert den Hintern mit einem weiten schwarzen Rock. Das ist hier fast schon ungewöhnlich, denn meist sind es die übergewichtigen Frauen, die am wenigsten anhaben. Gern nur einen kleinen String, der in der Poritze verschwindet, und ein Büstenhalter mit Bügel, aber ohne Stoff. Die Schüchterne sieht eigentlich immer ganz hübsch aus. Aber man sieht ihr an, dass sie sich in der durchsichtigen Bluse nicht wohlfühlt.

Meist ist mein Chef am Montagvormittag auch vor Ort. Um die Ladies ein bisschen in Stimmung zu bringen, wie er immer sagt. Dann schmeißt er eine Runde Sekt. »Den billigen «, flüstert er mir jedes Mal zu, als hätte ich das nach über zweieinhalb Jahren nicht längst verstanden. Anschließend wird Smalltalk gemacht und Neuigkeiten werden ausgetauscht. Zum Beispiel darüber, wo es mit Mann und Kindern dieses Jahr in den Urlaub hingeht.

»Die Kreuzfahrt letztes Jahr war wirklich ein Reinfall!«, schimpft die Hübsche. »Deshalb geht’s diesmal wieder nach Mallorca. Da wissen wir wenigstens, was wir kriegen. So wie hier.« Alle kichern. Die Stimmung wird mit jedem Glas etwas ausgelassener, die Gespräche obszöner: »Hoffentlich kriegt mein Mann wenigstens diesmal einen hoch!«

»Ich bin froh, wenn meiner nicht kann!«, schreit die Dicke. Alle prusten vor Lachen, außer die Schüchterne. Die schmunzelt nur in sich hinein und trinkt ihr Glas auf ex. Die Ladies tun gerade so, als würden sie sich hier auf ein Stück Sahnetorte treffen und anschließend noch einen Spaziergang machen. Doch anstelle des Spazierganges wird dann doch noch gevögelt. Nur ein bisschen gucken macht anscheinend doch nicht satt.

Die Hübsche verschwindet gern mit dem Chef in seiner Wohnung, die gleich um die Ecke liegt. Der Chef sagt nämlich immer: »Bier ist Bier und Schnaps ist Schnaps.« Übersetzt soll das heißen, dass er Berufliches und Privates trennen möchte, daher würde er es nie im eigenen Laden treiben. Ob er sie zu Hause beruflich oder privat bumst, habe ich noch nicht verstanden. Ich vermute, dass er wohl einen kleinen Penis hat und nur vermeiden will, dass wir, sein Barpersonal, davon erfahren. Denn das könnte nach seiner Ansicht Autoritätsverlust bedeuten.

Die Dicke verschwindet gern in die Sauna und legt sich danach mit einer Flasche Sekt allein in den Whirlpool. Dort wartet sie, bis jemand kommt, um sie zu beglücken. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit verriet sie mir einmal, dass sie es so gern im Wasser treibt, weil sie sich dort federleicht fühlen würde. Nachvollziehbar, wie ich finde. Falls niemand zu ihr den Pool steigt, schläft sie gern betrunken im Becken ein.

Die Schüchterne sitzt dann meist noch bei mir an der Bar und wir hängen unseren Gedanken nach. Jede für sich. Manchmal frage ich mich, was wohl aus Paul Pichler wurde, ob er inzwischen verheiratet ist und was seine Frau wohl am Montagvormittag so treibt? Oder ob er jemals selbst ein solches Etablissement wie das unsere aufsuchen würde, um andere Hausfrauen zu vögeln. Natürlich auch, ob er mich hier und heute erkennen würde. Aber vermutlich kann sich Paul nicht mal mehr an mich erinnern.

Aus meinen Tagträumen werde ich spätestens dann gerissen, wenn es mal wieder an der Tür klingelt. Der erste männliche Gast setzt sich prompt neben die Schüchterne und fragt: »Willst du vögeln?«

Sie nickt und erinnert mich ein bisschen an ein Schulmädchen, das gerade zum Tanzen aufgefordert wurde. Dann verschwinden die beiden im Nebenzimmer auf der großen Matte. Ich kann sie von der Bar aus nicht sehen, nur hören, denn die Schüchterne stöhnt immer am lautesten. Je nackter sie ist, umso mehr lässt sie sich gehen. Wusste ich doch, dass die sich in diesen Klamotten nicht wohlfühlt.

Neben dieser gruppendynamischen Spezies an Hausfrauen gibt es aber auch die mutige Einzelkämpferin. Eine Frau, die ihren Besuch im Swingerclub zwischen allen ihren anderen Verpflichtungen als vorbildliche Hausfrau genau einplant. So eine Frau ist zum Beispiel Luisa.

Luisa ruft vorab immer im Laden an und fragt, ob was los sei. Ihr ist egal, wie der Mann aussieht, nehme ich an, denn sie fragt immer nur: »Ist schon ein Schwanz da?« Falls ich ihr das positiv beantworten kann, steht sie zwanzig Minuten später vor der Tür. Dann mache ich ihr auf und schenke ihr schon mal einen Sekt ein, während sie sich in der Umkleidekabine umzieht. Manchmal fragt Luisa auch nach einem zweiten Spindschlüssel. Denn neben ihren Klamotten muss sie oft auch ihre gerade getätigten Einkäufe verstauen, Obst, Gemüse, Fischstäbchen, Waschpulver. Das Übliche eben. Ist das geschafft, setzt sich Luisa pro forma kurz an die Bar und kippt ihren Sekt auf ex. Währenddessen scannt sie den schummrigen Raum ab, bis sie »den Schwanz« geortet hat. Dann greift sie an. Sie ruft »dem Schwanz« zu, gern auch durch den ganzen Raum, dass sie jetzt Sex haben will, und zwar sofort.

Ich habe nur ein einziges Mal erlebt, dass ihr offenherziges Angebot abgelehnt wurde, und zwar von Thorsten, dem Wichser, was ihm viele Respektpunkte bei mir einbrachte. Aber in der Regel zerrt Luisa dann »ihren Schwanz« hinter sich her in das kleine, etwas intimere Zimmer neben dem großen Gangbang-Zimmer. Dort könnte man durch die Scheiben zusehen, wenn man möchte, aber die ganze Sache geht meist recht schnell über die Bühne. Maximal zehn Minuten später kommt Luisa wieder raus, springt unter die Dusche und dann wieder ab in die Umkleide. Spind auf, Klamotten an, Einkäufe gepackt und schon ist wieder mein Typ gefragt, und zwar pronto: »Sandra! Lässt du mich wieder raus? Ich hab’s eilig, muss noch die Kinder von der Schule abholen. Die haben gleich Blockflötenunterricht.«

In solchen Momenten denke ich manchmal, dass meine Mutter vielleicht doch nicht alles falsch gemacht hat.

Mein wildes Leben zwischen Laufsteg und Swingerclub

Подняться наверх