Читать книгу Wenn mich jemand sucht - ich bin im Kühlschrank! - Christiane Hagn - Страница 10

DER ROSA SCHLÜPFER Gewicht: 82 Kilo Gefühlslage: Kann ich mal durch? Ich suche den Weg ins Wunderland.

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Mein nächstes Diätabenteuer begegnete mir also in Pillenform. Und da ich immer knapp bei Kasse war, entschied ich mich für die gerade noch erschwinglichen Formoline L112 und CM3. Formoline L112 ist ein Lipidbinder zur Unterstützung der Behandlung von Übergewicht, der Gewichtskontrolle und der Verminderung der Cholesterinaufnahme aus der Nahrung. Allerdings haben diese Appetitzügler häufig immense Nebenwirkungen und sind nur sinnvoll in Ergänzung zu einer Ernährungsumstellung. Einfach Pille schlucken und die Pfunde verschwinden von selbst – das konnte also gar nicht funktionieren. Aber das Kleingedruckte zu lesen war mir immer schon zu anstrengend. Papa Otto hatte immer gesagt: »Das ist nur Blabla!«

In meiner Verzweiflung schluckte ich die Dinger wie Smarties. Ich begann mit CM3 Alginat, das den pflanzlichen Stoff Natrium-Alginat aus der Meeresalge Laminaria digitata enthält. Nach der Auflösung der Kapsel im Magen bildet sich eine Art Gel. Ja, und das fühlt sich genauso eklig an, wie es klingt. Egal welche dieser Tabletten oder Kapseln und in welchen Mengen ich sie schluckte, satt machten sie mich nie. Ich fühlte mich, als hätte ich einen Stein im Magen, und hatte trotzdem immer wahnsinnigen Kohldampf – plus Kopfschmerzen.

Da ich mir sicher war, nur die falsche »Sorte« Pillen erwischt zu haben, probierte ich weitere aus, zum Beispiel Xenical. Es wirkt im Verdauungstrakt und verhindert, dass circa ein Drittel des Fetts im Essen, das man zu sich nimmt, verdaut wird. Das funktioniert wie folgt: Im Verdauungssystem befinden sich Enzyme, sogenannte Lipasen, die helfen, das Fett zu zersetzen. Xenical heftet sich an diese Enzyme und hindert sie daran, einige der Fette, die man durch Essen zu sich genommen hat, aufzuspalten. Das unverdaute Fett wird dann durch das Verdauungssystem auf natürlichem Wege zersetzt und ausgeschieden. Das heißt, die Fette gehen genauso raus wie rein. Xenical sollte man nur in Verbindung mit kalorienreduzierter Kost einnehmen. Aber ich dachte, wenn ich schon diese Pillen schlucke, darf ich mir auch was gönnen.

Natürlich hatte ich so keinen Erfolg. Die Kilos blieben. Daher griff ich ein letztes Mal in das Diätpillenregal. Diesmal versuchte ich Reductil, auch bekannt als Meridia. Das ist ein Wirkstoff, der die Neurotransmitter Noradrenalin und Serotonin beeinflusst. Als Folge wird dem Gehirn Sättigung suggeriert. Das Verlangen zu essen wird reduziert, damit die Kalorienaufnahme und allmählich auch das Gewicht. Allerdings muss natürlich auch während der Einnahme dieses Medikaments auf eine angemessene Ernährung geachtet werden. Ebenso sollte man sich sportlich betätigen, um nach Beendigung der Behandlung das neue Gewicht halten zu können. Außerdem sollte alles ärztlich betreut werden. An all das hielt ich Stur- oder Dummkopf mich natürlich mal wieder nicht. Dennoch purzelten anfangs so einige Kilo.

In dieser Diätpillen-Zeit fuhr ich auf dem Weg nach Hause täglich an einem Secondhand-Klamottenladen vorbei. Normalerweise hingen im Schaufenster Abendkleider und scheußliche Trachten. Doch an einem Nachmittag hing dort ein Brautkleid! Um genau zu sein: mein Traumkleid! Es sah aus wie das Prinzessinnenkleid, von dem ich schon zu Dominiks Zeiten geträumt hatte. Darin würde ich aussehen wie die Kaiserin Sissi – vorausgesetzt, ich würde jemals heiraten. Gut, ich war dafür noch viel zu jung und weit davon entfernt, einen brauchbaren Kerl an meiner Seite zu haben, aber vielleicht geschahen ja noch Zeichen und Wunder?

Ich kaufte das Kleid für tausend Mark. Nicht, dass ich es mir nach all den teuren Diätpillen hätte leisten können, aber dank Reductil passte es mir zu dem Zeitpunkt wie angegossen. Eine enger gemachte Größe vierzig. Es war ein Traum – mein Traum.

Als ich einige Jahre später tatsächlich heiraten wollte, probierte ich das Kleid natürlich Wochen vorher an. Oder besser: Ich versuchte es! Denn gleich beim ersten Versuch sprengte ich den Reißverschluss. Als dann der große Tag kam, heiratete ich in einer Art Großraumzelt. Das Pferd von hinten aufzuzäumen funktionierte in diesem Fall leider nicht. Doch eines hatten all diese Dinge gemeinsam: Reductil, das Kleid und meine erste Ehe waren eher Kurzzeiterfolge.

Parallel zu meinem Diätpillen-Desaster ließ ich mich von einem esoterischen Trip einer meiner Freundinnen anstecken. Sie erzählte mir von weißer Magie und lieh mir ein Buch. In dem stand, wie man sich Wünsche erfüllen könnte. Toll! Ich hatte da so einen großen Wunsch auf Lager. Und für dessen Erfüllung war ich inzwischen auch bereit, an Wunder, weiße oder schwarze Magie, selbst an den Teufel höchstpersönlich zu glauben.

Abrakadabra und los ging’s: Man nehme eine Sommernacht mit Vollmond, einen Kirschbaum, sieben braune Kerzen, ein Seidentuch (geht auch ein rosa Seidenschlüpfer?) und Pergamentpapier, auf das man den Wunsch schreibt. Damit sich dieser Wunsch erfüllt, muss man alles zusammen in der Abenddämmerung unter besagtem Kirschbaum vergraben. Äh, ja. Mein schöner Schlüpfer! Aber ich schätze, für Wunder muss man wohl Opfer bringen.

Ich zerschnitt also meinen Lieblingsschlüpfer und nähte den Wunsch darin ein. Na gut, ich tackerte ihn darin ein. Ich kann nämlich nicht nähen und klebe bis heute sogar Knöpfe an. Die braunen Kerzen konnte ich wirklich nirgendwo bekommen, nicht mal in der Friedhofsgärtnerei von Paderborn. Deshalb nahm ich weiße und malte sie mit Wasserfarbe braun an. Work with what you got! Das Ergebnis war mangelhaft und ich gehe stark davon aus, dass mein Vorhaben deshalb scheiterte.

Jedenfalls packte ich alles zusammen und schlich mich aus dem Haus in den Garten unseres Nachbarn – wir hatten nun mal keinen eigenen Kirschbaum –, um dort mein Ritual durchzuführen. Im Nachthemd, wohlgemerkt! Erstens war es schon Abend und zweitens gehörte so ein Outfit zu weißer Magie irgendwie dazu, wie ich fand. Ich vergrub also meinen Wunsch – »Bitte lass die Diätpillen wirken!« – bei Kerzenschein unter dem Kirschbaum unseres Nachbarn.

Wie ich später erfahren musste, hatte dieser zeitgleich auf seinem Balkon gesessen und mich beobachtet. (»Na, Stevani, gestern Nacht Heißhunger auf Kirschen gehabt? Kannst nächstes Mal auch gern klingeln.« Zwinker, zwinker.) Ich gehe stark davon aus, dass der alte Spanner meinen Slip wieder ausgegraben und wer weiß was damit gemacht hatte. Die Pillen wirkten jedenfalls nicht. Komisch.

Ich frage mich bis heute, warum ich mir nicht einfach wünschte: »Bitte lass mich über Nacht schlank werden!« Das wäre vermutlich realistischer gewesen.

Wenn mich jemand sucht - ich bin im Kühlschrank!

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