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Die Lebensmitte: Kreativität und Zuhause neu definieren

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Identität und Selbstwertgefühl erwachsen für die meisten Frauen aus unseren Verbindungen und Beziehungen. Das trifft für Frauen in hohen Positionen ebenso zu wie für Frauen, die sich dafür entschieden haben, nicht zu heiraten. Männer hingegen beziehen in der Regel einen Großteil ihrer Identität und ihres Selbstwertgefühls aus der Außenwelt – dem Job, dem Einkommen, den Leistungen, den Auszeichnungen. In beiden Geschlechtern kann sich dieses Muster in der Lebensmitte verändern.

Frauen beginnen in dieser Phase häufig, einen größeren Teil ihrer Energie auf die Welt außerhalb von Heim und Familie zu richten; sie erscheint ihnen plötzlich wie eine große, einladende, nicht angezapfte Quelle für kreativen Ausdruck und Selbstwert, die es zu erforschen gilt. Unterdessen fühlen sich Männer desselben Alters – die möglicherweise eine eigene Form von Menopause erleben – der Welt überdrüssig; sie sind bereit, sich aus dem Berufsleben zurückzuziehen und die Beine hochzulegen, froh, den Kämpfen am Arbeitsplatz zu entfliehen. Sie spüren vielleicht, dass sich ihre Prioritäten nach innen verlagern, in Richtung auf Heim, Herd und Familie.

Dieser Rollentausch ist nicht ohne Ironie: Der Mann versucht auf einmal, seinen »Strom« aus Beziehungen zu ziehen, während sich die Frau biologisch dazu angetrieben fühlt, die Außenwelt zu erforschen. Bei verheirateten Paaren führt das oft zu tief greifenden Rollenwechseln. In einer idealen Welt zieht sich der Mann aus dem Berufsleben zurück oder reduziert seine berufliche Belastung zumindest, managt den Haushalt und unterstützt die neuen Interessen seiner Frau emotional und praktisch.

Sie ihrerseits geht in die Welt hinaus, um ein Unternehmen zu starten, eine Ausbildung zu machen oder zu tun, was immer ihr Herz ihr diktiert. Wenn ihre Beziehung anpassungsfähig und flexibel ist, werden sich beide in ihre neuen Rollen finden. Wenn nicht, dann wird er vielleicht eifersüchtig auf ihren Erfolg und ihre Unabhängigkeit reagieren und Druck auf sie ausüben, weiterhin für ihn zu sorgen, wie sie es immer getan hat. Er wird unter Umständen sogar körperlich krank, oft in Form einer Herzerkrankung und/oder eines krankhaft erhöhten Blutdrucks. Man muss dabei verstehen, dass dies kein willentlicher Akt ist; er reagiert einfach auf die Botschaften unserer einseitigen Kultur.

Eine Frau findet sich dann häufig in einer schwierigen Position; sie muss wählen zwischen einer Rückkehr in die Rolle der Haushälterin, um ihren Mann auf Kosten ihrer eigenen Bedürfnisse zu hegen und zu pflegen, und der Verfolgung ihrer eigenen kreativen Passionen. Es ist eine alte Geschichte, die Frauen in vielen Kulturen sehr vertraut ist, nicht nur in unserer eigenen. Die Frau in den Wechseljahren, mythologisch als »altes Weib« bekannt, findet sich an einem Scheideweg des Lebens wieder, hin- und hergerissen zwischen dem alten Weg, den sie seit eh und je kennt, und einem neuen, von dem sie gerade erst zu träumen beginnt.

Eine Stimme vom ursprünglichen Weg (in vielen Fällen die Stimme ihres Mannes) bittet sie zu bleiben, wo sie ist: »Werde alt mit mir, das Beste kommt noch.« Aber von dem neuen Pfad ruft eine andere Stimme, bittet sie inständig, Aspekte ihrer selbst zu erforschen, die während der Jahre, in denen sie für andere sorgte und sich um deren Bedürfnisse kümmerte, brachlagen. Sie bereitet sich darauf vor, sich selbst neu zu gebären, und wie viele Frauen bereits wissen, kann der Geburtsprozess nicht ohne Folgen angehalten werden.

Es muss sich nicht unbedingt gegenseitig ausschließen, für andere zu sorgen und gleichzeitig unerforschte persönliche Passionen zu verfolgen, doch unsere Kultur vermittelt diesen Anschein, weil sie stets Ersteres auf Kosten von Letzterem unterstützt. Das ist einer der Gründe, der die Transformation in der Lebensmitte zu einer so großen Herausforderung macht – wie ich nur allzu gut aus eigener Erfahrung weiß.

Weisheit der Wechseljahre

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