Читать книгу Dash - Christina M. Fischer - Страница 10

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Vielleicht hätte er sie nicht so zurücklassen sollen, überlegte Dash, während er die Autobahn Richtung Selaghio fuhr. Bei seinem letzten Blick auf sie war sie so wütend gewesen, dass sie vor Entrüstung gezittert hatte. Ihm wäre es auch lieber gewesen zu bleiben und die Sache fortzuführen, aber wenn es um den Rat ging, dann durfte er nicht einfach nur ein Mann sein, sondern der Hauptmann der Blutkrieger.

Selaghio war eine unauffällige Kleinstadt. Der perfekte Ort für die reinblütigen Vampire, um sich dort anzusammeln und als Rat über andere zu herrschen.

Zwei Stunden für die Hinfahrt, eine für die Dinge, die er erledigen wollte, und dann wieder zwei für die Rückfahrt. Fünf Stunden, die sie so entblößt in dem Raum verbringen und auf ihn warten musste. Was würde ihn bei seiner Rückkehr erwarten? Verzweiflung, oder heftige, pulsierende Wut, die ihre Augen so herrlich funkeln ließ? Der Gedanke daran entlockte ihm ein Schnurren. Er musste sich bewegen, weil seine Hose immer enger wurde. Bevor Miroko alles versaut hatte, war sie soweit gewesen. Sie hatte diesen sündigen Mund geöffnet um endlich die Worte zu sagen, die er von ihr hören wollte. Verfluchte Scheiße, selbst jetzt noch hätte er dem Seher am liebsten den Schädel zertrümmert. Ansonsten sah Miroko jeden Mist voraus, aber das gerade nicht.

Sein Schwanz pochte unbefriedigt. Er wollte wissen wie sie schmeckte und das am liebsten ohne Verzögerung. Geduld war nicht gerade eine seiner Tugenden. Ob er da anknüpfen konnte, wo er aufgehört hatte?

Ganz sicher nicht! Mittlerweile hatte er einiges in Erfahrung gebracht. Sie sehnte sich nach seinen Berührungen und hatte gleichzeitig Angst davor. Noch schützte er sie mit den Fesseln, die er ihr anlegte, gab ihr die Freiheit zu glauben, dass sie keine Wahl hatte und gezwungen war seine Annäherung zu erdulden. Wenn er ihr die Fesseln nahm, konnte sie nichts mehr hervorbringen, das sie entlastete. Genau das wollte er, sie zu diesem Punkt bringen, wo Fesseln nicht mehr notwendig waren, wo sie sich ihm von selbst hingab. Die Information über Nathan wollte er immer noch aus ihr herausholen, doch das würde seinen Sieg nur etwas anwürzen.

Dash bog fünfundzwanzig Meilen vor Selaghio von der Autobahn ab und steuerte seinen Mercedes Benz in dicht bewaldetes Gelände.

Im CD-Player liefen einige ältere Lieder, er hatte sich die Musik von Zarakay geschnappt. Der Gute stand auf Metallica und würde fluchen, wenn er herausfand, dass seine Lieblings-CD fehlte. Dieser Gedanke brachte ihn auf einen anderen. Vielleicht sollte er sich Mirokos Hobby-Waffensammlung näher ansehen. Beim letzten Mal hatte er ein wahres Schmuckstück entdeckt, eine kunstvoll verzierte Klinge, in deren Griff ein edler Smaragd ruhte. Wenn er sich dieses Schätzchen schnappte, würde der Seher vielleicht zweimal nachdenken bevor er in ein Zimmer gestürzt kam.

Nach zehn Minuten kam ein altes, halb zerfallenes Schild zwischen dem Geäst zum Vorschein und noch einige Meilen weiter, tauchte eine hohe Steinmauer wie aus dem Nichts auf. Beim Näherkommen entdeckte er Kameras, welche die Gegend nach Gefahren absuchten.

Dash wartete einige Sekunden vor dem kameraüberwachten Tor, in denen sein Auto, wie sein Gesicht überprüft wurden, dann senkte sich ein Teil der Steinmauer in den Boden und er konnte die Wachen dahinter erkennen. Kämpfer, die vom Rat ausgebildet worden waren. Sie waren gut, aber sie würden nie mehr als blinde Befehlsempfänger sein.

Dash fuhr langsam an den Wachen vorbei. Die Reifen seines Autos machten knirschende Geräusche auf den Kiesweg, der zu seinem Ziel führte. Das Gebäude entdeckte man erst, nachdem man das kleine Wäldchen hinter sich gelassen hatte.

Pagen warteten vor der Tür. Ein Dienstbote eilte herbei, um den Wagen zu parken.

»In der Nähe, ich bleibe nicht lange«, befahl Dash ungeduldig, worauf der junge Mann erschrocken nickte.

Die Frauen an der Tür wollten ihm die Lederjacke abnehmen, doch er schüttelte abwehrend den Kopf und sie zogen sich hastig zurück.

»Lord Dashian.« Ein junger Vampir eilte auf ihn zu. Wie alle Reinblütigen war er schlank und zierlich. Er wirkte zerbrechlich und das trotz der Tatsache, dass ihre Rasse selten kleiner als einsachtzig maß. In ihren Gesichtern erkannte man Grazie und etwas Überirdisches, so wie es eben bei Reinblütigen der Fall war.

Miroko, der Mischlingssohn eines Reinblütigen und einer Menschenfrau, sah einem geborenen Vampir am ähnlichsten. Als die Herrscherkaste der Vampire von der menschlichen Frau gehört hatte, deren Gabe sie in die Lage versetzte in die Köpfe anderer zu sehen, hatte der hohe Rat beschlossen, dass dieses Können nicht mit ihrem Tod vergehen durfte. Mirokos Vater, der sich eines schlimmen Vergehens schuldig gemacht hatte, wurde auserwählt das Kind zu zeugen, das den hohen Rat stärken sollte.

Was dann geschehen war, konnte niemand mit Bestimmtheit sagen, doch Mirokos alter Herr hatte mit seinem Sohn die Herrscherkaste verlassen und Mordred um Aufnahme angefleht. Normalerweise blieben die Kasten streng getrennt, doch vielleicht hatte Mordred deswegen nachgegeben, weil Mylara ebenfalls das Kind zweier Welten war, die jedoch im Gegensatz zu Miroko mehr menschliche Gesichtszüge aufwies.

»Wie gut, Ihr seid hier. War die Fahrt angenehm?«

Dass Reinblütige immer palavern mussten. »Nein, gar nicht. Mein Arsch ist dreimal eingeschlafen und ich könnte einen Schluck vertragen.«

Herrlich, wie er die entgleisenden Gesichtszüge der Reinblütigen liebte. Selbst die Miene seines jungen Führers, auch wenn sie nicht mit der seiner Wildkatze zu vergleichen war.

»Ähm, ja. Wollt Ihr Euch stärken?«

Der Gedanke am Hals eines fremden Menschen zu saugen behagte ihm nicht und er hätte fast geschnurrt, denn er nahm sich vor, genüsslich an seiner kleinen Geisel zu saugen, während er sie nahm.

Kurz stellte er sich vor, wie ihre Augen sich vor Überraschung weiten würden, wenn sie feststellte was er war und empfand ein seltsames Gefühl, denn dann müsste er sie entweder töten, oder als Blutdienerin bei sich behalten. Letzteres sagte ihm mehr zu. »Nein. Bringen wir es hinter uns.«

»Sehr wohl.« Der Reinblütigen deutete einladend in das riesige Gebäude hinein. »Der Rat erwartet schon sehnsüchtig Ihr Erscheinen.«

Was er nicht sagte. »Na, dann wollen wir ihn nicht weiter warten lassen«, entschied Dash und schritt weit aus.

Der Welpe hatte seine Mühe mit ihm Schritt zu halten. Die dunklen Augen sahen ihn fassungslos an, Pech nur, dass er an solche Blicke gewöhnt war.

»Geht es auch etwas schneller«, blaffte Dash und amüsierte sich im Stillen, als sein Führer fast rannte, um vor ihm das große Tor zu erreichen. Die zwei Wachen davor warfen ihnen verwunderte Blicke zu, doch sie ließen sie ungehindert passieren.

Da es im Vorraum eher dunkel war, zielte die große Helligkeit in der Halle des Vampirrates wohl darauf, dass einem die Herrlichkeit dieser edlen Vereinigung gewahr wurde. Wahrscheinlich sollte man das Gefühl haben, durch erhabene Tore zu schreiten.

Dash verzog das Gesicht und konnte nicht ganz ein Grinsen unterdrücken, als er - für sie der Wolf im Schafspelz - ihre geweihten Hallen betrat.

Nachdem er die ersten Schritte auf dem hellgrauen, marmornen Boden gemacht hatte, verstummten die Stimmen.

Der Krieger blickte nach vorne und hob eine Braue, als er Pain blutüberströmt auf dem Boden knien sah, die Hände schmerzhaft nach hinten gebunden. »Du kleiner Mistkerl, wer hat dir gesagt, dass du dich hier amüsieren sollst?«

Der sinnliche Mund des anderen Mannes verzog sich unter verkrustetem Blut. Man hatte ihm wohl den Kiefer gebrochen, doch der Heilungsprozess hatte bereits eingesetzt.

»Tut mir echt leid, Boss«, krächzte Pain amüsiert und spuckte Blut. Empörtes Getuschel setzte bei den anwesenden Reinblütigen ein, die der blutende Krieger jedoch einfach ignorierte. »Als Miroko mich bat die Papiere zu besorgen, dachte ich niemals, dass das hier so ein Spaß werden würde.«

Kopfschüttelnd ging Dash auf ihn zu. »Wenn du dir gerne die Fresse polieren lässt, sag das gleich. Gerade jetzt bräuchte ich einen Prügelknaben, damit ich Miroko nicht den Kopf abreiße.«

»Sorry Boss, aber du bist mir bei weitem nicht kurvig genug«, lachte der Krieger und warf einen Blick auf eine hochgewachsene Frau. Die Reinblütige trug einen hautengen Latexanzug und hatte die Hände zu Fäusten geballt. An ihrer blassen Haut entdeckte er Blutspuren, die von den Schlägen stammen mussten, mit denen sie Pain traktiert hatte. Verstehend grollte Dash. »Wie auch immer, halt´s Maul.«

Pain kicherte leise und streckte sich, wodurch seine Sehnen sich noch mehr dehnten. Genüsslich schloss er die Augen, um den Schmerz intensiver genießen zu können.

»Wie viel?«, fragte Dash und schnaubte abfällig, als ein Reinblütiger aus den geschlossenen Reihen hervortrat. In den braunen Augen erkannte man die Zeichen des Alters, obwohl das Gesicht Jugend verriet. Aus Berichten wusste Dash, dass es sich um Bran handelte, einem führenden Mitglied des Vampirrates. Der blaue Siegelring am kleinen Finger bestätigte seine Vermutung.

»Der Preis für die Blutschuld ist beinahe unbezahlbar«, antwortete jener leise.

»Das kommt in meinem Wortschatz nicht vor«, sagte er barsch. »Du solltest mich gut genug kennen um zu wissen, dass ich es hasse alles in die Länge zu ziehen.«

Dass er es wagte den ehrenwerten Bran so anzusprechen, entfachte erneut eine Welle der Empörung. Der Ratssprecher war von edelstem Blut, entstammte sogar der Linie des ersten Vampirs, zumindest munkelte man es so.

Die Blutkrieger hatten einst der Herrscherkaste gedient, doch dieses Bündnis war zu Ende gegangen, als der alte König sich von allem zurückzogen hatte. Seitdem gab es die zwei Stimmen des Rates, die versuchten den Respekt und die Hingabe der Krieger für sich zu beanspruchen. Diese jedoch waren nicht gewillt gewesen eingebildeten Speichelleckern zu dienen und verweigerten den Gehorsam, indem sie einen aus ihrer Mitte zu ihrem Anführer ausgerufen hatten: Mordred!

Was hatte Bran damals getobt! Mylaras Mutter, Ravenna, hatte nur geschwiegen, doch auch das war gefährlich genug. An jenem Tag, als die Kriegerkaste das Schreiben ausgesandt hatte, hatte Dash gewusst, dass sie es sie auf irgendeine Weise büßen lassen würden. Umso verwunderter war er, die erste Stimme des Rates, Ravenna, hier nicht anzutreffen.

»Es steht das Leben meines Sohnes gegen deines«, knurrte Bran, worauf Dash innehielt. Mit unglaublicher Geschwindigkeit warf er sich zur Seite. Der Pfeil einer Armbrust prallte neben ihm auf den Boden. Im nächsten Moment schnellte Dash nach vorne um den Schützen unschädlich zu machen, da bohrte sich ein anderer Pfeil in seinen Arm. Ungläubig fuhr er herum und knurrte erbost, als er den zweiten Schützen sah. War klar, dass ein Mensch seiner Bewegung nicht folgen konnte, ein Vampir hingegen schon. Wütend wandte er sich Bran zu, der die Waffe noch in den Händen hielt. »Alter Mann, du hast sowas von verkackt!«

Er wollte Bran am Hals packen, doch er fühlte sich auf einmal ungewohnt langsam und erschöpft. Handelte es sich um das gleiche Gift, welches seinen Meister getötet hatte? Wenn ja, blieb ihm nicht mehr viel Zeit. Ernst wandte er sich an den eigenartig stillen Pain. »Hast du es geschafft?«

Der dunkelhaarige Vampir nickte. »Mylara weiß Bescheid. Sie sah es durch meine Augen. In nicht einmal zwei Stunden wird jeder verfügbare Krieger hier sein.«

Angstschreie wurden laut, Reinblütige eilten hektisch hin und her.

»Ruhe!«, brüllte Bran zum wahrscheinlich ersten Mal in seinem Leben und tatsächlich hielten alle inne.

Dash sackte in die Knie, da seine Beine ihn nicht mehr trugen.

Die zweite Stimme des Rates lächelte triumphierend und fing an ihn zu umkreisen. »Was ist das? Der große Dashian geht vor mir in die Knie?«

»Bran, du hast ja keine Ahnung, wie ich es genießen werde dir deine Eier ins Maul zu stopfen.«

Verächtlich nahm der Reinblütige aus, doch der Krieger hatte genau das erwartet und packte seinen Arm mit letzter Kraft und das so fest, dass er ihn abriss.

Bran schrie, die Reinblütigen schrien, nur auf Dashs und Pains Lippen legte sich ein Lächeln.

»Guter Reflex«, gurrte der dunkelhaarige Krieger und lachte leise, als die Reinblütige im Latexanzug ihn schlug. Als sie erneut ausholte, geschah etwas mit seiner Gestalt. Sie schien zu wabern und durchsichtig zu werden. Unerwartet kniete er im nächsten Moment ungefesselt neben seinem Hauptmann. »Komm, Boss. Wir müssen hier weg.«

»Geht … nicht«, stieß Dash hervor, denn seine Sicht verschwamm immer mehr. »Du kannst in deinem Zustand nicht mich … und dich … rausbringen.«

Pain fluchte ungehalten. »Scheiße, ich lass dich nicht zurück.«

» Mit Mylaras Hilfe wirst du versuchen mich zu finden«, krächzte Dash und fiel nun vollends zu Boden.

Pain blickte sich wachsam um. Der andere Schütze war immer noch hier. Nun, da Bran nicht mehr in der Lage war zu zielen, musste er lediglich auf ihn achten.

»Das ist … ein gottverdammter … Befehl«, blaffte Dash. Im nächsten Moment erklang erneut das Surren eines Pfeiles, doch die Stelle, an der der Pain eben noch gekniet hatte, war leer.

Dash schüttelte den Kopf, doch seine Sicht wurde nicht klarer. Er hoffte nur, dass der verdammte Mistkerl es rechtzeitig schaffte sich zu verdrücken.

»Wirklich hervorragend«, hörte er eine neue Stimme. Angestrengt versuchte er den Kopf zu heben, doch er brachte nicht die Kraft auf den Sprecher anzusehen. Was er jedoch roch war kein Vampir.

»Jäger!« zischte er, heraus kam nur ein Ächzen. Zwei Stiefelspitzen kamen in sein Sichtfeld.

»Das also ist Dashian, der berühmteste Schüler des legendären Mordred.«

War das Nathan? Dash wollte sich anstrengen und den Kopf heben, doch ein Stiefel stellte sich auf seinen Rücken und drückte ihn dem Boden näher. »Wirklich erstaunlich, dass er noch die Kraft hatte Sie so zu verwunden.«

»Mein Sohn«, krächzte Bran. Offenbar hatte man sich um seine Wunde gekümmert, denn das Fließen seines Blutes hatte aufgehört.

»Oh, Sie meinen den kleinen Lucius?«

Nathans Lachen hallte durch den weiten Raum, dann fühlte Dash, wie der Fuß weggenommen wurde. Er zwang sich dazu, seine Kräfte ein letztes Mal zu mobilisieren, den Kopf zu drehen und dem Jäger ins Gesicht zu sehen. Da er aber so nah bei ihm stand, schaffte er es nicht, stattdessen sah er jedoch Bran. Der Reinblütige presste sich eine Hand auf seinen Stumpf und schien wie erstarrt. »Ihr habt versprochen ihn gehen zu lassen.«

»Wichser«, stieß Dash kaum verständlich hervor. »Sie lassen … keine Gefangenen … am Leben.«

Daraufhin lachte der Jäger erneut. »Gerne würde ich empört ausrufen, für was für grausame Kreaturen du uns hältst, aber es stimmt.«

»Nein, das kann nicht sein. Wir hatten eine Abmachung«, stieß Bran ungläubig hervor. »Dashian gegen Lucius, so hatten wir es abgemacht.«

»Stimmt, aber du hast leider bei einem unserer Treffen darauf bestanden mein Gesicht zu sehen«, antwortete Nathan ernst, dann erklangen schon die ersten Schreie, gefolgt von mehreren Schüssen. Pfeile surrten durch die Luft. Dash sah, wie Bran von einem getroffen wurde und brodelte vor Wut. Das war sein verfluchter Mistkerl, er sollte derjenige sein, der ihn für seinen Verrat ausbluten ließ.

Mehr bekam er nicht mit, denn das Mittel wirkte sehr schnell und er wurde bewusstlos.

Pain, der etwas abseits im Wald auf einem Baum hockte, betrachtete das schaurige Schauspiel fasziniert. Er wunderte sich, wie dieser Bastard es arrangiert hatte die Reinblütigen derart überraschend zu überfallen. Ihre Schreie hallten mit den Schüssen in der Nacht. Ein gepanzerter Wagen überrollte die Wachen. Mehr als zweihundert Jäger trafen nach und nach ein. Jeder von ihnen war gut ausgebildet und wusste sich vor den Klauen und den Kräften der Vampire zu schützen. Kurz überlegte er, sich wieder bei Dash zu materialisieren, doch einen weiteren Port würde er nicht zustande bringen, schon jetzt war er geschwächt.

Nein, er sollte wirklich den Befehl seines Hauptmannes und Freundes ausführen und zurückkehren. Daheim konnten sie immer noch überlegen wie sie ihn retteten. Um den Rat mussten sie sich ja jetzt nicht mehr kümmern, denn Nathans Truppe hatte das für sie erledigt … und das kotzte ihn an.

Pain spannte seinen Körper an und benutzte den Sprung, landete genau inmitten des Besprechungsraumes.

Mylara stand stumm am Fenster und sah hinaus. Miroko war bei ihr. Das Gesicht des Sehers wirkte verzweifelt, als er versuchte eine Vision herbei zu erzwingen. Frost und Zarakay liefen unruhig im Raum hin und her. Nur Mikela schien gelassen, wie sie da auf dem Sessel thronte, doch ihre bebenden Nasenflügel verrieten ihre Unruhe.

»Sie haben ihn.« Es war eine Feststellung, keine Frage, die Mylaras Mund verließ.

»Ja«, antwortete Pain dennoch und kam auf die Beine. »Nathan. Keine Ahnung wie, aber es waren an die zweihundert Jäger vor Ort.«

»Sie werden immer mehr«, stellte Zarakay fest.

»Nun, die edlen Reinblütigen sehen es nicht ein von ihren Opfern abzulassen und saugen sie leer«, fauchte Mikela. »Ist es da ein Wunder, dass immer mehr sich gegen uns wenden?«

»Nichtsdestotrotz haben sie sich unseren Anführer geschnappt«, meinte Frost mit kalter Stimme. »Ganz gleich was man ihnen oder ihren Familien angetan hat, ich froste sie am Spieß.«

Seufzend wandte Mylara sich ihnen zu. Die Traurigkeit in ihren Augen fühlten sie alle. »Warten wir …«

Das Klingeln des neumodischen Telefons auf dem antiken Schreibtisch ließ sie verstummen.

Miroko keuchte auf und krallte sich in Mylaras Schulter fest. »Er ist es!«

Fauchend kam Mikela auf die Beine, blieb jedoch sofort bei Mylaras warnendem Blick stehen. Sie konnten sich später wundern, wie Nathan an ihre Nummer gekommen war. Die hellhaarige Vampirin nahm ab und schaltete auf den Lautsprecher um.

»Hallo?«, fragte sie freundlich.

»Oh, ich hatte nicht erwartet, dass ihr so sanftmütig klingen würdet«, erklang es für alle gut verständlich aus dem Hörer.

»Hallo, wer ist denn da?«

»Leider habe ich nicht die Geduld für dieses Spielchen«, seufzte der Mann am anderen Ende der Leitung. »Morgen Nacht im Green-Oaks-Park, ich glaube ihr kennt ihn ziemlich gut. Bringt Natalie dorthin und ihr bekommt euren miesgelaunten Anführer zurück.«

Miroko schüttelte den Kopf, doch Mylara presste die Lippen aufeinander und funkelte ihn an, dann zog sie die Brauen zusammen. »Das sagt mir gar nicht zu. Grünwald, direkt hinter Oaks. Auf der Straße nach Selaghio ist eine Hütte die leer steht. Ihr werdet ihn dorthin bringen und wir kommen mit ihr.«

Erneut ein Seufzen, so als würde er bedauern, dass sie ihm widersprach. »Naja, ist eigentlich egal wo. In Ordnung, gib mir die Koordinaten durch.«

Kühl nannte sie ihm die Zahlen und wartete auf seine Antwort. Als er schließlich etwas sagte, erstarrte sie und riss vor Fassungslosigkeit die Augen auf.

»Ich habe gehört, der alte Mord soll dein Vater gewesen sein. Es tut mir so leid, dass ich dir deinen Daddy genommen habe«, schnurrte er in den Hörer. Im nächsten Moment vernahm man das Schreien eines Reinblütigen.

»Tu das nicht! ich hab dir doch von ihnen erzählt! Nein!«

Kurz darauf klickte es in der Leitung und die Verbindung brach ab.

Mylara stand regungslos vor dem Schreibtisch. Erst als Miroko auflegte, blinzelte sie und öffnete den Mund, dann stieß sie einen so hasserfüllten Wutschrei aus, dass jeder im Raum zusammenzuckte.

»Ich hasse ihn«, fauchte sie. »Ich hasse ihn so sehr!«

Als Miroko versuchte sie in den Arm zu nehmen stieß sie ihn von sich. Ihre Finger legten sich um die Kante des Schreibtisches, die sofort zerbrach. Holzsplitter verletzten ihre Hand und durchbohrten ihr Fleisch.

»Mylara!« Pains Ohrfeige warf ihren Kopf zur Seite. Sie stieß ein Knurren aus und wollte sich auf ihn stürzen, hielt jedoch beim Anblick seines Gesichtes inne. Gerade er kannte ihren Schmerz und wusste, wie sehr sie litt.

»Bist du nun wieder du selbst?«, fragte er rau. Da sie noch nicht sprechen konnte, nickte sie nur leicht.

»Wie sollen wir ihm eine Falle stellen?«, fragte Frost. »Dieser Mistkerl weiß durch diese reinblütigen Schisser so gut wie alles über uns. Selbst wenn wir auf diesen Handel eingehen und ihm die Kleine aushändigen, wird er Dash nie gehen lassen, sondern uns alle töten.«

»Kain«, murmelte Miroko, worauf Mikela den Kopf hob. »Nein, ich weiß nicht wo er ist. Schon seit Monaten hat er sich nicht mehr gemeldet.«

»Er ist in der Nähe«, murmelte der Seher.

»Niemand ist so tief mit ihm verbunden wie du. Finde ihn!«, befahl Mylara.

Die dunkelhäutige Frau seufzte, dann nickte sie. »Ich versuche es.«

»Tu mehr als das! Hier geht es um Dash!«

Wieder ein Nicken.

Während Mikela sich entfernte, um nach ihrem Bruder zu suchen, blieben die restlichen Krieger im Raum zurück.

Mylaras Beine wollten nachgeben, doch sie weigerte sich in dem Stuhl Platz zu nehmen, in dem ihr Vater zu Lebzeiten gesessen hatte. Noch nicht einmal Dash hatte ihn in Anspruch genommen, und er war ihr rechtmäßiger Anführer.

Mit weichen Knien ging sie zum Sofa und ließ sich darauf nieder.

»Ravenna, war sie auch dort?«, fragte Miroko leise, doch Pain schüttelte den Kopf. »Jeder war da, nur sie nicht.«

Mylara sah auf, die Augen zu schmalen Schlitzen zusammengezogen. »Das ist richtig. Ich konnte für einen Moment durch Pains Augen sehen. Ravenna war tatsächlich nicht dort.«

Und das war ungewöhnlich, denn eben diese Reinblütige verpasste niemals ein Treffen. Noch nicht einmal der Tod selbst hätte sie daran gehindert dort zu sein.

»Ich habe ein ganz mieses Gefühl«, murmelte Miroko unruhig.

»Du hast es tatsächlich vollbracht.«

Beim Klang der kristallklaren Stimme drehte Nathan sich um. Seit zwei Stunden schon waren alle Schreie verstummt. Die Jäger waren dabei die Räume nach interessanten Informationen abzusuchen, als die hochgewachsene Frau den prunkvollen Saal des Ratsraumes betrat. Ihre blasse Gestalt steckte in einem schwarzen Abendkleid und um den Hals hing ein blutroter Rubin, der die Farbe ihrer Lippen und die des Rings an ihrem Mittelfinger widerspiegelte. Hellblondes Haar fiel ihr wie Asche den Rücken hinab.

»Lady Ravenna«, begrüßte Nathan sie amüsiert. Die Reinblütige hob naserümpfend das lange Kleid, um über einen abgetrennten Arm zu steigen. Ihre braunen Augen nahmen das Gemetzel um sich herum reglos wahr. Als Nathan ihr forschend ins Gesicht sah, entdeckte er nicht eine Spur der Reue, nicht einen Funken Gefühl. Vielleicht sah er deswegen auch davon ab sie zu töten. Wahrscheinlicher jedoch war, dass er es unterließ, weil er es einfach nicht konnte. Dieses blonde, frigide Miststück erwies sich bei ihrer ersten Begegnung schon als nahezu unverwundbar. Jeder Pfeil war von ihrer Haut abgeprallt, selbst eine Kugel durchdrang sie nicht. Im Verlauf der Jahre hatte er herausgefunden, dass die Mächtigsten unter ihnen besondere Gaben hatten. Offenbar war Ravennas Gabe ihre Unverwundbarkeit. Kurz fragte er sich, ob sie daran sterben würde, wenn er ihr wie in ´Michael Endes´ Werk ein Herz wünschte.

Ihre schmalen Lippen verzogen sich vor Ekel. Dass sie den Geruch von totem Blut hassten, hatte er schnell herausgefunden. Sie tranken immer nur von den Lebenden, es war wie Austern und Kaviar für sie. Blutkonserven würden sie nur dann akzeptieren, wenn ihr Tod kurz bevorstand und ihnen keine andere Wahl blieb.

»Sind alle vernichtet?«

Ihre Stimme klang sanft und seidig, ein Gegensatz zu ihrem Wesen. Nathan, der wie gewohnt seine Maske trug und sich die Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte, hob den Blick. »Ja, alle.«

Zufrieden lächelnd ging die Reinblütige zu dem Thron des alten Herrschers, der seit so vielen Jahrhunderten leer stand. Sich darauf niederlassend, schloss sie für einen Moment ihre Augen.

»Sitzt es sich bequem?«, fragte Nathan belustigt, da brannte sich ihr dunkler Blick in seinen hinein. »Es würde sich bequemer sitzen, wüsste ich, dass der alte Besitzer nicht mehr zurückkommt.«

»Sag mir wo er ist, dann kann das durchaus passieren«, meinte er lässig. Ihr glockenhelles Lachen rief Unmut in ihm hervor. »Du? Ein Jäger? Wenn noch nicht einmal ich es geschafft habe ihn zu verwunden?«

»Dieser Jäger hat soeben den Rat abgeschlachtet«, knurrte Nathan leise und spannte die Finger um die Armbrust, auch wenn er sich sagte, dass es sinnlos sei, denn diese Frau konnte einfach nicht sterben. Wahrscheinlich wäre sie immer noch hier, wenn die Welt langsam zu einem Feuerball verglühte. Durch diese dicke Eisschicht konnte selbst dieses Feuer nicht dringen.

»Der Rat ist nicht unser mächtiger Herr«, antwortete sie ruhig. »Nicht einmal mit Tausenden deiner Art könntest du ihm etwas antun. Außerdem wissen wir beide, warum es dir immer wieder gelingt unsere Krieger einzufangen, oder?«

»Natürlich mit der Hilfe einer Verräterin«, säuselte er und schon sprang sie auf die Beine. Er hatte angenommen, sie würde ihn schlagen, doch sie maß ihn nur mit eisigem Blick und entfernte sich von dem marmornen Thron.

»Bin ich denn wirklich eine Verräterin?«, fragte sie leise. »Der Rat war dekadent, die Familien dachten nur an ihr eigenes Wohl.«

»Willst du denn etwas anderes?«, entgegnete Nathan spöttisch und war verwundert, denn sie nickte.

»Ich will meinem Volk zu Ruhm verhelfen. Ich will dem Versteckspiel ein Ende bereiten. Wir sind königlich und sollten uns nähren dürfen wie wir wollen. Ihr werdet auch nicht dafür bestraft, wenn ihr tötet um zu essen.«

Lachend warf Nathan den Kopf im Nacken. »Das sagst du zu mir? Einem Jäger?«

»Wir beide wissen doch ganz genau warum du wurdest was du jetzt bist«, warf sie lächelnd ein und brachte ihn damit zum Verstummen. Lasziv kam sie auf ihn zu und umkreiste ihn. »In meinem Leben habe ich nur einen einzigen Krieger kennengelernt, den ich für würdig fand mich zu besteigen und daraus wurde die größte Enttäuschung meines Seins. Wärst du nicht so versessen auf die Kleine, würde ich dir das gleiche Angebot machen, Nathan Welsch.«

»Unser letztes Gespräch dieser Art liegt wirklich lange zurück«, murmelte er und wich geschickt aus, um die Berührung ihrer ausgestreckten Hand zu meiden. »Du weißt genau was ich dir geben werde, mehr aber auch nicht.«

Ravenna erstarrte, dann lachte sie leise und wandte sich ab. »Nimm dich vor Dashian in Acht. Weshalb du ihn nicht getötet hast kann ich nur vermuten, aber du solltest ihn nicht unterschätzen.« Nach einem letzten Blick wandte sie sich ganz ab und verließ den Raum.

Nathan starrte nachdenklich zu Boden. »Er riecht wie sie«, murmelte er leise. »Wieso nur riecht er wie sie?«

»Boss!«

Mannys Stimme erklang aus dem Kommunikationsstöpsel in seinem Ohr. Seine rechte Hand klang stinkesauer.

»Was gibt es?«

»Wir haben ihre Bibliothek gefunden.«

Normalerweise wären das gute Nachrichten. Verwundert kehrte Nathan dem blutbesudelten Raum den Rücken zu und schritt zügig durch das Haus. Überall wo er hinsah, erblickte er Zeichen des von ihm befohlenen Massakers. Einige Menschen waren auch darunter, doch deren Tod bekümmerte ihn nicht. Es waren sowieso nur Blutsklaven, und diese hatten sich freiwillig in der Gewalt von Vampiren begeben. Mit diesen niederen Kreaturen hatte er kein Mitleid und fühlte sich ihnen in keinster Weise verbunden.

Zwischen all den Leichen erkannte er auch Lebende, seine Männer und Frauen, die penibel nach jeder Spur suchten und den Toten nebenbei auch noch die Wertsachen abnahmen. Ihre Organisation hatte zwar einige reiche Sponsoren, doch Nathan hasste es sich von ihnen abhängig zu machen. Grimmig lächelnd sah er auf den blauen Siegelring an seinem Finger. Der Stein in ihm war von solch einer Reinheit, dass er ein Vermögen einbringen könnte, doch er hatte nicht vor ihn zu veräußern. Er würde ihn behalten und irgendwann würde er sogar an Ravennas rotem Siegelring gelangen. Der einzige, den er vielleicht nicht bekommen könnte, war der kostbare Alexandrit, den der Herrscher aller Vampire am Finger trug. Ein wundervoller Stein, der am Tag dunkelbläulich schimmerte und in der Nacht einen violetten Glanz annahm. Das besondere am Herrscher-Alexandrit war der seltene Schatten in seinem Inneren, ein dunkler Kern, der sich inmitten des Edelsteines befand, seinen Wert jedoch nicht minderte, sondern ihn noch exotischer wirken ließ.

Seufzend senkte er wieder die Hand. Eines Tages wollte er sie alle in seinem Besitz haben und dann würde er in der Lage sein jeden Feind abzuschlachten. Niemand, keine einziges Wesen dieser Rasse durfte überleben!

»So eine verfluchte Scheiße!«

Von Mannys derbem Fluch alarmiert, eilte er die letzten Stufen hinunter ins Untergeschoss. Ein Fluch entkam selbst ihm, als er die Hitze spürte, die ihm entgegen schlug.

»Was ist geschehen?«, fauchte er und ging um die Jäger herum, die reglos dastanden und glotzten.

Die Antwort bekam er, als sie beiseitetraten und ihm einen Blick auf das wütende Feuer gewährten. Noch waren die Flammen gefangen, begnügten sich damit den Inhalt des Tresorraumes zu verzehren, doch die dicke Glaswand hielt nicht mehr lange dem Druck der Hitze stand und irgendwie befürchtete er, dass dies eine Falle war. Sollte das Feuer entkommen, würde es sich binnen Minuten durch das Gebäude fressen.

»Wir ziehen uns zurück«, befahl er.

»Aber was ist mit den Schriften?«, protestierte Josienne, die neben Manny stand.

»Vampire gehen zwar nicht immer mit der Zeit, aber ich kann mir vorstellen, dass alles was da drin ist auch auf einem Computer abgespeichert wurde. Wir finden unsere Antworten noch«, versprach Nathan ihr. »Und jetzt bewegt euch!«

Die blonde Frau riss sich von dem Anblick der hungrigen Flammen los und eilte dann an seiner Seite zurück ins Obergeschoss.

Der letzte Jäger hatte soeben das Gelände des Grundstückes verlassen, als das ganze Haus in einem lodernden Inferno explodierte. Steine und Holz flogen - gefährlichen Geschossen gleich - durch die Gegend. Mehrere Menschen gingen in Deckung, ein Jäger wurde von einem Gesteinsbrocken getroffen und sank bewusstlos zu Boden.

Nathan stand auf der Ladefläche seines Pickups, doch sein Blick lag nicht auf dem Gerippe des einst mächtigen Hauses, sondern auf den bewusstlosen Vampir, der sich vor seinen Füßen befand.

»Wir werden uns ausreichend unterhalten, damit die Falle ein zweites Mal zuschnappt«, flüsterte er und trat auf Dashs Brustkorb, als er zur Führerkabine ging und hineinkletterte.

Dash

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