Читать книгу Dash - Christina M. Fischer - Страница 5

Prolog

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Er ließ die Kälte des bevorstehenden Winters draußen, als er ins Innere des angesagten Klubs ging. Laute Musik und der Schweißgeruch von Menschenmassen schwappten über ihn hinweg. Seine Mundwinkel verzogen sich vor Ekel. Oaks, eine Stadt hundert Meilen von Boston entfernt, die zu klein für eine Großstadt war, aber auch zu groß für eine Kleinstadt, bot etliche Tanzmöglichkeiten für Feierwütige, doch dieser Klub war zudem die bevorzugte Spielwiese seiner Artgenossen.

Angewidert wandte der dunkel gewandete Mann das Gesicht ab und drang tiefer in den Raum vor. An den Ausgängen fand er sie. Sie lehnten sich lässig an der Wand und sahen sich suchend mit hungrigen Blicken um. Jene, die sich seiner Anwesenheit bewusst wurden, richteten sich automatisch auf und begegneten ihm mit Respekt, die anderen würden ihrem Beispiel folgen.

»Etwas zu trinken?« Eine dralle Blondine balancierte geschickt ein voll beladenes Tablett und lächelte ihm kokett zu. Als er nicht antwortete, ging sie verstimmt weiter, um ihr Glück beim Nächsten zu versuchen.

Der große Mann stieß einen leisen Fluch aus. Warum zum Teufel sollte er hierher kommen? Er hatte keine Zeit zum Feiern. Erneut warf er einen Blick auf den Zettel, den er heute auf seiner Kommode gefunden hatte. Eindeutig Arthurs Handschrift, aber wieso benutzte der gottverdammte Mistkerl nicht sein Handy um ihn zu erreichen? Es gab nicht viele, denen er seine Nummer anvertraute, aber Arthur zählte eindeutig dazu.

Schlechtgelaunt stieg er die Stufen zur oberen Etage hoch und blickte stumm auf die Tanzenden unter sich. Dancemusik hallte durch den großen Saal und unzählige Scheinwerfer spien ihr buntes, flackerndes Licht auf die wogende Masse. Er konnte sie erkennen, Menschen und Vampire, die ihre Körper aneinander rieben und eine Lust teilten, die ihn verächtlich schnauben ließ. Sie waren nichts als Futter. Blutsäcke, in die er seine Zähne vergrub. Etwas anderes konnte er sich nicht mehr gestatten zu glauben, zu viele seiner Freunde hatten sie getötet, darunter etliche Mitglieder seines Ordens. Blutkrieger, stark, wild und tödlich. Die Feiglinge nutzten eine Waffe, die vielen von ihnen schadete, ihren wehrlosen Schlaf während des Tages.

Verächtlich wandte er sich von den Tanzenden ab und begab sich zu einer Sitznische, die man mit einem roten Vorhang den Blicken anderer entziehen konnte. Er ließ ihn jedoch offen und betrachtete gelangweilt das Treiben.

Mit jeder Minute die verrann, wurde er ungeduldiger. Arthur sollte gefälligst seinen Hintern hierher bewegen. Er hatte sich noch nicht genährt und das machte ihn launischer, als er ohnehin war.

»Mister, wollen Sie etwas zu trinken?« Eine andere Bedienung näherte sich ihm. Dunkelbraunes Haar umschmeichelte ein zartes Gesicht, in dem sanfte, braune Augen ruhten, eindeutig eher sein Geschmack. Um seinen Mund bildete sich ein leichtes Lächeln. Sobald er ihrem Blick begegnete, fiel es ihm nicht schwer sie einzufangen. Sie bekam noch nicht einmal mit, wie er den Vorhang zuschob und ihr das Tablett aus den Händen nahm. Dann lag sie unter seiner gewaltigen Gestalt auf der Sitzbank begraben und er versenkte seine Zähne in ihren Hals, trank hungrig und genüsslich.

Im Gegensatz zu den Jahren, die er bereits hinter sich hatte, waren ihre wie ein kaum wahrnehmbarer Funke, trotzdem hielt er sich an das eiserne Gesetz seines Ordens. Ihre Jäger wurden getötet und vernichtet, doch Zivilisten ließ man am Leben. Er durfte sich von ihrem süßen Blut ernähren, ihr Leben jedoch musste er verschonen.

Minuten später blinzelte die Kellnerin verwirrt, dann entdeckte sie ihn.

»Danke für den Drink«, sagte er aus dem Schatten der Sitznische und sah sie schaudern. Sie blickte auf das Tablett hinab, sich scheinbar fragend, was sie ihm denn zu trinken gegeben hatte.

»Das wäre alles«, schnurrte er und sie floh fast aus dem kleinen Separee.

Wieder alleine, war das Verlangen zu trinken verschwunden, doch die Unruhe blieb. Plötzlich surrte das Handy in der inneren Brusttasche seines Ledermantels. Arthurs Name prangte ihm entgegen, es war jedoch nur eine SMS.

»Ich warte hinter dem Klub auf dich«, las er.

»Du kleiner Scheißer«, knurrte er verärgert und stand auf, zwängte sich durch die Menge, die sich vor seiner Nische gebildet hatte. Er ertrug das Gefühl ihrer schwitzenden Leiber nicht, also sandte er kleine Fühler der Macht aus, um sie von sich fernzuhalten.

Mochte das Gebäude innen gerammelt voll sein, der Hinterhof war dunkel und menschenleer. Geschickt überwand er die wenigen Stufen mit einem Sprung und sah sich um. Es verlangte ihn geradezu danach, in sein gottverdammtes Bett zu kommen.

»Wo steckst du, Arthur?«, zischte er. Ein unangenehmes Gefühl glitt zwischen seine Schulterblätter. Außerdem fühlte er sich eigenartig, konnte es aber nicht näher definieren. Fluchend griff er nach seinem Handy, als es erneut summte. »Wenn du mich versetzt, brech ich dir die Beine«, brummte er und ging ran. »Ja!«

»Mordred! Gott sei Dank!«

»Miroko?« Schon als er den Namen seines Freundes murmelte, spürte er einen eisigen Hauch. Die Stimme des Sehers klang zu aufgebracht.

»Mordred, geh da weg! Es ist eine Falle!«

Die Signale waren die ganze Zeit über da gewesen, doch sein Verstand hatte sich geweigert sie zu akzeptieren, denn Arthur war ein Freund.

»Was ist passiert?«, fragte er leise.

»Die Bastarde haben Arthurs Frau und Tochter. Wir fanden Alicia tot im Haus, mit der Kleinen erpressen sie ihn.«

»Damit er mich verrät«, stellte er lautlos fest.

»Bleib in Bewegung, dann wirst du es schaffen. Dash ist unterwegs und er ist ziemlich angepisst.«

Trotz der schrecklichen Lage, entfuhr ihm ein bellendes Lachen. »Du schickst einen Wahnsinnigen, um einen anderen zu retten?«

»Du …« Stille kehrte ein, Mordred wusste sofort, dass der andere Vampir gerade von einer Vision geplagt wurde. »Ich leg auf. Es ist besser, wenn ich mich konzentriere.«

»Achtung!«, schrie Miroko und im gleichen Moment spürte er einen siedenden Schmerz in der Brust. Benommen senkte er den Blick auf den dicken Pfeil, der aus seinem Rumpf ragte. Er hatte instinktiv versucht sich mit der gewohnten Schnelligkeit fortzubewegen, musste jedoch verwirrt feststellen, dass er immer noch an der gleichen Stelle stand.

»Mordred!«, schallte Mirokos Stimme aus dem Handy, als es aus seiner seltsam kraftlosen Hand glitt.

»Verdammt«, ächzte er und ging in die Knie.

»Meister! Meister!«, hörte er seinen Schüler schreien und lächelte kalt, während er zitternd den Arm hob und mit letzter Kraft das Handy zerschmetterte. Sein Ende war gekommen und das mitzuerleben, wollte er seinem Freund ersparen.

Zwei weitere Pfeile flogen nacheinander auf ihn zu und bohrten sich in seine Handflächen, mit denen er sich auf dem kalten Boden abstützte. Er hätte sich mit Schmerzen aus dieser Falle befreien können, doch er spürte ein fremdartiges Mittel, welches in seinen Blutkreislauf gelangt war und ihn lähmte, bis er so schwach wurde, dass er kaum den Kopf oben halten konnte.

»Ich hatte es mir schwerer vorgestellt einen von euch zu töten«, hörte er eine ruhige Stimme und fletschte die Fänge. Die Gestalt, die nun aus dem Schatten trat, besaß die Statur eines Mannes, doch es war kaum mehr als ein Junge, vielleicht gerade erst achtzehn Jahre alt.

»Mit miesen Tricks kann man jeden Kampf gewinnen«, antwortete Mordred und spuckte ihm einen Klumpen Blut vor die Füße. Er verstand nicht, warum er seine Kräfte nicht hatte einsetzen können.

Unbeeindruckt kam ihm der junge Jäger näher, die große Armbrust, ohne zu zögern, auf ihn gerichtet. »Wir hatten den Bedienungen des Klubs nur vorsichtshalber ein schwächendes Mittel injiziert. Ich hatte wirklich nicht erwartet, dass du von ihnen trinken würdest.«

»Oh, du bist einer von der gewissenlosen Sorte«, grunzte Mordred, als ein weiterer Pfeil sich in seinen Oberschenkel bohrte. Dieser Schuss wäre gar nicht notwendig gewesen, da er sich ohnehin nicht rühren konnte, doch mit dieser Geste wollte der Jäger ihm zeigen, wer hier das Sagen hatte.

»Um noch einmal auf die miesen Tricks zurückzukommen«, sagte der junge Mann und neigte den Kopf leicht zur Seite, »ein Mensch zu sein, ist in diesem Kampf das Unfairste überhaupt. Unsere Knochen könnt ihr mühelos zerbrechen und wir können noch nicht einmal fliehen, denn ihr seid zehnmal so schnell wie wir. Was bleibt mir denn da sonst übrig außer meiner List?«

»List? Ist das alles? Was ist das für eine grausame Methode Frauen und Kinder als Köder zu benutzen? Was habt ihr mit der Kleinen von Alicia und Arthur gemacht?«

»Die Kleine«, flüsterte der junge Mann scheinbar bedauernd. »Es tut mir leid, wir machen keine Gefangene.«

»Du mieser Bastard!«

»So unfreundlich? Verfluchen kannst du mich, aber das wird dir nichts bringen, Vampir. Dein Tod wurde unvermeidbar, als das Gift meines Pfeils in dein Blut gelangt ist.« Das Gesicht des Jägers wurde für eine Sekunde nachdenklich, dann verzog er den Mund zu einem Lächeln. »Aber du brauchst dich nicht zu schämen. Ich entstamme einer Blutslinie von Jägern und werde meinen Ruf so ausbauen, dass jeder Vampir beim Klang meines Namens erzittert.«

Mordred lachte verächtlich auf. »Blutsack, träum weiter.« Dann wurde seine Miene kalt. »Es ist nicht so, als ob du Niemande getötet hättest. Ich bin einer der Alten und mir folgen etliche Schüler, viele davon Mitglieder des starken Blutes. Sagt dir dieser Begriff etwas?«

»Sie waren mal Menschen«, knurrte der Jäger. »Also sind sie wie du, immun gegen das Sonnenlicht. Aber genau deswegen habe ich die Nacht ausgewählt, ihr fühlt euch so unangreifbar in der Dunkelheit.«

Verflucht, dieser Mistkerl hatte sie genau studiert. »Das wird dir nichts nützen, denn wie du unsere herausgefunden hast, so werden sie auch deine Schwachstelle finden.« Kurz dachte er an Arthur und an die tiefe Liebe, die in den Augen seines Freundes aufgeblüht war, wann immer er Alicia und Maggie angesehen hatte. Was würde er nun zu sehen bekommen, wenn er seinem Freund gegenübertreten könnte?

»Meine Schwachstelle«, flüsterte der junge Mann und stemmte einen Stiefel gegen Mordreds Schulter. »Ich habe keine Schwachstelle!«

Mordred wollte aufspringen und ihn packen, doch er schaffte es nur einen Finger zu krümmen. Die Spitze des Pfeils in der Armbrust berührte die Haut unter seinem Kinn und hob seinen Kopf an. »Keine Sorge, ich werde dich nicht fertigmachen, das Gift in deinen Adern tut seine Arbeit.«

»So gnädig?«, stieß Mordred höhnisch aus.

»Oh nein, denn ich möchte, dass deine Leute dich finden. Sag ihnen, Nathan hätte dich getötet. Lass sie Jagd auf mich machen. Ich bin gespannt, ob sie wirklich so stark sind wie du behauptest.«

Da beugte er sich zu ihm hinab und Mordred erstarrte, denn er erkannte im Schein der Außenbeleuchtung die Augen des Jägers.

»Welches gefällt dir besser?«, fragte Nathan amüsiert. »Ich würde das Braune dem Grünen vorziehen. Es heißt doch, diese Augenfarbe erweckt Vertrauen.«

Mordred blinzelte, als der Jäger zurücktrat, dann wurde ihm ein derart harter Tritt versetzt, dass seine Hände durch die Bolzen gezerrt wurden und er nach hinten fiel. Keuchend sah er in den klaren Sternenhimmel.

Sollte es so mit ihm zu Ende gehen? Er, Hauptmann seines Ordens und Meister von legendären Kriegern starb nun, weil er einem von ihnen vertraut hatte?

»Einen langsamen Tod wünsche ich«, hörte er den Jäger sagen, dann entfernten sich seine Schritte immer mehr, bis er nichts mehr außer den dröhnenden Bass wahrnahm, der aus dem Klub nach außen drang.

Er wusste nicht wie lange er schon dalag, als er plötzlich eine bedrohliche Aura auf sich zukommen spürte. Ein Seufzen drang über seine Lippen, als sein stärkster Schüler bei ihm erschien.

Die Gestalt, die sich neben ihm kniete, war riesig. »Meister?« Hände berührten ihn vorsichtig. »Bin ich zu spät?«

»Nein, Dash«, krächzte Mordred. Jedes Wort auszusprechen war so anstrengend wie ein langer Lauf. »Weißt du noch, was ich dir eingebläut habe?«

»Stirb niemals alleine«, flüsterte der blonde Krieger und hob Mordreds Oberkörper an, damit der Sterbende aufrecht sitzen konnte.

»Wer war es?«, wollte er dann wissen und der alte Vampir war geneigt zu schweigen, damit Nathan seinen Ruf nicht bekam, doch nichtsdestotrotz war er ein Feind und dadurch eine Gefahr. »Er nannte sich Nathan.«

Dash knurrte leise. Es gab unzählige Männer, die diesen Namen trugen, was eine Suche nach ihm nicht gerade erleichtern würde. Plötzlich und mit letzter Kraft krallte sich Mordred in den Kragen seiner Jacke. »Zwei … Augenfarben …«, stieß er hervor, worauf der hellhaarige Vampir die Stirn runzelte. »Was?«

»Er hat ein grünes … und ein … braunes … Auge.« Verdammt, alles fiel ihm schwer, selbst bei Bewusstsein zu bleiben. »Arthur … ihr dürft … ihn nicht …«

»Wir haben ihn. Er war bereit seine Strafe zu empfangen«, verriet Dash ihm leise. »Arthur ist tot.«

Mordred blinzelte, weil seine Sicht verschwamm. »Was für ein Desaster … unsere Rasse verliert zwei Krieger in … einer Nacht.« Und damit schloss er die Augen und starb.

Dash schwieg, schließlich stand er auf, die leblose Gestalt seines Meisters in den Armen haltend, unfähig zu gehen, oder etwas anderes zu tun, als an Ort und Stelle zu verharren und in das tote Gesicht des Mannes zu blicken, der ihm so vieles beigebracht hatte. Wenige Minuten später, eilte eine andere Präsenz auf ihn zu. Mutete Dashian vorhin wie ein feuriger Wirbelsturm an, so glich die Aura des Sehers einem frischen Frühlingsregen.

Mirokos fahles Gesicht wurde noch bleicher und die blauen Augen trüb vor Kummer, als er ihn erreichte. Seine schlanken Finger glitten entsetzt zu Mordreds Wange. »Schon wieder konnte ich nichts tun.«

»Halt die Schnauze!«, fuhr Dash ihn brüsk an. »Er hat uns nicht zum Jammern ausgebildet. Du willst plaudern? Fein! Verrate mir, wo ich diesen Bastard finde!«

Der andere Vampir erstarrte, schließlich erschien ein schwaches Lächeln in seinem schmalen Gesicht. »Wie recht du hast, verzeih. Tragen wir ihn zu meinem Auto, dein Motorrad würde zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen.«

Im Schutz der Dunkelheit gingen sie zu einer Seitengasse des Klubs, in der ein schwarzer Jeep parkte, und legten den Leichnam auf den Rücksitz.

»Wie geht es Pain?«, fragte Dash, während er sich eine Zigarette anzündete.

»Beschissen. Frost und Mikela kümmern sich um ihn. Zarakay informiert gerade den Rat und die anderen sind auf der Jagd.« Seufzend lehnte Miroko sich gegen das Auto. »Du wirst es sein, nachdem Arthur nun tot ist.«

Fast schien es, als wolle der große Vampir vor diesen Worten fliehen. »Scheiß drauf.«

Entschieden baute Miroko sich vor ihm auf. Zwar besaß er bei Weitem nicht so viel Muskelmasse wie sein Freund, doch er reichte locker an Dashs Größe heran. »Du nimmst den Platz unseres Meisters ein und gibst diesem Bastard, was er verdient!«

Brummend inhalierte Dash den Rauch seiner Zigarette. »Mit dem letzten Teil bin ich mehr als nur einverstanden.«

»Ich habe es gesehen!« Der schwarzhaarige Seher erzwang den Blickkontakt. »Sag ja, dann erzähle ich dir von der Vision, mit deren Hilfe du ihn fertigmachen kannst.«

»Wie wäre es hiermit? Du sagst es mir, sonst zertrümmere ich deinen hübschen Schädel«, fauchte Dash, was den Seher jedoch vollkommen unbeeindruckt ließ. »Dann erfährst du es nie.«

»Verdammt noch mal! Ich bin der Richtige, wenn es darum geht jemanden zu töten und bei der Folter bin ich ein verfluchtes Genie, aber ich kann niemals anführen«, stieß er hinaus.

»Ich sah, dass du es kannst.«

»Und wenn du mir sagst, dass du gesehen hast, wie ich einem Kerl einen geblasen habe, glaube ich dir genauso wenig.« Gereizt warf er die Kippe von sich. »Sprich!«

Seufzend schloss Miroko die Augen und gab nach. »Na gut, du musst jemanden mit seinen Augen finden, wenn du ihn erledigen willst.«

»Seinen Augen? Mord sagte, er hätte zwei unterschiedliche Augenfarben.« Nachdenklich rieb Dash sich das Kinn. »Seine Eltern?«

»Oder Geschwister«, warf Miroko ein. »Finde die Person und bring sie zu uns, sie ist seine einzige Schwachstelle.«

»Und weißt du auch, wo ich jene besagte Person antreffe?«

»Noch nicht.«

Gereizt ballte der Vampir die Fäuste, um nicht alles zu zerschlagen. »Dann streng dich an.«

»Ich würde es tun, wenn ich könnte.« Traurig berührte Miroko das Glas der Autoscheibe und blickte auf seinen Meister hinab, der immer noch aussah, als ob er schlafen würde. »Ganz gleich, was es mich kostet, aber diese verfluchte Gabe steuert sich selbst.«

Stille breitete sich zwischen den Männern aus, schließlich stieg Miroko in den Jeep, um Mordred zu seiner letzten Ruhestätte zu bringen, während Dash sich in das Nachtleben stürzte, auf der Suche nach dem Jäger mit den zwei verschiedenen Augenfarben.

»Natalie, komm nach unten!«

Zitternd stand das Mädchen vor dem Fenster. Der schwarze Wagen war schon vor zehn Minuten angekommen. Sie wusste, er wartete im Erdgeschoss auf sie, und war deswegen wie erstarrt.

»Also, was treibt sie bloß?«, hörte sie die Frau sagen und presste die bebenden Lippen aufeinander.

»Ich sehe mal nach ihr.«

Seine Stimme! Sie rang erstickt nach Atem und sah sich hektisch im Zimmer um, doch es gab keine Zuflucht. Nicht hier, nicht in diesem fremden Haus.

Dann glitt die Tür auf und er schritt in den Raum hinein. Er trug saubere Jeans und ein schwarzes Shirt, doch sie konnte immer noch das Blut an ihm riechen.

Gewissenhaft schloss er die Tür hinter sich zu, dann trat er vor sie. Er war so groß, dass sie ihm nur bis zur Brust reichte.

»Wieso kommst du nicht zu mir?«, fragte er sanft, während er zärtlich ihr Gesicht streichelte. »Bist du mir böse, weil ich dich hierher gebracht habe?«

Seine Hände waren warm und erinnerten sie schmerzlichst an Zeiten, die hinter ihr lagen. »Ich mag … ich will nach Hause«, wisperte sie und hasste sich selbst dafür, denn sie war fünfzehn und sollte mutiger sein.

»Dort ist es nicht sicher«, flüsterte er und zog sie an sich. Sie roch das herbe Rasierwasser, das er immer benutzte, und konnte trotzdem den Tod riechen. »Nathan?«

»Ja?« Seine Stimme war ganz leise.

»Wo warst du heute Nacht?« Wen hast du getötet, wollte sie eigentlich fragen.

Statt einer Antwort, stieß er ein tiefes Seufzen aus und sah sie ernst an. »Niemand wird dir schaden«, versprach er ihr. »Das lasse ich nicht zu.«

Und da log er, denn als er sie an sich zog und küsste, war er der Einzige, der ihr wehtat.

»Bitte nicht«, stieß sie hervor, da hob er sie hoch und setzte sich auf das Bett, ihre kleine Gestalt fest an sich gepresst.

»Natalie«, raunte er leise und sah sie flehend an. »Ich brauche dich.«

Was wollte er von ihr? Was verlangte er? Sollte sie ihn wie früher in die Arme nehmen? Ihn wie einst trösten? Alles hatte sich verändert. Er wollte nicht mehr, dass es so wie damals war, das zeigte er ihr seit dem Tod ihrer Eltern.

Aufstöhnend drückte er sie auf ihr fremdes Bett und versenkte hungrig seine Zunge in ihren Mund.

»Gib dich mir hin«, forderte er leise, schob ihr das Kleid nach oben. Seine Finger glitten unter ihr Höschen und zogen es ihr aus. Natalie stockte der Atem, als er an seiner Hose nestelte, dann glitt er in sie.

Sie keuchte erschrocken, doch es tat nicht mehr weh, nicht mehr so wie damals, als er es zum ersten Mal getan hatte.

»Mein«, hauchte er an ihrem Mund, während er sich rhythmisch in ihr bewegte, ihren Po umklammerte und immer schneller wurde, dann erstarrte er und sank mit einem Seufzer auf sie. Regungslos lag Natalie da, lauschte ihrem pochenden Herzen und blinzelte, als er den Kopf hob und sie ansah. »Sag, dass ich dein Erster und dein Letzter bin. Sag es«, forderte er.

»Du weißt, dass es so ist«, flüsterte sie. Sie wollte schreien, sie wollte weinen, weil niemand ihr helfen konnte und weil alles so falsch war. »Warum?«, fragte sie stattdessen.

Zärtlich hob er ihr Gesicht an. »Weil es richtig ist, weil es niemand anderes sein kann als du, weil ich dich liebe.«

Sie hatte ihn auch geliebt, vor langer Zeit, als er noch er selbst war, als er noch ihr großer Bruder war.

Sanft glitt Nathan mit den Fingerspitzen zu den hohen Wangenknochen, fast so, als wolle er ihre Augen berühren, die den seinigen glichen. »Wir sind eins.«

Immer noch verbunden mit seinem Glied, brachte Natalie nicht die Kraft auf etwas zu sagen und sie verstummte ganz, als er sie erneut küsste und an sich presste. Wenige Minuten später, löste er sich wieder von ihr und ging hinunter, ließ sie allein mit ihrer Furcht und ihrer Scham. Schluchzend schloss sie die Augen und presste ihr Gesicht in das Kissen, damit diese fremden Menschen sie nicht hörten, vor allem nicht ihr eigener Bruder.

In dieser Nacht tat sie etwas, das die alte Natalie niemals getan hätte. Sie packte ihre Habe und floh aus dem Haus voller Fremden, floh vor dem Mann, der ihr Bruder war und sie so wollte wie eine Ehefrau.

Sie floh, weil sie ein neues Leben ohne Nathans Forderungen wollte, die sie sonst vernichten würden. Aber sie vergaß niemals, dass ihr Bruder stets auf der Suche nach ihr sein würde.

Dash

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