Читать книгу Der Herzensdieb 2 - Christina Schwarzfischer - Страница 8

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Kapitel 6

Am Nachmittag wollte Maya erfahren, wo der Herr der Diebe begraben liegt. Ich sah ihr an, dass ihr das sehr wichtig war. Also zeigte ich ihr die Stelle im Friedhof. Dort brach sie dann erneut in Tränen aus, sodass ich sie trösten musste, nun, nachdem wir Freundschaft geschlossen hatten. „Ich kann verstehen, dass du um ihn trauerst“, sprach ich zu ihr. „Auch ich habe ihm eine Menge zu verdanken, mitunter auch Raven.“

Es war nicht zu übersehen, wie viel er ihr bedeutet hatte. Als sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, erzählte sie mir von ihrer ersten Begegnung mit ihm: „Das Königreich wurde einmal von feindlichen Truppen angegriffen. Ich war damals erst dreieinhalb Jahre alt. Meine Eltern flohen mit mir, doch als sie wussten, es gäbe keinen Ausweg mehr für sie, versteckten sie mich in einer offenen leeren Holzkiste hinter einigen anderen Kisten, in einer schmalen, dunklen Gasse. Sie sagten mir, ich solle dort bleiben und keinen Laut von mir geben. Unter furchtbarer Angst wartete ich dort auf sie, doch sie kamen nie zurück. Als ich endlich eine ganze Weile lang keine angsterfüllten Schreie mehr hörte, die vorher pausenlos zu vernehmen waren, kam ich aus meinem Versteck und sah mich vorsichtig um. Doch schon kurz darauf wurde ich gepackt und hochgehoben. Es war nur eine Wache - zum Glück! Er sagte, der Angriff wäre vorbei und er brächte mich in ein Waisenhaus. Alle kleinen Kinder würden vorübergehend dorthin gebracht.

Doch ich wehrte mich und schrie: „Ich will zu Mami und Papa!“

Darauf meinte er, sie könnten mich aus dem Waisenhaus abholen, wenn sie überlebt hätten. Doch ich weinte und wollte nicht mitgehen, weil ich bereits ahnte, dass ich nicht abgeholt werden würde. Ich wusste nicht, wie es nun mit mir weitergehen sollte. An dieser Stelle tauchte Alessandro auf. Er behauptete, er wäre mein Vater und ich wäre ihm in dem Gewühle verloren gegangen - und da ich nicht ins Waisenhaus wollte, spielte ich einfach mit. Ich weiß nicht warum, aber ich hatte keine Angst vor ihm, obwohl er ein Fremder für mich war. Er war mir gleich vom ersten Moment an sympathisch und vertraut. Einige Tage lang suchte er mit mir nach meinen Eltern - ohne Erfolg. In meinem tiefsten Inneren wusste ich, man hatte sie beide umgebracht, doch eigentlich wollte ich es nicht wahrhaben. Schließlich nahm mich Alessandro auf und zog mich groß. Er war wie ein Vater für mich. - Ein guter Vater! Inzwischen kann ich mich kaum mehr an meine echten Eltern erinnern...“

„Ja, er war für uns alle eine Art Vaterersatz“, stimmte ich ihr zu.

„Hatte er denn große Schmerzen vor seinem Tod?“, wollte Maya wissen.

Ich überlegte kurz. „Ich glaube schon, aber er hat nie sonderlich darüber geklagt.“

„Ja, so war er: Tapfer und mutig. Er schaffte es oft, sich nichts anmerken zu lassen“, erinnerte sich Maya. „Konnte er sich vor seinem Tod wenigstens noch über etwas freuen?“

Ich bejahte. „Er war sehr glücklich darüber, dass Raven und ich uns gefunden hatten. Doch eigentlich hatte er einen großen Teil dazu beigetragen, indem er mich durch eine entscheidende Frage wieder dazu brachte, klar zu denken und somit zu begreifen, dass ich sie liebe. Aber er sagte, dass er sich am meisten darüber freue, dass ich nicht verpasse, was er versäumt hat: Eine Frau an seiner Seite zu haben und die Möglichkeit, eine richtige Familie mit ihr zu gründen, mit Kindern und allem drum und dran... und die große Chance, die immerwährende, aufrichtige Liebe festzuhalten. - Ja, genau das sagte er.“

„Ich verstehe!“, rief Maya plötzlich. „Ich weiß, warum er das gesagt hat! Weißt du, es gab da nämlich mal eine ganz besondere Frau in seinem Leben – vor deiner Zeit. Niemand von uns hat sie je mit eigenen Augen gesehen, noch kannten wir ihren richtigen Namen, aber jeder wusste, dass sie ihm alles bedeutete...“

Ich erinnerte mich an Ravens Geschichte, die sie mir damals in meiner ersten Nacht in der Diebesgilde erzählt hatte. Diese Freundin gab es also wirklich! Anscheinend wusste Maya mehr darüber. „Was ist damals passiert?“, interessierte es mich, also begann Maya zu erzählen: „Ich war damals zwar noch sehr klein, erst sechs Jahre alt, aber an das, was ich damals mitbekommen habe, erinnere ich mich noch recht deutlich. Besonders weil mir Sixtus, der wie ein großer Bruder für mich war, vor dem Einschlafen oft selbst erfundene Geschichten über Alessandro und seine Freundin erzählte.

Alles begann vor ziemlich genau 18 Jahren. Alessandro erledigte damals all seine Aufträge immer so schnell er konnte, um so viel Zeit wie nur möglich mit seiner Freundin verbringen zu können. Und wenn diese Stunde dann angebrochen war, zögerte er seine Missionen, so weit es nur ging, hinaus. Anscheinend hatte sie immer nur begrenzt Zeit für ihn. Einige Diebe tuschelten deswegen, sie wäre verheiratet. Er selbst jedoch, sprach nie über sie. Er hatte ja noch nicht einmal auf die Frage geantwortet, ob eine Frau der Grund für sein stundenlanges, spurloses Verschwinden war. Doch wir alle waren uns dabei einig. Was denn sonst? Es konnte nur eine Frau sein!

Da wir ihren Namen nicht kannten, gaben wir ihr einen, um über sie reden zu können. Und weil Der Herr der Diebe eigentlich nur auf Schätze und Juwelen aus war, nannten wir sie Saphira. Fast ein halbes Jahr lang traf er sich mit ihr und einmal war er sogar die ganze Nacht lang weg. - Das war sein letztes Treffen mit ihr. Am nächsten Morgen, als er zurückkam, war er ganz abwesend und in Gedanken versunken. Und den darauf folgenden Monat schien ihm alles egal zu sein. Doch nach zwei Monaten fing er sich wieder und wurde wieder fast der Alte.

Ob sie ihn wohl abserviert hat? Bis heute weiß keiner, was in jener Nacht geschehen ist – Außer er selbst. Doch so wie’s aussieht hat er dieses Geheimnis wohl mit ins Grab genommen.“ Ich fand die Geschichte äußerst interessant. Vom heutigen Tag an besuchte Maya fast täglich sein Grab.

Der Herzensdieb 2

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