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Kapitel Sechs

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Will

Will fand die Wochen vor der Party auf Fire Island irgendwie surreal. Auch wenn er mehrfach dieselbe Schicht wie Noah hatte, sprachen sie im Verkaufsbereich nicht viel miteinander und sahen sich auch nicht großartig an. Ein paar Mal erwischte er Noah dabei, dass er ihn anstarrte, bevor er schnell wieder wegsah. Aber Will machte sich in dieser Hinsicht ebenfalls schuldig.

Er entdeckte keine weiteren Narben an Noah, besonders, da sein Kragen und Haar die Stellen allzu gut bedeckten, aber er konnte dennoch nicht anders, als ihn näher zu betrachten. Noah war derselbe fröhliche, selbstsichere Verkäufer wie zuvor. Sein Stil unterschied sich von Wills, das war mal sicher, und deshalb hatte Will ihn als ein bisschen fies empfunden. Noah begrüßte Kunden fröhlich, sobald sie Home and Hearth betraten, während Will sich zurückhielt und es den Kunden ermöglichte, erst einmal die Lage zu sondieren, bevor er sich ihnen näherte.

Zweifelsohne war Noah der beste Verkäufer im Team und vermutlich auf der Überholspur Richtung Management unterwegs. Will war mit seinen durchschnittlichen Verkäufen zufrieden – dies war schließlich nicht seine Leidenschaft. Solange er seine Arbeit größtenteils gern erledigte und regelmäßig sein Gehalt bekam, reichte ihm das.

Er war sich nicht sicher, wie ihr gemeinsames Wochenende verlaufen würde und ob er Noah anschließend noch mehr aus dem Weg gehen würde. Warum hatte Will sich überhaupt für die Buchung entschieden? Um Gottes willen, sie waren Kollegen, und in ein paar Tagen würden sie durch eine Überweisung vertraglich aneinander gebunden sein.

Doch Noah hatte an jenem Tag im Café so verwundbar ausgesehen und Will hatte instinktiv das Bedürfnis gehabt, ihm zu helfen. Ihn vielleicht sogar zu beschützen. Aber, um ehrlich zu sein, drehte sich ihm bei der Vorstellung, Noah einen anderen Escort zu empfehlen, der Magen um. Abgesehen davon wurde er dafür bezahlt, ein ganzes Wochenende auf Fire Island zu verbringen, wenn sie Glück hatten, bei perfektem Strandwetter.

Sie hatten sich beide dieselben Tage freigenommen, aber da sie nur selten miteinander zu tun hatten, hatte niemand auch nur mit der Wimper gezuckt. Unabhängig davon war es seit seiner Einstellung das erste Mal gewesen, dass er darum gebeten hatte, seine Schichten anzupassen. Daher war die Geschäftsführerin entspannt damit umgegangen.

Will und Noah mochten im Laden nicht viel miteinander reden, aber jenseits davon lagen die Dinge anders. Sie schrieben sich von Zeit zu Zeit und stellten sich Fragen, die das Wochenende betrafen. Will hatte an dem Nachmittag mit Noah auf dem Union Square Spaß gehabt. Daher fühlte es sich fast natürlich an, sich mit ihm abzusprechen.

Vielleicht waren sie mutiger, wenn sie sich nicht gegenüberstanden.

Also, was soll ich anziehen?, fragte Will eines Abends, als er schon im Bett lag. Wird das eine formelle Angelegenheit?

Nee, die Partys sind normalerweise ziemlich lässig. Die meisten tragen Shorts und Badesachen.

Cool. Und wie sieht es mit den Schlafgelegenheiten aus?

Es folgte eine lange Pause, die in Will die Frage weckte, ob er Noah durcheinandergebracht hatte.

Äh, ich bin mir nicht sicher. Ich habe im Strandhaus immer in demselben Schlafzimmer im ersten Stock übernachtet. Ich vermute, dieses Mal wird es genauso sein. Aber hey, wenn du lieber ins Hotel möchtest oder gern ein eigenes Zimmer hättest, ist das total in Ordnung.

Er konnte fast vor sich sehen, dass Noah ebenso rot anlief wie im Starbucks. Ganz anders, als er sich im Verkauf verhielt.

Keine Sorge! Ich soll so tun, als wären wir zusammen, weißt du noch?

Gott, das ist so dämlich. Es tut mir leid, dass ich dich unter Zugzwang gesetzt habe.

Tief durchatmen. Solange du nicht furchtbar schnarchst: Ich habe schon mit vielen Freunden in einem Bett geschlafen. Das klappt schon.

Zum ersten Mal fragte sich Will ernsthaft, was Noah sich abseits von Gesellschaft von diesem Geschäft wünschte. Er ging stark davon aus, dass es nicht körperlich werden würde, womit er vollkommen einverstanden war. Es war nicht nötig, diese Geschichte komplizierter zu machen, als sie ohnehin schon war, besonders auf der Arbeit.

Abgesehen davon hatte Noah ernsthaft entsetzt gewirkt, als Will ihn auf dem Bauernmarkt aufgezogen hatte.

In Ordnung. Lass es mich nur wissen, wenn sich etwas für dich… merkwürdig oder unangenehm anfühlt.

Wie wäre es, wenn wir den Dingen einfach ihren natürlichen Gang lassen? Denken wir nicht zu viel darüber nach. Und vergiss nicht, ich mache das schon eine Weile und ich bin ziemlich gut darin.

Aufleuchtende Punkte verrieten Will, dass Noah schrieb, aber seine kurze Nachricht passte nicht zu der Zeit, die er dafür benötigt hatte.

Okay… und danke noch mal.

Will schrieb das Noahs Nervenkostüm zu, was vermutlich bedeutete, dass es eine gute Idee wäre, sich noch etwas aneinander zu gewöhnen.

Als der Laden am folgenden Sonntag früher als üblich schloss, gingen Noah und er gleichzeitig hinter Kara, ihrer Managerin, nach draußen. Nachdem sie sich von ihr verabschiedet hatten, wandte Will sich an Noah, der es betont langsam angehen ließ. Vielleicht war er zu derselben Ansicht wie Will gelangt.

»Willst du direkt nach Hause?«, fragte Will.

»Ja, ich wollte mir was zu essen holen und dann meine Wohnung putzen«, sagte Noah. Er rümpfte die Nase, als handele es sich um eine unangenehme Aufgabe, was komplett dem Bild widersprach, das sich Will früher von Noah gemacht hatte. Er hatte sich seine Wohnung immer als makellos sauber und aufgeräumt vorgestellt. Aber das ging wieder zulasten seiner Vorurteile. Abgesehen davon konnte man durchaus ein nettes Zuhause haben und trotzdem nicht gern putzen. Wer hatte schon ernsthaft Spaß daran, eine Toilette zu schrubben?

»Hallo, Jungs«, sprach ihre Kollegin Samantha sie an und erschreckte sie damit. Sie musste in den Bagelladen gegangen sein, um sich den Becher dampfenden Kaffee zu holen, von dem sie gerade trank. Sie sah schuldbewusst von einem zum anderen, als ob sie ihr Gespräch unterbrochen hätte, und wünschte ihnen dann abrupt einen schönen Abend.

Noah musste es ebenfalls aufgefallen sein, denn er rief ihr nach. »Was hast du heute Abend vor?«

Sie drehte sich lächelnd um. »Mich mit meinem Freund in SoHo zum Essen treffen.«

»Viel Spaß«, antwortete Noah, als sie zur U–Bahn lief. Als er sich wieder an Will wandte, stieß er die Luft aus. »Also, was meinst du?«

Vielleicht war das doch eine schlechte Idee. Nur warum sollten sie sich nicht miteinander unterhalten? Sie waren Kollegen, verdammt noch mal. »Ich habe Lust auf Teigtaschen von Veng's. Hast du Lust mitzukommen, damit ich dir weitere Fragen stellen kann? Wir können die A nehmen und von da zur 34. laufen.«

Noah riss die Augen auf und schluckte mühsam. Für den Bruchteil einer Sekunde war Will überzeugt, dass Noah ihn abweisen würde, und er wollte sich schon für den Vorschlag treten.

Dann schielte Noah zur nahen Straßenkreuzung. »Klar. Gehen wir zu Fuß?«

Erleichterung durchflutete Will. »Perfekt.«

Er hatte an diesem Abend nichts vor und seine Mom war mit einem Freund essen gegangen, der sie alle paar Wochen besuchte. Insofern hatte Will ein paar Stunden Zeit, selbst wenn er zu Hause die Toilette hätte putzen können. Aber wie spannend war das schon? Er hatte neben seinen beiden Jobs schon genug zu erledigen und er hasste es, zu viele Abende hintereinander unterwegs zu sein, für den Fall, dass seine Mom in ihrer Wohnung durchdrehte. Es fühlte sich einfach besser an, wenn er vor Ort nach ihr sehen konnte – was dafür sorgte, dass er wegen des Wochenendes auf Fire Island reichlich nervös war. Außerdem: Je mehr er wusste, desto besser.

Sie hielten Small Talk, als sie sich über die volle Straße vom Rockefeller Center entfernten.

»Also, stell mir mal deine Fragen«, sagte Noah, sobald sie zwischen sich etwas mehr Platz auf dem Bürgersteig hatten.

»Magst du mir von deinen Freunden erzählen, die ich nächstes Wochenende kennenlernen werde?«

»Gute Idee.« Sie übersahen beinahe ein Taxi, das über die überlaufene Kreuzung schleuderte, und Will wunderte sich, dass es nicht zu mehr Unfällen kam. »Wie gesagt kenne ich Tony mein ganzes Leben lang. Ein totaler Playboy, bis er Matt kennengelernt hat.«

»Den Mann, dem er den Antrag machen wird?«, fragte Will.

»Genau.« Noah nickte. »Er hat sich Hals über Kopf in ihn verliebt und ich muss zugeben, dass sie perfekt füreinander sind.«

»Cool«, sagte Will. Am Rande fragte er sich, wie viele Beziehungen Noah über die Jahre gehabt hatte; besonders, wenn man überlegte, wie er jetzt über sein Liebesleben sprach. »Also… Deine Freunde werden uns Fragen stellen, wie wir uns kennengelernt haben.«

»Mist. Darüber habe ich gar nicht nachgedacht.« Noah holte ein paarmal kontrolliert Luft, als wollte er sich beruhigen. »Du bist gut hierbei.«

Nun war Will froh, dass er Noah gefragt hatte, ob er ihn begleiten wolle. Er war nervöser, als Will anfangs vermutet hatte.

Er lachte leise. »Es hilft eindeutig, wenn man sich abgesprochen hat. Erst recht, wenn man eine Veranstaltung mit anderen Leuten besucht«, erklärte er. »Wenn es nur um den Kunden und mich geht, ist das natürlich egal.«

Noah strauchelte beim Gehen. »Moment mal, also bist du manchmal auch mit demjenigen allein?«

»Nun, ja«, erwiderte Will behutsam. Es kam ihm vor, als sollte er vorsichtig sein, um Noah mit seinen folgenden Worten nicht abzuschrecken. »Manchmal möchte meine Kundschaft nur… Gesellschaft.«

»Ja, okay. Das ergibt Sinn«, sagte Noah. Dann brachten sie schweigend ein oder zwei Blocks hinter sich. Will überlegte, worüber zum Teufel Noah wohl grübelte. Verglich er sich mit Wills anderer Kundschaft oder dachte er über das kommende Wochenende nach?

»Macht dir das zu schaffen?«, fragte Will schließlich. Wahrscheinlich war es besser, offen darüber zu reden.

»Ich denke nicht?«, antwortete Noah, als wäre er sich nicht sicher. »Das sind nur Sachen, über die ich vorher nicht nachgedacht habe. Und abgesehen davon geht's mir im Grunde ja um dasselbe.«

»Stimmt«, entgegnete Will vorsichtig. »Gesellschaft, die dir durch eine unangenehme Situation hilft.«

Eine gewisse Schwere lag zwischen ihnen in der Luft, als sie in die Park Avenue abbogen.

»Wäre es dumm, einfach zu behaupten, dass wir uns auf der Arbeit kennengelernt haben?« Noah schien angestrengt nachzudenken. »Das würde zumindest stimmen.«

Will sah nachdenklich in die Ferne. »Es ist nicht dumm, aber… langweilig. Wenn wir schon eine Show abziehen, können wir auch aufs Ganze gehen.«

Noah fuhr zusammen. »Inwiefern aufs Ganze?«

»Lass mich mal nachdenken.« Will grinste teuflisch. »Vielleicht so eine Schicksalskiste wie in romantischen Komödien. Unsere Blicke sind sich quer durch den Raum begegnet, irgendwie so was. Denn, warum nicht?«

Noah schüttelte den Kopf, als würde die Idee ihn abstoßen, auch wenn Will nur versucht hatte, die Stimmung aufzulockern. »Keine Chance, dass sie uns das abkaufen würden«, spottete er. »Ich würde es jedenfalls nicht.«

»Was? Bist du in deinem Herzen etwa kein Romantiker?«, zog Will ihn auf.

»Verdammt, nein«, antwortete Noah und verdrehte die Augen. »Ich bin unübersehbar Realist.«

»Oh, wie gut ich das verstehe«, stimmte Will ihm zu und klatschte ihn mit der Faust ab.

»Also bleiben wir bei der Arbeitsversion?«, fragte Noah.

»In Ordnung. Ich habe in erster Linie rumgeblödelt.«

»Oh. Verstehe.« Noahs Wangen wurden rot und aus irgendeinem Grund fand Will das süß. »Okay.«

Nachdem sie bei Veng's ihr Essen geholt hatten, gingen sie mit ihrer Tasche über die Straße in einen winzigen Park. Dort setzten sie sich auf eine Bank und aßen.

»Das sind die besten Teigtaschen, die ich je in der ganzen Stadt gegessen habe.«

»Hab's dir ja gesagt«, sagte Will und wischte sich mit einer Serviette den Mund ab. »Danke fürs Mitkommen.«

»Gern geschehen«, gab Noah zurück und lächelte schüchtern, während er sich weitere Sesamsoße nahm.

Sobald sie satt waren, stand Noah auf, um die leeren Verpackungen wegzuwerfen. Wills Handy kündigte eine Nachricht seiner Mutter an. Ich bin zu Hause, Schatz.

Das war sein Signal zum Aufbruch. Er schrieb zurück: Bin bald da.

»Tja, ich gehe besser«, sagte Will im Aufstehen und reckte sich. Er war überraschend enttäuscht. Mit Noah abzuhängen, war eine nette Abwechslung von seiner üblichen Routine gewesen.

»Ja, ich auch«, sagte Noah, als sie zur nächsten U–Bahn–Station liefen. »Schreib mir, falls dir vor dem Wochenende noch irgendetwas einfällt.«

***

Ein paar Abende später verließ Will halbwegs früh das Home and Hearth und nahm auf dem Heimweg Essen aus dem Lieblings–Thairestaurant seiner Mom im East Village mit.

»Hey, Ma«, sagte er, als er durch die Tür kam, und hielt die Tasche hoch. Sie saß auf der Couch und sah sich eine ihrer bevorzugten Reality Shows an, die Hausfrauen verschiedener Städte vorstellte. Sie wirkte ruhig und zufrieden, auch wenn sie noch ihren Morgenmantel trug.

Nachdem sie Will geholfen hatte, die Behälter aus der Tasche zu nehmen, und er Gabeln und Teller aus der Küche geholt, klopfte sie neben sich aufs Polster. »Komm, setz dich zu mir. Zwischen den beiden fängt gleich die Schlammschlacht an.«

Will starrte auf den Bildschirm, der zwei Frauen zeigte, die sich anzuschreien begannen. »Ich weiß nicht, wie du die Streitereien ertragen kannst.«

Seine Mom kicherte. »Manchmal hilft es mir, mich daran zu erinnern, dass mein Leben dagegen ziemlich ruhig ist.«

»Ich verstehe, was du meinst«, antwortete Will und küsste sie auf die Wange. Sein Herz schlug schneller, als ihm aufging, dass dank der letzten Anpassung der Medikamente durch den Psychiater wirklich ein paar ruhigere Monate hinter ihnen lagen. Es hatte ein paar dubiose Abende gegeben, an denen sie nicht ganz sie selbst zu sein schien, aber dann hatte sie sich immer wieder gefangen.

»Denk daran, dieses Wochenende bin ich nicht da.«

Sie schielte ihn von der Seite an. »Sagst du mir noch mal, wo du hinwillst?«

»Zu einer Party auf Fire Island«, antwortete er. »Mit meinem Freund Noah. Er ist ein Kollege von mir.«

»Noah? Warum habe ich nie zuvor von ihm gehört?«

Will versteifte sich bei dieser Frage. »Er ist eine neuere Bekanntschaft.«

»Oh, das ist schön, Schatz. Du arbeitest sowieso zu viel. Eine Auszeit wird dir guttun«, sagte sie, bevor sie über etwas im Fernsehen lachte.

»Jedenfalls fahre ich morgens los«, erinnerte er sie erneut. Dann stand er auf, um ihre Teller abzuräumen.

»Klingt lustig. Und auch so, als könnte es ein bisschen schicker werden. Hast du etwas Nettes anzuziehen?«

»Ja, ich glaube, ich bin versorgt«, erwiderte er, während er gedankenverloren die Teller abwusch. Danach setzte er sich wieder zu ihr, um ihr während der Show ein bisschen Gesellschaft zu leisten.

Er konnte sich nicht erinnern, was er vor der Schlafenszeit sonst noch tat, so sehr war er gedanklich bei den Plänen fürs Wochenende.

Als es Morgen wurde, fühlte sich Will, als hätte er sich die ganze Nacht lang von einer Seite auf die andere gewälzt und die Nervosität war wieder da. In erster Linie, weil er seine Mom allein lassen musste. Er hätte Oren aufsuchen und sich einen Tee holen sollen, aber er hatte zu viel Sorge gehabt, dass er ihm das Herz ausschütten und sich die Sache vielleicht sogar ausreden lassen könnte.

»Denk daran«, sagte er, als seine Mom im Morgenmantel an der Arbeitsplatte stand und sich eine Tasse Kaffee einschenkte. »Du kannst mir immer schreiben oder mich anrufen.«

»Du machst dir zu viele Sorgen«, sagte sie gähnend. Dann tätschelte sie ihm die Wange. »Du bist ein guter Sohn, William. Ich wünschte, du würdest jemand Netten finden, der dich glücklich macht.«

Sein Herz schlug hart in seiner Brust. Manchmal wurde er wütend auf sie, besonders, wenn sie zu sorglos mit ihren Medikamenten umging. Aber verdammt, das Schicksal hatte ihr wirklich miese Karten zugespielt. Sie war ihm immer eine gute Mutter gewesen und selbst wenn sie an Wahnvorstellungen gelitten hatte, hatte sie immer nur sich selbst geschadet. Wenn sie auf der Straße herumlief oder sich in vermeintlichen Bunkern versteckte, weil die Regierung hinter ihr her sei, brachte sie sich selbst in Gefahr. Will hatte dann ständig Angst, dass sie vor ein Auto lief oder jemand wütend genug auf sie werden könnte, um sie zusammenzuschlagen und halb tot liegen zu lassen.

»Du machst mich glücklich. Das ist für den Moment alles, was ich brauche.«

Will verließ die Wohnung und ging ins Erdgeschoss, um an die Tür des Hausmeisters zu klopfen. Das Gebäude gehörte einem älteren Paar, das sich seiner Mom gegenüber sehr anständig verhalten hatte – und solange er ihnen einen kleinen Bonus auf die Miete zahlte, war alles gut. »Ich wollte Sie nur daran erinnern, dass ich das ganze Wochenende weg sein werde.«

Mr. Wilkens lächelte. »Genießen Sie es. Es wird ihr gut gehen. Meine Frau wird ein paarmal nach ihr sehen.«

Will nickte. »Sie haben immer noch meine Nummer…?«

»Ja, natürlich. Abgespeichert in meinem Telefon«, sagte er etwas strenger. »Gehen Sie jetzt. Sie verdienen es, ein wenig Spaß zu haben.«

Um sicherzugehen, reichte Will ihm zusätzlich einen 20er.

Mr. Wilkens stopfte ihn schnell in die Tasche, bevor er sich nach rechts und links umsah und die Tür zuschob. »Geh schon, Junge.«

Junge. Gott, er war fast 29.

Will rannte in dem Gefühl zur Bahn, dass vielleicht alles gut laufen würde. Er hatte bisher nur einmal mit einem Kunden die Stadt verlassen und war damals so nervös gewesen, dass er seitdem sämtliche Angebote außerhalb der Stadt ausgeschlagen hatte. Aber dieses Mal würde er immer noch in der Nähe sein – na ja, zumindest nur ein paar Stunden Zugfahrt entfernt statt einen ganzen Flug –, sodass es sich machbar anfühlte.

Er traf sich mit Noah an der Penn Station, sodass sie zusammen nach Sayville fahren und von dort die Fähre nach Fire Island nehmen konnten. Noahs Lächeln wirkte etwas hölzern und er wischte sich immer wieder die Hände an den Oberschenkeln an. Insofern wusste Will, dass Noah ebenfalls nervös war.

Er war heute lässiger gekleidet als üblich und trug abgeschnittene Jeans mit ausgefransten Säumen zu einem oft gewaschenen T–Shirt, das seine Augenfarbe betonte. Will war froh zu sehen, dass Noah ein bisschen lockerer auftrat, wenn er mit seinen Freunden zusammen war.

Statt Will ein Ohr abzukauen, wie er es auf der Arbeit mit Kunden getan hätte, war Noah auch im Zug ungewöhnlich still. Aber nun war Max im Dienst und er hatte eine Rolle auszufüllen. Er hatte viel Erfahrung darin, dafür zu sorgen, dass seine Kunden sich wohlfühlten, und würde hoffentlich auch bei Noah in der Lage sein, seine Magie zu wirken.

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