Читать книгу Love me louder - Christina Lee - Страница 9

Kapitel Fünf

Оглавление

Noah

Noah fühlte sich bereits ruhiger als vor einer halben Stunde, als er Will auf einmal im selben Starbucks entdeckt hatte. Was zum Teufel war da los? Doch dann hatte er Will sein Herz ausgeschüttet. Es hatte sich herausgestellt, dass man mit Will besser reden konnte, als er es sich vorgestellt hatte. Sobald man seine unbeteiligte Fassade überwunden hatte, die eine Art Verteidigungswall darzustellen schien, ging etwas Beruhigendes von ihm aus, an dem sich Noah mit beiden Händen festhalten wollte.

Sobald sie ausgetrunken hatten, folgte er Will auf den überfüllten Bürgersteig. Dem Mann, der sich gerade einverstanden erklärt hatte, ihn als Escort zu einem Wochenende auf Fire Island zu begleiten. Heilige Scheiße.

»Was hast du heute noch vor?«, fragte er in erster Linie, um überhaupt etwas zu sagen. Aber er war auch ziemlich neugierig auf Wills Leben. Neugieriger als je zuvor.

Will wandte sich zu ihm um und schielte dann auf die Uhr seines Handys. »Ich wollte mir eigentlich Off–Broadway Revive anschauen, bei der ein paar alte Freunde von mir mitwirken.«

Noah wusste nicht, warum ihn das überraschte. »Cool. Ich habe viel Gutes über die Show gehört.«

Plötzlich leuchteten Wills Augen auf. »Hast du, äh, Interesse? Man hat mir zwei Karten zurückgelegt, falls ich einen Freund mitbringen will.«

Noah winkte ab. Er wollte bestimmt nicht, dass sich Will verpflichtet fühlte, von nun an netter zu ihm zu sein, nur weil sie eine Vereinbarung getroffen hatten. »Nein, schon gut. Normalerweise würdest du ja auch nicht mit mir rumhängen, also alles gut.«

Will biss sich auf die Unterlippe. Es sah aus, als überlege er, wie er sich ausdrücken sollte. »Aber… vielleicht sollten wir das? Es könnte uns helfen… natürlicher rüberzukommen.«

Noah sah ihm in die Augen, um herauszufinden, ob er vielleicht nur nett sein wollte. Aber es war ein gutes Argument. Wenn man am kommenden Wochenende den Eindruck bekam, dass sie die Gegenwart des anderen genossen, statt sich nur zu tolerieren, würde das einiges erleichtern. »Ja, in Ordnung. Gute Idee.«

»Dann lassen uns gehen.« Sie liefen zwei Blöcke bis zur U–Bahn, die sie zum Union Square bringen würde. Anfangs fühlte sich ihr Beisammensein merkwürdig an – wie bei zwei Menschen, die wegen eines gemeinsamen Ziels verbunden waren – und Noah dachte darüber nach, einen Rückzieher zu machen. Nur, wie sollte er sich je an Will gewöhnen, wenn er ihn nicht zumindest ein bisschen besser kannte?

Sobald sie wieder auf Straßenniveau waren, schlenderten sie über einen Bauernmarkt auf dem Platz. Die Sonne wärmte Noahs Haut und er dachte, dass sich der Tag doch als recht schön erwies. Er unternahm mal etwas anderes, etwas, das ihn aus seiner Komfortzone herausholte, aber das war nicht schlimm. Genau genommen hatte er sogar Spaß.

»Kommst du an den Wochenenden manchmal her?«, fragte Will und spähte über die Schulter zu einem Gemüsestand.

»Nee, normalerweise besuche ich einen gut sortierten Straßenmarkt, der näher an meiner Wohnung liegt… Jedenfalls wenn mir danach ist, mich durch Unmengen von Leuten zu schieben.«

»Wem sagst du das?«, erwiderte Will. »In der Stadt gibt es natürlich nicht viele Orte, an denen es nicht voll ist.«

»Stimmt. Ich würde am Wochenende abends nicht mal gegen Bezahlung über den Times Square gehen.«

»Es sei denn, es geht um eine Vorstellung«, fügte Will mit einem Funkeln im Blick hinzu.

Das Theater bedeutete ihm etwas und nun waren sie auf dem Weg, sich eine Produktion mit alten Freunden anzuschauen, die offensichtlich Karten für ihn zurückgelegt hatten. War er hauptberuflich am Theater oder hatte er nur Freude an den Produktionen? Noahs Interesse war definitiv geweckt.

Vor der Kasse war eine kurze Schlange, aber es ging rasch voran. Sobald sie hineingingen, fiel Noah auf, wie klein das Theater war. Typisch für diese Art Produktion.

Off–Broadway–Shows waren nicht gut besucht, solange sie kein überragender Erfolg waren, und Noah fragte sich, ob einer der Gründe die Werbung war. Aber von diesem Stück hatte er bereits gehört: Es hatte in den letzten Monaten einiges an Aufmerksamkeit bekommen. Auch wenn es angesichts des Theaters, in dem offensichtlich weniger als hundert Menschen Platz fanden, vermutlich eher als Off–Off–Broadway–Show angesehen wurde.

Als Noah von allen Menschen auf der Welt ausgerechnet mit Will mittig vor der Bühne Platz nahm – oder sollte er ihn Max nennen? –, war er immer noch erschüttert, dass ihn im Starbucks von allen möglichen Alternativen ausgerechnet sein Kollege erwartet hatte. Wie naiv war es gewesen, davon auszugehen, dass Will seinen richtigen Namen verwendete? Noah hatte sich diesen Tag ganz anders vorgestellt, war aber dennoch angenehm überrascht.

In gewisser Hinsicht war es ein Trost, dass er mit Will auf jemanden gestoßen war, den er bereits kannte, statt auf einen Irren oder potenziellen Serienmörder. Nicht, dass Escort–Agenturen Serienmörder engagierten. Und diese Überlegung brachte Noah auf einmal dazu, den Job aus Wills Blickwinkel zu betrachten. Ob ihm seine Seite des Ganzen ebenso bedrohlich erschien?

Noah wollte ihm reihenweise Fragen stellen, aber bevor er dazu kam, hob sich der Vorhang und das Stück begann. Und es war fesselnd. Unterhaltsam. Noah begriff, warum diese Low–Budget–Produktion so viel Aufmerksamkeit bekam. Er wünschte nur, sie hätte sowohl mehr Besucher als auch Unterstützung. Er wusste, dass Schauspieler hart arbeiteten, aber dennoch einen zweiten Job brauchten, um über die Runden zu kommen. Nun verstand er ein wenig besser, warum.

Als 90 Minuten später das Licht anging, wandte Will sich Noah lächelnd zu. »Hat es dir gefallen?«, fragte er mit verträumtem Blick. Noah hatte den Eindruck, dass ihn das Theaterlicht auf besondere Weise zum Strahlen brachte.

»Es war fantastisch«, antwortete er. »Danke für die Einladung.«

»Klar, gern«, gab Will zurück, stand auf und zog sein Hemd glatt. »Sie liefern eindeutig eine gute Show.«

Plötzlich winkte Will. Der Hauptdarsteller der Vorführung schaute hinter dem Vorhang hervor und deutete auf sie. »Das ist mein Freund. Hast du etwas dagegen, kurz in den Backstage–Bereich zu gehen?«

»Ganz und gar nicht.« Noah war noch nie hinter einer Bühne gewesen und er fand es ziemlich faszinierend, als sie an Kulissen und Beleuchtung entlang durch den engen Flur zu den Garderoben gingen. Ein paar der Bühnenassistenten begrüßten Will oder klopften ihm auf den Rücken, als würden sie ihn gut kennen.

Will klopfte behutsam an die Tür der Hauptgarderobe und als ein Herein ertönte, traten sie ein.

Der Star der Produktion – ein gut aussehender, brünetter Typ mit nettem Lächeln – umarmte Will auf eine Weise, die ein wenig zu innig für eine freundschaftliche Geste zu sein schien. Hatten die beiden eine Vergangenheit?

»Schön dich zu sehen«, sagte der Schauspieler und plötzlich hatte Noah den Eindruck, dass er störte. Also hielt er sich zurück. »Wir vermissen dich hier.«

»Ich vermisse es manchmal auch«, erwiderte Will, als er sich aus der engen Umarmung löste. »Das Stück ist immer noch so großartig wie eh und je.«

Als der Schauspieler Will über die Schulter sah, drehte dieser sich um, als wäre ihm plötzlich wieder eingefallen, dass er Noah mitgenommen hatte. »Len, das ist mein… Kollege Noah.«

Noah trat vor, um ihm die Hand zu schütteln. »Schön dich kennenzulernen. War eine tolle Vorführung.«

»Danke, dass du da warst«, antwortete Len, aber dann glitt sein Blick wieder zu Will. Offenbar hatten sie sich viel zu erzählen. Daher hörte Noah aus einigem Abstand zu, wie sie über Beleuchtung, Kulissen und Schauspieler sprachen, die sie beide kannten. Er sah sich inzwischen in der winzigen Garderobe, die etwas chaotisch und vollgestopft war, um. Er konnte nicht anders, als sich… so vieles zu fragen. Will stellte sich mehr und mehr als Mysterium heraus und Noah war plötzlich froh, dass er die Gelegenheit gehabt hatte, einen Nachmittag mit ihm zu verbringen.

Auf dem Rückweg gingen sie erneut über den Bauernmarkt, wobei Will verkündete, dass er verhungere. Daher kaufte er Äpfel und Weintrauben, während Noah ihnen knuspriges Brot und Käse besorgte. Anschließend setzten sie sich mit ihrem improvisierten Picknick auf eine Bank.

»Frag ruhig«, sagte Will, nachdem er einen Bissen von seinem Granny Smith genommen hatte. Der Saft rann ihm übers Kinn. »Ich weiß, dass du es willst.«

Noah schnitt mit einem Kunststoffmesser ein Stück Käse für Will ab. »Was meinst du?«

Will deutete in Richtung Theater. »Warum ich aufgehört habe. Warum ich als Escort arbeite. Stimmt's?«

»Na ja, nun, da du es erwähnst…« Noah zuckte mit den Achseln und spürte, dass seine Wangen rot wurden. »Ich hatte den Eindruck, dass Len und du irgendwie eine Geschichte habt. Als wäre er vielleicht dein Ex?«

Will hörte auf zu kauen und fuhr sich übers Kinn. »So offensichtlich, ja?«

»Es war nicht so schwer, darauf zu kommen«, sagte Noah, während er nach einer Traube griff.

»Wir haben uns letztes Jahr getrennt. Es funktionierte einfach nicht zwischen uns und ich hatte sowieso eine Menge Familienscheiß um die Ohren. Zu dem Zeitpunkt habe ich auch entschieden, vom Theater wegzugehen. Ein sauberer Schnitt, ein neuer Anfang«, erzählte Will, und als Noah nur die Brauen hob, fuhr er fort. »Ich verdiene deutlich mehr und was den Laden angeht, habe ich einen geregelteren Schichtplan.«

Noah kaute nickend an einem Stück Brot, während er über Wills Worte nachdachte. »Hast du deinen Traum aufgegeben?«, fragte er schließlich.

Will sog zittrig die Luft ein. »Da bin ich mir noch nicht so sicher. Fürs Erste ist es eine Pause… während ich ein paar andere Sachen in Ordnung bringe.«

Sie schwiegen eine Weile, jeder in seinen Gedanken verloren. Noah sah stur geradeaus und beobachtete einen Jongleur, der nah der Straßenecke seine Kunststücke zeigte und vor sich einen Hut für Spenden von Passanten hingelegt hatte.

»Gefällt sie dir wenigstens? Die Arbeit als Escort?« Noah druckste etwas herum, als er fragte, nicht sicher, ob er damit eine Grenze überschritten hatte. Doch sie waren im Café so offen miteinander gewesen, warum also jetzt damit aufhören? Es war wirklich erfrischend. Keine Erwartungen, nur die Wahrheit.

Will zuckte mit den Schultern. »Manchmal. Irgendwie ist das auch Schauspielerei – man spielt eine Rolle. Das hilft mir, andere Teile meines Gehirns zum Schweigen zu bringen.«

Scheiße, an diese Schauspielkiste hatte Noah gar nicht gedacht, aber es ergab Sinn. Sein Bauch verkrampfte sich und er fragte sich, ob Will ihm ebenfalls eine Performance liefern würde.

»Sorgst du dich je um deine Sicherheit?« Die Frage rutschte ihm heraus, bevor er sich bremsen konnte.

Will drehte sich auf seinem Platz zur Seite und zog die Nase kraus. »Hast du vor, mit einem Messer vor mir herumzufuchteln? Mir zu drohen, mich abzustechen, wenn ich dir keinen blase?«

Heilige Scheiße. Noah lief puterrot an und erstickte allein bei der Erwähnung, dass etwas Körperliches zwischen ihnen geschehen könnte, beinahe an einer Weintraube.

»Ich zieh dich nur auf.« Will lachte leise, dann stand er auf und reckte sich. »Ich muss nach Hause. Aber ich gehe mit dir zur U–Bahn-Station.«

Unterwegs warfen sie ihren Abfall fort. Sobald die Treppe hinter ihnen lag, mussten sie in unterschiedliche Richtungen gehen.

»Ich muss hier entlang.« Will deutete auf das Gleis Richtung Downtown. »Wir sehen uns auf der Arbeit.«

»Klingt gut«, sagte Noah. »Und… danke noch mal.«

Aber seltsamerweise war er noch nicht bereit, sich zu trennen. Was, wenn Will Fragen hatte? Was, wenn sie noch etwas besprechen mussten?

Noah wollte gehen, doch dann blieb er stehen und rief Will über die Schulter zurück. »He, warte mal!« Es war doch wohl normal, ihre Nummern auszutauschen, oder?

Er zog sein Handy hervor und trat dichter an Will heran, damit die anderen Passanten an ihnen vorbeigehen konnten. »Falls sich irgendetwas ändert und du vor dem Wochenende Fragen hast, lass es mich wissen. Ansonsten treffen wir uns an der Penn Station. Dann können wir zusammen nach Long Island fahren.«

»Gute Idee. Es könnte ein bisschen auffällig sein, das auf der Arbeit zu erledigen.«

Nachdem sie rasch ihre Nummern ausgetauscht hatten, gingen sie ihrer Wege. Noah war sowohl für die Wende der Ereignisse als auch für den netten Nachmittag dankbar. Beides war unerwartet gewesen und auf dem Heimweg konnte er nicht anders, als die ganze Zeit über zu pfeifen, während er an das Wochenende auf Fire Island dachte. Vielleicht freute er sich sogar darauf.

Love me louder

Подняться наверх