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Kapitel Zwei

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Will

Verdammt, er hatte irgendwo zwischen dem Geschäft und der Haltestelle die Visitenkarte verloren. Tja, wenigstens hatte er sich die Einzelheiten gemerkt. Abgesehen davon musste er sich nur die Nachricht noch einmal anhören oder die letzte E–Mail aufrufen, die die Quittung über den Zahlungseingang enthielt. Wann immer er die Dollarzeichen sah, wusste er, dass er das Richtige tat. Das verlieh ihm wieder ein Ziel.

Heute Abend traf er eine Stammkundin namens Louise. Sie war die CEO einer großen Finanzkooperative und musste an einer Vielzahl von Veranstaltungen teilnehmen, aber sie gab zu, dass sie sich dort als Single oft nicht wohlfühlte, und wollte jemanden an ihrer Seite haben. Jemanden, dem es nicht um ihren Status oder ihren Reichtum ging.

Will wurde gut bezahlt und es war meistens leicht verdientes Geld. Er leistete der Kundschaft einfach Gesellschaft und zeigte sich ihr gegenüber höflich und respektvoll. Es war nicht immer alles rosig verlaufen und er hatte im Verlauf des letzten Jahres auch einige unangenehme Situationen überstehen müssen, aber die Agentur stand hinter ihm und schien sich meistens auf die Seite ihrer Angestellten zu schlagen.

Er erreichte sein Wohnhaus an der Lower East Side, holte die Post aus dem Briefkasten und ging die drei Stockwerke hinauf zu der Wohnung, die er sich mit seiner Mom teilte. Die meisten Männer, mit denen er sich getroffen hatte, hatten nicht verstanden, warum er mit ihr zusammenlebte. Der Grund war zum einen, um ein Auge auf sie zu haben und zum anderen, um ihre Finanzen unter Kontrolle zu halten.

Das war auch der Grund gewesen, warum er letztes Jahr angefangen hatte, als Escort zu arbeiten. Es kostete Zeit und Geld, die Medikamente seiner Mom richtig einzustellen, nachdem sie einmal mehr im Krankenhaus gelandet war. Sie litt an Schizophrenie und zu Wills größten Ängsten gehörte nicht nur, dass er sie eines Tages auf tragische Weise daran verlieren könnte, sondern auch, dass er die Krankheit geerbt haben könnte. Die Statistiken besagten, dass sich die ersten Anzeichen einer entsprechenden Veranlagung schon im Kindesalter zeigten, manchmal auch erst bei Jugendlichen. Doch die Angst plagte ihn weiterhin, zusammen mit der Sorge, dass sie wieder in Geldsorgen geraten könnten.

Solange seine Mom ihre Medikamente nahm, ging es ihr gut. Aber wann immer sie eigenmächtig entschied, sie abzusetzen, brach die Hölle los. Dazu kamen dann Paranoia und Wahnvorstellungen, bis sie wieder genau dort waren, wo sie vor vielen Jahren angefangen hatten. Aus diesem Grund hatte sein Vater sie verlassen, als Will noch ein Kind gewesen war.

Nach dem College hatte Will in seiner eigenen Bruchbude gelebt. Doch vor drei Jahren war er bei seiner Mom eingezogen, damit er auf sie aufpassen und sich das Geld für die Miete sparen konnte. Abgesehen davon gab es nur sie beide und er musste dafür sorgen, dass sie in Sicherheit war.

»Alles klar, Mom?«, fragte er, nachdem er die Tür aufgeschlossen und einen raschen Blick in die Runde geworfen hatte. Es schien alles in Ordnung zu sein. Seine Mom saß in der Kleidung, die sie sich morgens angezogen hatte, auf der Couch und sah sich irgendetwas auf dem History–Sender an. Sie liebte Dokumentationen, aber manchmal verstärkten sie ihre Paranoia. Wenn schon nicht in Bezug auf Regierungsverschwörungen, dann wegen Aliens, die auf der Erde einfallen könnten.

»Ja, Schatz«, antwortete sie abgelenkt. »In der Küche steht ein Rest Pizza.«

An ein paar Tagen in der Woche nahm sie an einem Programm der Tagesklinik teil. Zudem arbeitete sie als Freiwillige bei einer Lebensmitteltafel nur eine Haltestelle entfernt, was ihr viel Freude bereitete. Will hoffte, dass sie sich eines Tages wieder selbst über Wasser halten konnte, war sich jedoch nicht sicher, ob das je ganz möglich sein würde. Die Schecks vom Sozialamt halfen, aber sie deckten nicht alle Kosten.

»Ich ziehe mich nur kurz um. Ich, äh, gehe heute Abend aus.« Er schämte sich nicht für seine Arbeit als Escort, doch er zog es vor, diese Information für sich zu behalten. Seine Mutter würde sich zweifelsohne dauernd sorgen, während andere etwas dagegen einzuwenden hätten besonders seine alten Freunde vom Theater. Die meisten würden es einfach nicht verstehen, aber ehrlich gesagt, ging das niemanden etwas an.

Als er sich von seinem Ex getrennt hatte, der einer der Stars einer Off–Broadway–Produktion gewesen war, hatte Will zusätzlich entschieden, seine Stelle als Backstage–Assistent aufzugeben. Um ehrlich zu sein, hatte er dringend eine Pause gebraucht und die Bezahlung war ohnehin miserabel. Er hatte einen Abschluss in bildender Kunst, aber nachdem er jahrelang Geld für Sprachunterricht und Schauspielkurse ausgegeben hatte, um durch einen passenden Lebenslauf in die Riege der Schauspieler aufgenommen zu werden oder eine kleine Rolle auf der Bühne übernehmen zu dürfen, hatte er genug. Laut einigen Freunden, die an größeren Produktionen teilgenommen hatten, verdoppelte sich dadurch das Gehalt, aber das war auch nicht viel besser. Die meisten Schauspieler hatten Nebenjobs, wie er wusste.

Schließlich hatte er im Backstagebereich eine feste Anstellung gefunden, aber es war ein hartes Geschäft und er war nicht überzeugt, ob er es immer liebte. Er wünschte, er hätte sich für einen anderen Beruf entschieden, der nicht so mörderisch war, besonders in einer großen Metropole. Es hieß, in kleineren Städten und Theatern wäre es leichter.

Er setzte sich mit einem Stück Pizza auf einem Papiertuch neben seine Mom, damit er es runterschlingen und sich auf den Weg machen konnte. »Worum geht es?«

»Um die Kennedy–Verschwörung«, antwortete sie abwesend. Er konnte nicht anders: Seine innere Antenne richtete sich auf. Aber als er sie von der Seite ansah, erschien sie ihm nicht sonderlich aufgeregt. Nicht wie sonst, wenn sie misstrauisch wirkte oder sich seltsam benahm. Soweit er wusste, nahm sie jeden Tag pünktlich ihre Medikamente.

Zugegenermaßen zählte er manchmal die Tabletten, um sich zu vergewissern. Tja, wer von ihnen war nun misstrauisch?

Vielleicht hätte er Psychologie studieren sollen, wenn er überlegte, wie viel er inzwischen über die Krankheit seiner Mom und den sozialen Dienst gelernt hatte. Obwohl es ein Jahr her war, dass er am Theater aufgehört hatte, fuhr er dennoch manchmal in die Stadt, nur um die bunten, strahlenden Lichter zu sehen. Und wenn er etwas Geld übrig hatte, stellte er sich am Ticketschalter an, um ein paar vergünstigte Karten für eine neuere Produktion zu ergattern.

Das half für eine kleine Weile gegen die Sehnsucht und abgesehen davon war es nicht so übel, im Home and Hearth zu arbeiten. Alle waren freundlich zu ihm und im Verkauf zu arbeiten, hatte auch ein wenig mit Schauspielerei zu tun – genauso wie in manchen Bereichen die Arbeit als Escort. Er wusste, wie er seine Karten richtig ausspielte, ohne zu dick aufzutragen. Für einen seiner Kollegen, der vermutlich der Topverkäufer des Ladens war, hatte er allerdings nicht viel übrig. Er war ziemlich nervig, wenn er ehrlich war.

Die Kunden schienen sich von Noah angezogen zu fühlen, und wenn Will raten sollte, hatte das mit seinem überzogen sonnigen Gemüt zu tun. Der Typ war wie ein Charakter aus Pleasantville, wenn es dort Schwule gegeben hätte. Immer perfekt gekleidet in Stoffhose und Hemd. Das Einzige, was nicht ins Bild zu passen schien, war sein kinnlanger, stets etwas unordentlicher Haarschnitt. Will würde für eine kupferbraune Mähne wie diese töten, weil sie das Licht so schön einfing. Aber das war auch schon das einzige Interessante an ihm.

Der ansonsten ziemlich mittelmäßig aussehende Noah verströmte sein Charisma erst, sobald die Kunden durch die Tür traten. Vermutlich hätte er einer Schlange Gift verkaufen können. Einfach unglaublich. An den meisten Tagen, an denen sie zusammen arbeiteten, schaffte Will es kaum, nicht die Augen zu verdrehen. Er fragte sich, ob Noah es je gut sein ließ und sich einfach entspannte, verdammt noch mal.

Noahs Zuhause stellte er sich vor, als wäre es einem Pottery Barn–Katalog entsprungen. Gleichzeitig fragte er sich, was Noah wohl von der Wohnung halten würde, die sich Will mit seiner Mutter teilte – sauber, aber heruntergekommen, bestückt mit Möbeln aus zweiter Hand und abgetretenen Teppichen.

Will unterbrach seine Gedanken, als ihm einfiel, dass eine zahlende Kundin auf ihn wartete.

Nachdem er sich in die einzige anständige Anzughose und Jackett geworfen hatte, die er besaß, ging er zur Tür. Er hoffte, dass seine Mom nicht auf ihn achten oder viele Fragen stellen würde. Das Glück war auf seiner Seite, denn sie warf ihm kaum mehr als einen Seitenblick zu, als er sich verabschiedete.

***

»Schön, dich wiederzusehen, Max«, sagte Louise zur Begrüßung, als er sie auf beide Wangen küsste. »Tut mir leid, dass es so kurzfristig war. Ich bin froh, dass du verfügbar warst.«

Max war der Name, unter dem er in der Escort–Agentur geführt wurde – eine Art Künstlername –, und er half ihm, genug Abstand zwischen der Kundschaft und sich zu wahren.

»Du siehst hinreißend aus, Louise«, erwiderte er und das Kompliment ließ sie erröten. Das warf für ihn die Frage auf, wie viele aufrichtige Reaktionen sie als hochrangige Geschäftsfrau vom anderen Geschlecht bekam.

Sie gingen durch die Eingangstür zum Wagen des Autoverleihs, der bereits auf sie wartete. Der Fahrer würde sie quer durch die Stadt zur Spendengala bringen. Will war gut darin, mit Menschen zu plaudern, doch er musste zugeben, dass er solche Angelegenheiten furchtbar langweilig fand. Also konzentrierte er sich auf das Ergebnis. Auf das Geld und das Wohlergehen seiner Mom.

Sie blieben ein paar Stunden, in denen Louise sich durch den Saal arbeitete und ihn als ihr Date vorstellte. Zwischendurch hielt er ihre Hand oder legte ihr seine ins Kreuz, weil sie das mochte. Sie war empfänglich für seine Aufmerksamkeit und Höflichkeit, besonders, wenn er ihr den Stuhl zurechtrückte oder an die Bar ging, um ihnen Getränke zu besorgen.

Sobald sie bei ihr zu Hause ankamen, fragte er sich, ob sie ihn mit nach oben bitten würde. In der Vergangenheit hatte sie das ein paar Mal getan und ihn aufgefordert, sie zu küssen oder im Arm zu halten. Um Sex hatte sie jedoch nie gebeten und dafür war er dankbar.

Sexuelle Handlungen wurden von den Vertragspartnern persönlich ausgehandelt. Die Escorts hatten mit dem Segen der Agentur das Recht, Nein zu sagen. Das war einer der Gründe, warum Will bei Gotham City unterschrieben hatte. Doch man hatte ihn gewarnt, dass ihn ein Stammkunde vielleicht nicht erneut buchen würde, wenn er sich Intimität verweigerte. Damit kam er zurecht, auch wenn das Trinkgeld, das er nach einem dieser Geschäfte hinter geschlossenen Türen erhielt, normalerweise ein wirklich netter Bonus war.

Doch dieses Mal gähnte Louise nur lange und küsste ihn anschließend auf die Wange, was ihm verriet, dass sie zu müde für einen Schlummertrunk war.

Nachdem Will zu Hause angekommen war und nachgeschaut hatte, ob seine Mutter friedlich schlief, war er zu aufgekratzt, um schon ins Bett zu gehen. Er machte kehrt und ging zum Café an der Ecke, um sich die Teemischung zu holen, die sein Freund Oren ihm für schlaflose Nächte empfohlen hatte.

Als er durch die Glastür trat, winkte er Oren zu. Der Barista war ebenfalls hauptberuflich am Theater und sprach ständig für Rollen vor. Er war der Einzige, der verstand, warum Will aufgehört hatte. Oren musste ein Baby ernähren, daher brauchte er ebenfalls ein zuverlässiges Einkommen.

»Ich brauche einmal den…« Will wedelte mit der Hand, während er zum Teeregal aufsah.

»Die Seelenruhe–Mischung?« Oren hob fragend eine Braue. Er betrachtete Will von oben bis unten und bemerkte dessen elegante Aufmachung. »Harter Abend?«

»Nicht härter als sonst«, erwiderte Will. Oren warf ihm einen wissenden Blick zu, als er sich daranmachte, den Tee aufzubrühen. Er war es gewesen, der Will die Arbeit als Escort vorgeschlagen hatte. Er hatte selbst für Gotham City gearbeitet, bis die Geschichte mit seiner Freundin ernst geworden war.

»Was ist da überhaupt drin?«, fragte Will, als Oren ihm den Becher reichte.

»Kamille und Sarsaparille«, antwortete er.

»Sarsa… was?«, hakte Will belustigt nach.

Oren lachte. »Etwas, damit dein Arsch zur Ruhe kommt.«

»Klingt perfekt.« Will winkte und ging.

zu Hause angekommen nippte er an seinem Tee, während er auf dem Laptop herumspielte, und schließlich einen Schwulenporno aufrief und den Sound abschaltete. Es war Wochen her, dass er einen One–Night–Stand gehabt hatte oder auch nur einen männlichen Kunden. Er nahm seinen Schwanz in die Hand und rieb sich zu einer Szene mit zwei mittelmäßig wirkenden Typen zum Höhepunkt. Das waren seine Lieblingsszenen, weil sie authentischer rüberkamen. Nicht jeder konnte muskulös und gut aussehend sein. Er würde einen echten Mann jederzeit einem Kerl vorziehen, der das Scheinwerferlicht suchte.

Love me louder

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