Читать книгу Wer braucht schon eine Null - Christine Corbeau - Страница 5

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Okay, konzentrier dich, du hast nur diese eine Chance.

Ich rieb mir die verquollenen Augen und starrte so intensiv, wie es nach einer Nacht fast ohne Schlaf eben möglich war, auf das Display meines Notebooks. Die Schrift in den Fenstern war dermaßen winzig, dass mir überhaupt nur deswegen klar war, was dort geschrieben stand, weil ich nahezu jede Nacht davon träumte. In den letzten Monaten war ich den Inhalt meiner Master-Arbeit so oft durchgegangen, dass ich mittlerweile nicht nur den Text frei rezitieren konnte, sondern auch wusste, dass die Endfassung genau 3847 Kommas beinhaltete. Ungefähr 2000 von ihnen störten mich persönlich eher beim Lesen, aber meine Dozentin wurde nicht müde, mir einzubläuen, dass ich schließlich einen wissenschaftlichen Text verfasste und keine Urlaubskomödie. Überhaupt war Appolonia Zacken-Barsch nicht der Typ Mensch, mit dem man diskutierte oder den man leichtfertig enttäuschte.

Und doch bist du kurz davor, eins von beidem zu tun.

Ich summte eine langsame Kadenz und bewegte dabei meinen Kopf hin und her, um ihn vielleicht etwas klarer zu bekommen. Das musste ich, denn nur so würde ich es schaffen, die Katastrophe doch noch abzuwenden.

Wie hab ich es bloß so weit kommen lassen können?

Das war im Prinzip ganz einfach erklärt. Ich hatte mich etwa ein halbes Jahr lang in Sicherheit gewiegt, dass ich mein Thema gut im Griff hätte und das reine Aufschreiben nur noch eine Formsache wäre. Einen Wasserschaden und einen verlorenen USB-Stick später hatte ich mir vor drei Wochen eingestehen müssen, dass ich nur dann ein wenigstens halbwegs brauchbares Ergebnis abliefern könnte, wenn ich von nun an fast Tag und Nacht durcharbeitete.

Und das hatte ich getan.

Jetzt musste ich die Daten nur noch auf den Uni-Server hochladen – und zwar bis spätestens 12 Uhr. Dumm nur, dass mein zweiter Monitor heute früh den Geist aufgegeben hatte. So blieb mir nichts anderes übrig, als die vielen Audiodateien, die ich für die phonetische Auswertung gesammelt hatte, nun am halb so großen Bildschirm meines Notebooks zu überprüfen, bevor ich alles zusammen wegschickte.

In diesem Moment gab der Laptop einen Signalton von sich und zu den bereits geöffneten Fenstern gesellte sich ein weiteres.

Was denn jetzt? Festplatte voll? Akku runter?

Auf meiner Stirn brach Schweiß aus. Ich rieb mir mit den flachen Händen übers Gesicht und zwinkerte mit den Augen. Aber die Miniatur-Buchstaben verschwammen. Ich konnte sie nicht erkennen.

Hilft nix. Das muss größer.

Also änderte ich die Auflösung des Monitors, bis ich in der Lage war, zu lesen, was dort geschrieben stand.

»11:00 Uhr: Skypen mit Simon«, sagte die Aufschrift der Terminerinnerung, die nun groß und breit auf dem Bildschirm prangte. Sofort lief mir ein angenehmer Schauer den Rücken hinunter.

Simi. Endlich. Ich weiß schon fast nicht mehr, wie er aussieht.

Seit Simon zum Auslands-Teil seines Studiums nach Riga aufgebrochen war, mussten wir beide damit leben, dass sich unsere Beziehung auf das reduzierte, was man online erledigen konnte. Aber gepostete Selfies und noch so viele küssende Emojis konnten auf die Dauer nicht die leisen Atemgeräusche in meinem Ohr, das verschlafene Lächeln im Morgenlicht oder die sanfte Berührung seiner Fingerspitzen auf meiner Haut ersetzen. Von handfesteren Dingen mal ganz abgesehen. Aber heute würde es zumindest einen kleinen Ausgleich geben.

Ein seliges Schmunzeln breitete sich auf meinem Gesicht aus.

Ausgerechnet heute, bemerkte eine Stimme in meinem Kopf, die nach einem Doppelnamen klang. Ausgerechnet jetzt.

Das Schmunzeln erstarb.

Ich warf hektische Blicke auf die Uhr und den Zettel, auf dem ich die zu prüfenden Dateien aufgeschrieben und zum Teil auch abgehakt hatte.

Das schaffe ich.

Bist du dir da so sicher?

Musst du immer die Spielverderberin geben? Ich werde es hinbekommen. Ich will ihn sehen. Ich brauche das jetzt.

Wenn du meinst. Dann solltest du aber wenigstens vorher noch etwas anderes tun, als nur auf den Monitor zu starren.

Ertappt zuckte ich zusammen, fuhr mir durchs Haar und fing dann an, die nächste Datei mit der Transkription und meiner Auswertung zu vergleichen. Nach zwei weiteren erledigten Punkten auf der Liste öffnete ich schon mal das Skype-Fenster, auch wenn es bis zu Simons Anruf noch fast zehn Minuten hin war. Trotz Ungeduld und Vorfreude, die wie ein Bündel bunter Luftballons in meinem Inneren immer größer wurden, gelang es mir, konzentriert weiterzuarbeiten. Als ich das nächste Mal einen Blick auf die Uhr riskierte, stutzte ich. Es war schon mehr als zehn Minuten über die Zeit.

Shit, hab ich den Klingelton abgeschaltet?

Hektisch klickte ich auf ein paar der Fenster, damit sie sich minimierten und den Blick auf das Skype-Fenster freigaben. Aber dort wurde kein verpasster Anruf angezeigt. Stirnrunzelnd checkte ich noch einmal den Kalender im Rechner und den Zettel an meiner Pinnwand.

Gnade ihm Gott, wenn der Kerl das vergessen hat!

Ich wollte gerade selbst einen Anruf starten, als ich hinter mir ein seltsames dumpfes Geräusch hörte. Ich drehte mich auf dem Stuhl herum und lauschte. Sekunden später hatte ich die Töne erkannt. Kein Zweifel, das war »All of me« von John Legend, der Klingelton, den ich vor einer halben Ewigkeit für Simon in meinem Handy eingerichtet hatte.

Telefon? Oldschool? Ernsthaft?

Ich sprang auf und hastete zum Bett. Dort musste ich erst einmal eine Weile suchen, weil ich das Handy anscheinend im Halbschlaf nach dem Abschalten des Weckers unter das Kopfkissen gestopft hatte. Das Display zeigte Simon, wie er mit leicht schräggelegtem Kopf von unten herauf in die Kamera schaute, sein patentiertes halbes Lächeln auf dem Gesicht.

Ein Lächeln, um das zu sehen er dich gerade bringt.

Aber der Stich, mit dem der Gedanke durch meinen Kopf geschossen war, verebbte sofort, als ich mich an den Moment erinnerte, in dem das Bild aufgenommen worden war.

Ich war zusammen mit den anderen aus der WG im Kletterwald gewesen. Alle waren wir über die verschiedensten Parcours geklettert, bis wir schließlich an dem Punkt angelangt waren, wo man sich an einer Liane in die Tiefe stürzen sollte. Hier hatte Simon der Mut verlassen. Er kam weder vor noch zurück und stand immer noch auf der Plattform, als ich ebenfalls eintraf. Nach einem Blick in den Abgrund hatte ich selbst zwar spontan große Lust verspürt, dort einfach hinunterzuspringen. Angesichts seines Dilemmas sagte ich davon aber nichts und überredete Simon stattdessen, sich zusammen mit mir abseilen zu lassen. Kaum waren wir unten angekommen, da fingen die anderen an, etwas irrsinnig Witziges über Jane, Tarzan und eine Liane zu erzählen. Ich hatte mit dem Handy eigentlich ein Foto der Plattform machen wollen. Da hörte ich neben mir ein Räuspern und drehte mich um. Dabei musste ich den Auslöser betätigt haben. Ich schaute nicht einmal aufs Display. Ich schaute in seine Augen. Und mit einem Mal breitete sich ein angenehm warmes Gefühl in meiner Mitte aus. Etwas, das ich bisher noch nie empfunden hatte, wenn ich Simon ansah. »Danke, dass du das für mich getan hast«, raunte er mir zu und zu dem Gefühl gesellten sich Schauer, die mir über Nacken und Arme liefen. In diesem Moment schien etwas zwischen uns abgemacht worden zu sein, ohne dass wir es aussprechen mussten. Ich verbrachte ab da die meiste Zeit in seinem Zimmer. Als in der WG ein größerer Raum frei wurde, zogen wir direkt zusammen dort ein. Dann ging Simon im letzten Frühjahr nach Lettland. Und unser gemeinsames Reich wirkte mit einem Mal öd und leer.

Kaum dass ich das Gespräch angenommen hatte, tönte Simons Stimme aus dem Hörer.

»Hey, Honey. Na, wieder nach dem fünften Mal Schlummer-Taste das Handy im Bett vergraben?«

Ups, ertappt.

Spontan musste ich grinsen. Die Luft, die ich geholt hatte, verhakte sich irgendwie und aus dem geplanten »Hi« wurde ein Hustenanfall, der nicht enden wollte.

»Oje, alles klar bei dir?«, tönte es aus dem Hörer. »Hast du zu oft Tonübungen mit den Vibranten gemacht oder bist du krank, Süße?«

Ich warf das Handy von mir und sank aufs Bett. Dort schloss ich die Augen und versuchte die unverständlichen Töne aus dem Hörer zu ignorieren, während ich mich darauf konzentrierte meinen Atem zu beruhigen.

Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen …

Schließlich konnte ich das Telefon wieder aufnehmen.

»Sorry«, krächzte ich hinein. »Da hatte sich was verhakt.«

»Wow, hätte nicht gedacht, dass ich dir auch auf diese Entfernung den Atem raube.«

»Penner«, antwortete ich schmunzelnd.

»And proud of it.«

»Und wo wir schon mal bei Pennern sind. Habe ich da was verpennt? Wir wollten doch eigentlich skypen, oder?«

Spontan änderte sich Simons Stimmlage. Es war zwar sehr subtil, aber ich hatte für die Arbeit in den letzten Monaten einfach zu oft auf so etwas achten müssen, um es nicht zu bemerken. Er klang ertappt und ich konnte vor meinem inneren Auge förmlich das leicht säuerliche Grinsen sehen, das er in solchen Situationen aufsetzte. Wie gern hätte ich ihm jetzt die Haare zerstrubbelt. Das konnte er nicht leiden. Die Retourkutsche wäre bestimmt zu einer Balgerei geworden, die uns früher oder später ins Bett …

»… oder meinst du nicht?«, riss mich Simon aus meinem Wunschbild.

»Wie … äh, was?«

»Na hör mal«, rief er in gespielter Empörung. »Ich berichte dir, was mich plagt, schütte dir geradezu mein Herz aus, und du … du hörst nicht mal richtig zu.« Er gab ein übertrieben langgezogenes Seufzen von sich.

»Ups, sorry. War gerade abgelenkt. Könntest du nochmal die Kurzfassung …«

Simon kicherte verhalten. »So verpeilt habe ich dich gar nicht in Erinnerung. Das ist doch eher mein Part. Aber egal, ich hab nur gesagt, dass das WLAN hier gerade ständig abkackt. Und mein Datenvolumen ist auch total down. Also war mit Skype nix zu machen und …«

Er redete noch weiter, gab Grund um Grund dafür an, dass unser lang verabredetes Treffen nicht in der Art stattfinden konnte, wie wir es uns erhofft hatten.

Hey, ruhig Brauner, die ersten beiden Argumente hätten schon gereicht.

Während ich Simon zuhörte, bekam ich das Gefühl, dass er nicht ganz ehrlich mit mir war. Abgesehen von der unnötigen Fülle an Worten bemerkte ich in seiner Stimme auch einen leicht ansteigenden Stresslevel. Ich wollte ihn schon unterbrechen, als ich auf seiner Seite das Klappen einer Tür hören konnte. Sofort geriet Simons Redeschwall ins Stocken. Er schien sich umzudrehen, denn seine nächsten Worte waren undeutlich und eindeutig nicht an mich gerichtet. Er murmelte etwas auf Englisch, bevor er sich mit einem Seufzen wieder dem Telefon zuwandte.

»Hast du Besuch bekommen?«, fragte ich, als er sich meldete.

»Nee, nur ein Mitbewohner. Ist früher zurückgekommen und will jetzt kochen. Das wird mir dann hier zu laut.«

»Na dann geh doch in dein Zimmer, ist eh privater.«

»Schon auf dem Weg«, bestätigte er und ich konnte hören, wie er aufstand und den Raum wechselte. »Aber sag mal, wie läuft’s denn bei dir gerade so?«

»Hmm, ich denke, dass ich alles fertig habe. Muss es nachher nur noch hochladen.«

»Und sonst? Was macht die Salsa-Front? Hast du den zweiten ‘Mamma Mia’ schon gesehen?«

Mann, Junge. Denkst du, ich bohr mir hier in der Nase?

Ich rang den Gedanken nieder und versuchte, auch nichts davon in meinen Worten anklingen zu lassen.

»Das konnte ich bisher vollkommen vergessen. Die glauben im Soda wahrscheinlich, dass ich ausgewandert wäre. Und den Film … na ja, wär schon schön gewesen, ihn zu sehen, aber vollkommen abgesehen davon, dass ich in den letzten Wochen die Nacht zum Tag machen musste, um mit den Dateien klarzukommen, hätte es auch niemanden gegeben, mit dem ich ihn mir hätte anschauen wollen. Agata düst gerade in der Weltgeschichte rum, Melli ist frisch verliebt und unzertrennlich …«

»Und ich bin in Riga«, beendete Simon den Satz für mich.

»Du wärst mitgekommen?«

»Klar, Honey. Du weißt doch, dass ich für dich das Licht nachts brennen lassen würde, selbst wenn ich dann schwer schlafen könnte.«

Gänsehaut flutete meinen Körper und die Kehle wurde plötzlich eng, als ich die Andeutung erkannte und mich daran erinnerte, wie ich Simon den Song zum ersten Mal singen gehört hatte. Auch wenn wir alle an dem denkwürdigen Karaoke-Abend in der WG ziemlich besoffen gewesen waren und die meisten Darbietungen in einem Schwall von Gelächter untergingen, hatten sich doch in diesem Moment unsere Blicke getroffen. Und in seinem hatte etwas gelegen, das nach »Ich meine es, wie ich es sage« klang. Sofort war da wieder das warme Gefühl, das alle Fragen und Vorbehalte fortwischte und mich unwillkürlich lächeln ließ.

»Es ist schön, das zu wissen, aber noch viel schöner, es jetzt noch einmal zu hören«, krächzte ich und schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter.


Und dann fing es an, schiefzulaufen.

Als ob Simon nur darauf gewartet hätte, dass ich in einer positiven Stimmung wäre, sprudelten die Worte aus ihm heraus, die er zuvor vermutlich mühevoll zurückgehalten hatte.

»Auf jeden, Süße. Du kannst auf mich zählen, selbst wenn es noch etwas länger dauern könnte, bis wir uns wiedersehen.«

»Moment«, setzte ich an, aber Simon beachtete es nicht und redete in einem euphorischen Tonfall weiter, den ich bei ihm sonst nur von Berichten über neue Motorengenerationen für Autos oder Spielberichte seines Lieblings-Fußballclubs kannte.

»Weißt du, ich habe gerade gestern ein Hammer-Angebot bekommen. Ich kann hier nicht nur mein Internship verlängern, sondern tatsächlich den kompletten Master betreut bekommen. Das hat ein ganz anderes Gewicht, als wenn ich ihn nur in Deutschland machen würde. Und wenn ich den dann habe, dann haben sie mir in Aussicht gestellt, dass …«

Seine folgenden Worte perlten an mir ab, denn in diesem Moment dröhnte eine ganz andere Stimme in meinem Kopf, die mich für alles Weitere taub machte.

Der gesamte Master. Das bedeutet noch mindestens anderthalb Jahre mehr. Achtzehn Monate. Über fünfhundert Tage ohne ihn. Das kann er nicht ernst meinen.

»Ist das nicht cool?«, rief Simon, inzwischen völlig außer Atem von seinem Vortrag.

»Hast du sie noch alle?«, waren die ersten Worte, die ich ihm entgegenrufen wollte. Doch sie wurden von Frau Doppelname aus meinem Hinterkopf gebremst.

Nicht so hetzen, junge Dame. Denk nach. Das ist eine große Chance für ihn. Wer bist du, dass du sie ihm madig machen willst, nur weil du der Meinung bist, nicht damit klarzukommen, dass du dann so lange von ihm getrennt bist?

»Natürlich ist sie das«, dachte ich frustriert. Oder hatte ich laut gesprochen?

Ich musste es wohl getan haben, denn die Wirkung war durchschlagend.

»Waas … wie … äh, wen meinst du?«, keuchte Simon.

»Wen ich meine?«

»Na mit ‘sie’. Wen hast du damit gemeint?«

Kann es sein, dass er sich ertappt fühlt? Aber warum?

»Die Chance, die sich dir da drüben bietet«, formten meine Lippen jedoch bereits, bevor sich dieser Gedanke festsetzen konnte.

»Oh, ach so.« Simon kicherte verlegen. Dann holte er tief Luft und ergänzte: »Ich hatte mich schon gefragt, ob du plötzlich auch so schräg drauf bist wie bei der Namens-Sache.«

Das hat er nicht wirklich gesagt, oder? Warum bringt er jetzt plötzlich das ins Spiel?

Die Namens-Sache war ein eigentlich total blöder und unnötiger Streit ganz vom Beginn unserer Beziehung gewesen. Unsere Mitbewohner hatten sich über die Geschwindigkeit lustig gemacht, mit der ich mich für den Umzug in ein gemeinsames Zimmer entschieden hatte. Sie wollten schon mal unseren zukünftigen Namen festlegen, für den Fall, dass wir in diesem Tempo weitermachen würden. Allerdings hatten wir uns damals partout nicht einigen können und das, was die anderen nur scherzhaft angeleiert hatten, lief ziemlich aus dem Ruder. Danach war diese Sache fast schon ein Tabu geworden.

Und nun rutscht es ihm ausgerechnet in dieser Situation heraus? Oder war das vielleicht sogar Absicht?

Mit einem Mal war mein Puls auf hundertachtzig und nichts konnte mich daran hindern, aufzufahren.

»Ich werde ganz bestimmt nicht zu Martha Pfahl!«

»Hey, nu komm mal wieder runter. Darum geht’s doch gerade gar nicht.«

Und wer hat damit angefangen?

Ich blieb stumm und atmete langsam ein und aus, um mein Temperament unter Kontrolle zu bekommen.

Mit einem Tonfall, den ich ausnahmsweise überhaupt nicht zu deuten wusste, machte Simon jedoch fleißig weiter.

»Aber wenn du ehrlich bist, ist das doch eigentlich ganz witzig. Und Simon Schultz, ich weiß nicht. Denk mal an die Initialen. Das geht doch gar nicht.«

Ich nahm das Telefon vom Ohr und starrte fassungslos auf das Display, von dem mir sein Gesicht im Kleinformat entgegenblickte – immer noch mit dem Lächeln, das mich normalerweise jedes Mal dazu brachte, zurückzulächeln. Aber nicht in diesem Moment.

Bin ich gerade im Radio? Ist das ‘Von null auf hundert’ oder so’n Mist?

Ein unartikuliertes Gurgeln drang aus meiner Kehle. Bevor mir unvermittelt Tränen aus den Augen strömten, sah ich auch noch etwas anderes. Es war die Uhrzeit. Elf Uhr sechsundfünfzig. Zu dem Kloß im Hals gesellte sich schlagartig Gänsehaut am ganzen Körper. Aber diesmal war keines von beidem eine angenehme Empfindung.

Ich räusperte mich, hob das Telefon wieder ans Ohr und krächzte: »Keine Sorge, ich komm nicht nur runter, ich bin schon unten. Ganz unten. Mach nur weiter so. Tu, was du nicht lassen kannst. Ich wünsch dir viel Erfolg. Ich muss mich jetzt um meine Zukunft kümmern.«

Damit drückte ich ihn weg. Ich sprang auf und rannte ins Bad, wo ich mir schnell kaltes Wasser ins Gesicht spritzte, um den Blick wieder frei zu bekommen. Dann sprintete ich zurück und ließ mich auf den Stuhl vor dem Laptop fallen.

Noch zwei Minuten. Jetzt oder nie.

Habe ich es dir nicht gesagt, dass das nichts wird? Du hast nur drei Viertel der Dateien kontrolliert. Was, wenn du einen falschen Verweis in der Arbeit übersehen hast?

Das ist doch vollkommen Latte, Little Miss Perfect. Wenn ich jetzt nicht auf den Knopf drücke, ist alles Essig.

Und ich drückte.

Dann bemerkte ich den Fehler.

Wer braucht schon eine Null

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