Читать книгу Sie stiehlt sich in sein Herz - Christine Engel - Страница 5
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Das Brother-Building war eines der größten Gebäude in Detroit. Es hatte fünfundsechzig Stockwerke und sah aus wie ein zweihundertfünfzig Meter hoher, glänzender Turm. Die Fassade des eindrucksvollen Gebäudes bestand nur aus Glas und Stahl, mit Jalousien vor den Fenstern, die sich automatisch schlossen, sobald es hell wurde. Das Brother-Building gehörte der Brother-Gesellschaft. Sie beschäftigt sich überwiegend mit der Forschung, der Herstellung und auch der Produktion von Pharmazeutika. Der Vorstand dieser Gesellschaft bestand aus acht Personen. Den Vorsitz hatte ein gewisser Pausanias Argiada. Seit kurzem hatte er die Gesellschaft auch an der Börse eingeführt. Argiada setzte sich immer wieder mit Vertriebsfirmen auseinander, mit denen die Gesellschaft zusammenarbeitete. Diese Firmen wollten zumeist einen erheblichen Profit aus den Arzneien schlagen und erhöhten deshalb die Preise für die Endverbraucher. Das war jedoch nicht das Ziel der Brother-Gesellschaft. Sie wollten Medikamente herstellen, deren Priese für jedermann erschwinglich waren, deshalb gab es im Gebäude auch eine Produktionsabteilung für einige der Arzneien. So wurde wenigstens zum Teil sichergestellt, dass die Menschen sie günstig erhielten. Durch die gute Qualität der Medikamente und den günstigen Preisen, wurde sehr viel verkauft. Wodurch die Brother-Gesellschaft schon seit Jahren schwarze Zahlen schrieb und ihr Gewinn trotz der geringen Preise immens anstieg. Zudem war Argiadas unnachgiebige Art bei Verhandlungen immer von Vorteil. Was der Gesellschaft oft auch zusätzliche Forschungsaufträge einbrachte. Jedoch war die Forschung und die Entwicklung von Pharmazeutika, sowie die Herstellung von Medikamenten nicht der einzige Betätigungsbereich der Gesellschaft. Sie waren auch immer wieder inoffiziell in Geheimaufträgen der Regierung unterwegs, die so gar nichts mit Laborarbeit zu tun hatten. Wobei sie sehr häufig Aufträge bekamen, die von anderen Agenten der USA nicht zu schaffen gewesen waren. Mit Fingerspitzengefühl, Verschwiegenheit und ihrem besonderen Können konnten sie diese brisanten und kniffligen Aufträge bisher immer wieder zur Zufriedenheit aller erfüllen.
Pausanias Argiada saß in seinem Büro im fünfundzwanzigsten Stockwerk des Gebäudes an seinem Schreibtisch. Rasch flogen seine Finger über die Tasten des Computers, während er die Börsendaten des Konzerns auf den neuesten Stand brachte. Er sah aus wie Anfang dreißig, hatte dunkle, im Nacken kurze, nach hinten gekämmte Haare und eine kräftigte eindrucksvolle Statur. Sein makelloser Körper steckte in einem schwarzen Designeranzug, der seine athletische Gestalt noch mehr zu Geltung brachte und sein gutes Aussehen unterstrich. Das weiße Hemd darunter war am Kragen geöffnet. In die Stirn fiel ihm immer wieder eine Locke, die sich nicht nach hinten kämmen ließ, egal was er auch damit versuchte. Die Strähne durchbrach die ansonsten bedrohliche Erscheinung des großen Mannes und ließ ihn etwas weniger einschüchternd wirken. Entgegen seiner eher angsteinflößenden Erscheinung wurde er jedoch niemals laut oder ungerecht seinen Mitarbeitern oder Schwächeren gegenüber.
Seine dunklen Augen wirkten ein wenig müde und gelangweilt, als er die Daten im Computer ergänzte. Dabei fiel sein Blick durch Zufall auf die Überwachungsbilder am Rand des Monitors. Sie zeigten Pausanias, wie sich ein Junge in die Lobby des Brother-Buildings schlich. Überrascht runzelte er die Stirn. Das war mal etwas anderes in dem tristen Alltag. Interessiert sah er genauer hin und wartete ab, was der Sicherheitsdienst nun unternehmen würde.
Der Junge trug eine schwarze, verwaschene Hose und einen grauen Hoody. Die Kapuze hatte er über den Kopf gezogen und er hielt den Kopf gesenkt, sodass Pausanias das Gesicht nicht genau erkennen konnte. Aber der schlaksigen Statur nach war der Junge noch ein Teenager. Langsam wanderte er durch die Lobby. Die Wachleute, hatten ihn nicht wahrgenommen, als er in den Raum kam und auch jetzt fiel er keinem dieser Männer auf. Sie waren ihr Geld eindeutig nicht wert, dachte Pausanias, als er weiter beobachtete, wie der Teenager sich einen der beiden Sitzgruppen im Eingangsbereich näherte. Plötzlich stolperte der Junge gegen einem der dort sitzenden Männer. Sofort zog er sich wieder zurück, wobei er beide Hände hob und sich für seine Tollpatschigkeit entschuldigte. Pausanias sah jedoch, wie er das Portemonnaie des Mannes in die Taschen seiner eigenen Hose steckte.
Diese Männer warteten auf eine Besprechung mit den Leuten der Vermarktungsabteilung des Konzerns. Dass sie hier in seinem Gebäude bestohlen wurden, konnte Pausanias Argiada nicht einfach hinnehmen. Er stand auf und eilte durch den Flur zu den Aufzügen. Es musste erst bis ins Erdgeschoss fahren, ehe er etwas unternehmen konnte. Zum Glück war der Aufzug ein sehr schneller Expressaufzug. Er war nach der Modernisierung des Gebäudes vor fünf Jahren hier eingebaut worden. Vorher hätte die Fahrt endlos gedauert und der Junge wäre sicherlich schon weg gewesen, ehe er unten ankam. Jetzt aber hatte er gute Chancen, ihn zu erwischen.
Mrs. Preston seine Sekretärin sah erschrocken auf, als der Vorstandsvorsitzende sein Büro verließ und an ihr vorbei zum Aufzug ging. Dabei wippen ihre modischen, kunstvoll frisierten, blonden Haare. Ihre Frisur stand im Kontrast zu der altmodischen hochgeschlossenen Kleidung, die sie stets trug. Auch heute trug sie einen dunkelblaue Hosenanzug, der bis zum Hals geschlossen war. Außerdem sah sie immer so verängstigt aus, wenn er sie sah. Also dachte er sich nichts weiter dabei und setzte seinen Weg zum Aufzug fort. Schon war er im Erdgeschoss angekommen, da sah er den Jungen bereits in Richtung Ausgang gehen. Argiada bewegte sich so schnell, dass die menschlichen Augen in der Lobby ihn nicht wahrnehmen konnten, und hielt den Teenager am Ausgang auf. Er packte ihn an der Schulter und hinderte ihn am Weitergehen. »Ich glaube, du möchtest etwas zurückgeben, nicht wahr?«
Erschreckt sah der Teenager zu ihm auf. Seine dunkelblonden Locken fielen ihm dabei ins Gesicht.
»Was? Äh, ich weiß nicht!«
»Es befindet sich in deiner Tasche, mein Junge!« Die dunkle, leise Stimme ließ eindeutig Härte und Unnachgiebigkeit erkennen.
Entsetzt starrte der Jugendliche den dunklen Mann an. »Wo kommen Sie denn her? Ich habe Sie hier unten gar nicht gesehen.«
Das brachte Pausanias beinahe zum Lächeln. »Gib es schon zurück«, sagte er aber kein bisschen sanfter, wobei er den Teenager leicht schüttelte.
Niedergeschlagen biss der Junge die Zähne zusammen, kehrte dann aber zu dem Mann zurück und reichte ihm wortlos die Geldbörse zurück.
»Was? Woher hast du mein Portemonnaie?«
»Es war Ihnen wohl aus der Tasche gefallen. Der Junge hat es eben aufgehoben.« Pausanias sah den Jungen streng an und wartete auf eine Bestätigung.
Der nickte daraufhin, konnte dem Mann aber nicht in die Augen sehen.
»Na dann danke ich dir, mein Junge. Hier ein Finderlohn!« Er nahm fünf Dollar aus der Tasche und reichte sie dem Jungen.
Der Teenager wollte es nehmen, aber Pausanias schüttelte den Kopf. Woraufhin der Junge dann gepresst murmelte: »Nein, danke!«
Pausanias dirigierte den Teenager zum Fahrstuhl und fuhr mit ihm wieder hinauf in das fünfundzwanzigste Stockwerk, in dem sein Büro lag. Dorthin kehrte er nun mit dem Jungen zurück. Während sie den Gang zum Büro entlang gingen, versuchte der Teenager immer wieder dem Griff des Mannes zu entkommen.
Aber Argiada hielt ihn eisern fest.
Mrs. Preston sah Pausanias seltsam an, als er mit dem widerspenstigen Kind das Büro betrat. Sie sagte aber nichts dazu, während sie den beiden hinterher sah.
»Setz dich«, wies er den Jungen harsch an, als er die Tür vor den neugierigen Augen und Ohren der Sekretärin wieder schloss. Dabei zeigte er auf den Stuhl, der vor dem massiven Mahagonischreibtisch stand.
Der Junge setzte sich wie angewiesen darauf.
Pausanias ging um den Schreibtisch herum und setzte sich auf seinen Schreibtischstuhl, einen etwas älteren, aber nicht minder bequemen Ledersessel. Ruhig betrachtete er nun die abgerissene Erscheinung des Kindes. »Kapuze runter«, verlangte er kurz.
»Warum sollte ich?« Aufmüpfig sah der Teenager zu ihm rüber.
»Weil ich den Menschen, mit denen ich rede, gerne ich die Augen sehe.«
Der Junge starrte ihn an. Dann aber erlag er der Situation und nahm die Kapuze vom Kopf. Er enthüllte dunkelblonde Locken, die schon lange nicht mehr ordentlich gebürstet, geschweige dann geschnitten worden waren.
Pausanias sah die zerzausten ungekämmten Haare und die hohlen Wangen. Der Junge lebte eindeutig auf der Straße. Hier in Detroit gab es recht viele Straßenkinder, wie in anderen Großstädten auch. Aber hier gab es für diese Kinder, aufgrund der derzeitigen wirtschaftlichen Lage, nicht einmal einen Job. Irgendwann waren sie fast alle unweigerlich in kriminellen Organisationen und Drogenhandel verstrickt. Der Junge roch jedoch noch nicht nach Drogen, stelle Pausanias nach kurzem, intensivem Einatmen fest.
Unruhig ließ das Kind die Musterung eine Zeit lang über sich ergehen, dann aber platzte er heraus: »So, was soll das hier denn jetzt?«, fragte er patzig. »Rufen sie schon die Polizei. Dann können Sie auch gleichen einen schönen Gruß von mir bestellen.« Trotzig kniff er die Lippen zusammen.
Der Mann musterte das Kind aus seinen dunklen Augen, bis der Junge den Blick senkt.
»Warum stiehlst du?«
»Ach, nur aus Langeweile, wissen Sie. Mir war halt danach.« Renitent hob der Junge erneut den Kopf und sah dem Mann in die Augen.
Pausanias aber ließ sich nicht weiter beirren. »Wie lange lebst du schon hier auf der Straße?«
»Eine Zeit lang«, kam die ausweichende Antwort.
Pausanias erwiderte darauf nichts, sondern wartete einfach ab.
Schließlich senkte der Teenager erneut den Blick, seufzte und seine steife Haltung sackte in sich zusammen. »Ach was solls. Mein Vater hat den Job verloren und dann ist er in eine andere Stadt gezogen, damit er wieder was verdienen kann. Meine Mutter und ich blieben hier, da ich hier zur Schule gegangen bin. Aber dann reichte das Geld, was Vater uns schickte nicht mehr für die Miete und wir standen auf der Straße. Also bin ich nicht mehr zur Schule gegangen und mein Vater hat kurz darauf gar kein Geld mehr geschickt. Meine Mutter war eines Morgens auch einfach weg und so …«
Pausanias nickte verstehend. »Stehlen ist trotzdem falsch.«
Jetzt hob er den Kopf abermals und sah dem Mann rebellisch in die Augen. »Ach echt? Hungern zu müssen, aber auch!«
»Hol dir etwas aus der Suppenküche.«
»Das Essen dort reicht immer nicht. Dann hast du da den ganzen Tag hungrig dagestanden und gewartet, aber am Ende bekommst du dann doch nichts. Ich weiß, dass man nicht stehlen darf.« Er verstummte und fügte kurz darauf fast unhörbar hinzu: »Aber was soll ich denn anderes tun.«
Pausanias nickte. »Nichtsdestotrotz war deine Tat falsch! Als Strafe wirst du hier im Labor arbeiten.«
Entsetzt sah der Junge ihn an, dann hob er abwehrend die Arme und überkreuzte sie vor der Brust. »Ich lasse keine Versuche mit mir machen, das können Sie vergessen. Ich habe gesehen, was einigen Jungen passiert ist, die das zugelassen haben.«
»Du sollst arbeiten, nicht auf der Liege liegen. Ausfegen, Proben hin- und hertragen und was da sonst noch so alles anfällt. Dafür bekommst du hier im Gebäude ein Zimmer und Verpflegung.«
Überrascht starrte das Kind sein Gegenüber an, aber die aufkeimende Hoffnung wurde schnell wieder von Misstrauen abgelöst. »Warum?«
»Weil ich will, dass du erkennst, dass man für sein Geld arbeiten muss und es nicht einfach nehmen darf. Wenn du deine Schuld abgearbeitet hast, können wir darüber reden, ob du auch eine Bezahlung bekommst.«
»Echt jetzt?«
»Wieso? Erscheint dir die Strafe zu hoch?«
»Äh, nö!« Hastig schüttelte er den Kopf.
»Gut, dann komm. Ich werde dich deinem neuen Arbeitgeber vorstellen. Aber sei gewiss, wenn ich erfahre, dass du lange Finger gemacht hast oder nicht zuverlässig arbeitest, bekommst du ganz schöne Schwierigkeiten, mein Junge!«
»Ich heiße Bret Benton, Sir.«
»In Ordnung Bret, dann komm.« Pausanias stand auf und ging an dem Jungen vorbei zur Tür, öffnete sie, ging voran und das Kind folgte ihm jetzt nur zu gerne.
Neugierig verfolgte die Sekretärin die beiden mit den Augen, während sie zum Aufzug eilten und zum Labor zu gelangen.
Im Labor kam ihnen Dr. Römer entgegen. Der mittelgroße Mann war etwas fülliger, hatte kurze, braune Haare und trug eine ebenfalls braune Nickelbrille.
»Oh, Mr. Argiada, was kann ich für Sie tun?«, fragte er lächelnd, als er den dunklen Mann auf sich zukommen sah.
»Ich habe hier einen neuen Mitarbeiter für Sie, Dr. Römer. Das ist Bret Benton.« Er deutete auf den Teenager. »Ich hoffe, Sie haben angemessene Aufgaben für ihn.«
Überrascht riss er die Augen auf. »Was sollen wir denn mit dem hier anfangen?«
»Nun, für erste braucht er ein Zimmer, aber keins der Krankenzimmer, sondern eins, was er auch längere Zeit bewohnen kann. Dann braucht er eine Dusche und etwas zum Essen. Ich verlasse mich auf Sie, dass Sie es in die Wege leiten.«
»Sicher! Darf ich trotzdem fragen warum?«
Pausanias sah ich den fragenden Augen des Mannes und auch des Kindes gegenüber. Normalerweise erklärte er schon seit sehr langer Zeit niemandem mehr sein Verhalten. Nun aber seufzte er und sagte: »Er braucht eine Möglichkeit zu zeigen, dass er etwas wert ist und was er kann. Ich bin bereits davon überzeugt. Aber er muss jetzt wohl Sie und sich selbst noch davon überzeugen, wie es scheint. Geben Sie ihm eine Chance.«
Dr. Römer nickte langsam. »Das werde ich ganz sicher machen.« Er drehte sich zu dem Teenager um. »Bret, richtig?«
Der Teenager nickte.
»Dann komm mal mit mir mit, ich zeige dir dein Zimmer. Das war mal ein Krankenzimmer, aber wir brauchen es nicht. Es ist nicht sonderlich gemütlich, aber du wirst dich da sicher einrichten können.«
»Wenn es warm ist, dann ist es schon deutlich besser als die letzten Räume, in denen ich übernachtet habe.«
Pausanias wusste den jungen Mann in guten Händen, drehte sich um und kehrte in sein Büro zurück.
Mrs. Preston schaute hinter ihm den Gang hinunter. Als suche sie das Kind.
»Er ist im Labor«, beantwortete er die ungestellte Frage.
Erschreckt atmete sie ein.
An der Bürotür drehte er sich wieder um und sah Sie entnervt wieder an. »Er hat dort einen Job bekommen!«
Sie nickte hastig, ehe sie sich wieder ihrer Arbeit zu wandte.
Kopfschüttelnd ging Pausanias in sein Büro hinein. Mochte einer diese Menschen verstehen!
Er hatte gerade erst wieder aus seinem Bürosessel Platz genommen, da stürmte Galenos Rommos, ohne anzuklopfen in den Raum. Der ebenfalls sehr große dunkelhaarige Mann schüttelte den Kopf, wobei die kurzen Haare sich nur leicht, eher fast gar nicht, bewegten.
»Also, Pausanias erklär mir das, auf der Stelle«, forderte er und funkelte sein Gegenüber aus ebenfalls dunklen Augen an, als er die Hände in die Taille stemmte, wobei er sehr kräftig und muskulös wirkte, was er auch war, was aber genau betrachtet nicht zu einem Wissenschaftler passte, den er zurzeit darstellte.
»Was genau meinst du?« Irritiert hob er eine Augenbraue und sah Galenos an.
»Was bitte soll ein Kind, ohne Erfahrung, in meinen Laboren machen?«
»Oh, ihr habt euch bereits unterhalten? Das ging aber schnell. Ich bin doch gerade erst wieder hier!«
»Komm mir nicht so! Das kann gefährlich werden, wenn man jemanden beschäftigt, der keine Ahnung von der Arbeit im Labor hat.«
»Ach komm schon, was sollte er denn schlimmes machen?«
»Er könnte Lösungen vermischen, die explosiv sind, oder durch Unwissenheit im Umgang mit den Proben und Versuchen, meine und Pedanios Arbeit zunichtemachen«, erklärte Galenos reichlich erhitzt.
Ganz ruhig erwiderte Pausanias: »Ganz einfach, dann behalte den Jungen im Auge!«
Diese Ruhe machte Galenos ärgerlich. »Spinnst du jetzt völlig? Was soll dieser Eingriff in die Laboratorien? Das hast du sonst auch nie gemacht.«
»Er brauchte jemanden!« Pausanias sah sein Gegenüber genau an.
»Das soll die Begründung dafür sein, jemanden ohne Erfahrung in mein Labor zu lassen?«
»Ja, das ist die Erklärung. Ich habe gesehen, wie er in der Lobby jemandem die Brieftasche gestohlen hat.«
»Er ist auch noch ein Dieb?«
»Ja, aber nur aus Verzweiflung und Hunger. Ein Gefühl, an welches du dich vielleicht noch erinnerst. Oder ist es schon zu lange her, dass du so etwas gefühlt hast?«
»Was bitte, soll denn das jetzt heißen?«
»Das heißt: Behalte ihn im Auge, wenn du Angst hast, er könnte etwas Falsches tun. Aber der Junge bekommt den Job und die Chance, die er braucht, um sich und allen anderen auch, zu beweisen, dass er wertvoll ist!«
Wütend sah Galenos ihn an und schüttelte dann aber beruhigter den Kopf. »Er unterliegt deiner Verantwortung«, stellte er noch fest.
Pausanias nickte. »In Ordnung!«
Jetzt lächelte Galenos Pausanias an. »Wie immer musst du mit dem Kopf durch die Wand und allen beweisen, dass deine Theorie richtig ist. Nein, sogar dass es die einzig richtige Möglichkeit für alle ist. Egal wie viele Leute und vor allem auch wer dagegenspricht! Du lässt nur deine Sicht der Dinge zu.«
»Ja!«
Galenos öffnete kopfschüttelnd die Tür. »Ich hoffe, du triffst bald jemanden, der dir zeigt, dass du nicht unfehlbar bist und der es schafft deine Theorien zu widerlegen!«
»Da kannst du lange drauf warten. Da ich immer recht habe, wird es niemals jemanden geben, dem das gelingen könnte!«
»Abwarten! Wir haben ja Zeit zu warten!«
Nun huschte sich ein trauriger Gesichtsausdruck über Pausanias attraktives Gesicht. Aber kaum war der Ausdruck erschienen, war er auch schon wieder verschwunden und er nickte seinem Bruder zu.
Galenos verließ das Büro und kehrte zu dem Labor zurück. Schließlich musste er jetzt einen Neuen einarbeiten. Immer noch verwundert über seinen alten Freund schüttelte er den Kopf.