Читать книгу Sie stiehlt sich in sein Herz - Christine Engel - Страница 8

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Ein arbeitsreicher Tag ging für Keena O`Shea gerade zu Ende, als sie von der Frühschicht im Hotel auf die kleine Seitenstraße daneben trat. Es regnete mal wieder fürchterlich und die Luft war durch die Feuchtigkeit kälter, als die eigentlichen sechs Grad auf dem Thermometer hätten vermuten lassen. Rasch setzte die junge Frau die Kapuze auf ihre roten Locken, damit sie nicht zu nass wurden, während sie in Richtung Bushaltestelle ging. Gerade hatte sie einundzwanzig Zimmer gesaugt und geputzt, sowie die Reste von Essen und anderen Abfall weggeräumt. Ihr Rücken schmerzte von dem Rumrutschen auf den Knien, um unter den Betten zu saugen und von dem Anheben er Matratzen, wenn neue Laken darauf kamen.

Es war gerade Mittagszeit. Keena war müde und hungrig. Den bisherigen Tag hatte sie es noch nicht geschafft, eine Pause zum Essen einzulegen, daher wollte sie sich in der Stadt etwas zum Essen holen, ehe sie in ihre Wohnung in der Chelsea Street in Bosten zurückkehrte. Dort wollte sie nur noch ein wenig fernsehen und schließlich am frühen Abend wieder ins Bett gehen, um früh, um drei Uhr morgens, wieder auf der Matte zu stehen. Es war ein wirklich beschissener Job, für andere zu putzen und den Müll wegzuräumen, aber es war immer noch viel besser, als wenn sie das machte, wozu sie seit ihrem achten Lebensjahr ausgebildet worden war. Sie wollte doch nur normal sein und ein kleines bisschen Glück und Freude haben. Daher war sie froh, als Zimmermädchen in dem Hotel arbeiten zu können. Seit fast einem Monat war sie nun schon hier in der Stadt und begann sogar schon ihre Nachbarn kennenzulernen. Ja, Keena war damit absolut zufrieden. Was waren da ein paar Schmerzen im Rücken, da hatte sie schon anderes erlebt.

An der Bushaltestelle standen zum Glück nicht so viele Menschen. Da sie zu dieser Uhrzeit hier einstieg. Wenn der Bus so voll war, war es schon wirklich widerlich, im Bus zu sitzen oder zu stehen. Keena hasste es, wenn ihr Menschen so nahekamen. Jetzt war es erstaunlich angenehm. Auf jeden Fall angenehmer, als durch den Regen zu laufen. Trotzdem würde sie eine Station vor ihrer aussteigen und sich am Stand um die Ecke einen Hotdog holen. Schon hielt der Bus an ihrer Haltestelle und sie stieg aus. Der Hotdogverkäufer sah ihr bereits erwartungsvoll entgegen, als sie auf ihn zuging. Sie hatte in den letzten Wochen schon häufiger hier eingekauft.

»Ah, Sie brauchen gar nichts zu sagen, ich weiß schon: Einen Hotdog ohne Zwiebeln mit extra viel Ketchup.« Der blonde Mann Anfang dreißig grinste sie an.

Keena lächelte zurück, griff schon nach ihrem Portemonnaie und holte es aus der Jacke. »Stimmt genau!«

Rasch machte er sich daran die Zutaten zusammenzustellen und ihr zu geben. Sie reichte ihm das Geld und nahm das Essen entgegen.

»Sie sind heute aber später dran als sonst, oder?«, erkundigte er sich, während er die junge Frau musterte. Heute hatte sie die Kapuze über den Kopf und verbarg so ihre wundervollen Haare. Aber die leicht schräg stehenden grünen Augen konnte sie nicht so einfach verbergen.

»Ja, es war etwas mehr zu tun. Aber das macht nichts.« Sie lächelte leicht, ehe sie in den Hotdog hineinbiss.

»Und ist er gut?«

Sie kaute und nuschelte daher beim Antworten etwas. »Klasse«, sagte sie und bemühte sich den Ketchup auf den Boden und nicht auf die Jacke tropfen zu lassen.

Er reichte ihr eine Serviette. »Hier geht aufs Haus!«

»Danke«, sie nahm die Serviette und wischt sich den Mund ab.

»Nun, solange die Arbeit ausreichend bezahlt wird?«, knüpfte er an das Gespräch davor wieder an. »Oder können Sie die Überstunden aufsparen und als Urlaubstage nutzen?«

Urlaubstage hatte Keena in ihrem Leben noch nie gehabt. Sie hatte immer gearbeitet. Aber vielleicht hatte er recht und sie würde endlich ein normales Leben führen können. »Das weiß ich noch nicht. Ich habe den Job erste ein paar Wochen.«

Überrascht sah er sie an. »Nun, dann sollten Sie aber schnell klären, denn so was ist doch wichtig.« Nun lächelte er sie an. »Haben Sie noch mal darüber nachgedacht und gehen mit mir doch einmal etwas vernünftiges Essen?«

Verlegen sah sie ihn an. »Äh, ich glaube, das ist keine so gute Idee. Sie sind echt nett, aber ich bin einfach noch nicht so weit eine Beziehung einzugehen.«

Er lächelte sie charmant an. »Es wäre ja zunächst nur ein Essen, aber gegen eine Beziehung hätte ich auch nichts einzuwenden.«

Keena aber sah ihn nur an, sagte aber nichts weiter.

»Schade! Haben wohl schlechte Erfahrungen gemacht, was?« Bedauernd sah er sie an. Ihre grünen Augen blickten ihn immer so traurig an, dass er den Wunsch verspürte, sich um sie zu kümmern. Aber alle Versuche waren bisher fehlgeschlagen. Doch er würde nicht so schnell aufgeben.

»Ja, so könnte man es sagen.« Sie würde ihm nicht sagen, dass das Leben ihrer Mutter immer nur von Männern bestimmt worden war. Ihre Mutter und auch sie selbst hatten oft unter diesen Männern gelitten. Keena hatte sich deshalb vorgenommen, mit Männern niemals etwas anzufangen. Oder ihnen einen Raum in ihrem Leben zu geben. Sie war jetzt vierundzwanzig und hatte ihren Vorsatz bisher gut durchgehalten. Er war nett und freundlich, aber sie wollte sich auf niemanden einlassen.

»Das finde ich wirklich schade. Ich bin ja nicht wie andere, müssen Sie wissen. Vielleicht geben Sie mir ja mal eine Chance?« Er lächelte sie erneut charmant an.

»Ja, vielleicht!« Dann winkte sie und ging vom Hotdog abbeißend davon. Plötzlich klingelte ihr Handy. Fast hätte sie vor Schreck den Hotdog fallen gelassen. Rasch holte sie das Telefon hervor. Klappe es auf und holte zitternd Atem. Es war ihr Stiefvater, Jack Sounders.

»Ja«, sagte sie, als sie das Telefon am Ohr hatte.

»Keena, wo bist du?«, kam er gleich ohne Vorrede zum Punkt.

»Ich bin in Bosten.« Keena antwortete deshalb genauso kurz.

»Warum bist du nicht zu uns zurückgekommen, nach deinem letzten Auftrag? Du hast einfach das Bild deponiert, den Schlüssel per Post geschickt und bist verschwunden. Deine Mutter ist schon ganz krank vor Sorge um dich. Du solltest schnell nach Hause kommen.«

»Nein! Wenn das der Grund ist, weshalb du angerufen hast, dann verschwendest du deinen Atem. Ich wünsche dir noch einen schönen Tag.«

Sofort wurde sein Ton aggressiv. »Was sind das für Manieren? So habe ich dich nicht erzogen.« Dann wurde er wieder einschmeichelnd freundlich. »Tatsächlich aber rufe ich an, weil ich einen erstklassigen Auftrag für dich habe!«

War ja klar! Sie hatte auch schon fast einen Monat hier gearbeitet und die Probezeit wäre bald zu Ende gewesen. Jetzt sollte sie wieder alles stehen und liegen lassen für ihn und seinen »Auftrag«. »Nein! Ich werde es nicht mehr tun. Ich will endlich ein normales Leben führen.«

Seine freundlich klingende Stimme wurde tief und bestimmend. »Du wirst tun, was ich dir sage!«

»Nein, damit ist Schluss! Ich bin erwachsen und werde mein eigenes Leben führen.«

Er lachte. »Genau, deshalb hast du auch das Handy noch. Aber sicher willst du nicht von dem tragischen Tod deiner Mutter in der Zeitung lesen, wenn du jetzt nicht das tust, was ich dir sage.« Er meinte die Drohung absolut erst, wie sie wusste. Er würde ihre Weigerung, für ihn zu stehlen, an ihrer Mutter auslassen. Das hatte er schon oft getan und sie so immer wieder dazu gebracht, dass zu tun was er wollte. Aber Keena wollte das nicht mehr. Sie wollte endlich frei sein.

Plötzlich hörte sie ein klatschendes Geräusch und ein Aufschrei, dann war die weinende Stimme ihrer Mutter zu hören. »Keena was tust du mir an! Jetzt ist er echt sauer auf mich. Er hat mir das Telefon zugeworfen und mich als unnütze Mutter beschimpft, bevor er mich deinetwegen geschlagen hat.« Sie schnüffelte.

»Mama, dann verlass ihn doch endlich!«

»Das geht doch nicht, das weißt du doch. Außerdem hat er für uns so viel Gutes getan.«

»Wo warst du denn die letzten Jahre, Mama? Er hat nie etwas Gutes für uns getan. Er hat mich geschlagen und gezwungen Dinge zu tun, die ich nicht wollte. Er hat dich geschlagen.«

»Aber jetzt bist du die Beste auf deinem Gebiet. Seine Strenge hat dich zu dem gemacht, was du heute bist. Nur deshalb hat er den Auftrag bekommen.« Sie klang stolz.

Super, sie war einer der besten Diebe der Staaten. Darauf konnte man wirklich stolz sein. Sie bekam nicht einmal das Geld für die »Aufträge«, denn das steckte Sounders immer selbst ein. Sarkastisch sah sie auf den angebissenen Hotdog. Deshalb aß sie auch immer nur a la Kart.

»Du musst den Auftrag erfüllen.«

»Mama, ich habe einen Job. Ich habe eine eigene kleine Wohnung und ich möchte mir ein eigenes Leben aufbauen. Ich will das nicht mehr tun!«

»Du musst es machen!« Sie weinte kläglich. »Er schlägt mich sonst wieder! Bitte Keena, tu es für mich! Besorg das, was er will, dann kannst du ja weiterarbeiten, wenn es dir Freude macht!«

»Nein, es macht mir keine Freude, hinter anderen Menschen herzuräumen, aber es bringt ehrliches Geld! Ich will endlich ein normales Leben mit ehrlicher Arbeit und nicht immer von Stadt zu Stadt ziehen und Menschen Dinge wegnehmen, die ihnen wichtig sind. Ich kann das nicht mehr machen. Verstehst du mich! Ich habe auch Wünsche, Mama!«

»Ja«, sie weinte noch lauter. »Immer nur geht es um dich. Deinetwegen habe ich damals meinen eigenen guten Job verloren und auch keine geeignete Anstellung mehr bekommen, da ich dann ein uneheliches Kind hatte. So jemanden wollte niemand mehr einstellen. Das schadet dem guten Ruf eines Hauses. Für dich habe ich dann auch Männer verlassen, die ich geliebt habe, nur weil du nicht mit ihnen ausgekommen bist.«

»Mama, das ist doch alles Schwachsinn. Du hättest überall einen Job gefunden, aber du wolltest nicht. Bürde mir doch nicht dein Leben auf. Du bist dafür allein verantwortlich. Die Männer, die du so geliebt hast, haben dich geschlagen und mich auch.«

Sie heulte weiter. »Aber Jack war gut zu uns. Er hat dich ausgebildet. Er hat dir geholfen etwas aus deinem Leben zu machen. Ich bin so stolz auf dich!«

»Ich musste die Schule abbrechen und als Dieb arbeiten. Was ist es, auf das du so stolz bist?«

»Darauf, dass du deine Mutter immer so liebst und für sie alles tun würdest.« Erneut schniefte sie heftig ins Telefon. »Keena bitte tue, was er verlangt! Ich brauche dich!«

Schon war Jack wieder am Telefon. »Genug gesäuselt. Ich hoffe, wir verstehen uns. Du weißt, was sonst passiert.«

Keena antwortete nicht. Sie war hin- und hergerissen.

»Haben wir uns verstanden?«, bohrte er nun intensiver nach.

»Ja«, gab sie mürrisch zu verstehen. Er hatte gewonnen, denn er hatte Keenas Mutter.

»Schön, dass du zur Vernunft gekommen bist. Es geht ganz schnell und du kannst wieder zurück nach Bosten, wenn du das denn dann willst. Du musst auch nicht erst herkommen. Ich schicke dir die Informationen.«

»Was soll ich für dich stehlen?«

»Es ist eine kleine Statue. Sie befindet sich in Detroit in dem Besitz eines gewissen Pausanias Argiada. Er besitzt das große Brother-Building in Detroit. Am besten schicke ich dir alle nötigen Informationen, die ich erhalten habe an deinen E-Mailaccount. Dann hast du alle erforderlichen Informationen. Die Übergabe erfolgt am Flughafen in Detroit. Dort wirst du sie in ein Schließfach stellen wie gehabt. Dann schicke ich jemanden, der das gute Stück abholt und dann für dich durch den Zoll schmuggelt. Siehst du, so bin ich zu dir. Du musst nicht einmal die Gefahr, beim Zoll erwischt zu werden auf dich nehmen. Bin ich nicht der beste Vater der Welt?«

Daraufhin sagte sie nichts, hörte ihn aber lachen, dann legte sie auf.

Der Appetit auf den Hotdog war ihr vergangen. Sie entsorgte ihn in den nächsten Mülleimer. Wenn das doch mit allem so einfach wäre, dachte sie kurz.

Zügig ging sie zu ihrer Wohnung und schloss auf, als sie drinnen war, holte sie das Handy wieder hervor und rief im Hotel an, um sich die kommenden Tage krankzumelden.

»Ich muss mich leider für morgen und vielleicht auch übermorgen krankmelden. Es geht mir nicht gut. Ich fürchte, ich habe etwas Falsches gegessen.«

»Miss O`Shea, einen Moment ich werde sie an die Personalabteilung weiter durchstellen.«

»Nein, das ist nicht nötig. Ich möchte ja nur mitteilen, dass ich leider zwei Tage nicht werde kommen können.«

»Personalabteilung!«

Keena seufzte. »Hallo Keena O´Shea hier, ich wollte mitteilen, dass ich aufgrund einer Magenverstimmung morgen und vielleicht auch übermorgen nicht kommen kann nicht. Es tut mir sehr leid, aber …«

»Sparen Sie sich die weiteren Worte. Ich habe hier ihre Akte vor mir liegen und Sie sind noch in der Probezeit.«

»Ja, allerdings war ich bisher immer pünktlich und …«

»Das ist nicht relevant. Sie fehlen während der Probezeit und damit sind Sie nicht belastbar für diesen Beruf. Vielen Dank, dass Sie sich bei uns beworben haben. Wir werden Ihnen ihre Papiere in den kommenden Tagen zuschicken und den ausstehenden Lohn überweisen. Aber des Weiteren verzichten wir auf Ihre Dienste.«

»Nein! Bitte tun Sie das nicht! Ich brauche den Job.«

»Ja, andere auch und die sind nicht krank! Schönen Tag noch!«

»Ja, vielen Dank dann auch!« Keena legte auf und warf das Handy auf den Tisch. Dann setzte sie sich davor auf das Sofa und schlug verzweifelt die Hände über dem Kopf zusammen. Sie hatte es ja kommen sehen. Dabei hatte es doch gerade erst angefangen, besser zu werden. Sounders hatte eine lange Zeit nichts von sich hören lassen. Deshalb hatte sie begonnen zu hoffen. Das war dumm gewesen. Solange ihre Mutter bei Sounders blieb, musste sie nach seiner Pfeife tanzen. Er hatte es eben gesagt, selbst wenn sie das Handy wegwarf, würde er ihre Mutter wegen ihrer Weigerung leiden lassen. Es sei denn einer von ihnen starb.

Sie stiehlt sich in sein Herz

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