Читать книгу Seine Liebe bringt den Tod - Christine Engel - Страница 7

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Magnus Constantins große Gestalt füllte sie Türöffnung aus. Er musste mit seinen zwei Metern Körpergröße sogar den Kopf einziehen, damit er nicht dagegen stieß. Angewidert warf er einen letzten Blick auf sein Opfer. Er hatte eben der Elfenprinzessin Twinkle die Lebensenergie entzogen. So wie der Rat der Wesen es ihm befohlen hatte. Er hatte zwar den Auftrag zur Zufriedenheit des Rates erledigt, fühlte sich aber gerade deshalb einfach nur schrecklich. Angeekelt schüttelte er den Kopf. Der Rat der Wesen hatte ihm gesagt, dass die Prinzessin und ihre drei Schwestern gewaltsam versucht hatten, Plätze im Rat der Wesen zu erhalten. Der Rat bestand immer aus sieben Wesen, die gemeinsam über alle anderen nicht menschlichen Wesen der Welt regieren. Wenn es den Schwestern allen vieren gelungen wäre, einen Platz im Rat zu erringen, dann hätten sie zusammen eine Übermacht gebildet und die Gesetze zugunsten ihrer Ideen beeinflussen können. Um das zu erreichen, hatten sie bereits zwei Ratsmitglieder Siebert und Lon getötet oder töten lassen. Wodurch schon zwei, der von ihnen benötigten vier Plätzen, im Rat frei wurden. Daraufhin hatte der Rat entschieden, dass die älteste Prinzessin sterben sollte. Sie hatten beschlossen, dass Magnus Constantin die Exekution ausführen sollte und ihn deshalb vor den Rat gerufen.

Magnus war daraufhin gestern auf die Ratswiese in den Steinkreis und damit vor den Rat getreten. Die verbliebenen fünf Ratsmitglieder hatten in der Abendsonne auf der Lichtung auf ihren Steinen gestanden und auf ihn hinuntergesehen. Gemeinsam erklärten sie ihm, was von ihm erwartet wurde. Als Beweis hatten sie Twinkles Messer gezeigt. Es war bei Sieberts Leiche gefunden worden. Das Messer trug die Initialen der ältesten Elfenprinzessin und konnte daher eindeutig als ihr Eigentum erkannt werden. Magnus hatte sich bei dem Vortrag gedreht und jedem Ratsmitglied dabei in die Augen gesehen. Er war nicht sonderlich vertrauensselig oder leichtgläubig, aber er vertraute seinem Ziehbruder Vigor bedingungslos. Vigor war eines der Ratsmitglieder. Magnus hatte sich die Anklage angehört und dann zu Vigor gesehen, der zustimmend genickt hatte. Erst da hatte Magnus den Ausführungen der Mitglieder Glauben geschenkt. Vigor hatte ihn niemals belogen und ihm immer die Wahrheit gesagt, auch wenn sie oft nicht angenehm gewesen war.

Der Rat hatte bereits die Hinrichtung Twinkles beschlossen gehabt. Allerdings konnten sie offiziell die Taten der Elfe jedoch nicht ahnden, da Twinkle eine Prinzessin der Elfen war. Wären sie offiziell gegen sie vorgegangen, hätte das einen Krieg mit den Elfen zur Folge gehabt. Deshalb hatten sie nach Magnus geschickt. Magnus Constantin war derjenige, der geheime Aktionen für den Rat ausführte, ob es sich dabei um Hinrichtungen oder Spionage handelte, war egal. Beides gehörte zu seinem Aufgabenbereich. Sie hatten Magnus an jenem Abend ausgesandt, um Twinkle zu erledigen. Die anderen Schwestern würden dann schon nicht mehr weiter agieren.

Nun lag Twinkle tot auf ihrem Bett. Magnus hasste es, wenn er töten musste. Die Elfe war lebenslustig und jung gewesen. Sie hatte ihr langes Leben noch vor sich gehabt. Sicher hätte es eine angemessenere Strafe für ihr Vergehen gegeben. Er fuhr sich mit der Hand durch die blonden kurzen Haare, um die Gedanken zu vertreiben. Aber der Rat handelte nach dem Gesetz. Und hier hieß es Auge um Auge oder Leben für Leben. Oft sollte Magnus für den Rat nur jemanden verführen und so an Informationen gelangen. Das war auch nicht schön, aber deutlich besser, als töten zu müssen. Angewidert fuhr er sich erneut mit der Hand durch die Haare. Das einzige Gute an seiner Tat, wenn es so etwas überhaupt gab, war, dass er nun sicherlich einige Zeit in Ruhe sein Leben würde leben können, ehe ihn der Rat der Wesen erneut rufen würde. Aber vorher musste er noch zum Rat zurück und Bericht erstatten.

Vorsichtig spähte er aus der Tür und sah sich um, ehe er rasch das Haus der Elfe verließ. Wenn ihre Familie mitbekam, dass er sie für den Rat ermordet hatte, dann wäre sein eigenes Leben nichts mehr wert. Er durchquerte das Portal, das zum Rat führte und erschien im Ratswald auf der Lichtung, die der Rat als Tagungsort nutzte. Der Ort lag auf der Erde, aber er war in Raum und Zeit vor den Blicken der Menschen verborgen. Um dahin oder an andere verborgene Orte der Wesen zu gelangen, musste man Pforten, sogenannte Portale passieren. Dazu brauchte man jeweils den geeigneten Schlüssel und die genaue Vorstellung dessen, wo man hinwollte. Fast so wie ein Zugangscode oder ein Hausschlüssel, ohne den man einen Raum nicht betreten konnte, wenn er abgesperrt war.

Die fünf Ratsmitglieder standen im Kreis auf Steinen. Die beiden Steine der ermordeten Mitglieder waren noch unbesetzt. Die fünf verbliebenen Herrscher der Wesen sahen Magnus Rückkehr bereits voller Ungeduld entgegen.

Der Ratsvorsitzende Gilbert, ein Greif, nickte Magnus zu. »Berichte, was hat sich ereignet«, forderte er Magnus auf. Er stand zwar in seiner menschlichen Gestalt da, aber der Blick seiner Augen wirkte wie der eines Raubvogels, als er Magnus gespannt fixierte.

»Ich habe die Elfenschwestern in der Bar gefunden, die ihr mir genannt habt. Twinkle hatte mit ihren Schwestern Joyful, Precius und Pinky dort gesessen und ausgelassen gefeiert.«

Gilbert sah zu den anderen Mitgliedern und nickte ihnen zu. »Wie wir vermutet haben, haben sie den Tod der Ratsmitglieder Siebert und Lon gefeiert.«

Auch die anderen Herrscher nickten nun bestätigend. Sie hatten nichts anderes erwartet.

»Ihnen war bis dahin nicht einmal in den Sinn gekommen, dass der Rat bereits jemanden auf sie angesetzt haben könnte«, berichtete Magnus weiter. »Sie waren völlig unbekümmert, so als hätten sie nichts getan.«

»Du hast sie in der Bar doch wohl nicht angesprochen, oder?«, erkundigte sich Gilbert alarmiert.

Magnus schnaubte verächtlich. »Sicherlich nicht! Niemand vermutet, dass ich mit ihrem Tod etwas zu tun habe und bestimmt vermutet niemand den Rat hinter ihrem Tod. So lautete doch mein Auftrag.« Als wenn er so dumm wäre und Spuren oder Zeugen hinterlassen würde. Er drehte sich im Kreis und sah die Ratsmitglieder der Reihe nach an. »Ich saß in der Bar in einer dunklen Ecke und blieb weitestgehend unbemerkt, während ich sie beobachtete. Erst als ich sah, dass Twinkle aufbrechen wollte, verließ ich vor ihr das Lokal, um sie vor der Tür anzusprechen.« Er sah jedem Ratsmitglied in die Augen, während er weitersprach. »Es war nicht schwer, sie dazu zu bringen, mit mir zu gehen.«

Der Greif musterte Magnus zustimmend. »Ja, deine Kräfte als Inkubus sind beachtlich.«

Magnus verengte kaum merklich seine Augen und sah ihn weiterhin scheinbar ungerührt an. Er wusste, dass seine Kräfte stärker waren als die anderer seiner Art. Er konnte, wie alle Inkuben die Gefühle seiner Opfer erspüren, wenn er sich auf sie konzentrierte. Dadurch wussten Inkuben immer, wie sie sich verhalten mussten, um zu bekommen, was sie brauchten. Auch wirkte Magnus anziehend auf die Frauen jeder Altersstufe, wie jeder andere Inkubus. Das war auch nötig, denn ein Inkubus brauchte beinahe täglich die Lust- und die Erregungsenergie einer Frau zum Überleben. Ohne diese Energie würde er selbst mit menschlicher Nahrung verhungern. Der Unterschied zwischen Magnus und anderen Inkuben lag darin, dass die anderen Sexdämonen die Frauen mit Schmeicheleien und Zärtlichkeiten umgarnen mussten, um ihr Ziel zu erreichen. Magnus musste sie nur anlächeln und schon schmolzen sie förmlich in seine Arme. Das und Magnus einzigartige Fähigkeit, seine Kraft nicht nur auf die menschlichen Frauen, sondern auch auf die Frauen der Wesen wirken zu lassen, machte ihn deutlich zum Stärksten seiner Art.

Er hatte Twinkle vor der Bar angesprochen und sie nach einer Übernachtungsmöglichkeit gefragt. Er sah in seiner Erinnerung erneut, dass typische erfreute Aufblitzen in Twinkles Augen vor sich, als sie ihn sah. Daraufhin hatte er sie zusätzlich noch angelächelt. Es war erschreckend einfach für ihn gewesen, sie davon zu überzeugen, ihm mit zu sich nach Hause zu nehmen, damit sie Ruhe hatten und etwas Zeit miteinander verbringen konnten. Sie hatte quasi sofort begeistert zugestimmt. »Wir landeten in ihrem Schlafzimmer«, fuhr er in seinem Bericht fort.

»Und? Ist es vollbracht?«, Mora, die Hexe, sah ihn interessiert an. Sie war mittelgroß und ihre ehemals roten Haare waren mit grauen Strähnen durchsetzt. Aber für ihre Alter besaß sie erstaunlich wenig Falten. Ihre dunklen Augen wirkten jedoch kalt und gefühllos. »Ist sie tot?«

»Sicher! Ich habe ihr letztlich die Lebensenergie genommen.«

Inkuben erzeugten Lust und Erregung in ihren Partnerinnen und ernährten sich normalerweise davon. Über diese Energie konnte der Inkubus jedoch auch Zugang zu der Lebensenergie der Frau erhalten. Die Lust war dabei wie der Öffner einer Coladose. Damit konnte der Inkubus an die innere Energie seiner Opfer herankommen. Damit aber endet der Vergleich auch schon, denn wenn man eine Coladose leer trinkt, ist sie leer. Wenn ein Inkubus aber die Lebensenergie der Frau leerte, dann starb die Frau. Normalerweise tat das kein Inkubus, aber bei der ersten Nahrungsaufnahme konnte es dem unerfahrenen Inkubus passieren, dass er die falsche Energie nahm. Dann konnte die Frau sterben.

Magnus schluckte, als er daran dachte, dass ihm genau dieser Fehler als Teenager bedauerlicherweise einmal unterlaufen war. Nur deshalb musste er für den Rat arbeiten und diese verwerflichen Taten für den Rat nun immer wieder begehen. Er hasste es! Gequält schloss er die Augen, aber die Erinnerungen blieben hartnäckig in seinem Kopf. Die Frauen vertrauten ihm, genossen seine Nähe und er tötete sie. Er spürte den vertrauten Selbsthass und Ekel über sich selbst in sich aufsteigen. »Als sie erkannte, dass sie sterben würde«, fuhr er möglichst unbeteiligt fort, »beteuerte sie, dass sie nichts mit dem Tod der beiden Ratsmitglieder zu tun gehabt hätte.« Er fasste Eligor, den Drachen und Apron, den Zwerg, genauer ins Auge. Diese beiden hatten die Beweise für das Vergehen der Elfe vorgelegt. »Ist es sicher, dass sie die Tat begangen hat?«

»Natürlich, das steht außer Frage«, antwortete Mora anstelle der beiden anderen.

Magnus drehte sich zu ihr herum und nickte. »Ich dachte nur, wäre es nur Verrat gewesen, den sie begangen hätte, dann wäre die Todesstrafe für das Vergehen der Elfe zu hoch gewesen.«

Vigor verzog missbilligend das Gesicht. »Das hat dich nicht zu interessieren, Magnus. Du musst nur gehorchen und tun, was wir sagen. Nur wir haben den Durchblick und sehen, was getan werden muss. Du siehst nur einzelne Puzzleteile und kannst dir daher keine Meinung anmaßen.«

Magnus musste bei den herabwürdigenden Worten seines Ziehbruders mühsam eine heftige Erwiderung hinunterschlucken. Er atmete langsam aus. Streit würde ihm nicht helfen, endlich aus dem unseligen Dienst entlassen zu werden. »Wann ist meine Schuld endlich gesühnt? Ich bin es leid, euer Laufbursche zu sein. Ich habe doch jetzt lange genug eure Drecksarbeit erledigt.«

»Diese Entscheidung steht dir ebenfalls nicht zu«, sagte Vigor schnell.

Eligor nickte. »Hast du dafür gesorgt, dass die Schwestern ihre Leiche im Bett finden?«

»Ja. Ich habe sie wie schlafend dort zurückgelassen. Sie werden denken, dass sie im Schlaf gestorben sei. Sie werden nicht vermuten, dass sie umgebracht worden ist.«

»Das ist mehr, als diese Schlampe und ihre Schwestern verdient haben! Sie haben Lon und Siebert getötet«, sagte Apron, der stämmige Zwerg nun hitzig. Er deutete mit seinen kurzen Armen zu den beiden leeren Steinen.

Mora nickte Magnus zu. »Das hast du gut gemacht. Wir wollen vorerst keinen Verdacht erregen. Nicht, dass es noch zum Krieg kommt.«

»Aber es wird ihre Ambitionen, in den Rat zu gelangen, vorerst beenden!« Eligor lächelte.

»Ja, da Twinkle weg ist, werden ihre Schwestern nicht mehr ihren Plan weiterverfolgen, denn selbst wenn sie es schaffen würden, nun Mitglied im Rat zu werden, dann fehlt ihnen doch die Mehrheit.« Mora sah die anderen an.

»Ich hätte nichts gegen einen Krieg einzuwenden gehabt«, ließ Apron verlauten und strich sich mit der Hand über den Bart. »Immerhin haben sie zuerst Blut vergossen.«

»Mit Krieg ist keinem geholfen«, Mora schüttelte beschwichtigend den Kopf.

»Das bringt nur Unruhe«, bestätigte Vigor nickend. »Wir müssen jetzt die beiden Plätze neu besetzen, was schon schwer genug werden wird!«

»Allerdings, das wird schon genug Verdruss bringen«, bestätigte Eligor. Der Drache wog in seiner menschlichen Gestalt den Kopf hin und her. »Vielleicht sollten wir schon jetzt eine Auswahl treffen, ehe die Unruhen zunehmen.«

Vigor nickte abermals zustimmend. »Kluger Plan, Eligor.«

Magnus wurde ungehalten. »Wenn ich dann nicht mehr gebraucht werden, kann ich ja gehen.«

»Ja, vielen Dank, Magnus, das war wieder einmal gute Arbeit«, Mora nickte ihm zu.

»Gut! Dann kannst du erst einmal wieder gehen.« Mit diesen Worten entließ Vigor ihn.

Magnus verließ den Versammlungsplatz und verfluchte zum zigtausenden Mal den Abend, an dem er als Teenager vor über siebenhundert Jahren mit seinem Ziehbruder Vigor in die Bar der Wesen gegangen war. Damals hatten beide zusammen bei Vigors Eltern, Magnus Zieheltern, gelebt. Magnus richtige Eltern waren gestorben, als er noch klein gewesen war. Zuerst sein Vater, woraufhin seine Mutter krank wurde und schließlich schrecklichen Qualen ebenfalls starb. Wesen verbinden sich in ihrem langen Leben immer nur einmal mit einem anderen. Dieser Partnerbund bleibt dann den Rest ihres Lebens bestehen. Stirbt einer der Lebenspartner, dann stirbt auch der andere. Daher wählen die Wesen ihre Lebenspartner immer mit großem Bedacht.

Mary und Ademis hatte Magnus damals liebevoll aufgenommen und ihn zusammen mit ihrem Sohn Vigor großgezogen. Vigor war etwas älter als Magnus, aber er war ihm immer ein großer Bruder gewesen. Beide Kinder hatten immer wieder gegen die Regeln der Eltern rebelliert.

So war es auch an jenem schicksalhaften Abend gewesen. Damals war Magnus fünfzehn Jahre alt und Vigor zwanzig. Sie hatten beide etwas erleben wollen und sich heimlich aus dem Haus geschlichen, um in die Bar der Wesen zu gehen. Dort hatten sie ausgelassen gefeiert und viel getrunken. Viel zu viel hatten sie getrunken. Dadurch war es überhaupt dazu gekommen. Magnus schüttelte über seine damalige Dummheit den Kopf. Sie hatten gelacht, getrunken und sich gegenseitig aufgezogen. Immer wieder hatte Magnus eine Frau am Nachbartisch betrachtet. Sie war eine schöne, dunkelhaarige Frau gewesen. Sie hatte ebenfalls immer wieder zu ihm hinübergesehen. Auch Vigor war das nicht entgangen. Plötzlich hatte er Magnus eine Wette vorgeschlagen. Er hatte gewettet, dass Magnus es nicht schaffen würde, mit der Frau nach oben in eins der Zimmer zu gehen. Damals hatte Magnus noch keine sexuelle Erfahrung mit Frauen gehabt und auch noch nie über die Lust Energie als Nahrung zu sich genommen. Diese Form der Ernährung wird bei Inkuben erst im gewissen Alter notwendig. Niemand hatte ihm erklärt, wie es ging und worauf er hätte achten musste. Magnus war damals einfach noch dumm und unschuldig gewesen. Und blöd, wie er gewesen war, war er auf die Wette eingegangen. Zuerst lief auch alles gut. Die Frau folgte ihm ohne Schwierigkeiten in das Zimmer. Aber damit endete seine Glückssträhne auch schon. Ab dem Augenblick, wo sie in das Zimmer getreten waren und er anfing, sie zu küssen, fehlte ihm für über eine halbe Stunde lang jegliche Erinnerung bis heute. Er war völlig weggetreten gewesen. Wahrscheinlich der Rausch der ersten Nahrungsaufnahme. Vigor war ihm und der Frau damals in das Zimmer gefolgt. Da er ja überprüfen wollte, ob Magnus die Wette auch bestehen würde. Er hatte Magnus anschließend erzählt, dass Magnus in dem Moment, als er zum ersten Mal Energie zu sich genommen hatte, die Kontrolle über sich verloren und der Frau die Lebensenergie ausgesogen hatte. Magnus war erst wieder zu sich gekommen, als Vigor ihn von der toten Frau weggezogen hatte und sich bemühte, ihn vor den Wächtern des Rates zu verstecken. Dafür war es allerdings bereits zu spät gewesen. Die Wächter nahmen Magnus in Gewahrsam und er kam vor den Rat.

Der Teenager hatte immer wieder beteuert, dass die Tat ein Unfall gewesen sei. Magnus versuchte zu erklären, dass er wohl die Selbstbeherrschung verloren haben musste, weil es seine erste Nahrungsaufnahme gewesen wäre. Vigor hatte dies auch bestätig und meinte, der Alkohol hätte seinem Ziehbruder zudem die Selbstkontrolle genommen, sodass Magnus die Frau aus Versehen getötet hätte. Dann erst hatte Magnus erfahren, dass die Tote ein Ratsmitglied gewesen war und er für seine Tat nun zum Tode verurteilt werden sollte. Magnus beteuert wiederholt, es sei ein Unfall gewesen und flehte um Vergebung. Vigor hatte als Einziger für ihn gesprochen und versucht seinem Ziehbruder zu helfen. Seine Zieheltern, Mary und Ademis, waren nicht einmal zur Verhandlung erschienen. Auch später hatte er sie nie wieder gesehen. Völlig verzweifelt hatte der Junge damals dort gestanden und auf das Todesurteil gewartet. Das war ihm auch schon so gut wie sicher gewesen. Aber Vigor hatte für Magnus gekämpft. Er hatte angeboten, dass er den freien Platz im Rat einnehmen würde, wenn man Magnus dafür verschonen würde. Der Rat hatten ihn nach kurzer Beratung dann erhört und seitdem war Vigor im Rat und Magnus musste immer wieder diese dreckigen Dienste für den Rat erfüllen. Magnus hatte sein Leben Vigor zu verdanken. Aber Magnus hasste es, vom Rat immer wieder so benutzt zu werden. Niemand außerhalb des Rates wusste, dass Magnus seit siebenhundert Jahren im Dienste des Rates stand. Das war ein wohlgehütetes Geheimnis.

Heute hatte Magnus eine Elfe dafür gerichtet, den Tod eines Ratsmitgliedes herbeigeführt zu haben. Eine Tat, die auch er damals begangen hatte. Nur mit dem Unterschied, dass Twinkle es absichtlich getan oder den Tod der beiden Ratsmitglieder wohl wissentlich veranlasst hatte, wohingegen Magnus Tat wirklich ein Unfall gewesen war. Einer, an den er sich einfach nicht erinnern konnte, aber für den er immer noch büßen musste.

Als Magnus verschwunden war, sahen sich die fünf verbleibenden Wesen vom Rat an.

Mora lächelte und nickte Vigor zu. »Das hat ja wieder einmal sehr gut funktioniert. Es war klug von uns, uns die Kraft von Magnus damals zu sicher. Er ist die perfekte Waffe.«

»Ich sagte euch schon damals, dass ihr es niemals bereuen würdet, auf mich zugekommen zu sein, mir den Platz im Rat zu geben und Magnus anzustellen.«

»Ja, er hat uns immer wieder gute Dienste geleistet«, bestätigte Apron. »Aber er fragt mir in letzter Zeit zu viel nach, wann wir ihn aus dem Dienst entlassen wollen.«

Eligor nickte zustimmend. »Ja, er könnte zu einer Bedrohung werden, wenn er seine Partnerin findet und sich mit ihr verbindet.«

»Das haben wir in den letzten Jahrhunderten doch immer erfolgreich verhindert. Wie viele potenzielle Partnerinnen haben wir bereits vernichtet? Wieso sollten wir jetzt plötzlich versagen?« Gilbert sah zu Eligor und dann zu Vigor. »Oder gibt es etwas Neues?«

Vigor schüttelte den Kopf. »Nicht, dass ich wüsste. Habt ihr etwas anderes gehört?«

»Nein, bisher noch nicht, aber sobald er seine Partnerin gefunden hat, werden seine Kräfte noch wachsen«, gab Eligor zu bedenken. »Dann könnte es schwer für uns werden, ihn weiterhin zu kontrollieren. Denkt an die Prophezeiung.« Er sah die anderen an.

»Ja, ja. Wir alle kennen sie auswendig. Eines Tages wird ein Inkubus geboren werden, der Menschen und Wesen gleichermaßen in seinen Bann ziehen kann. Ist er erst mit seiner Partnerin verbunden, dann werden seine körperlichen und geistigen Kräfte immens ansteigen und er wird in der Lage sein, die Gefühle von Menschen und Wesen auf die Entfernung zu lesen und zu beeinflussen. Das wird ihn zu einem gerechten und fähigen Herrscher aller Wesen machen.« Mora verdrehte die Augen. »Das war doch auch der Grund, warum wir Magnus schon damals in unsere Dienste nehmen wollten, wenn du dich daran noch erinnern kannst.«

»Ja und ich erinnere mich auch, wie sehr sein Vater dagegen war, dabei kannte er die Prophezeiung nicht einmal, weil wir alle Prophezeiungen unter Verschluss halten. Aber er wollte, dass Magnus selbst wählt.« Eligor war vom Stein gestiegen und verwandelte sich in seine Drachengestalt. Schon überzog sich sein Körper mit silbern schillernden Schuppen. Seinen langen Schwanz schwenkte er angriffslustig hin und her. »Ich war damals nicht damit einverstanden, Magnus Eltern töten zu lassen. Erinnert ihr euch?« Seine Stimme war in dieser Gestalt viel tiefer. »Ich wollte abwarten und sehen, was sich ergibt.«

»Was wir dann auch tun mussten«, sagte Gilbert.

»Aber nur, weil Manou Mortem seine Aufgabe nicht richtig erfüllt hat und Magnus Mutter nicht auch gleich getötet hat. Nur deshalb konnte sie ihn zu deinen Eltern in Pflegschaft geben, Vigor. Und wir mussten hilflos zusehen.«

Gilbert schüttelte den Kopf. »Aber was hätten wir denn auch anderes tun können? Schließlich mussten wir vorsichtig sein, damit unsere Tat nicht ans Licht kam. Hätten wir angeboten, ihn aufzuziehen, wäre das sicherlich aufgefallen. Besonders, da sein Vater ein Gegner des Rates gewesen war.« Mora sah vorwurfsvoll zu Vigor hinüber.

»Dagegen konnte ich damals noch nichts tun«, verteidigte sich Vigor. »Immerhin war ich noch ein Kind. Aber später habe ich doch dann dafür gesorgt, dass er in eure Dienste kam, oder etwa nicht? Auf diese Weise konntet ihr euch gleich noch Ratsmitglied Shirin, der Lieblichen, entledigen.«

Mora nickte. »Ja, diese Hexe war schon anstrengend für uns hier im Rat. Sie wollte nichts mit dem Tod von Magnus Eltern zu tun haben oder mit seiner Rekrutierung. Sie wurde unbequem und wollte reden. Deshalb war sie auch in dem Lokal, in dem ihr euch aufgehalten hattet. Sie wollte Magnus informieren. Nein, sie war ein zu großes Risiko geworden und musste weg. Dein Plan, sie zu töten und es Magnus in die Schuhe zu schieben, war einfach brillant.«

Vigor richtete sich weiter auf. »Ich bin es, dem er vertraut. Ich halte ihn für uns bei der Stange.« Vigor war ebenfalls ein Inkubus, aber seine Kräfte waren bei Weitem nicht so ausgeprägt wie die von Magnus. »Ich bin es, der den Wunderknaben unter Kontrolle hält. Ich kontrolliere den wunderbaren, lang ersehnten Herrscher der Wesen.«

Alle vier Ratsmitglieder sahen zu Vigor.

Aber Mora war es, die die Bedenken aussprach, die allen durch den Kopf gingen. »Ja, das tust du. Noch!« Sie machte eine kurze Pause, ehe sie leise fortfuhr: »Aber die Frage ist: Traust du dir auch weiterhin zu, ihn unter Kontrolle zu halten? Wir sind darauf angewiesen, dass er niemals die Prophezeiung erfüllt. Es steht für uns alle zu viel auf dem Spiel. Wir bereiten das hier schon Jahrhunderte lang vor. Du hast einen wichtigen Teil zu dem Ergebnis beigetragen, aber schaffst du das weiterhin?«

»Sicher Mora, mach dir keine Sorgen. Du musst mir allerdings noch etwas von dem Trank geben, denn meine Eltern scheinen immer mehr davon zu brauchen. Immer schneller verliert dein Zauber seine Wirkung und sie erwachen aus der Trance, in die ich sie versetze.«

Mora stieg nun auch vom Stein und ging auf Vigor zu. »Was erwartest du, du wendest den Trank bereits siebenhundert Jahre an. Vielleicht solltest du deine Eltern von ihrer jämmerlichen Existenz endlich befreien.«

Vigor kniff die Augen zusammen. Er war zu vielem bereit gewesen, aber nicht dazu seine Eltern zu töten. »Vorsichtig Mora, sonst brauchen wir bald drei neue Mitglieder!«

Mora blieb stehen und hob einen Finger. »Du willst mir drohen? Wem willst du die Tat diesmal in die Schuhe schieben?«

Vigor beachtete ihre Drohgebärde nicht weiter. »Mach dir keine Sorgen, da wird mir schon etwas einfallen.«

»Hört auf ihr beiden«, mischte sich Apron ein. »Wir haben für so ein dummes Geplänkel keine Zeit. Wir sind dabei, einen Krieg zu beginnen, um unsere Position als Rat der Wesen weiter zu festigen. Es gibt mittlerweile einfach zu viele, die unsere Herrschaft nicht mehr anerkennen. Sie müssen an unsere Macht erinnert werden. Konzentriert euch darauf. Es liegt noch viel Arbeit vor uns. Der Tod der Elfen Siebert, Lon und Twinkle war nur der Anfang.«

Seine Liebe bringt den Tod

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