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KAPITEL SECHS

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„Gnädige Dame, bitte mir zu bekunden, zu welcher Stunde Ihnen das Dinner zu servieren bequemt! Sind Froschschenkel als Vorspeise genehm? Wünschen Sie im kleinen Salon zu speisen?“ Mrs. Smith rückt sich ihr weißes Häubchen zurecht und streift eine vorwitzige graue Haarsträhne aus ihrem Gesicht, denn einer auf strenge Konventionen bedachten Hausdame geziemt es unter keinen Umständen, es ihrer Herrschaft gegenüber auch nur an einer Spur von Gepflegtheit mangeln zu lassen.

Lady Ethel und Kätzchen Käthe räkeln sich beide; der Mensch auf der Chaiselongue, das Tier auf dem flauschigen Schoß seines Frauchens. Mensch und Tier blinzeln der Eintretenden zu, der Mensch mit seinem rechten, das Tier mit seinem linken Auge. Die menschliche Kreatur, scheinbar aus einem tiefen Nickerchen jäh erwacht und noch ziemlich unleidlich in die Welt spähend, vermag vorerst nur einige Worte zu lallen, denn wie gewöhnlich, das wissen alle dienstbaren Hausgeister von Urzeiten her, braucht Lady Ethel gewöhnlich geraume Zeit, um ihre verschlafenen Sprechorgane wieder in Betriebsamkeit zu bringen. Die tierische Dame, Schnurrkätzchen Käthe, dagegen, zeichnet sich neben dem Augenzwinkern, dem linksseitigen versteht sich, durchs Spitzen beider Ohren aus, denn Mrs. Smith Auftreten erregt in ihr eine wahnsinnige Sehnsucht, durch die nur einen Spalt geöffnete Tür hindurch zu streifen, um sich anschließend in Küche und Keller gütlich zu tun, denn bisher war das Kätzchen dort immer fündig geworden und mit klitzekleinen bis beträchtlichen Leckerbissen verwöhnt oder mit winzigen lukullischen Fundsachen, gehamstert im aufgeplusterten Gaumen, vergnügt wieder von dannen gezogen.

„Meine Käthe! Mein Möpschen, ich liebe jedes Gramm an dir!“ Lady Ethel lässt auf ihr Kätzchen nichts, rein gar nichts, kommen! „Hauptsache, du bist mopsfidel!“, nimmt sie ihren Liebling in Schutz, wenn Lästerzungen über das Katzenmöpschen herzufallen drohen.

Wie gesagt, Lady Ethel muss jetzt nicht nur ihre Sprechwerkzeuge sortieren, sondern ihre gesamte Statur wieder in Ordnung bringen. Sich aufrichten, jedes Bein dorthin verstauen, wo es hingehört, sofern man aus der waagerechten in eine senkrechte Lage kommen möchte, beschwerlich für solcherart Menschen, deren Gelenke reißerische Attacken mit allem Drum und Dran im Gepäck haben. Und beim Aufschlagen der Seidendecke merkt Lady Ethel zu allem Überfluss noch, dass ihr Kleid beim Liegen so weit hochgerutscht ist, dass sich ihr Oberschenkel zur Schau stellt, wenigstens ist aber weit und breit noch kein menschlicher Detektiv zu erblicken.

Noch einen Griff nach ihrer Haarnadel, die ebenso verrutscht wie die Trägerin selbst in die Weltgeschichte blickt, und erst dann wagen sich vier Worte aus ihrem Munde, zwar ziemlich schlafentstellt, aber für Mrs. Smith als perfekte Kennerin der gräflichen Lage durchaus deutbar. Sie drücken jedenfalls aus, dass sie den Salon als Begegnungsstätte wünscht, Froschschenkel, aber auch Truthahn sowie das Wedgwood bevorzugt. Letzteres bedeutet ihr besonders viel, denn mit dem alten barocken englischen Porzellan hat sie schon viel Furore machen dürfen. Frauenherzen schlagen gewöhnlich höher, wenn sie ihr Süppchen aus einer rosenumrankten Terrine oder aus einer mit Goldbrokat verzierten Suppenschüssel schöpfen dürfen. Und Truthahn ist sowieso das Lieblingsessen von Schwager Jacob. Brüder teilen nun mal öfters die gemeinsame Vorliebe für ein bestimmtes Gericht und so ist es für ihn, wie es auch bei Evel der Fall gewesen war, von allergrößter Wichtigkeit, dass der Truthahn goldbraun gebacken mit einer Pflaumensoße serviert, appetitlich auf dem Tische angerichtet zum Gaumenschmaus einlädt – und zwar musste es bei Evel immer Punkt dreizehn Uhr sein!

„Ja, wann wird uns der Gast denn beehren, Lady Ethel?“

„Zwölf Uhr dreißig, wie gewöhnlich!“, lautet deren schnelle Antwort – kurz und schmerzlos, lediglich eine mehr beiläufige Erwiderung auf eine rhetorische Frage von Mrs. Smith, weiß sie selbst doch nur zu gut, dass dieser uralte Herr die Pünktlichkeit in Person ist. Ja, schließlich kennt sie ihren Pappenheimer, denn sein Herrenfahrer hält stets auf die Minute genau seine Droschkentür sperrangelweit auf, so dass der Gentleman mit seinem Stock in der Hand möglichst mühelos dem Gefährt entsteigen kann. Mrs. Smith erinnert sich noch allzu gerne an ihre eigene Jugendzeit, als vor jeder Kutsche ein Mann mit einer roten Fahne herlaufen musste, um alle, die dem Fahrzeug gefährlich in die Nähe kamen, eine Warnung zu signalisieren.

„Nun, aber flugs!“, spornt sie sich selbst an und entnimmt der Vitrine eine kreisrunde weiße mit Schwänen bestickte Decke. Und das Wedgwood natürlich, denn sie ist eine zuverlässige Person, die weiß, dass Speiseetikette über Wohl und Wehe eines edlen vergeistigten Hauses entscheiden. Und die schönsten Exemplare von der Dutzendware gehören selbstverständlich auch dazu, sind sie doch für den betagten Gast eine Vergewisserung, dass in diesem Hause noch althergebrachte Traditionen gehegt und gepflegt werden.

Die Rosenlady und der Sekretär

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