Читать книгу Die Rosenlady und der Sekretär - Christine Meiering - Страница 5
PROLOG
ОглавлениеUnseren betagten Schreibsekretär aus der Zeit der ‚regency period‘ vor Augen, malte ich mir seine mögliche Vorgeschichte in den farbigsten Bildern aus. Wenn dieses Möbelstück doch nur erzählen könnte! Nun, da es schwerlich möglich sein dürfte, dem guten Stück trotz allem guten Zuredens auch nur den kleinsten Ton zu entlocken, müssen wir schon die Schätze, die in seinem Inneren schlummern, selbst aufzuspüren versuchen, sofern sie von geschichtsbewussten Menschen über Jahrzehnte und Jahrhunderte lang in Ehren gehalten worden sind.
Lebensgeschichten können spannend sein und über Raum und Zeit einer bestimmten Epoche Aufschluss geben. Während ich mir überlegte, dass in männerdominierten gesellschaftlichen Epochen vergangener Zeiten zumeist die ‚Herren der Schöpfung‘ diejenigen waren, die Weltgeschichte schrieben, überkam mich erstens der Wunsch darüber nachzudenken, wie sehr die im Hintergrund agierenden Ehefrauen das Walten ihrer Ehemänner mit beeinflusst haben könnten und zweitens, dass es diese Frauen mehr als verdienten, einmal ins besondere Blickfeld gerückt zu werden.
Elisabeth Heyking (1861 – 1925), geborene Gräfin Flemming, Enkelin von Bettina und Achim von Armin, war es geglückt, den Berühmtheitsgrad ihres Gatten, weit gereister deutscher Diplomat (1850 – 1915) noch zu übertreffen. In ihren Veröffentlichungen „Briefe, die ihn nicht erreichten“ gibt sie Zeugnis der deutschen Außenpolitik am Ende des 19. Jahrhunderts. Sie schildert darin das Leben höherer Gesellschaftskreisen in vier Kontinenten und erreicht mit ihren Tagebüchern (1903) sogar die 100. Auflage. In ihren Kairoer Zeiten machte das Diplomatenehepaar u. v. a. auch die Bekanntschaft mit Evelyn Lord Baring, I. Earl of Cromer, englischer Generalkonsul in Ägypten, und seiner Gemahlin Ethel, geb. Errington, um deren Lebensrückschau es in meiner Erzählung geht.
Weitgehend unbeachtet geblieben sind die Ehefrauen einflussreicher Männer in Staat und Gesellschaft. Repräsentationspflichten, perfektes Organisationstalent bei der Haushaltsführung und eine erstklassige Kindererziehung mit dem Ziel, den vielfältigen Erwartungen höherer Töchter gerecht zu werden, prägten diese Leben schlechthin. Wer hat je ein Augenmerk auf die ‚Frau an seiner Seite‘ gerichtet? Wer hat ihre ureigenen Bedürfnisse, Sorgen, Ängste, Opfer, aber auch Freuden überhaupt wahr- bzw. ernst genommen? Meine Erzählung basiert zum großen Teil auf geschichtlichen Tatsachen, wenngleich ich mir erlaubt habe, die literarische Freiheit zu nutzen, um die Erzählung auszuschmücken.