Читать книгу Personalentwicklung im Bereich Seelsorgepersonal - Christine Schrappe - Страница 35
3.6 Personalentwicklung als Teil von Organisationsentwicklung – Die Bedeutung von Arbeitsstrukturen
Оглавление„Personalentwicklung“ muss in engem Bezug zur Organisationsentwicklung bzw. zum organisationalen Lernen des Unternehmens definiert werden. Neben die traditionellen laufbahn-, positions- und qualifikationsbezogenen Maßnahmen treten deshalb in immer stärkerem Maße organisations- und strukturbezogene Aktivitäten. Das Verständnis von Personalentwicklung darf sich nicht beschränken auf die personenbezogenen Schwerpunkte wie Fort- und Weiterbildung. Wer den Vorrang der Person will, muss sich auch mit den Strukturen beschäftigen, die diese Personen umgeben.
Jede Organisation als Gesamtsystem ist eingebettet in ein komplexes Beziehungsgefüge interschiedlicher Wirkfaktoren. Ein im Kontext der Personalentwicklung sinnvolles Konzept zur Planung und Steuerung in Organisationen bezieht soziale, technologische und bauliche Faktoren ein. Von Interesse sind dabei die Gesetzmäßigkeiten und Wechselwirkungen innerhalb einer Organisation. Vier Subsysteme kristallisierten sich, eingebettet in den Kontext und die Vision eines Unternehmens, als besonders wirksame Faktoren mit hohem Einfluss auf das Verhalten von Mitarbeitern heraus:
Abbildung 2: Wirkungsweise von Veränderungen. Organisationsmodell von Porras et al, aus: Schubert, Hans-Joachim, Change Management, Studienbrief PE 0910, Kaiserslautern 2001, 98.
Unter der Überschrift „Organisatorische Regelungen“ sind spezifisch formale Elemente zusammengefasst, mit denen die Koordination gewährleistet werden soll. Sanktions- und Belohnungssysteme beeinflussen das Mitarbeiterverhalten ebenso wie Ablauf- und Aufbaustrukturen.
Mit „Sozialen Faktoren“ sind die eher informellen Merkmale der Zusammenarbeit beschrieben. Auf der Ebene der Gesamtorganisation sind es Normen und Werte, die sich in Interaktionsprozessen und Führungsstilen niederschlagen. Unter den Begriff „Technologie“ fallen Merkmale wie Stand der technischen Ausstattung, Gestaltung von Kommunikations- und Arbeitsabläufen. Die Einrichtung technischer Kommunikationsmittel (z.B. Intranet) verändert die Kommunikation in einer Organisation. Die Handhabbarkeit moderner Kommunikationstechniken erhöht die Geschwindigkeit der organisationsinternen „Wissensströme“. Wissensmanagement trägt Sorge dafür, dass vorhandenes Wissen und Kompetenz flächendeckend genutzt werden und zum Einsatz kommen. Das hat mit Arbeitsstrukturen und Technik zu tun. Transparente Postverteilungssysteme, Systeme zur fristgerechten Beantwortung von eingehender Post erhöhen den Dienstcharakter von Behörden.
Die Kategorie „Bauliche Bedingungen“ meint Aspekte wie Anordnung und Gestaltung von Arbeits- und Aufenthaltsräumen und die architektonische Gesamterscheinung. Die Planung von Pfarrhäusern beeinflusst die Kommunikationsstruktur zwischen Pfarrer, Pfarrbüro und haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern. Dies hat Einfluss auf Arbeitsstil und Arbeitsleistung. In Baumaßnahmen spiegelt sich Wertschätzung oder Missachtung von Berufsgruppen.121 In der konkreten Planung kirchlicher Gebäude wie Pfarrzentren und Kirchenvorplätzen bilden sich auch Kirchenbilder ab. Gebäude- und Informationsästhetik, z.B. von Kirchenbaukörpern und Außenanlagen, haben ihrerseits Einfluss auf die Pastoral. Die Theologie einer Gemeinde, bestimmte Menschen-, Kirchen- und Gottesbilder finden ihre Konkretion und ihren Niederschlag in Bauten und Kommunikationsstrukturen.
Vorgaben des Personaleinsatzes und Arbeitsstrukturen, Beschaffenheit von Arbeitsplätzen und innerbetrieblichen Kommunikations- und Prozessabläufen müssen daraufhin überprüft werden, ob sie der Personalentwicklung und damit der Qualität der Arbeit dienen. Das Ausblenden der „harten“ Rahmenbedingungen wäre eine Vereinfachung komplexer Systeme. Die in der Kirche übliche Form der spirituell durchdrungenen Appelle an das Umkehrbewusstsein und die Veränderungsbereitschaft der Gemeinden und des Personals kann die sachliche Analyse der Arbeitsstrukturen und Arbeitsbedingungen nicht ersetzen. In der Gestaltung von Transformationsprozessen wäre es naiv zu glauben, „Kirche lasse sich einfach, leicht von oben nach unten oder von unten nach oben verändern. Ein Hirtenbrief verändert vielleicht die Herzen, eine Predigt kann erbaulich sein. Aber Organisationen haben kein Herz, sondern Strukturen. Appelle verändern sie nicht. Ein wirkungsvolles Handeln in und durch Organisationen ist keine triviale Selbstverständlichkeit, sondern eine anspruchsvolle soziale Praxis des Aushandelns von Kommunikation, Spielregeln und Entscheidungen.“122
Kirche ist immer auch sichtbarer Leib Christi und gewachsene Organisation und muss in dieser „inkarnatorischen“ Existenz in allen Organisationsabläufen prüfen, ob sie dem Heil der in ihr Arbeitenden und dem Heil der Mitglieder dient. Veränderungspostulate können nicht nur der Reformbereitschaft des Einzelnen anheim gestellt und „ans Herz gelegt“ werden. Metanoia ist nicht nur eine individuelle Verhaltenseinstellung, sondern muss sich in kirchlichen Strukturen und Systemen niederschlagen.
Mitarbeiter als „interne Kunden“ trennen in ihrem subjektiven Erleben von Berufs(un)zu-friedenheit nicht zwischen Personalentwicklung, Personalverwaltung oder Personaleinsatz. Aber an der Ausstattung eines Wartezimmers im Ordinariat oder durch das Bereitstellen von Besucherparkplätzen für Personalgespräche erkennen Mitarbeiter, welchen Stellenwert Personalarbeit hat. Unbeantwortete Post, nicht bestätigte Mails, falsch besprochene Anrufbeantworter oder nicht eingehaltene Sprechzeiten in diözesanen Behörden sind Indizien für mangelndes internes Dienstleistungsbewusstsein. Organisationsabläufe und Technologie, das Bauwesen wie der Service einer EDV-Abteilung müssen sich wie Personalentwicklung und Personalverwaltung daran messen lassen, ob sie im Dienst des Evangeliums stehen, den Mitarbeitern dienen und damit die Arbeitsqualität der Gesamtorganisation erhöhen.