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2.7 Fazit: Personalentwicklung als Hilfe zur Gestaltung von Zukunft

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Derzeit befinden sich viele Hauptberufliche im „Transformationsstress“. Ohne dass volkskirchliche Erfassungspastoral aufgegeben wird, die sich auf das Zählen von Kasualien und flächendeckende Versorgung konzentriert, kommen neue Aufgaben einer milieusensibel ausdifferenzierten und vertiefenden Seelsorge hinzu. Ähnlich wie in Ex 5,6-7 beschrieben, geht es um ein Mehr an Arbeit mit bestehenden oder schwindenden Kräften: „Der Pharao gab den Antreibern der Leute und den Listenführern die Anweisung: Gebt den Leuten nicht mehr, wie bisher, Stroh zum Ziegelmachen! Sie sollen selber gehen und sich Stroh besorgen. Legt ihnen aber das gleiche Soll an Ziegeln auf, das sie bisher erfüllen mussten. Lasst ihnen davon nichts nach!“ (Ex 5,6-7). Pastorale Aktivitäten werden verstärkt, um Verluste wettzumachen und um gegen die eigene Angst vor Versagen anzuarbeiten. Pastorale Mitarbeiter sind des weiteren zerrieben zwischen divergierenden pastoralen Konzepten.

Seelsorgepersonal fühlt sich überlastet, weil mit alten Bildern in neuen Räumen gearbeitet wird. Kirchliche Sozialformen verflüssigen sich, in gleichem Tempo und Umfang verschieben sich Profile und Rollen der kirchlichen Berufe und Ämter. Berufsbilder erschließen sich heute nicht mehr aus einfachen Signalen, der Auftrag der verschiedenen pastoralen Dienste ist nicht mehr objektiv vorgegeben, sondern muss ausgehandelt und bestätigt werden.87 Personalentwicklung bietet Unterstützung in diesem Prozess des „Aushandelns“. Seelsorger werden ermächtigt und dazu ermutigt, das eigene Spannungsfeld zwischen den von außen herangetragenen und intrinsisch gesteuerten Erwartungen (und Allmachtsphantasien und Egomanien) zu reflektieren, um pastoral handlungsfähig zu bleiben.

Hauptberufliche Seelsorger sind öffentliche Vertreter von Kirche und werden unter dieser Perspektive sowohl von der Diözesanleitung als auch von den Gläubigen beobachtet und daran gemessen. Sie werden in ihrer Rolle und Person als Zeugen der Botschaft betrachtet. Dies ist eine große Herausforderung an die strategische Fortbildung und Weiterentwicklung des Seelsorgepersonals. Praktische Theologen (und ihre Personalverantwortlichen) haben nicht nur Bewahrungstendenzen, sondern aufgrund ihrer theologischen Kompetenz hohes Kreativitäts- und Veränderungspotenzial. Personalentwicklung in der Kirche muss Kontinuitätsfiktionen und Verhinderungsstrategien entgegenwirken. Die Fähigkeit zum Umgang mit religiösen Ungleichzeitigkeiten und innerkirchlicher Multikulturalität wird zur Schlüsselkompetenz werden.

Personalentwicklung als Begriff beinhaltet – im Unterschied zu veralteten Konzepten der Personalbewirtschaftung – das Paradigma der Entwicklung. Ein kleiner geschichtlicher Aufriss der Konzeptentwicklung in Personalarbeit soll diesen Paradigmenwechsel im Folgenden verdeutlichen.

26 Spielberg Bernhard, Ladenhüter oder Laboratorium?, 86.

27 Vgl. Dubach Alfred / Fuchs Brigitte, Ein neues Modell von Religion. Zweite Schweizer Sonderfallstudie – Herausforderung für die Kirchen, Zürich 2005, 9.

28 Haslinger Herbert, Lebensort für alle. Gemeinde neu verstehen, Düsseldorf 2005, 102.

29 Die Umfrage von Zulehner/Renner unter Pastoralreferenten im deutschsprachigen Raum ergab u.a., dass über die Hälfte der Pastoralreferenten das allgemeine Desinteresse an der Kirche, den Rückzug aus der Pfarrei und die mangelnde Attraktivität der Kirche als echte Berufsbelastung empfinden. Vgl. Zulehner Paul M. / Renner Katharina, Ortsuche. Umfrage unter Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten im deutschsprachigen Raum, Ostfildern 2006, 60.

30 Vgl. Bucher Rainer, Mehr als Adressaten. Grundsätzliche Überlegungen zum Konzept einer milieusensiblen Pastoral, in: Ebertz Michael N. / Hunstig Hans Georg (Hg.), Hinaus ins Weite, Gehversuche einer milieusensiblen Kirche, Würzburg 2008, 67-77, hier 69.

31 Vgl. Bucher Rainer, Es geht um etwas Neues. Die pastoraltheologische Herausforderung der Kirchenaustritte, in: ThPQ 156(2008), 4-12, hier 4.

32 Koch Kurt, Die Kirche Gottes, Augsburg 2007, 194.

33 Das Panorama der Spiritualitäten wird offenkundig anhand der Inhalte von Beschwerdebriefen über kirchliches Personal, welche täglich aus den Gemeinden oder von Kollegen im Bischofshaus oder in der Personalabteilung eingehen. Oft werden Ausschnitte aus Zeitungen beigefügt, die Gottesdienstverläufe oder die verwendeten, angeblich nicht mehr katholischen Gebete kritisieren.

34 Vgl. Zulehner Paul M. / Renner Katharina, Ortsuche. Umfrage unter Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten im deutschsprachigen Raum, Ostfildern 2006, 58.

35 Matthias Sellmann verweist auf eine Befragung von 600 Priestern aus 20 Kursen eines Bistums. Befragt nach ihrer Bewertung gesellschaftlicher Veränderungen waren 80 Prozent aller Wahrnehmungen von „deutlicher Sorge, Irritation und Verunsicherung“ geprägt. Nur bei jedem fünften Blick nach außen kam Freude, Aufbruch und Spannung zum Ausdruck. Abgelehnt wurden vor allem der moderne Pluralismus und die Wahlförmigkeit des Religiösen. Vgl. Sellmann Matthias, Graue Mäuse, komische Käuze? Anmerkungen zum fälligen Imagewandel kirchlicher Berufe, in: Arbeiten in der Kirche. Ämter und Dienste in der Diskussion, HerKorr Spezial 1(2009), 44-48, hier 47.

36 Erich Garhammer verweist in diesem Zusammenhang auf das sog. „zweite Kirchenjahr“, welches – aufgezeigt am Beispiel der Diözese Paderborn aus dem Jahr 1993 – beginnend mit der Kollekte für die Weltkirche im Januar über die Sternsingeraktion, Misereoraufrufe, Sonntag des Straßenverkehrs bis hin zum Weltmissionssonntag der Kinder in der Weihnachtszeit die Gemeinden beschäftigt. Vgl. Garhammer Erich, Dem Neuen trauen. Perspektiven zukünftiger Gemeindearbeit, Graz / Wien / Köln 1996, 14 ff.

37 Ebd., 18.

38 Hempelmann Reinhard, Einführung, in: Ders. u.a. (Hg.), Panorama der neuen Religiosität. Sinnsuche und Heilsversprechen zu Beginn des 21. Jahrhunderts, Gütersloh 2005, 14-23, hier 18.

39 Bieger Eckhard / Fischer Wolfgang / Mügge Jutta / Nass Elmar, Pastoral im Sinus-Land. Impulse aus der Praxis / für die Praxis, Berlin 2008, 141f.

40 Wanke Joachim, Der Bischof im Dienst von Einheit und Vielfalt, von Bewahrung und Erneuerung, in: Hillenbrand Karl / Koch Günter / Pretscher Josef (Hg.), Einheit und Vielfalt. Tradition und Innovation in der Kirche, Würzburg 2000, 94-110, hier 107.

41 Innerhalb der Katholiken weisen 36 % der Kirchenmitglieder eine hohe bis mittlere Intensität eines pantheistischen Spiritualitätsmusters auf (30 % der Protestanten). Der Religionsmonitor unterscheidet zwischen einem an einer Du-Erfahrung orientierten Transzendenzkonzept und einem pantheistischen Transzendenzkonzept, das durch Einheitserfahrung und Meditation geprägt ist. Vgl. Gabriel Karl, Religiöser Pluralismus. Die Kirchen in Westdeutschland, in: Religionsmonitor 2008, Bertelsmann Stiftung (Hg.), Gütersloh 2008, 76-85, hier 83.

42 Ebd.

43 Nassehi Armin, Erstaunliche religiöse Kompetenz, in: Religionsmonitor 2008, Bertelsmann Stiftung (Hg.), Gütersloh 2008, 113-135, hier 117.

44 Ebd., 119.

45 Ebd., 130.

46 Ebd., 130.

47 Hempelmann Reinhard u.a. (Hg.), Panorama der neuen Religiosität, 21.

48 Blasberg-Kuhnke Martina, Überforderung in der Pastoral – eine rollentheoretische Problemanzeige, in: Bibel und Liturgie. 63(1990), 42-47, hier 45.

49 Nassehi Armin, Erstaunliche religiöse Kompetenz, 131.

50 Ebd., 132.

51 Spielberg Bernhard, Kreisquadrat und Pfarrgemeinde. Zwei unlösbare Probleme, in: LS 57(2006) ‚92-101, hier 98.

52 Fuchs Brigitte, Der Blick nach vorne. Pastoraltheologische Überlegungen zur zweiten Sonderfallstudie, in: Dies. / Alfred Dubach, Ein neues Modell von Religion. Zweite Schweizer Sonderfallstudie – Herausforderung für die Kirchen, Zürich 2005, 167-235, hier 200f.

53 Bucher Rainer, Die Entdeckung der Kasualienfrommen. Einige Konsequenzen für Pastoral und Pastoraltheologie, in: Först Johannes / Kügler Joachim (Hg.), Die unbekannte Mehrheit: Mit Taufe, Trauung und Bestattung durchs Leben? Eine empirische Untersuchung zur „Kasualienfrömmigkeit“ von Katholik-Innen. Bericht und interdisziplinäre Auswertung, Berlin 2006, 77-92, hier 83.

54 Ebd.

55 Diese Relevanz hängt nicht unwesentlich von der Ausstrahlung und Kompetenz der dort tätigen Seelsorger ab.

56 Haslinger Herbert, Lebensort für alle, 102.

57 Fuchs Brigitte, Der Blick nach vorne, 226.

58 Haslinger Herbert / Bundschuh-Schramm Christiane, Gemeinde, in: Haslinger Herbert u.a. (Hg.), Handbuch Praktische Theologie, Band 2 Durchführungen, Mainz 2000, 287-307, hier 306.

59 Vgl. Först Johannes, Die unbekannte Mehrheit. Sinn- und Handlungsorientierung „kasualienfrommer“ Christ/inn/en, in: Först Johannes / Kügler Joachim (Hg.), Die unbekannte Mehrheit: Mit Taufe, Trauung und Bestattung durchs Leben? Eine empirische Untersuchung zur „Kasualienfrömmigkeit“ von KatholikInnen. Bericht und interdisziplinäre Auswertung, Berlin 2006, 13-55.

60 Schick Ludwig, Geleitwort des Erzbischofs von Bamberg, in: Först Johannes / Kügler Joachim (Hg.), Die unbekannte Mehrheit, 8.

61 Bucher Rainer, Die Entdeckung der Kasualienfrommen, 83.

62 Ebd., 85.

63 Vgl. Sellmann Matthias, Von der „Gruppe“ zum „Netzwerk“. Große pastorale Räume als Chance für eine durchbrechende Vielfalt kirchlicher Sozialformen, in: AnzS 119(2010/3), 19-23.

64 Kehl Medard, Wohin geht die Kirche? Eine Zeitdiagnose, Freiburg 1996, 138.

65 Först Johannes, Die unbekannte Mehrheit, 38.

66 Ebd., 41.

67 Vgl. Bucher Rainer, Die Entdeckung der Kasualienfrommen, 91.

68 Vgl. Haslinger Herbert, Lebensort für alle, 108f.

69 Matthias Sellmann beschreibt die Ressentiments vieler Seelsorger, die modernen Individualismus als „Konsumdenken, Oberflächlichkeit und Bindungsschwäche“ ablehnen und auf die eigene Stand-festigkeit „im reißenden Fluss“ setzen. Vgl. Sellmann Matthias, Graue Mäuse, komische Käuze?, 47.

70 Först Johannes, Die unbekannte Mehrheit, 79.

71 Ebd.

72 Fuchs Ottmar, Sakramententheologische Kriterien der Kasualpastoral, in: Först Johannes / Kügler Joachim (Hg.), Die unbekannte Mehrheit. Mit Taufe, Trauung und Bestattung durchs Leben? Eine empirische Untersuchung zur „Kasualienfrömmigkeit“ von KatholikInnen -Bericht und interdisziplinäre Auswertung, Berlin 2006, 93-117, hier 98.

73 Vgl. ebd., 114f.

74 Hempelmann Reinhard u.a. (Hg.), Panorama der neuen Religiosität, 20.

75 Vgl. Fuchs Brigitte, Der Blick nach vorne, 196f.

76 Papst Johannes Paul II., Direktorium für den Hirtendienst der Bischöfe. Kongregation der Bischöfe. 22. Februar 2004, hg. vom Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2006 (= VAS 173), Nr. 76.

77 Zulehner Michael, Priesterliche Identität im Wechsel der Zeit. Vielfalt der Priestertypen und ihre Gefährdungen, in: AnzS 112(2003/5), 11-15, hier 14.

78 Vgl. Weuthen Johannes, Rollenwechsel in der Pastoral. Entwicklungs- und Prozesssteuerungsaufgaben als zentrale Herausforderung für Seelsorger/innen, in: Dessoy Valentin / Lames Gundo (Hg.), Denn sicher gibt es eine Zukunft (Spr 23,18). Strategische Perspektiven kirchlicher Organisationsentwicklung, Trier 2008, 102-115.

79 Vgl. Benner Dieter, Allgemeine Pädagogik. Eine systematisch-problemgeschichtliche Einführung in die Grundstrukturen pädagogischen Denkens und Handelns, Weinheim 1996, 42-44.

80 Vgl. Gärtner Stefan, „Postmoderne“ Pastoral? Exemplarische Reflexionen zu einem Kasus, in: LS 60(2009), 151-155.

81 Vgl. ebd.

82 Bründl Jürgen, Der Professionalisierungskomplex. Einsprüche gegen ein großes egologisches Format. Die Replik von Jürgen Bründl auf Stefan Gärtner, in: LS 60(2009), 156-157, hier 156.

83 Ebd., 157.

84 Ebd.

85 Offene Stellen im Bereich der kategorialen Seelsorge sind in allen Diözesen meist rasch wiederzubesetzen, während der Großteil pfarreilich angesiedelter Stellen in Bewerbungsverfahren lange offen bleibt.

86 Vgl. Bucher Rainer, Wider die falschen Alternativen. Die Ambivalenzen pastoraler Professionalisierung und wie man mit ihnen umgehen sollte, in: AnzS 117(2008/1), 5-7.

87 Vgl. Luhmann Niklas, Religion als Kultur, in: Kallscheuer Otto (Hg.), Das Europa der Religionen. Ein Kontinent zwischen Säkularisierung und Fundamentalismus, Frankfurt a. M. 1996, 291-318, hier 312.

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