Читать книгу Personalentwicklung im Bereich Seelsorgepersonal - Christine Schrappe - Страница 7
Das Anliegen
ОглавлениеDie Förderung des pastoralen Personals ist Investition in die Zukunft der Kirche, in ihre Glaubwürdigkeit und in die Sicherung ihrer Auftragserfüllung. Das hauptberufliche pastorale Personal im Pfarreidienst ist in besonderem Maße von aktuellen Umstrukturierungsmaßnahmen in allen deutschen Diözesen betroffen. Die Verflüssigung kirchlicher Sozialformen führt zur Auflösung traditioneller Berufsbilder. Dabei handelt es nicht um marginale Aufgabenverschiebungen, sondern um die Frage nach der Rolle und Identität aller pastoraler Dienste. Es geht um die Reflexion des Auftrags der Kirche heute.
Die Motivation und Arbeitshaltung hauptberuflicher Theologen wird beeinflusst durch die realen Arbeitsbedingungen in der Kirche. Dabei empfinden die hauptamtlich in der Kirche Tätigen die „Asymmetrie der Perspektiven“2, die Spannung zwischen kirchlichem Selbstverständnis, der allgemeingesellschaftlichen Wahrnehmung von Kirche und der eigenen Binnenansicht als besondere Herausforderung. Der Umgangsstil innerhalb der Kirche wird von Seelsorgern manchmal als belastender empfunden als die eigentlichen Arbeitsanforderungen in der Pastoral. Unzufriedenheit mit innerdiözesanen Leitungs- und Kommunikationsstrukturen hat gerade in Umbruchszeiten Auswirkungen auf die Ausstrahlung und Überzeugungskraft des einzelnen Theologen.
Organisationen sind immer auch „geronnene“ Werte. Das Menschenbild der Organisation Kirche lässt sich am Umgang mit dem eigenen Personal ablesen. Personalarbeit unterliegt großem Handlungsdruck durch täglich neue Konflikte und Problemstellungen. Die Schwangerschaft einer Gemeindereferentin, die plötzliche Erkrankung eines Pfarrers oder ein öffentlich ausgetragener Konflikt in einer Pfarrei zwingt Personalverantwortliche, unter hohem Zeitdruck existentielle Entscheidungen zu treffen. Stellenveränderungswünsche von Laien oder Personalanfragen von Pfarrern können nicht immer wunschgemäß bedient werden, unangenehme Entscheidungen müssen Gemeinden täglich vermittelt werden. Wenig Zeit bleibt dabei, das Selbstverständnis als Personalverantwortlicher oder das eigene Konzept von Personalentwicklung zu überdenken. Der tägliche Handlungsdruck birgt die Gefahr der steten Reaktion statt proaktiver Gestaltung von Personalarbeit. Der theologischen Begründung kommt in diesen Prozessen die undankbare Rolle der „Nachreflexion“ zu. Die pastoraltheologische Beleuchtung einzelner kirchlicher Handlungsfelder muss sich deswegen auch auf den internen Umgang mit den eigenen Mitarbeitern beziehen. Wo dies unterbleibt, besteht gerade im Alltag einer Personalabteilung die Gefahr des „Totalitarismus“ der Praxis. Ein unter hohem Zeitdruck sich entwickelnder Pragmatismus im „Personalgeschäft“ gefährdet den Anspruch, Personalentwicklung als verantwortetes Handeln im Rahmen des kirchlichen Auftrages zu wahrzunehmen und zu gestalten.
Praktische Theologie hat eine kritisch-prophetische Aufgabe. Sie muss Horizontverengungen benennen, Spuren auslegen auch für die konkrete Gestaltung eines Handelns von Kirche als Organisation und Dienstgeberin. Die Perspektive der Betroffenen (hier Personal) wird dabei zum hermeneutischen Konstitutivum. Praktische Theologie steht optional auf der Seite der Menschen und deren Nöte (hier: Not des Personals mit und in der Kirche). Sie reflektiert „die Praxis der Menschen unter dem Zuspruch und Anspruch des in der biblischen Tradition wurzelnden Glaubens an den Gott Christi“.3 Bischöfliche Ordinariate mit ihren Personalabteilungen, Baureferaten und Finanzkammern müssen auch auf operativer Ebene „theologiesensibel“ bleiben. Das bedeutet, die eigenen Konzepte transparent zu kommunizieren und sich dem theologischen Diskurs zu stellen.
Berührungsängste im Diskurs zwischen Kirchenpraktikern und akademischer Theologie können und müssen abgebaut werden. Die gegenseitige Beschreibung mit Defizitmodellen ist kontraproduktiv. Weder hat die Praxis den Part der ständigen Korrekturbedürftigkeit noch hat die Theorie das Monopol der normativen Orientierung. Kirchliche Verantwortungsträger müssen der Gefahr widerstehen, die Theologie in ihrem Sinne zur Legitimation des Bestehenden „domestizieren“ zu wollen. Praktische Theologie ihrerseits verliert an Relevanz, wenn sie z.B. in Lehramt oder Organisationsvertretern nur einen widerständigen und theologieresistenten Gegenpol sieht.4 Übersetzungsarbeit ist zu leisten und es gilt Brücken zu bauen. Diese Arbeit versteht sich als eine „Brücke“. Mein Anliegen ist es, die Rolle der Personalentwicklung in gegenwärtigen diözesanen Transformationsprozessen theologisch zu reflektieren, um daraus Handlungsleitlinien für Personalarbeit in diözesanen Strukturen abzuleiten.
2 Kehl Medhard, Die Kirche. Eine katholische Ekklesiologie, Würzburg 1994, 189.
3 Haslinger Herbert / Bundschuh-Schramm Christiane / Fuchs Ottmar / Karrer Leo / Klein Stephanie / Knobloch Stefan / Stoltenberg Gundelinde, Praktische Theologie – eine Begriffsbestimmung in Thesen, in: Haslinger Herbert u.a. (Hg.), Handbuch Praktische Theologie Band 1, Grundlegungen, Mainz 1999, 386-397, hier 393.
4 Vgl. ebd., 394.