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URALTE WEIBLICHE HEILTRADITION

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Selbstverständlich gibt es auch hervorragende Heiler männlichen Geschlechts, aber eigentlich waren Heilen und Krankenpflege immer eine weibliche Domäne, und das, so die kulturanthropologische Forschung, seit der Altsteinzeit. Über 90 Prozent unseres Daseins als Homo sapiens lebten wir als Wildbeuter. Bei den heutigen Jäger- und Sammlervölkern funktioniert die natürliche Arbeitsteilung nach Geschlecht – ganz allgemein gesprochen – noch immer so: Die Männer jagen. Sie verfolgen und erlegen das Wild und schleppen das Wildbret ins Lager. Die Frauen dagegen sammeln die essbaren und heilsamen Wurzeln, Sprosse und Wildkräuter. Die Frauen der Gemeinschaft, die Mütter mit Säuglingen in der Tragschlinge, die Schwangeren, die jungen Mädchen und auch die alten erfahrenen Großmütter, die die Sammelplätze seit Langem kennen, unternehmen gemeinsame Sammelexkursionen. Es sind meist fröhliche, ausgelassene Ausflüge, Teil der weiblichen Kultur. So heißt es bei den australischen Aborigines: Männer töten, Frauen bringen Leben hervor. »Wir tragen Pflanzstöcke (dibble sticks), keine Speere.

Wir sind Frauen, keine Männer«, erklärte eine Aborigine-Frau der Anthropologin Catherine Berndt.

Kulturanthropologen konnten ermitteln, dass bei den Wildbeutern, den Hortikultur und Hackbau betreibenden Völkern 80 bis 90 Prozent der Nahrung von den Frauen herbeigeschafft werden. Dabei wird zwischen Nahrungs- und Heilpflanzen nicht kategorisch unterschieden. Wie ethnografische Untersuchungen bestätigen, wurde das pflanzliche Wissen von einer Frauengeneration hinweg zur anderen Generation weitergegeben. Und das seit Jahrtausenden.

Als die Menschen vor rund 10 000 Jahren sesshaft wurden, waren es immer noch die Frauen, die sich um das Pflanzenwissen kümmerten. Sie bestellten die Gärten, säten und pflanzten, hackten die Beete und ernteten; auch die Heilpflanzen gehörten zu ihrer Domäne. Die Männer halfen zwar bei der schweren Arbeit, beim Brandroden oder eventuell beim Bewässern. Wenn sie sich um Pflanzen kümmerten, dann vor allem um solche, die berauschen oder das Bewusstsein verändern können; auch Pfeilgifte oder Fischgifte waren das Anliegen der Männer.

Als Musterbeispiel gelten die Irokesen, deren Gärten und Felder Besitztum der matrilinearen Clans waren. Die Männer als Jäger und Krieger sicherten das Umfeld der Dörfer. Eine Himmelsfrau brachte der Überlieferung nach die drei wichtigsten Feldfrüchte – Mais, Bohnen und Kürbisse – wie auch die Ackerbegleitpflanzen, die als Suppengrün oder Heilpflanzen verwendet wurden, auf die Erde.

Die Pflanzenwelt galt ganz allgemein als weiblich. Bei den keltischen Walisern nannte man die Vegetationsgöttin Blodeuwedd; bei den Germanen war sie die Nana, bei den Griechen die Blumenbraut Persephone.

Nicht nur sicherten die Frauen die pflanzliche Ernährungsbasis – auch das Pflegen der Kinder, der Kranken, Verwundeten und gebrechlichen Alten war bei den alten Völkern die alltägliche Aufgabe der Frauen.

Wir können also sagen, dass die botanischen Kenntnisse und das Wissen um die Heilkraft der Vegetation tiefe Wurzeln haben. Pflanzenwissen prägte sich allmählich bis ins weibliche Unterbewusste ein.

Unser europäisches kulturelles Erbe ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Auch bei den Bewohnern unseres Erdteils war es vor allem die Frau, die die heilsamen Kräuter kannte und anwendete. Homer erwähnt, dass die schöne Helena eine hervorragende Heilerin war. In der Ilias (11: 740) erzählt er: »Agamede, mit dem blonden Haar, eine Heilerin war sie, und kannte wohl die Kräuter alle, die auf der Erde wuchsen.«

Vor allem bei den Waldvölkern, den Kelten, Germanen, Slawen und Balten, war es die Hausfrau, die für die Gesundheit der Menschen und Tiere in Haus und Hof zuständig war. Etymologisch bedeutet das Wort Frau, wie auch Freya (die Göttin des Lebens), übrigens »Herrin« – die Hausfrau ist also die Herrin des Hauses. Sie war die Feuerhüterin; der Herd galt als die Herzmitte des Hauses und das Feuer darin als die mikrokosmische Sonne. Der Rauchfang über der Herdstelle galt als der Zugang zu den jenseitigen Welten. Durch den Kamin kamen auch die Geister, ebenso wie der Storch (Adebar, der Glücksbringer), der die Seelen der Kinder brachte. Und in der Meditation, der Versenkung oder in der tiefen Trance flogen die Seelen – die später als Hexen verteufelten Schamaninnen – durch den Rauchfang in die anderen Welten. Am Feuer, das die Stube erwärmt, am heiligen Herd, wurde nicht nur die Nahrung zubereitet, sondern auch die Heilmittel. Hier wurden der Kräutertee gebraut und die Heilsalbe gerührt.

Überhaupt spielte Wärme – wir würden sagen Überhitzungstherapie (Hyperthermie) – in Form von heißen Bädern, Saunas, Banjas (in Russland) und Wickeln – oder das Auflegen heißer Steine (oder Wärmeflaschen) in der Heilkunde der Völker eine wesentliche Rolle bei der Behandlung von Krankheiten. In unserem Haushalt ist das noch immer der Fall.

Unsere grüne Kraft - das Heilwissen der Familie Storl

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