Читать книгу Nibelar - Die Gruft - Christine Troy - Страница 11
Kapitel 2 Das Treffen
ОглавлениеDie kühle Nachtluft strich erfrischend über Rajas Haut, als sie die hohe, mit Gold und Kristall veredelte Tür öffnete, die aus König Algars Schlafgemach hinaus auf den Balkon führte. Es klackte leise, als die Zwergin die schwere Tür hinter sich zuzog. Raja schloss die Augen und atmete tief durch. Endlich etwas Zerstreuung. Bis jetzt hatte sie an König Algars, ihres Onkels Bett gesessen, ihn mit getränkten Wickeln und vielversprechender Medizin versorgt. Heftige Schüttelkrämpfe und Fieber hatten den alten Herrn geplagt, doch nun war er endlich eingeschlafen. Erschöpft trat Raja an das steinerne Geländer und richtete den Blick gen Himmel.
Es war eine traumhafte Nacht, die Sterne funkelten und der zunehmende Mond, der seinen Höhepunkt nahezu erreicht hatte, warf sein silberweißes Licht auf die Bergkette, die wie ein steinerner Ring um Felsstadt lag. Auf den Dächern der Häuser unter ihr funkelte der gefrorene Schnee wie Diamantsplitter, und bis auf das Gemurmel der beiden Wachmänner, die auf einem benachbarten Balkon patrouillierten, lag eine angenehm friedliche Stille auf der Stadt. Raja seufzte wehmütig und legte den Kopf in den Nacken. Dabei fühlte sie deutlich, wie der kühle Gegenstand, den sie um den Hals trug, ein wenig verrutschte. Das Amulett von Dawatai.
„Ach“, seufzte die kleine Frau versonnen und zog das Schmuckstück unter ihrer cremefarbenen Weste hervor. „Dich hätte ich ja beinahe vergessen.“
Anmutig ruhte der alabasterfarbene Stein mit der geschmackvollen Silberumrandung in ihren Händen. Raja hatte das Amulett und dessen Zaubermacht keineswegs vergessen. Wie könnte sie auch, besaß das Schmuckstück doch die einzigartige Fähigkeit, seinem Träger Bilder seiner Liebsten, seiner Bekannten oder Freunde zu zeigen. Szenen, anhand derer deutlich zu erkennen war, wo sich die gesuchte Person just in diesem Augenblick befand und was sie tat. Nein, Raja hatte das Amulett nicht vergessen, im Gegenteil, seit Tagen spielte sie nun schon mit dem Gedanken, es zu verwenden, nachzusehen, wie es ihren Freunden ging. Bislang hatte ihr dafür jedoch nicht nur die Zeit, sondern auch der notwendige Mut gefehlt. Doch das sollte sich ändern.
Nervosität stieg in der kleinen Frau auf. Was würde ihr das Schmuckstück zeigen? Dass es Saruna und Gweldon so weit gut ging, wusste sie, schließlich waren sie in Dalwas und somit in Sicherheit. Aber was war mit Zemeas, Azarol und Nalaj? Was war mit dem Volk der Feuerelfen? Hatten sie ihr bis auf die Grundmauern abgebranntes Dorf wieder aufbauen können? Oder mussten sie gar einem weiteren Angriff der heimtückischen Yarge standhalten?
Raja seufzte, gleich würde sie es wissen. Das Amulett fest umklammernd verharrte sie zunächst einen Moment unsicher, dann schloss sie die Augen und drückte den kühlen Stein an ihr Herz. Augenblicklich erschien ein Bild vor ihrem inneren Auge. Unscharf, doch Raja erkannte Walgerad. Sie roch verbranntes Holz, feuchte Erde und irgendein penetrant süßliches Aroma stach ihr in der Nase. Den Geruch ignorierend konzentrierte sie sich auf das Bild, das nun stetig schärfer wurde. Im fahlen Mondschein erkannte sie den zerschlagenen Dorfbrunnen und die bis auf die Grundmauern abgebrannten Häuser. Da und dort lagen zwischen den Ruinen aus verkohlten Holzscheiten und Balken aufgebaute Haufen, doch weit und breit war kein Elf zu sehen. Verständnislos drückte Raja das Amulett fester gegen ihre Brust. Abermals strich ihr Blick durch die Ruinen – nichts. Doch, halt! Da, unmittelbar vor ihr bewegte sich etwas am Boden. Im spärlichen Mondlicht hatte sie die reglose Gestalt, die ein Stück vor ihr auf dem Boden gekauert hatte und die sich nun vor ihr aufbaute, nicht sofort ausmachen können. Das Herz der Zwergin pochte heftig.
„Zemeas?“, fragte sie mit belegter Stimme.
Die Gestalt kam näher, Raja erkannte einen langen Kapuzenumhang. Nun wandte die Gestalt den Blick zum Himmel, schon meinte die Zwergin die Umrisse eines Gesichts erkennen zu können, als jemand unmittelbar neben ihr ihren Namen flüsterte und sie vor Schreck das Amulett fallen ließ.
„Hey, hey, Raja, ist schon gut. Ich bin’s doch, Ranon“, beruhigte sie eine ihr wohlbekannte Stimme.
Raja hatte vor Schreck die Augen aufgeschlagen, das Herz klopfte ihr bis in den Hals und das Amulett von Dawatai schaukelte matt blinkend an der silbernen Kette, die sie um den Hals trug.
„Tut mir leid, mein Schatz, ich wollte dich nicht erschrecken“, entschuldigte sich der stattliche Zwerg mit dem roten Vollbart und drückte seiner Frau einen zärtlichen Kuss auf die Lippen. „Alles in Ordnung mit dir?“
„Wie? Ja ... ja, mit mir ist alles in Ordnung“, stammelte die Zwergin.
„Was machst du denn hier draußen? Es ist doch bitterkalt.“ Mit diesen Worten schlüpfte Ranon aus seinem Mantel und legte ihn seiner Frau behutsam über die Schultern.
„Ach nein“, widersprach diese schwach lächelnd. „Ich finde es angenehm. Und abgesehen davon hatten wir schon lange keine so sternenklare Nacht mehr wie diese.“
„Das stimmt wohl“, pflichtete der Bärtige ihr bei und richtete seinerseits den Blick in den nächtlichen Himmel. „So friedlich, so beruhigend.“
„Ja“, murmelte Raja. „Kaum zu glauben, dass unser wunderschönes Land in naher Zukunft Schauplatz eines grausamen Krieges sein soll.“
Ranon seufzte und senkte den Blick auf seine Frau, die ihn traurig aus ihren großen topasfarbenen Augen ansah. „Denkst du denn wirklich, dass Nalajs Prophezeiungen stimmen? Ich meine, sie ist eine alte, recht verwirrte Frau.“ Raja schürzte die Lippen und strafte ihren Gatten mit einem wütenden Blick. „Schon gut, schon gut. Ich meine ja nur.“
„Ranon, Nalaj mag vielleicht nicht mehr die Jüngste sein und – ja, zugegeben – manchmal wirkt sie etwas verwirrt, aber dennoch glaube ich ihr und ihren Prophezeiungen. Ich meine, ich war da, ich war selbst da, als Walgerad von einem Heer Yarge überfallen und dem Erdboden gleichgemacht wurde.“ Bei dem Gedanken an den widerwärtigen Yargen, der sie damals in Walgerad angesprungen und ihr ins Gesicht gebissen hatte, strich sich Raja mit den Fingern über die silbrig schimmernde Narbe, die sichelförmig von ihrem linken Jochbein bis knapp über das Kinn reichte. Sie seufzte, verwarf die schmerzhafte Erinnerung und fuhr fort: „Und was ist mit den seltsamen Vorfällen, die sich momentan in ganz Nibelar zutragen? Wie erklärst du dir, dass Menschen, Elfen und Zwerge auf unerklärliche Weise verschwinden? Oder dass Blumen, Bäume, ja gar ganze Wälder über Nacht all ihre Blätter fallen lassen und verdorren?“
„Schon gut, schon gut, du hast ja recht, ich glaube dir. Und ich glaube auch dieser Nalaj – dir zuliebe. Felsstadt wappnet sich bereits für den Fall eines Angriffs. Unsere Mauern werden standhalten und auch unsere Streitkräfte werden sich zu verteidigen wissen. Und dennoch, sollte dieser Jarkodas tatsächlich mit seiner Armee über Nibelar herfallen, bedürfte es weit mehr als Felsstadts Königswache, um das Land vor dem sicheren Untergang zu bewahren.“
„Das weiß ich doch, Ranon, aber du sorgst dich umsonst. Wir sind nicht allein, Dalwas’ und Walgerads Elfen kämpfen an unserer Seite ... und was ist mit den Zwergen aus Selatog und Zwergenruh? Haben wir nicht bereits nach ihnen geschickt?“
„Pah!“, fauchte der Bärtige. „Mag ja sein, dass uns die Elfen zu Hilfe kommen würden, aber was das Volk der Zwerge anbelangt, so bin ich mir dessen Unterstützung nicht gewiss.“ Ranon blickte Raja eindringlich in die Augen, während er mit gesenkter Stimme weitersprach. „Terdan, Zwergenruhs Ältester, ist wenig auf unser Wohl bedacht, vielmehr gilt sein Interesse seinem eigenen Volk, oder besser gesagt dessen Schatzkammer. Gold, Silber, seltene Edelsteine –Terdans Gier nach Macht und wertvollen Schätzen ist unersättlich und hat über die Jahre hinweg seinen Verstand verseucht ... Und was den Stadtherren Horgard aus Selatog betrifft, so brauche ich dir unseren Disput vor fünf Jahren gewiss nicht in Erinnerung zu rufen.“
„Nein“, gab die kleinlaute Stimme der Zwergin murmelnd zur Antwort. „Aber das ist doch inzwischen längst verjährt.“
„Für dich vielleicht, aber Horgard ist einer der letzten Nordclam-Zwerge – stur, eigensinnig und ungemein nachtragend.“
Die kleine Frau nickte stumm und ließ den Kopf sinken. Eine kühle Brise kam auf, wehte ihr das rote Haar aus der Stirn und Ranon erkannte die Trauer in ihren Augen. Seufzend legte er ihr den Zeigefinger unter das Kinn und hob es so an, dass sie einander gut in die Augen sehen konnten.
„Raja“, sagte er liebevoll. „Ich verspreche dir, dass ich alles geben werde, um Horgard und Terdan von Nalajs Prophezeiungen und unserem Vorhaben zu überzeugen. Wer weiß, vielleicht täusche ich mich ja in ihnen und sie schließen sich uns an. Und falls nicht ... nun, so haben wir es wenigstens versucht.“ Ranon schenkte seiner Frau ein gewinnendes Lächeln, strich mit dem Daumen sanft über ihre Wange und bedeckte ihre Lippen mit einem zärtlichen Kuss. „Fühlst du dich jetzt ein wenig besser?“ Mit hochgezogenen Augenbrauen grinste der Bärtige unverschämt. Die kleine Frau lächelte kopfschüttelnd und barg das Gesicht an der stattlichen Brust ihres Gemahls. „Sag mal“, raunte der. „Hier draußen ist es doch bitterkalt, wollen wir uns nicht lieber in unser mollig warmes Schlafgemach zurückziehen?“
Nun breitete sich auch auf Rajas Lippen ein breites Grinsen aus. Sie hob den Kopf und blickte Ranon in die schmachtenden Augen. „Na ja“, sagte sie und strich ihm verführerisch mit den Fingerkuppen über die Unterlippe. „Warum eigentlich nicht? Algar schläft tief und fest und mir würde zur Abwechslung mal wieder eine Nacht in meinem eigenen Bett nicht schaden.“
Mit freudig strahlenden Augen senkte Ranon den Kopf und platzierte begierige Küsse auf dem zierlichen Gesicht seiner Frau. Er roch ihren lieblichen Duft, spürte ihre zarte Haut. Schon wollte er sie auf die kräftigen Arme nehmen, als sie ihn erschrocken von sich schob.
„Scht“, hauchte sie und lauschte. Ein schwaches Husten. „Das ist mein Onkel, er muss aufgewacht sein.“ Mit betrübter Miene flüsterte sie entschuldigend: „Tut mir leid, mein Liebling, aber du wirst dich wohl noch etwas gedulden müssen. Algar braucht seine Medizin.“ Sich innig umarmend schwiegen die beiden einen Moment lang. Dann löste sich Raja aus der Umarmung, küsste Ranon liebevoll auf die Lippen und ging schweigend die paar Schritte zur großen Tür, die in Algars Gemächer führte. Sie blickte wehmütig über die Schulter. Ranon stand unverändert betrübt am Geländer. „Weißt du was?“, sagte sie mit verführerischer Stimme. „Geh doch schon mal vor, ich kümmere mich um meinen Onkel und komme dann nach, sowie er schläft.“ Nun erstrahlte auf Ranons Gesicht ein glückliches, ja, fast schon jungenhaft übermütiges Grinsen und er nickte bekräftigend. Ein leises Klacken, die Tür fiel ins Schloss und Raja war verschwunden.
Der nächste Morgen begann kühl und die ersten Sonnenstrahlen bahnten sich nur zaghaft ihren Weg durch einen Spalt zwischen den Nachtvorhängen in Algars Schlafgemach. Das weißgelbe Licht ergoss sich sanft über den steinernen Boden, den purpurnen Läufer, der vor des Königs Bett lag, und den gepolsterten Sessel mit der hohen Lehne, in dem Raja in eine kuschelige Decke gehüllt schlief. Als die wärmenden Strahlen auf das Gesicht der kleinen Frau fielen, erwachte sie. Träge blinzelnd fiel ihr Blick sogleich auf das riesige Bett mit dem goldverzierten Seidenhimmel und der cremefarbenen Seidenwäsche, in welchem der König auf ein Daunenpolster gebettet lag. Er sah schlecht aus. Die Haut wachsig blass, die Wangen eingefallen und die geschlossenen Augen von dunklen Schatten umrandet. Sein grauer, sonst so gepflegter Bart wirkte strohig und irgendwie ungepflegt.
Mit steifen Gliedern erhob sich Raja aus ihrem Sessel und setzte sich ans Bett des Königs. Seine Atmung war noch immer schwach und bedenklich unregelmäßig. Behutsam drückte die Zwergin ihren Handrücken an seine Stirn. Fieber. Sie seufzte, griff nach dem Lappen, der auf der Kommode neben dem Bett in einer Schüssel mit milchiger Flüssigkeit lag, wrang ihn aus und legte ihn Algar auf die Stirn. Der Alte räusperte sich röchelnd. Das kühle Tuch musste ihn aufgeweckt haben, denn unter den geschlossenen Lidern bewegte sich etwas.
„Raja?“, hauchte der König kraftlos und öffnete die blutunterlaufenen Augen.
„Ja, Onkel, ich bin hier.“ Mit diesen Worten griff sie nach der faltigen Hand des Königs und beugte sich über ihn, auf dass er sie gut sehen konnte.
„Raja, mein liebes Kind. Du siehst erschöpft aus.“
„Mir geht es gut“, versicherte die Kleine mit einem liebevollen Lächeln auf den Lippen. „Aber sag, wie geht es dir? Fühlst du dich etwas besser? Hat die Medizin des Leibarztes geholfen?“
„Noch nicht, aber die Wirkung wird bestimmt bald eintreten.“ Raja stöhnte auf und fuhr sich voller Sorge durchs Haar. „Mein liebes Kind, mach dir meinetwegen keine Sorgen, das wird schon.“
„Und wenn nicht?“ Raja sprach so leise, dass Algar Mühe hatte, sie zu verstehen. Das von Sorge gezeichnete Gesicht abgewandt unterdrückte die Zwergin ein Seufzen.
„Ich versichere dir, dass du dich gänzlich umsonst sorgst. Ich brauche nur ein paar Tage Zeit, um mich zu erholen. Du wirst schon sehen ... bestimmt.“ Algar unterbrach sich selbst durch einen hässlichen Hustenanfall. „Bestimmt ... wird ...“ Das Gesicht von einer glitzernden Schweißschicht überzogen bäumte sich der Alte in einem Fieberkrampf auf, röchelte und hustete, bis er Blut spuckte.
Raja reagierte sofort, fuhr ihm mit der Hand unter den Rücken und richtete ihn auf. Dann wartete sie, bis sich der Anfall gelegt hatte, nahm den steinernen Becher mit der moosfarbenen Flüssigkeit von der Kommode, gab dem König daraus zu trinken und bettete ihn wieder auf sein Kissen.
„Danke“, hauchte er matt. „Jetzt geht’s mir besser.“
Raja schluckte schwer, nickte aber. Ihr war zum Heulen zumute. Algar war wie ein Vater für sie. Er hatte sich stets um sie gekümmert, ihr zu allen Zeiten zur Seite gestanden – und nun? Nun musste sie dabei zusehen, wie seine Lebensgeister von Tag zu Tag mehr schwanden. Wie der dunkle Schatten des Todes immer weiter an ihn herankroch und nach ihm verlangte. Sie strich ihm das graue Haar aus der Stirn und bedachte ihn mit einem liebevollen Blick.
„Hast du wieder die ganze Nacht an meinem Bett gewacht?“, erkundigte sich der König mit dünner, von schlechtem Gewissen durchtränkter Stimme.
Raja nickte. Auf das Gesicht des Alten schlich sich ein betrübter Ausdruck. Der kleinen Frau war dies nicht entgangen, doch gerade als sie sich erklären wollte, klackte es und die hohe Zimmertür, die in den Flur führte, glitt geräuschlos auf. Ein großer, in helle Kleider gewandeter Mann mit gepflegtem Bart, kinnlangem grauem Haar und ernstem Gesicht trat ein. Um die Taille hatte er einen erdbraunen Gürtel gebunden und über seiner Brust hing eine prall gefüllte Ledertasche. „Guten Morgen, ihr zwei“, begrüßte der Mann Raja und den König.
„Weldran!“ Raja sprang auf und fiel dem Waldelfen glücklich um den Hals. „Wie gut, dass du da bist, meinem Onkel geht es gar nicht gut. Er isst und trinkt kaum mehr und windet sich immer häufiger in schlimmen Fieber- und Muskelkrämpfen. Außerdem spuckt er inzwischen bei jedem Hustenanfall Blut.“
Weldran betrachtete die Kleine aus seinen sanften braunen Augen. Als sie zu Ende gesprochen hatte, nickte er, trat ans Bett des Königs, fühlte seine Stirn und fragte: „Wie lange hat er schon so hohes Fieber?“
„Seit gestern Morgen.“
Der Waldelf zog besorgt die Brauen zusammen. „Und wie viel hat er seither getrunken?“
„Praktisch gar nichts. Er schläft mehr oder weniger die ganze Zeit und seine Leibärzte meinten, dass wir ihn schlafen lassen sollten.“
Weldran schüttelte verständnislos den Kopf, erwiderte jedoch lediglich: „Na gut“, und wandte sich dann an Raja. „Was ist mit dir? Du siehst erschöpft aus. Geh und leg dich etwas hin, ich kümmere mich um deinen Onkel.“
„Bist du sicher? Ich meine, ich helfe dir gerne, vielleicht brauchst du ja noch etwas. Frisches Wasser oder saubere Tücher vielleicht? Du brauchst nur zu sagen, was du benötigst ...“
„Das ist nett von dir, meine Liebe. Aber ich komme schon zurecht. Geh nur, leg dich schlafen.“ Mit diesen Worten öffnete der Graue seine abgenutzte Ledertasche und förderte daraus ein kleines steinernes Gefäß zutage.
„Also gut, dann werde ich mich ein wenig hinlegen. Aber du sagst Bescheid, sobald ich dir helfen kann.“
„Mach ich, und jetzt geh, ruh dich aus!“
Geräuschvoll fiel die hohe Eichentür hinter Raja ins Schloss. Ihr Schlafgemach war von schummrig rötlichem Licht erfüllt, das durch die schweren Nachtvorhänge drang. Als Rajas Blick auf das riesige Himmelbett mit der edlen Bettwäsche im hinteren Teil des Zimmers fiel, breitete sich auf ihren Lippen ein müdes, aber glückliches Lächeln aus. Leise schlich sie über den blutroten Teppich, der nahezu den gesamten Boden bedeckte, an Ranons Seite, griff nach dessen Decke und hob sie mit einem Ruck an. Doch zu ihrer Enttäuschung war ihr Gatte nicht da und ihr Lächeln verschwand. Sie seufzte, setzte sich aufs Bett und ließ missmutig den Blick durchs Zimmer wandern. Von dem zierlichen Tischchen und den dazugehörigen Stühlen, die inmitten des Raumes standen, über die mächtigen kalkweißen Steinskulpturen, auf deren Köpfen in gläsernen Vasen zartblaue Fliedersträuße standen, bis hin zu einem gigantischen Wandgemälde, welches Felsstadt in all seiner Pracht zeigte. Dann fiel ihr Blick auf den bunten Geschenkeberg, der seit ihrer Hochzeit vor etwas mehr als zwei Wochen in der vorderen Ecke unter einem der hohen Fenster aufgebaut war.
Erneut entrang sich der kleinen Frau ein Seufzen und so ließ sie sich mit dem Gefühl, es laste ein Felsbrocken auf ihrer Brust, rückwärts aufs Bett fallen. Dabei rutschte das Amulett von Dawatai unter ihrem Hemdchen hervor. Raja nahm es ab und betrachtete es argwöhnisch.
„Willst mir wohl was zeigen, wie?“, sagte sie ernst und drehte den alabasterfarbenen Stein mit der edlen Silberumfassung einmal um sich selbst. Unschlüssig an der Unterlippe nagend überlegte die Kleine noch einen Moment. „Hmm, später“, entschied sie schließlich und legte das Schmuckstück auf ihr Nachttischchen. „Erst will ich ein Weilchen schlafen.“
Zusammengekauert wie ein kranker Wurm zog sie sich die Decke bis zum Kinn – sie war noch warm und roch nach Ranon. Einen Augenblick überlegte Raja noch, ob sie dem aufkommenden Rumoren in ihrer Magengegend nachgeben und sich etwas zu essen holen sollte, doch im nächsten Moment übermannte sie die Müdigkeit und sie schlief ein.
Es war wohl schon später Vormittag, als ein lautes Klirren die Zwergin aus dem Schlaf riss. Erschrocken und mit gezückter Klinge schoss sie auf. Das Blut rauschte in ihren Ohren, als sie sich im taghellen Zimmer umsah.
„Oh, ich bitte um Verzeihung“, jammerte die piepsige Stimme einer Magd, die gerade im Begriff war, einen Haufen Glasscherben vom Boden vor dem Tischchen aufzulesen. „Es tut mir leid, ich wusste nicht, dass Ihr noch hier seid und schlaft. Ich dachte, Ihr wäret längst unten – bei der Versammlung.“
„Wie? Was sagst du da, die Versammlung hat bereits begonnen? Ohne mich?!“ Mit einer schwungvollen Bewegung warf Raja die Decke zurück, wirbelte aus dem Bett, zupfte und strich sich flink das Gewand zurecht. „Das darf doch wirklich nicht wahr sein, wie können sie es nur wagen, ohne mich anzufangen?“
„Soweit ich weiß, hat Ranon eine ganze Weile nach Euch gesucht, doch der Stadtherr Horgard wurde ungeduldig“, versuchte die Magd sie zu beschwichtigen.
„Pah, Horgard, das war ja mal wieder klar, dass sich der alte Wichtigtuer so aufspielt.“ Raja schnaubte verächtlich, während sie ihre Füße hastig in ein Paar kniehohe braune Lederstiefel zwängte. „Sei’s drum ...“, sagte sie schließlich, sich der Situation ergebend. „Wie lange sitzen sie schon beisammen?“
„Etwa eine Stunde.“
„Na gut, dann müsste ich ja noch rechtzeitig kommen.“
Noch während Raja mit vor Wut geröteten Wangen durchs Zimmer eilte, ihre vom Schlafen zerzauste Frisur löste und sich mit flinken Fingern einen neuen Zopf flocht, schwang die Tür auf und eine aufgeregte Zofe stürzte herein.
„Herrje, Raja, da seid Ihr ja endlich! Ich habe bereits das halbe Schloss nach Euch abgesucht“, japste sie keuchend. „Kommt, schnell! Der Stadtherr Horgard und Euer Gemahl Ranon streiten sich ganz fürchterlich.“
„Was, was sagst du da? Sie streiten?!“
„Ja, Herrin.“
„Und weshalb? Geht es etwa schon wieder um den nördlichen Zufluss des Silberbachs?“
„Nein, Herrin, diesmal nicht.“
„Um was geht es dann?“
„Ich habe leider nicht das ganze Gespräch mitbekommen, doch hörte ich allerlei über eine Art Restschuld, die König Algar scheinbar schon vor Jahren hätte begleichen müssen.“
„Was für eine Restschuld? Und wofür denn bitte?“
„Rauerz ... glaube ich. Zwei Fuhren davon. Während die Zahlung der ersten Fuhre gleich bei ihrer Ankunft geleistet wurde, so steht laut dem Stadtherrn die Gebühr der zweiten bis heute noch aus.“
„Ach ja? Und wie hoch soll diese Restschuld sein?“
„Fünfzig Goldbruchtaler und dreißig Silbersichelgroschen.“
„Was?! Mein Onkel würde nie ...“ Wutschnaubend unterbrach sich Raja selbst, zwang sich, tief durchzuatmen, und sagte dann mit kontrolliert ruhiger Stimme: „Also gut, wo findet das Treffen statt? Im Thronsaal, in der Steinerzhalle, in Algars Besprechungsräumen? Weißt du was ... bring mich einfach hin. Komm, beeil dich!“
Die Zofe nickte eingeschüchtert, bedeutete Raja, ihr zu folgen, und führte sie von ihrem Schlafgemach in einen langen, von spärlichem Tageslicht erhellten Gang. Dann ging es durch einen schicken Speisesaal, die Küche und einen weiteren Gang zum Thronsaal, wo Raja bereits einige tiefe Stimmen schimpfen hören konnte. Die Zofe geleitete Raja bis zu einem steinernen Türbogen, der am Ende des Thronsaals in einen benachbarten Raum führte.
Es war eine weitläufige Halle mit einer hohen elfenbeinweißen Kuppeldecke, dunklem Marmorboden und grauen Steinwänden. Vier mannshohe, in Silber gehaltene Kerzenständer waren in den Ecken aufgebaut. Zu beiden Seiten Rajas hingen edle, wohl schon jahrhundertealte Waffen an den Wänden – wahre Raritäten und allesamt Meisterwerke. Das mit Abstand kunstvollste Stück im Saal prangte jedoch an der Wand vor ihr: Felsstadts Wappen. Ein königlich blauer, aus Seidenstoff gefertigter Schild. Umrandet und bestickt mit feinstem Goldgarn. Auf dem blauen Hintergrund befand sich ein kräftiger Steinbock mit stolz erhobenem Haupt und prächtigen aus dem Rücken wachsenden Schwingen. Über dem edlen Tier glänzte eine Krone und rechts sowie links von ihm standen die Ziffern 1, 12 und 305. Ungefähr mittig im Raum, ein gutes Stück vor dem Wappen, war eine große Zirbenholztafel aufgebaut worden. Und dort, um den Tisch herum, saßen sie, die Oberhäupter des Selatog-Gebirges.
Am Kopf der Tafel saß Ranon, das Gesicht vor Wut gerötet, die Augen zu Schlitzen verzogen. Zu seiner Rechten saß Grimmbard – Oberhaupt von Felsstadts Königswache und treuer Berater Algars. Der rothaarige Grimmbard hatte die Brauen streng zusammengezogen und die Lippen unter dem gepflegten Vollbart zu einem wütenden Strich verkniffen. Den Sessel Ranon gegenüber besetzte der fischäugige Horgard, welcher seinen Gastgeber mit geringschätzigem Blick maß. Die vier Gefolgsleute – gut gebaute junge Zwergenmänner, die Horgard zum Treffen mitgebracht hatte – standen lässig und mit abfälligem Grinsen hinter ihrem rundlichen Herrn, der sich soeben das kinnlange, fettige Haar aus der Stirn strich. Die Stimmung am Tisch schien zum Zerbersten angespannt.
Einzig Terdan, Zwergenruhs Ältester, schien der ganze Trubel kaltzulassen. Er starrte gelangweilt in die Runde, während seine beiden Begleiter – ein hochgewachsener schlaksig wirkender Mann und ein krummnasiger grau melierter Zwerg – in gespannter Haltung das Gespräch am Tisch verfolgten.
„Nun ...“, sagte Ranon schließlich gezwungen höflich und schob eine vergilbt aussehende Pergamentrolle von sich. „Ich kann mich nur wiederholen. Auch wenn dieses Schriftstück etwas anderes besagt, so bin ich mir dennoch sicher, dass die gesamte Summe bezahlt wurde. Es muss sich also um ein Missverständnis handeln. Abgesehen davon wage ich zu behaupten, dass jeder hier König Algar gut genug kennt, um zu wissen, dass er seine Handelsschulden seit Gedenken stets und ohne Aufschub beglichen hat.“
Der fischäugige Horgard stemmte die geballten Fäuste auf den Tisch, beugte sich über die Platte und knurrte: „Es scheint mir, junger Herr Ranon, dass Ihr den alten Algar nicht annähernd so gut kennt, wie Ihr denkt. Er ist nämlich ein übles Schlitzohr, ein ausgefuchster ...“
„Halt!“, donnerte Rajas vor Wut bebende Stimme durch die Halle. „Wie könnt Ihr es wagen, in Abwesenheit des Königs, noch dazu in dessen eigenen Hallen, so über ihn zu sprechen?“ Mit zornrotem Gesicht schritt die Zwergin auf den verdattert dreinblickenden Horgard zu. „Dass Ihr es wagt! Dass Ihr, Horgard von Selatog, Euch dessen erdreistet! Wo es doch Algar selbst war, der Euch in Eurer schwersten Stunde treu zur Seite stand.“ Kochend vor Wut hatte sich Raja vor dem schmerbäuchigen Zwerg aufgebaut. Für einen kurzen Moment hüpfte ihr Blick zu ihrem Gatten und entschuldigend sagte sie zu ihm: „Tut mir leid, Ranon, mein Liebling. Du hattest recht, wir hätten diesen schmierigen Abkömmling einer wild gewordenen Wemarin nicht einladen sollen. Bitte entschuldige, ich hätte auf dich hören sollen.“ Dann schwenkte Rajas Blick zurück auf den Fischäugigen. Sie biss die Zähne zusammen. „Du ...“, zischte sie und Horgards Gefolgsleute wichen einen Schritt zurück. „Ich rate dir und deinem Gesindel, so schnell wie möglich Felsstadt zu verlassen.“
Da der Schmalzhaarige keinerlei Anstalten machte sich zu erheben, schnippte Raja mit den Fingern. Ein leises, metallisches Geräusch erklang, und im nächsten Moment schritten zwei in dicke Rüstungen gehüllte und mit langen Schwertern bewaffnete Wachen aus einem benachbarten Raum in den Saal.
„Und was Eure sogenannte Restschuld betrifft“, ergänzte die Zwergin kühl, „betrachte ich sie als damit beglichen, dass ich Euch und Euer Pack am Leben lasse.“ Sie schwieg einen Augenblick, setzte ein gestelltes Lächeln auf und sagte dann mit honigsüßer Stimme: „Und nun, Horgard, wünsche ich Euch eine angenehme Heimreise.“ Noch bevor die beiden Königswachen den untersetzten Stadtherren erreicht hatten, erhob sich dieser und eilte, gefolgt von seinen Anhängern, in Richtung Ausgang.
„Ach, Horgard!“, rief Raja ihm nach. „Ihr habt noch etwas vergessen.“ Sie schwenkte das vergilbte Pergament durch die Luft.
„Behaltet es“, knurrte er.
„Na schön, wie Ihr wollt. Ach ... und Horgard?“, rief die Zwergin, noch ehe sich dieser umdrehen und davongehen konnte. „Ich rate Euch, es nie wieder zu wagen, in solch einem Ton über meinen Onkel zu sprechen. Sollte mir dennoch anderes zu Ohren kommen, so seid versichert, dass ich mich nicht davor scheuen werde, Euch die Königswache auf den Hals zu hetzen.“
Horgards Miene verfinsterte sich. Einer seiner Begleiter, ein äußerst aggressiv wirkender Zwerg mit struppigem schwarzem Haar und buschigen Augenbrauen, griff nach seinem Schwert. Doch noch ehe er es aus der Scheide ziehen und zum Streich ausholen konnte, erhob der Stadtherr die Stimme.
„Nein, Torgram, noch nicht ... noch nicht.“
Torgram ließ mit einem unwilligen Knurren von seinem Schwert ab, bedachte Ranon mit einem hasserfüllten Blick und folgte dann seinem Herrn und dessen restlichen Gefolgsleuten aus dem Saal.
„Hmm“, meldete sich Terdan, kaum dass Horgards Schritte verhallt waren, zum ersten Mal zu Wort. „Wenn ich das so sagen darf: Das war nicht gerade schlau von Euch. Ich dachte, Ihr hättet diese Versammlung einberufen, um ein wichtiges Anliegen vorzubringen und Selatogs und Zwergenruhs Unterstützung zu erbitten. Nun, um was auch immer es sich bei Eurem Anliegen handeln mag, Horgards beziehungsweise Selatogs Mithilfe diesbezüglich wäre schon mal auszuschließen.“
„Was? Was sagt Ihr da? Ranon hat noch gar nicht erwähnt, um was es geht?“, fragte Raja ungläubig.
„Nein. Wie sollte ich auch?“, rechtfertigte sich ihr Gemahl sogleich. „Die Versammlung hatte noch gar nicht recht begonnen, da fing Horgard schon von dieser Restschuld an.“
„Ja, aber ich dachte ... Warum hast du mir denn nichts gesagt? Ranon, du hättest mich aufhalten müssen! Du weißt, wie wichtig es ist, dass alle Zwergenvölker von den jüngsten Ereignissen unterrichtet werden. Auch Horgard, wir brauchen Selatogs Unterstützung.“
„Wenn ich Euch kurz unterbrechen dürfte“, mischte sich der kahlköpfige Terdan in das Gespräch des jungen Ehepaars. „Um was genau geht es hier eigentlich? Wenn man Euch zuhört, könnte man ja glauben, dass ganz Nibelar vor dem sicheren Untergang steht.“
Raja seufzte unterdrückt und ließ sich auf einen der Sessel nieder. Als sie sich Zwergenruhs Ältestem zuwandte, wich der besorgte Ausdruck auf ihrem Gesicht einer strengen Miene. „Nun ...“, begann sie. „Wie Ihr wahrscheinlich wisst, wurde unser geliebter König Algar vor wenigen Wochen von einem Fabelwesen heimgesucht, einem Mooswürger ...“ Raja erzählte dem Alten und seinen Männern die ganze Geschichte. Wie sie sich mit den Waldelfen-Geschwistern Saruna und Gweldon auf die Reise in die Genusischen Sümpfe begeben hatte, von den Feuerelfenbrüdern Zemeas und Azarol, die sie auf ihrem Weg begleitet hatten, und vom Angriff auf Walgerad, ihrem Bündnis und Nalajs Prophezeiung. Auch dass das Geschöpf Jarkodas mit seinen Schattenhexern über Nibelar herfallen, das Land dem Erdboden gleichmachen und eine jede Seele an sich und somit an die Dunkelheit binden wollte, erzählte sie.
Terdan und seine Männer lauschten Rajas Bericht aufmerksam. Als sie fertig war, schwiegen sie eine Weile bedächtig.
Schließlich ergriff Ranon das Wort. „Wir hier in Felsstadt haben nicht vor, dem Feind unbewaffnet oder unvorbereitet entgegenzutreten, deshalb wurden bereits die wichtigsten Maßnahmen ergriffen. Es wurden neue Waffen geschmiedet, Vorräte in den Stollen und Minen angelegt und auch das Volk wurde über die Situation unterrichtet.“
Terdan nickte, rieb sich das stoppelige Kinn und fragte: „Und was genau erwartet Ihr jetzt von uns?“
„Ich würde empfehlen, dass Ihr Euch Eurerseits auf das Unvermeidliche vorbereitet. Da wir nicht wissen, wann dieser Angriff stattfinden wird, müssen wir stets wachsam sein und unser Volk zu jeder Tages- oder Jahreszeit zu verteidigen wissen.“
Terdan gluckste belustigt. „Also, wenn ich das richtig verstanden habe, so wisst Ihr weder wann dieser Angriff stattfinden wird, noch mit was genau wir es zu tun haben. Abgesehen davon sollen wir uns auf das Gewäsch eines alten, wie mir scheint, recht verwirrten Elfenweibs verlassen?“
„Nalaj ist nicht verwirrt!“, entfuhr es Raja.
„Verzeiht mir, Teuerste, Eure Nalaj in allen Ehren. Doch werdet Ihr gewiss verstehen, dass ich keine derart kostspieligen Maßnahmen ergreifen werde, solange ich nichts Handfesteres als die Aussage einer einzigen Person habe.“
„Eine Prophezeiung, keine Aussage!“
„Prophezeiung“, berichtigte der Alte seine Worte. „Dennoch, Ihr werdet gewiss verstehen, dass Zwergenruh nicht über die nötigen Mittel für ein derartiges Unterfangen verfügt. Der Winter war lang und streng und unsere Ressourcen sind so gut wie aufgebraucht.“
„Aber die letzte Ernte war doch mehr als ertragreich und die Schatzkammern Eures Volkes sind ...“
„Das verstehen wir natürlich“, unterbrach Ranon seine Frau, während er ihr mit einer beiläufigen Handbewegung bedeutete, dass sie sich beruhigen und still sein sollte. Raja schluckte die Worte, die ihr bereits auf den Lippen brannten, so unwillig hinunter, als wären sie eine Handvoll rostiger Nägel.
„Gibt es sonst noch was, das Ihr uns fragen oder mit uns besprechen wolltet?“, erkundigte sich der Älteste mit abweisender Miene.
„Nein, das war alles.“ Ranons Stimme klang freundlich.
„Gut, dann werden wir uns wieder auf den Heimweg machen. Bestellt König Algar meine Genesungswünsche.“ Terdan erhob sich, rückte seine Rüstung zurecht, verbeugte sich zum Abschied und verließ gefolgt von seinen Männern den Saal.