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Kapitel 1 Dunkle Träume

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Das Kinn müde auf die angewinkelten Knie gelegt, strich Sarunas Blick durch den in der Abenddämmerung smaragdgrün schimmernden Wald. Zehn Tage war es nun her, dass sie der Feuerelf Zemeas verlassen hatte und zurück nach Walgerad geflogen war. Dort würde er sich mit seinem Bruder Azarol, dem Erolar-Veroganden, der alten Nalaj, König Xagon und allen anderen Dorfältesten treffen. Gewiss würden sie als Erstes über das bis auf die Grundmauern zerstörte Walgerad sprechen, über dessen Wiederaufbau und den vorübergehenden Verbleib der Feuerelfen. Doch dann, sobald sie dies geklärt hatten, so wusste Saruna, würden sie über ihr eigentliches Problem diskutieren, den Krieg. Den scheinbar unausweichlichen und in ungewisser Zukunft vor ihnen liegenden Krieg, der ganz Nibelar wie ein gigantischer Schatten überziehen würde und gegen den sich niemand ausreichend zu verteidigen wusste.

Gedankenverloren strich sich die Elfe eine ihrer nachtschwarzen Haarsträhnen aus dem Gesicht und hinters Ohr. Noch nie zuvor hatte es in Nibelar Krieg gegeben. Gewiss, es gab die eine oder andere Meinungsverschiedenheit zwischen den nordischen Zwergenstädten und den Menschen. Auch lagen die Königreiche der Menschen schon mehr als einmal über Jahre hinweg miteinander im Streit wegen des Besitzes und der Nutzung bestimmter Ländereien. Doch einen richtigen Krieg, den gab es nie.

Wenn die Prophezeiung der alten Nalaj also stimmte, dass ein Geschöpf namens Jarkodas und dessen Schattenhexer über das Land herfallen würden, um eine jede Seele an die ewig währende Dunkelheit zu binden, dann läge Nibelars Schicksal in den Händen von ihr, ihrem Bruder Gweldon, der Zwergin Raja und den Feuerelfenbrüdern Zemeas und Azarol. Sie, so prophezeite die alte Seherin, bildeten nämlich den Grundstock des einen und einzigen Bündnisses, das es vermochte, die Hexer und ihre Schergen aufzuhalten. Saruna seufzte, als ihr Zemeas’ letzte Worte wieder und wieder durch den Kopf gingen. „In drei bis fünf Tagen bin ich spätestens zurück“, hatte er gesagt.

Drei bis fünf Tage, diese Frist war längst abgelaufen. Seit zehn vollen Tagen wartete sie nun schon auf seine Rückkehr. Sie legte den Kopf in den Nacken und schloss die schokoladenbraunen Augen. So vieles war in so kurzer Zeit geschehen.

Der Angriff der Mooswürger auf König Algar und ihren Vater Weldran, die gefährliche Reise in die Genusischen Sümpfe, der Kampf gegen die widerwärtigen Yarge um Walgerad und dann ihr Bündnis. Ja, vieles war in letzter Zeit geschehen, und dennoch war es gewiss nichts, verglichen mit dem, was noch auf sie zukommen mochte.

Saruna schwirrte der Kopf. Die letzten Nächte über hatte sie kaum geschlafen. Denn wie alle anderen Waldelfen hatte auch sie mitgeholfen, das Dorf zu sichern und Vorräte anzulegen.

„Ach, die Waldelfen.“ Sarunas Herz brannte beim Gedanken an ihr friedfertiges Volk. Die Nachricht über den bevorstehenden Krieg hatte sie alle in Angst und Schrecken versetzt. Kaum ein Elf wagte es noch, nach Anbruch der Dämmerung das Dorf zu verlassen.

„Saruna?!“, riss eine wohlbekannte Stimme die junge Frau aus ihren Gedanken. „Was um alles in Nibelar machst du um diese Zeit hier unten im Wald?“ Nun schwang in der Stimme ein tadelnder Unterton mit.

Die Elfe kniff ahnungsvoll die Augen zusammen, setzte anschließend jedoch ein strahlendes Lächeln auf und drehte ihr ebenso hübsches wie blasses Gesicht in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. „Gweldon“, sagte sie honigsüß, als sie ihren verständnislos dreinblickenden Bruder nur wenig entfernt entdeckte. „Willst du dich nicht zu mir setzen?“ Sie tippte mit den langgliedrigen Fingern auf den Baumstumpf, auf dem sie saß.

Der hochgewachsene Alchemist mit dem kinnlangen schwarzen Haar und Spitzbart schüttelte ungeduldig den Kopf. „Nein, will ich nicht, und nun komm, beeil dich, Vater ist schon ganz krank vor Sorge.“

„Oh.“ Mit einem Satz war die Elfe auf den Beinen. „Vater sucht nach mir?“

„Ja, schon den halben Nachmittag. Du weißt doch genau, dass du nicht alleine in den Wald gehen sollst. Gut, dass ich dich gefunden habe.“ Gweldons Blick fixierte streng das zierliche Gesicht seiner Schwester. „Was wolltest du überhaupt schon wieder hier unten?“

„Na ja, nichts Bestimmtes“, antwortete die junge Frau und verzog vor schlechtem Gewissen den Mund. „Ich bin einfach nur so gerne hier. Du weißt schon, der Duft des Waldes und das weiche Moos. Außerdem ist hier der einzige Ort, an dem ich in Ruhe nachdenken kann. Bei dem Gewirr da oben“, sie deutete auf ihr Dorf in den Wipfeln der Bäume, „fällt es mir im Moment schwer, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.“

Nun wurde Gweldons Miene etwas weicher. „Ich weiß, in Dalwas herrscht momentan ein ziemliches Durcheinander, aber es ist für keinen von uns leicht. Das darfst du mir glauben.“

Saruna seufzte. „Eben, es herrscht Durcheinander, ein mächtiges sogar. Aber wer kann es den Waldelfen verdenken? Schließlich traf sie die Nachricht über den bevorstehenden Krieg absolut unerwartet.“ Der Alchemist nickte bestätigend und richtete den Blick gen Himmel. Die letzten Sonnenstrahlen tauchten das dichte Blätterdach über ihnen in ein intensives Grün. Kleine Tiere huschten da und dort durchs Geäst und die Vögel, die den ganzen Tag über ihre Lieder geträllert hatten, verstummten langsam, aber sicher. Nicht mehr lange und die Nacht würde über ihnen hereinbrechen.

„Komm jetzt.“ Gweldons Stimme klang streng. „Vater wartet.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und stapfte durch den mit Moos und Farn bewachsenen Wald in Richtung Dalwas. Saruna folgte ihrem Bruder schweigend.

Als sie über eine der geschwungenen Treppen ins Dorf emporstiegen, fragte sie schließlich: „Werden heute Nacht wieder alle Waldelfen im östlichen Kuppelsaal schlafen?“

„Nein“, gab der Alchemist zur Antwort und in seiner Stimme klang Erleichterung. „Die Vorbereitungen zum Schutz des Dorfes sind abgeschlossen. Es kann also jeder wieder in seinem eigenen Zuhause schlafen. Dalwas ist so weit gesichert.“

„Das freut mich. Ich muss zugeben, ich habe mein eigenes Bett schon schmerzlich vermisst.“

„Das glaub ich dir. Aber jetzt beeil dich und lauf nach Hause, Vater wartet.“

„Und was ist mit dir, kommst du nicht mit?“

„Nein, ich habe noch was zu erledigen.“ Gweldons Blick fiel auf Saruna, deren Miene alles andere als erfreut aussah. „Keine Sorge“, beschwichtigte er sie. „Ich komme nach, sobald es geht. Versprochen.“

Saruna nickte stumm und sah zu, wie ihr Bruder über die letzten Stufen huschte und über die vor ihnen liegende Plattform in Richtung Kuppelsaal davonging. „Was der wohl wieder vorhat?“, murmelte sie kopfschüttelnd in sich hinein, während sie unwillig den Weg nach Hause einschlug.

Die kühle, sonst so angenehm nach Wald duftende Luft in Dalwas roch abscheulich nach Schwefel, verbranntem Haar und vergorenem Obst. Der dominanteste und mit Abstand schlimmste Gestank von allen war jedoch jener, der aus ihrem Zuhause drang. Ein beißend süßer Geruch mit einem Tick Verwesung. Getrocknete Kelhorndrüsen. Saruna rümpfte angewidert die Nase. Ihr Vater Weldran würde daraus einen Wundtrank brauen. Der war in Zeiten eines bevorstehenden Krieges auch notwendig. Der Trank vermochte es, innere, von außen unerreichbare Wunden binnen kürzester Zeit zu heilen. Unverzichtbar im Falle eines Angriffs. Trotzdem, der Gestank war abscheulich.

Nach einem Moment der Überwindung drückte Saruna die runde Haustür auf. Sogleich schlug ihr eine unangenehm süße und in der Nase stechende Duftwolke entgegen. Schützend hielt sich die Elfe den Ärmel ihres Mantels vor die Nase. „Vater?“, rief sie durch den Stoff. Keine Antwort. „Vater!“, versuchte sie es noch einmal lauter. Erneut kam keine Antwort, also trat sie ein und suchte das ganze Haus nach ihrem alten Herrn ab. Doch Weldran war nicht da, niemand war da. Verscheucht vom beißenden Gestank setzte sich die junge Frau schließlich auf die Schwelle vor dem Haus und zog die Tür hinter sich zu. Es dämmerte bereits. Rot glühende Sonnenstrahlen tasteten nach dem undurchdringlichen Blätterdach und verliehen ihm eine blass-orange Färbung.

In den letzten Tagen herrschte in Dalwas um diese Zeit eine unruhige Stimmung. Die meisten Waldelfen hatten sich bereits aus Angst vor der bevorstehenden Nacht in ihre Behausungen zurückgezogen und jenen, die noch unterwegs waren, war die Nervosität deutlich anzusehen. So eilte ein älterer Herr, der ein ganzes Bündel Schriftrollen bei sich trug, unregelmäßig mit seinem Gehstock klappernd in Richtung Kuppelsaal. Eine Elfenmutter mahnte ihr Kind mit strengem Blick zur Eile und zog es ungeduldig an der Hand. Selbst um die großen Talgkerzen in den Laternen kümmerte man sich bereits. Ein hochgewachsener Elf mit langem, im Nacken zusammengebundenem Haar und ernster Miene entzündete mit seiner Lunte einen Docht nach dem anderen.

Erschöpft von der Anstrengung der letzten Tage, lehnte sich Saruna gegen die Haustür. Endlich etwas Ruhe. Die Gedanken träge, die Augen schwer war sie schon bald eingeschlafen. Im Traum sah sie Zemeas, er lächelte sie liebevoll an und reichte ihr die Hand. Doch als sie danach greifen wollte, verblasste sein Gesicht. Wirre Bilder von verzerrten Fratzen, unbekannten Landschaften und brennenden Dörfern verdrängten die Gestalt des Feuerelfen und erfüllten den Traum der jungen Frau mit einer bleiernen Schwere. Schließlich wurde alles finster. Kein Bild, kein Gefühl – nichts als Leere. Doch da formten ihre Gedanken eine neue Illusion: eine alte Frau, die im hintersten Winkel einer tristen Höhle kauerte und das Gesicht in den faltigen Händen barg. Wimmernd und am ganzen Leib zitternd rang die bemitleidenswert abgemagerte Person mit den Tränen.

„Hab keine Angst, ich werde dich hier herausholen“, versuchte Saruna die Frau gedanklich zu trösten.

Verdutzt trocknete die Alte ihre Tränen und hob den Kopf. Ihr Blick wirkte verängstigt, geradeso als hätte sie eben einen Geist gesehen. Saruna reichte der Frau auffordernd die Hand. Doch diese schien sie nicht zu wollen. Stattdessen fixierte sie mit einem Mal das Gesicht der jungen Elfe, öffnete den Mund und ...

„Saruna ... Saruna!“ Jemand riss sie aus ihrem Traum. Verwirrt blinzelnd öffnete sie die Augen.

„Bist du endlich wach?“, drängte Gweldon, der sich mit besorgter Miene über seine Schwester gebeugt hatte.

„Ich ... ich habe auf dich und Vater gewartet, dabei bin ich wohl eingeschlafen.“

„Ja, scheint so. Aber nun komm endlich. Halb Dalwas hat sich im östlichen Kuppelsaal eingefunden. Es gibt Neuigkeiten. Zwei Königswachen aus Felsstadt sind hier.“

„Neuigkeiten?“ Die junge Frau erhob sich, die Glieder so steif, dass es schmerzte. „Was für Neuigkeiten?“

„Wenn ich die Wachleute richtig verstanden habe, handelt es sich um König Algar“, erklärte der Alchemist flüchtig, während er auf dem Absatz kehrtmachte und in Richtung Kuppelsaal loseilte.

Saruna folgte ihrem Bruder. Ihr Herz pochte heftig und ihr Magen brannte vor Aufregung. Was da auch immer für Neuigkeiten auf sie warten mochten, es waren keine guten, so viel war gewiss. Die flackernden Lichter der Laternen flogen an ihnen vorbei, als sie über die Plattformen eilten. Im Wald selbst war es finster und ruhig, zu ruhig. Kein Rascheln aus dem Unterholz, kein Knacken oder Knarren aus den Wipfeln – nichts.

„Sie haben schon begonnen“, flüsterte Gweldon, als sie den Saal erreichten. Den Zeigefinger auf die Lippen gedrückt bedeutete er seiner Schwester, sich ruhig zu verhalten, während er mit der anderen Hand die hohe Tür aufstemmte.

Saruna hielt den Atem an, als sie dicht hinter ihrem Bruder in das imposante Gebäude schlich. Der nördliche Kuppelsaal war ein Musterbeispiel waldelfischer Handwerkskunst. Die hohen Holzwände waren mit edlen Malereien verziert und die vier prächtigen Säulen, auf welchen das schwere Glasdach ruhte, bestachen durch spiralförmige, liebevoll eingearbeitete Schnitzmuster. Der Boden war mit reinem Filbenöl eingelassen, welches das Holz nicht nur ungemein härtete und widerstandsfähig machte, sondern ihm auch einen edlen weiß schimmernden Glanz verlieh. Die sonst hier aufgebauten Tische und Stühle waren schon in den Nächten zuvor weggeräumt worden, um ausreichend Platz für die Schutz suchenden Waldelfen zu schaffen.

Nervös biss sich Saruna auf die Unterlippe und verschaffte sich so unauffällig wie möglich an der Seite ihres Bruders Durchlass. Als sich die neugierige Menge vor ihr endlich lichtete und ihr Blick auf die Tafel fiel, an der sich die Ältesten mit zwei in schwere Rüstungen gehüllten Zwergen besprachen, blieb sie abrupt stehen. „Ich wusste es“, murmelte sie enttäuscht in sich hinein.

Ungeduldiges Flüstern zischelte durch den hohen Saal, als sich Fuldaf, einer der Ältesten der Waldelfen, schließlich erhob. Sein vernarbtes Gesicht war auf die Menge gerichtet. „Waldelfen! Brüder und Schwestern!“, hob der alte und nahezu kahlköpfige Mann mit fester Stimme an. „Schlechte Kunde erreicht uns aus Felsstadt!“ Besorgtes Raunen erklang. „König Algars Genesung schreitet nur sehr langsam voran, und sofern sich sein Zustand nicht bald bessert, befürchten seine Leibärzte Schlimmstes.“ Bedrücktes Schweigen. „Wir vom Hohen Rat haben entschieden, dass Weldran morgen früh die beiden Königswachen zurück nach Felsstadt begleiten wird und den König mit elfischer Arznei versorgt.“

Weldran, der neben Fuldaf saß, nickte bestätigend. Sein Gesicht war von Sorge gezeichnet.

„Gewiss ist auch unsere Medizin kein Garant für Algars Genesung, doch wollen wir es wenigstens versucht haben ... Nun denn, das war so weit alles von meiner Seite.“ Fuldaf senkte den Blick auf den muskulösen Zwerg, der zu seiner Linken saß. „Grandol.“

Der Zwerg räusperte sich, strich seinen roten, etwas krausen Bart glatt und erhob sich. „Da es dem König zuweilen nicht möglich ist, seinen Pflichten nachzukommen, kümmert sich bis auf Weiteres der altzwergische Rat darum. Fürs Erste wurden die Silberquellminen, die von Felsstadt aus quer durch den südlichen Teil des Gebirges führen, freigeräumt. Im Falle eines Angriffs wird sich unser Volk dorthin zurückziehen. Hauptmann Kargon von der Königswache befasst sich bereits mit der Erstellung eines angemessenen Schlacht- und Verteidigungsplans sowie der Herstellung neuer Waffen und Rüstungsteile. Des Weiteren wurden Botschafter nach Selatog und Zwergenruh entsandt. Sie sollen für ein baldiges Treffen zwischen unserem Rat, Terdan, dem Ältesten aus Zwergenruh, und Horgard, dem Stadtherren von Selatog sorgen.“ Wenn Grandol bislang sehr geschäftig klang, so enthielt seine Stimme nun einen besorgten Unterton. „Weldran hat uns unterrichtet, dass auch ihr noch keine Nachricht von den Feuerelfen aus Walgerad erhieltet. Was dies anbelangt werden wir ihnen noch genau zwei Tage Zeit gewähren. Sollten wir bis dahin nichts von ihnen gehört haben, wird sich Raja, des Königs Nichte, in Begleitung einer Königswache auf den Weg zu ihnen machen. Nun ...“ Grandol hielt einen Moment inne. Das Kinn gereckt glitzerte die schwere Rüstung silbern unter seinem langen Bart hervor. „Gibt es diesbezüglich noch Fragen?“ Prüfend strich sein Blick durch die Reihen der Waldelfen.

Alles schwieg, niemand wagte recht, das Wort zu ergreifen, doch Grandol erkannte die Furcht auf den Gesichtern der Elfen. Er seufzte, warf seinem Begleiter einen flüchtigen Blick zu und wandte sich dann mit mitfühlend zusammengezogenen Brauen ans Volk.

„Sorgt euch nicht ...“ Seine Stimme klang warm und tröstend. „Felsstadt wird Dalwas nicht im Stich lassen. Ich habe gehört, dass Ranon, Rajas Gemahl, den Befehl gab, dreimal so viele Vorräte anlegen zu lassen wie nötig, und auch die Minen wurden so geräumt, dass sie ausreichend Platz für uns alle bieten ... Und ...“ Der Bärtige stemmte die geballten Fäuste auf den Tisch, zog die Lippen zu einem schmalen Strich, sodass sich sein Bart sträubte, und sagte mit tiefer, gedehnter Stimme: „Was auch immer da draußen lauern mag, seid versichert, dass wir, die Königswache, damit fertig werden. Ganz gleich, was es ist, wir zerschlagen es, noch ehe es recht einen Fuß auf unser Land setzt.“ Er pausierte kurz, um sich zu sammeln, und sagte dann, so eindringlich es ihm gelang: „Also bitte, grämt euch nicht, wir werden euch beschützen.“

Ein erleichtertes Raunen ging durch den Saal und Grandol setzte sich wieder.

Nun erhob sich Weldran. „Meine lieben Freunde, da scheinbar keiner von euch mehr eine Frage an die beiden Königswachen hat, werden wir uns nun zurückziehen. Für die Zeit meiner Abwesenheit empfehle ich, dass ihr euch in Sachen Kräuter an meinen Sohn Gweldon oder Marele wendet.“ Weldran deutete auf eine zierliche, in helle Gewänder gekleidete Dame, die zu seiner Rechten saß.

Sie schien schon etwas älter zu sein, obgleich ihre Haut sonderbar faltenlos war. Marele nickte zustimmend, dabei fiel ihr eine ihrer grauen Locken, die sie sorgfältig hochgesteckt trug, in die Stirn.

„Gut. Dann werden wir uns nun zurückziehen. Ich wünsche euch allen eine geruhsame Nacht.“ Es raschelte und knarrte, als sich die Ältesten und die beiden Königswachen aus ihren hochlehnigen Stühlen erhoben und durch eine Hintertür den Saal verließen.

Nibelar - Die Gruft

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