Читать книгу Die "Endlösung" und das Auswärtige Amt - Christopher R. Browning - Страница 21
Slowakei
ОглавлениеAls Teil seiner Kampagne, den Staat zu zerstören, hatte Hitler im März 1939 erfolgreich die Slowaken darin bestärkt, sich von der Tschechoslowakei abzuspalten. Entsprechend wurde die Slowakei mit dem quasi-unabhängigen Status eines Satelliten belohnt, während das tschechische Territorium als Protektorat von Böhmen und Mähren direkt regiert wurde. Die Deutschen hofften anfangs, die Slowakei könne ein Modell für andere südosteuropäische Länder sein und sie von den Vorzügen einer Kooperation mit dem Dritten Reich überzeugen. Doch je mehr Siege Deutschland im Westen erlangte, desto weniger Wert legte man darauf, den äußeren Schein der Unabhängigkeit in der Slowakei zu wahren. Innenpolitisch gewann hier eine Bewegung für größere Autonomie unter der Führung von Innen- und Außenminister Ferdinand Durcansky die Oberhand über die Hauptkollaborateure mit den Deutschen, Premierminister Vojtech Tuka und Sano Mach. Im Juni 1940 wurde der Vermittler des Auswärtigen Amtes, Manfred von Killinger, nach Bratislava entsandt, wo er die Amtsenthebung von Durcansky, die Aufwertung der pro-deutschen Hlinka-Garde und die Einsetzung von deutschen Beratern zur Kontrolle der slowakischen Regierung empfahl. Nach einem Treffen Hitlers mit der slowakischen Führung Ende Juli in Salzburg löste Mach Durcansky als Innenminister ab; Tuka übernahm das Außenministerium, Killinger wurde zum Botschafter in der Slowakei ernannt und von Ribbentrop damit beauftragt, das System der deutschen Berater aufzubauen.52 Killinger wollte die Berater in der Botschaft, nicht bei der slowakischen Regierung ansiedeln, damit sie ihm direkt unterständen und vom Auswärtigen Amt bezahlt würden. Ein Berater für die „Judenfrage“ war einer der ersten, die er anforderte.53
Wenn Killinger sich den Ruf eines „Protektors“ der Slowakei erhoffte, so wurde er bald enttäuscht, denn das Beratersystem entwickelte sich nicht so wie geplant. Die verschiedenen Berater wurden von den finanzierenden deutschen Behörden entlohnt, nicht vom Auswärtigen Amt. Im Oktober 1940 drängte Heydrich gegenüber Luther, die SS-Berater in der Slowakei sollten dem Polizeiberater, Dr. Ludwig Hahn, unterstehen und nicht direkt dem Botschafter. Dies schloss insbesondere den Berater für die „Judenfrage“ ein, denn wie Heydrich Luther erklärte, würden alle „Judenfragen“ im RSHA bearbeitet.54 Für den Posten wählte man Dieter Wisliceny, einen engen Freund von Adolf Eichmann, was die direkte Kommunikation zwischen dem Judenberater und dem RSHA erneut förderte. Wisliceny und die anderen Berater erhielten ihre Anweisungen von ihren Vorgesetzten in Berlin; das Auswärtige Amt diente nur als Bote.55 Deutschland hatte also starken Einfluss auf die Gestaltung der Judengesetze in der Slowakei, jedoch waren es nicht die Judenexperten der Abteilung Deutschland des Auswärtigen Amtes, die diesen Einfluss ausübten, sondern Dieter Wisliceny und das RSHA.
Wenn auch Ribbentrop und Killinger das Beratersystem begründet hatten, so wirkte es sich nicht zu ihren Gunsten aus. Je mehr das Auswärtige Amt den deutschen Übergriff auf die Souveränität von Satelliten wie der Slowakei förderte, umso mehr konnten andere interne deutsche Stellen direkt mit Kollaborateuren in diesen Satelliten zusammenarbeiten, und umso unbedeutender wurde das Auswärtige Amt. In der Slowakei verlor die Deutsche Botschaft sogar derart an Einfluss, dass Martin Bormann vorschlug, sie mit einem Generalresidenten zu ersetzen, der als Gegengewicht zur Hegemonie der SS fungieren sollte.56