Читать книгу Die "Endlösung" und das Auswärtige Amt - Christopher R. Browning - Страница 23

An der Heimatfront

Оглавление

Nur im Kampf gegen Rivalen innerhalb des Auswärtigen Amtes hatte Luther zu dieser Zeit Einfluss auf die Judenpolitik. Nach der Ankündigung anti-jüdischer Maßnahmen in Frankreich gaben zahlreiche Länder ihren Unmut zu verstehen. Ribbentrop hob daraufhin die Entscheidung der Militärverwaltung auf, amerikanischen Juden eine Sonderbehandlung zukommen zu lassen und erklärte, es sei ein Fehler, auf der einen Seite die Forderungen von freundlich gesinnten Staaten wie Spanien und Ungarn zurückzuweisen und auf der anderen Seite gegenüber amerikanischen Forderungen Schwäche zu zeigen.66 Das Militär war beunruhigt, wandte sich direkt an Weizsäcker und warnte vor den Folgen, die daraus für deutsche Vermögen in den USA entstehen könnten. Weizsäcker, noch passiver als gewöhnlich, bat lediglich die Abteilung Deutschland, eine Antwort zu formulieren, die die persönliche Entscheidung des Außenministers bestätigte.67

In Deutschland selbst hatte sich eine höchst unsystematische Regelung im Umgang mit ausländischen Juden entwickelt, denn über jeden Fall wurde individuell entschieden. Von manchen Maßnahmen waren alle ausländischen Juden ausgenommen, doch als verschiedene europäische Staaten ihrerseits antisemitische Gesetze einführten oder von Deutschland besiegt wurden, genossen ihre Juden nicht länger eine Sonderbehandlung. Von anderen Maßnahmen waren nur Juden aus bestimmten, politisch sensiblen Ländern freigestellt. Da sich Ribbentrop gegen eine bevorzugte Behandlung amerikanischer Juden in Frankreich ausgesprochen hatte, schlug Rademacher nun vor, das gesamte System ausländischer Ausnahmefälle in Deutschland zu vereinfachen und alle Juden ungeachtet ihrer Nationalität gleich zu behandeln.68

Als Rademacher den Vorschlag im Auswärtigen Amt vorlegte, protestierten der Amerika-Referent Freytag und die Leiter der politischen und Wirtschaftsabteilung, Woermann und Wiehl, gegen die Einbeziehung amerikanischer Juden.69 Rademacher blieb ungerührt auf seinem harten Kurs bestehen, doch Luther überstimmte ihn und arbeitete einen Kompromissvorschlag aus, der dem Außenminister vorgelegt werden sollte. Angesichts Ribbentrops früherer Entscheidung, dass man die Ansprüche wohlwollender Länder nicht zurückweisen und gleichzeitig amerikanischen Juden eine Sonderbehandlung gewähren könne, und als Reaktion auf die Passage des Leih- und Pachtgesetzes wollte das Auswärtige Amt gegen die pauschale Aufhebung einer Sonderbehandlung von ausländischen Juden in Deutschland keinen Einspruch erheben. Eine Ausnahme sollte es allerdings geben. In der Frage des Vermögens ausländischer Juden sollte das Auswärtige Amt auch weiter jeden Einzelfall untersuchen, um zu überprüfen, ob Vergeltungsmaßnahmen gegen deutsches Vermögen im Ausland zu befürchten seien.70 Luthers Kompromiss wurde von Ribbentrop genehmigt und wurde im Juni 1941 offizielle Politik des Auswärtigen Amtes.71

Während zuvor die alte Garde über die heikle Frage der Anwendung der Judengesetze auf ausländische Juden entschieden hatte, deutete Luthers Erfolg in dieser Sache auf eine Machtverschiebung in der Judenpolitik des Auswärtigen Amtes zu seinen Gunsten hin. Dass Rademacher alle Tätigkeiten des Auswärtigen Amtes in Sachen jüdischer Emigration innerhalb des D III bündelte und mit der Vorbereitung des Madagaskarplans betraut wurde, war ebenfalls Teil dieser Entwicklung. Was die Beziehungen des Auswärtigen Amtes zu anderen deutschen Behörden in Bezug auf die „Judenfrage“ anging, waren Luther und Rademacher allerdings weniger erfolgreich. Rademachers Madagaskarplan wurde vom RSHA praktisch ignoriert. Außerdem nahm Heydrichs Truppe ohne vorherige Rücksprache Ausweisungen in das unbesetzte Frankreich vor, obwohl diese eindeutig in den Zuständigkeitsbereich des Auswärtigen Amtes fielen. Das Auswärtige Amt ließ Gelegenheiten, die Judenpolitik in der Slowakei und im besetzten Frankreich zu beeinflussen, ungenutzt verstreichen. Kurzum: das erste Jahr, in dem Luther und Rademacher an Judenangelegenheiten mitwirkten, war außerhalb des Auswärtigen Amtes nicht von großer Bedeutung.

Die

Подняться наверх