Читать книгу CHIARA GEHT IHREN WEG - Cinzia G. Agostini - Страница 5

Kapitel 1

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Kein Sonnenstrahl kam durchs Fenster. Es war ein grauer, nicht sehr schöner Tag. Außerdem war es viel zu kalt für diese Jahreszeit. Ich mochte diese Tage nicht, im Geiste sah ich mich auf der Terrasse vom Hotel Olivi in Italien sitzen und träumte so vor mich hin, als ein fürchterlich lauter Klingelton mich aus diesem Tagtraum riss.

Das Telefon klingelte erneut.

Völlig entgeistert starrte ich den Apparat an, wer sollte mich anrufen!? Doch dann kam ich langsam, aber sicher, wieder in die Realität zurück. Da wusste ich, dies ist ein ganz normaler Arbeitstag; ich sitze in meiner Firma.

Ich habe eine Werbeagentur und arbeite mit etlichen Kunden, die in der Kunstszene angesiedelt sind, zusammen. Ich unterstütze meine Kunden mit pfiffigen Ideen und biete zusätzlich Versand-Aktionen an. Mal sind es Flyer, mal originelle Werbeideen, die den Künstler ins Gespräch bringen sollen.

Sicherlich gab es mal wieder – irgendetwas Oberwichtiges - was sofort und gleich und stehenden Fußes erledigt werden sollte.

»Ja, Chiara Schönfeld! «

»Guten Tag, hier spricht Erno Klausen! «

»Ach, Guten Tag, Herr Klausen, wie geht es Ihnen? «

»Gut! «

»Was kann ich für Sie tun? «

Wahrscheinlich kommt Herr Klausen jetzt mit einer Sonderaktion auf mich zu, dachte ich. Ich war gespannt.

»Ich benötige ganz dringend ein Angebot von Ihnen!

Uns schwebt vor, dass sie an etwa 3500 Adressaten Flyer versenden. Wir haben Termindruck, es muss innerhalb von zwei Tagen bearbeitet sein! Schaffen Sie das? «

Also richtig gedacht! Jetzt kommt bestimmt noch der Satz: Es darf aber nichts kosten!

»Na, Herr Klausen, um was geht es denn da? «

»Wir müssen eine ganz besondere Promotion Aktion starten, aber Sie wissen, es darf nichts kosten! «

Natürlich wusste ich das, es darf ja nie etwas kosten, als wenn das nun etwas Besonderes wäre.

»Gut, Herr Klausen, können Sie mir ein paar Eckdaten zu mailen, damit ich Ihnen ein Angebot zukommen lassen kann! «

»Ja, Frau Schönfeld, lass ich Ihnen übermitteln, einen schönen Tag noch! «

Schöner Tag – schrecklicher Tag!

Langsam kam mir der gestrige Abend wieder in Erinnerung. Es war besonders schön, gestern Abend!

Na ja, wie man es nimmt, eigentlich sollten mir nun endlich mal die Augen aufgegangen sein, sind Sie ja auch, aber sie sollten mir ja nicht gleich aufgerissen werden! Gestern Abend bin ich, was nun so ganz und gar nicht meine Art ist, einem plötzlichen Impuls folgend, mit dem Auto ziel – und planlos in die Stadt gefahren und wen sah ich – meinen holden Gatten! Ich wollte schon winken, aber plötzlich hielt ich inne, denn ich sah SIE!

Ich traute meinen Augen nicht, das kann doch nicht wahr sein? Ich rieb meine Augen, sah ich eine Fata Morgana? Sofort zog sich mein Magen zusammen.

Die Frau, die neben meinem Mann stand, war: J A N E!

Sofort schossen die Bilder aus der Vergangenheit in mein Bewusstsein. Das Szenario der letzten Begegnung mit ihr, die flehentlichen Bitten Peters, es sei nur ein Ausrutscher gewesen. Alles Lügen! Es machte mich wütend, aber auch unsagbar traurig. Ich hatte ihm damals geglaubt und ihm vergeben. Ich bog mit meinem Wagen in eine Seitenstraße, suchte einen Parkplatz und musste meine Gedanken ordnen.

Mir fielen die unsagbar schlimmen Einzelheiten wieder ein. Jedes schmutzige Detail! Ich erinnerte mich zurück, als ich eines Abends durch Zufall eine mir nicht nachvollziehbare Mietzahlung fand. Peter rief an diesem Abend von unterwegs aus an und bat mich eine Rechnung zu prüfen. Ich hantierte dabei ungeschickt mit den Ordnern, sodass einer davon runterfiel. Der komplette Inhalt ergoss sich auf dem Fußboden. Ich sammelte die Unterlagen zusammen. Es war der private Bankordner meines Mannes. Ich musste die Kontoauszüge sortieren, wollte sie gerade einordnen.

Ich stutzte, was war das? Eine Mietzahlung? Für was?

Warum von seinem Privatkonto?

Ich blätterte weiter und sah, dass diese Summe seit einem halben Jahr, Monat für Monat, abgebucht wurde.

Unser Haus konnte es nicht sein, denn er deklarierte unser Haus, als den Verwaltungssitz seiner Firma. Die Zahlung lief über das Firmenkonto, er war ein schlauer Fuchs! Meine Neugier war geweckt. Um es kurz zu machen, ich fand heraus, dass es sich um eine Wohnung handelte. Als ich ihn damit konfrontierte gestand er mir diese Wohnung mit Jane zu bewohnen.

Ein Liebesnest!

Er war damals so perplex, dass er mir den Schlüssel und die dazugehörige Adresse gab. Im Nachhinein frage ich mich, warum ich zu dieser Wohnung hinfuhr, aber ich war zu diesem Zeitpunkt in einem Ausnahmezustand.

Mein Herz pochte wild, als ich den Schlüssel ins Türschloss steckte, was würde mich hinter dieser Tür erwarten?

Ich trat ein.

Im Flur stehend schaute ich mich um. Geradezu schien das Wohnzimmer zu sein, auf der rechten Seite gingen zwei weitere Türen ab, rechter Hand eine Treppe, die offenbar in ein oberes Stockwerk führte.

Ich war geschockt.

Meine bis dahin innere Vorstellung dieser Wohnung, deckte sich nicht mit der Realität. Dies war keine Absteige mit einem Zimmer und Bad, dies war ein richtiges Zuhause. Peter führte ein luxuriöses Doppelleben. Sofort schossen mir seine unzähligen Geschäftstermine in den Kopf, die, an denen er mir kurzfristig mitteilte über Nacht wegbleiben zu müssen. Ausgerechnet immer an den zeitintensivsten Tagen meiner Firma, wenn die Aufträge im Minutentakt ankamen. Die Folge: Mein schlechtes Gewissen gegenüber meiner Tochter Carlotta wuchs, weil mir die Verantwortung meiner Firma im Nacken lag. Nach Möglichkeit organisierte ich alles um, holte meine Tochter am Nachmittag von Wibke ab; schließlich liebte ich meine Tochter und wollte sie nicht länger als nötig bei Wibke lassen. Nachts wenn sie schlief, arbeitete ich von Zuhause meine Aufträge ab. Morgens war ich kaputt und müde, doch ausruhen konnte ich mich nicht, stattdessen musste ich wieder fit und präsent an meinem Schreibtisch in der Firma sitzen.

Ich holte tief Luft, ging langsam in das Zimmer, welches ich als Wohnzimmer vermutete.

So war es auch.

Links eine gemütliche Sofaecke, auf der anderen Seite ein Esstisch mit Stühlen. Auf den Beistelltischen rundeten Fotos von Peter und Jane, in innigen Posen, das Bild des Zimmers ab.

Mich überkam Ekel.

Doch was war das? Unfassbar … !!! Diese Schränke kannte ich doch? Sie standen vorher in Peters Büro und waren bei einem Einbruch gestohlen worden. Gestohlen?

Mein Blick wanderte hinunter, was lag denn unten an der Couch? Mein altes Handy? Ich hatte es vergeblich tagelang gesucht!

Mein Zorn gegenüber Peter wuchs. Es sollte noch besser kommen. Ich ging wieder in den Flur, wollte eine weitere Zimmertüre öffnen, sie war verschlossen. Daneben befand sich ein kleines Bad. Ich setzte meinen Rundgang fort, ging die Treppe nach oben. Dort sah ich eine Staffelei. Offenbar verbrachte Jane ihre Zeit mit Malen, während sie auf meinen Gatten wartete. Aus Wut nahm ich eine Farbentube, öffnete sie und schüttelte die Farbe an die Wand. Mit jedem Farbspritzer entlud sich weitere Wut aus meinem Inneren. Ich ging hinunter ins Bad, nahm einen Lippenstift, schrieb das Wort:

S C H L A M P E

auf den Spiegel.

Ein weiteres Highlight kündigte sich an. Es klingelte an der Tür. Polizei!

Ich ließ die beiden Beamten herein. Sie schauten mich irritiert an, mein Anblick schien Fragen aufzuwerfen. Mein verheultes Gesicht, Wimperntusche, die an der Wange klebte, Haare die zu Berge standen und rote Spritzer an meiner Kleidung, die vielleicht auf den ersten Blick aussahen, als seien es Blutspritzer. Ich sollte mich ausweisen.

»Frau Schönfeld, Sie haben angerufen und den Einbruch gemeldet, was ist denn passiert? «

Ich schaute sie ungläubig an. »Ich bin Frau Schönfeld, aber ich habe nicht angerufen?« Ich gestikulierte wild und schrie immer nur: DIESES ARSCHLOCH!

Hatte Peter mir womöglich noch die Polizei auf den Hals gehetzt? Nach und nach beruhigte ich mich und konnte die Sachlage erklären, nichtsdestotrotz, bekam ich eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch. Das war der krönende Abschluss. Ich konnte meine Wut kaum im Zaun halten. Einer der beiden Beamten schaute mich an und sagte dann beklommen: »An Ihrer Stelle würde ich sofort die Scheidung beantragen! «

Das damalige Gefühl wurde mir wieder präsent, alles brach just in diesem Moment in mir zusammen. Ich nickte nur und ging danach nach Hause.

Peter saß zusammengekauert in unserer Küche. Ich tobte und schrie, knallte den Schlüssel der Wohnung auf den Tisch. Ich forderte ihn auf: »Steh auf! Du fährst mit mir sofort zur Polizei! «

Er hatte mich in diese Situation gebracht, jetzt hatte er die Pflicht es aufzuklären. Die Anzeige war unberechtigt! Auf dem Polizeirevier erfuhr ich, wer den vermeintlichen Einbruch gemeldet hatte. JANE!

Sie saß in dem verschlossenen Zimmer, welches ich nicht öffnen konnte. Sie gab sich als Frau Schönfeld aus!

Es war alles so ungeheuerlich!!!

Jane setzte ein paar Tage später noch eins drauf. Ich stand mit Peter vor unserem Haus, als plötzlich ein Auto mit quietschenden Reifen hielt. Es war Jane! Wie von Furien gehetzt kam sie auf mich zu, schrie mich an, beschimpfte mich. Voller Wut nahm sie ihre Tasche und versuchte mich damit zu schlagen. Ich wich aus taumelte zur Seite, dachte nur: Welcher Film geht hier ab!

Peter stand untätig da. Er wirkte wie ein ängstliches, hilfloses Kind. Das war zu viel für mich, ich drehte mich zu ihm um, sagte energisch: »JETZT IST EIN FÜR ALLE MAL SCHLUSS! «

Ich wollte damals nur weg von ihm, hätte ich es nur getan! Was dann folgte: Stundenlange Gespräche! Er entschuldigte sich, er kniete vor mir, weinte, bat um Verzeihung. Erklärte mir sein Verhalten, beteuerte, es sei nur ein Ausrutscher gewesen! Ein Ausrutscher?

Dann traf er meinen wunden Punkt: Carlotta!

Seine Stimme zitterte, ich solle ihm vergeben, was würde sonst aus Carlotta werden. Mit verzweifeltem Blick appellierte er an mein Gewissen: »Denke daran welch herzlose Kindheit wir beide hatten. Das soll Carlotta nicht passieren! Sie braucht Mama und Papa an ihrer Seite! Wir sind doch eine Familie, bitte tue es mir und Carlotta nicht an. Wir lieben dich! Bitte gib uns eine Chance, ohne dich… will ich nicht leben! «

Da fing ich zu hadern an.

Warum ahnte ich nicht, dass dies nur Taktik war?

Vor allen Dingen: Verlass uns nicht! Er hatte die richtige Stelle getroffen, es traf mich mitten ins Herz.

Allmählich zerbröckelten meine Gedanken an eine Trennung. Ich wurde weich! Der Gedanke ich würde Schuld daran tragen, dass Carlotta unglücklich werden könnte, brach meinen Widerstand auf. Die Vorbehalte meiner Freunde schoss ich in den Wind. Es war eine schwierige Zeit. Ich musste mir eingestehen: Mein größter Wunsch war: Eine glückliche eigene Familie zu haben!

Er unternahm alles Mögliche um mein Vertrauen zurückzuerobern. Wir fuhren mit Carlotta an die Ostsee und verbrachten auf einmal wieder viel Zeit zusammen. Er koordinierte seine Geschäftstermine, sodass er nicht über Nacht wegblieb. Wenn ich in der Firma wieder nicht rauskam, holte er Carlotta ab, brachte etwas zu Essen vorbei und wir saßen dort zu Dritt. Ich dachte, er meint es Ernst!

Doch jetzt – erneut JANE!

Wie ich das hasste, es war immer und immer wieder das Gleiche. Er würde sich nie ändern, es half nichts, ich musste der Wahrheit ins Auge blicken. Natürlich tat es weh zu erkennen, dass Peter nicht der war für den ich ihn einst hielt.

Peter war attraktiv und hatte Charisma. Er besaß die Fähigkeit einem die Sterne vom Himmel zu holen. Er war aufmerksam und verständnisvoll, er gab einem das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Dann aber seine andere Seite, die, die ich im Laufe der Zeit kennengelernt hatte.

Die dunkle Seite ! Ohne erkennbaren Grund verwandelte sich dieser Mann in einen Menschen, der mit den vorgenannten Eigenschaften nichts mehr zu tun hatte. Er bekam cholerische Anfälle, wurde böse und ungerecht, manipulierte und intrigierte.Lügen hatte er zu einer Kunst erhoben.

Dieser Zwiespalt seiner Persönlichkeit zermürbte mich. Nur war mir das erst aufgefallen, als ich ihm schon völlig verfallen war. Doch mittlerweile setzte ich mich kritisch mit ihm und seinem Charakter auseinander. Meine Zweifel, die mich hinderten mich zu trennen, waren noch da.

Ich sah unsere gemeinsamen Jahre, unsere Tochter Carlotta.

Wie sehr hätte ich mir gewünscht, dass wir eine glückliche Familie sein könnten.

Auch die Tatsache, dass Carlotta sehr an ihrem Vater hing, hinderte mich bislang die Trennung zu vollziehen. Aber wie ich es auch drehte und wendete, ich war unglücklich.Beruflich hatten wir uns einiges gemeinsam aufgebaut. Bevor wir uns trafen hatte Peter eine kleine Firma. Er übernahm logistische Aufträge für Galeristen, verschickte und lagerte deren Objekte. Dann lernten wir uns in einer Galerie kennen. Nach einer Weile bat er mich in seiner Firma einzusteigen. So entwickelte sich sukzessive die berufliche Idee, weitere Aufgaben für die Kunden zu übernehmen. Das Kerngeschäft war aber die Lagerung und Versendung der Kunstobjekte.

Hier und da sollten Flyer oder Ankündigungen verschickt werden. Wir überlegten, ob wir diesen Bereich nicht weiter ausbauen können.

Ich übernahm diese Aufgabe, kurbelte diese Aufträge an. Baute ein System auf, entwarf selber Layouts für Flyer, Postkarten und vieles mehr, um für die Kunden nicht nur den Versand zu übernehmen, sondern darüber hinaus als Werbeagentur tätig zu werden. Langsam aber stetig wuchs die Auftragslage. Zudem wurden die Abläufe transparent für die Kunden, sodass sie meine Arbeit schätzten. War anfangs dieser Bereich recht chaotisch angelegt, schaffte ich es innerhalb von zwei Jahren, ein ordentliches System zum Laufen zu bringen. Die Umsätze stiegen, sodass wir beschlossen, diesen Bereich aus der Firma auszugliedern und eine neue Firma zu gründen.

Jeder hatte seinen eigenen Bereich, sein eigenes Wirkungsfeld. An und für sich ein perfektes Gespann. Er hatte innovative Ideen, ich war diejenige, die diese akribisch auseinander tüftelte, bis sie umsetzbar waren.

Dennoch überwog nun der Gedanke mich zu trennen. Seine ständigen außerehelichen Affären, seine Launenhaftigkeit und die damit verbundene Ungerechtigkeit mir gegenüber, machten das Maß voll.

Wieder überkam mich mein wunder Punkt. Sicher war da Carlotta, unsere Tochter, gerade mal fünf Jahre alt und total in Ihren Vater verliebt. Immer und immer wieder hatte ich mir den Kopf zerbrochen, wie ich es meiner kleinen Tochter wohl beibringen sollte, dass die Mami und der Papa...

Schluss – Ende – Aus!

Jetzt müssen Nägel mit Köpfen gemacht werden, dachte ich mir, so geht es nicht mehr weiter, du hast dein Leben noch vor dir, willst du etwa ewig leiden? Das wollte ich nun wirklich nicht.

Mein ganzes Leben war bislang darauf ausgerichtet, es immer allen recht schön und nett zu machen, nur die eigenen Bedürfnisse fielen dabei ständig durchs Raster.

Aber was sollte ich tun?

Sobald ich mit Peter, meinem Mann, sprach, ging dieses unbeschreibliche Theater wieder los! Er bettelte mich an zu bleiben und traf meine wunden Punkte.

Einfach gehen!

Das ging ja nun auch nicht, ich hatte Carlotta und ich hatte eine Firma – und daran hingen einige Mitarbeiter... Ach, was sollte ich nur machen, ich musste mir einen Plan ausdenken. Peter sollte sprachlos sein, sodass ich eine Trennung durchziehen konnte und nicht wieder umkippte.

Der Plan sollte schneller kommen, als mir lieb war und er sollte mein ganzes bisheriges Leben völlig durcheinanderbringen...

CHIARA GEHT IHREN WEG

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