Читать книгу Pralinen für zwischendurch - Clare Dowling - Страница 6

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Warum hast du ihm nicht geschrieben, dass du wieder heiraten willst?«, fragte ihre Schwester Michelle.

»Weil es ihn nichts angeht«, antwortete Jackie. »Und weil er nicht glauben soll, dass ich um die Scheidung nur deshalb nachsuche. Er soll glauben, dass ich es tue, weil ich es nicht ertrage, noch länger mit ihm verheiratet zu sein.«

Das stimmte nur zum Teil, aber sie konnte doch nicht zugeben, dass sie es ihm verschwiegen hatte, weil sie befürchtete, dass er sich totlachen würde, wenn er die Wahrheit erführe.

Michelle war beeindruckt. »Du bist so gut, Jackie. Ich hätte es mir nicht verkneifen können. Ich hätte ihm mit Wonne beschrieben, was für einen Spitzentyp ich mir geangelt habe. Einen Business Banking ... wie war das noch gleich?«

»Manager.« Jackie freute sich, dass Michelle ihre Wahl billigte. Henry hatte niemand in ihrer Familie gemocht. Er hatte es sich gleich bei seinem ersten Besuch durch die Bemerkung mit ihnen verdorben, dass er hoffe, das Mittagessen, das Jackies Mutter auf den Tisch bringe, werde seinen Ansprüchen gerecht. Als daraufhin tödliche Stille eintrat, bemühte er sich hilflos, noch etwas zu retten, indem er stotterte: »Das war ein Scherz! Ein auf mich gemünzter! Es würde mir doch niemals einfallen, das Essen hier zu kritisieren ... es duftet herrlich!« Danach waren sie ihm mit Vorbehalt begegnet. Nein, mit deutlicher Abneigung.

»Ich hätte auch ein Foto beigelegt«, fuhr Michelle mit Genuss fort. »Eine DIN-A4-Vergrößerung in Farbe, auf der ich in einer wilden Umarmung mit Dan zu sehen wäre. Oder vielleicht sogar beim Sex. Und dann hätte ich mit rosa Neonmarker draufgeschrieben: Ehemann Nummer zwei!, und tagelang auf dem Sofa gesessen und mir sein Gesicht vorgestellt.«

»Ich glaube, das würde ihn überhaupt nicht interessieren.«

»Männer interessieren sich immer für ihren Nachfolger«, widersprach Michelle wissend. »Henry würde es sich nur nicht anmerken lassen.«

»Wie auch immer – es spielt keine Rolle. Schließlich habe ich nicht vor, ihn zur Hochzeit einzuladen.«

»Ach, tu das doch!«, bettelte Michelle. »Auf der letzten Hochzeit, bei der ich war, wäre ich fast vor Langeweile gestorben. Zweieinhalb Stunden lang nur Reden, und dann schütteten sich alle zu, und ich bumste, um mich zu beschäftigen, Gerry Butler.«

»Mums Friseur?«

»Erzähl ihr das ja nicht! Du weißt, dass sie überzeugt ist, dass ich noch Jungfrau bin.«

Mrs Ball kam aus dem Wohnzimmer in die Küche geeilt, um die Teekanne wieder zu füllen. Sie hatte hektische Flecken auf den Wangen, und ihr Haarreif war verrutscht. So derangiert wirkte sie leicht betrunken. »Würdet ihr vielleicht aufhören, über Henry zu reden?«, zischte sie. »Wir können euch drüben hören, und es ist Dan sichtlich unangenehm.«

Die Schwestern schauten an ihr vorbei ins Wohnzimmer, wo Dan steif auf der Sofakante saß und mit Jackies Vater über Bohrerzubehör sprach. Bis jetzt war dieses Thema das einzige, an dem sie beide Interesse hatten, aber es war ja ihre erste Begegnung. Im Lauf der Zeit würden sich bestimmt noch mehr Berührungspunkte ergeben.

»Er weiß alles über Henry, Mum«, hielt Jackie dagegen. »Und er kommt gut damit klar.«

»Ich glaube, da irrst du dich«, erwiderte ihre Mutter. »Jedes Mal, wenn er Henrys Namen hört, zuckt er zusammen. Und euer Vater verwechselt auch noch ständig die Namen. Ich wäre jedes Mal am liebsten im Boden versunken. Rück mal ein Stück, Michelle, sonst drückst du die Ingwerwaffeln platt.« Sicherheitshalber entfernte sie die Platte aus der Gefahrenzone.

Mrs Ball war niemals ernstlich streng mit Michelle, die jetzt verstohlen eine Grimasse schnitt.

Jackie zog einen Stuhl unter dem Küchentisch hervor. »Setz dich einen Moment und entspanne, Mum. Den Tee bringe ich rüber.«

»Ich soll entspannen, sagt sie! Nachdem sie mir gestern Abend mitteilte, dass sie heute ihren neuen Verlobten zum Lunch mitbringen würde! Wir wussten nicht einmal, dass du dich wieder mit jemandem triffst! Wir dachten, du wärest vollauf damit beschäftigt, diesen Blumenladen zum Laufen zu bringen, ›einen Neuanfang in einer gänzlich anderen Richtung zu starten‹, wie du uns Ostern erklärtest. Als wir letzte Woche miteinander sprachen, war die große Neuigkeit, dass du vorhättest, dir die Haare entkrausen zu lassen – und jetzt das!« Trotzdem stellte sie die Ingwerwaffeln wieder hin und ließ sich auf den Stuhl fallen. »Wenn ich ehrlich bin, habe ich nicht mehr mit dir Schritt halten können, seit du etwa fünf Jahre warst.«

Michelle hörte höchst amüsiert zu. Kein Wunder. Sie war das Lieblingskind, das sich weitergebildet hatte, während der Rest der Brut sich laut Mrs Ball von Autos und lockeren Weibsbildern hatte ablenken lassen. Das sagte sie nur, weil Jackies Bruder Eamon sich einen alten Ford Mustang gekauft hatte, als er vor Jahren mit einem Besuchervisum in den Staaten gewesen war und dann etwas mit einer Frau aus Arizona angefangen hatte. Inzwischen war er längst mit ihr verheiratet und dreifacher Vater und fuhr einen Mercedes, aber das hielt Mrs Ball nicht davon ab, sich um ihn zu sorgen. Oh, sie hatte keine Nacht mehr ruhig geschlafen, seit ihre Kinder auf der Welt waren. Dabei hatte sie ihnen einen optimalen Start ins Leben ermöglicht: sie allesamt gestillt, auf die besten Schulen geschickt, jeden Abend zur selben Zeit ein ordentliches Essen auf den Tisch gebracht. Sie hatten jede Chance, sich zu verantwortungsvollen Erwachsenen mit anständigen Jobs zu entwickeln, die, wenn sie einundzwanzig waren, aufhören würden, ihrer Mutter Sorgen zu machen.

Aber Eamon hatte für alle den Maßstab gesetzt, und Mrs Ball brach es das Herz, als ein Sprössling nach dem anderen ein Universitätsstudium verweigerte und sich damit eine feste Anstellung mit Pensionsanspruch verscherzte. Statt sie zu entlasten, brachten sie sie an den Rand der Verzweiflung, indem sie Yogalehrer wurden und Floristin und »Performance-Künstler« – das war Dylan in Südafrika. Sie schickte ihm noch immer per Postanweisung einen Zuschuss zu seiner Miete. Sie hatten sich mit unpassenden Männern zusammengetan und mit verheirateten Frauen – wieder Dylan –, und zwei lebten ganz offiziell in Sünde, machten keinerlei Anstalten zu heiraten. Ganz zu schweigen von Jackie, die offenbar in die entgegengesetzte Richtung tendierte und eine Serienehefrau werden würde.

Mr Ball, der mit sechzig im Ruhestand war und als Heimwerker herumpusselte, kümmerte das alles nicht, aber eine Mutter hört niemals auf, sich zu sorgen, und schon gar nicht eine mit einer Mannschaft, wie Mrs Ball sie in die Welt gesetzt hatte.

Außer Michelle, der Guten, die nach acht Jahren als Nachzüglerin gekommen war. Sie war ein Versehen, natürlich (was Mr Ball noch immer nicht vergeben war), bildhübsch und hatte ein ausgesprochen helles Köpfchen. Sie studierte seit vier Jahren Jura, wie Mrs Ball jedem erzählte, der bereit war, ihr zuzuhören, und, noch wichtiger, sie war so ein braves Mädchen. Gab sich nicht mit Männern ab oder Alcopops oder Drogen oder dergleichen. Nein, sie schluckte lediglich ein Aspirin, bevor sie am Samstagabend ausging, um sich gegen den Lärm in einigen der Pubs zu wappnen, wie sie sagte. Meistens kam sie erst am nächsten Tag nach Hause, weil sie bei ihrer Freundin Bernadette übernachtete, wo sie Cola tranken und Schnippschnapp spielten. Von all ihren Kindern war sie das einzige, um das sich Mrs Ball nicht sorgen zu müssen glaubte.

Ihre Sorgen hatte Spuren hinterlassen. Ein Gespinst aus feinen Falten überzog ihr Gesicht, jede einzelne ein Zeugnis durch ungebärdige Kinder verursachter schlafloser Nächte. Manchmal waren ihre Sorgen so groß, dass sie sich aufs Sofa legen musste wie Mrs Bennet aus Stolz und Vorurteil. Michelle meinte, wenn ihre Mutter den Haarreif gegen ein Hütchen tauschte, könnte sie sogar Mrs Bennet sein.

Mrs Ball wandte sich Jackie zu – demjenigen ihrer Kinder, das ihr mehr schlaflose Nächte bereitet hatte als alle anderen, abgesehen von Dylan vielleicht – und seufzte. »Aber ich denke, wir sollten inzwischen an dich gewöhnt sein. Dein Vater sagte immer, mit dir im Haus sei es keinen Moment langweilig, aber um ehrlich zu sein, sagte er es nicht immer in freundlichem Ton.«

Es musste ein hartes Stück Arbeit gewesen sein, all diese Kinder großzuziehen. Damit entschuldigte Jackie ihre Mutter. »Ist ja gut. Wie findest du ihn denn nun, Mum?«

»Wen?«

»Dan!«

Mrs Ball schaute wieder ins Wohnzimmer hinüber und antwortete überraschend entschieden: »Er ist sehr nett.«

Ja, natürlich fand sie das: Er erfüllte ihre sämtlichen Kriterien eines idealen Ehemannes. Irgendwie erschien es Jackie grundverkehrt, sich einen Mann ausgesucht zu haben, den ihre Mutter billigte.

»Ich finde ihn toll!«, erklärte Michelle.

Wenn Michelle ihn toll findet, muss er okay sein, dachte Jackie. Früher hatte sie nie jemanden nach seiner Meinung gefragt, aber nachdem Henry sich als so eklatanter Fehlgriff erwiesen hatte, traute sie ihrem Urteil nicht mehr. Schließlich war er in ihren Augen der perfekte Mann gewesen.

»Hat er einen Bruder?«, erkundigte sich Michelle.

»Nicht nur einen. Er hat sogar fünf Brüder.« Die hatte sie bei einem hastig anberaumten Familienmittagessen anlässlich ihrer Verlobung kennengelernt. Sie waren in großen Autos angerollt, die nach Firmenwagen aussahen, hatten einander mit einem Ritual begrüßt, das Boxhiebe gegen die Oberarme beinhaltete, und sich auf dem Weg zur Toilette scherzhaft gebalgt. Ihre Ehefrauen waren sämtlich gepflegte Blondinen namens Fiona, die jedes Mal wie erschreckte Rassepferde zurückzuckten, wenn Jackie ihre rot bestiefelten Beine übereinanderschlug.

Dan hatte später herzlich darüber gelacht und gesagt, dass sie einen neuen Modetrend gesetzt hätte und beim nächsten Treffen bestimmt alle die gleichen Stiefel tragen würden.

»Sind Gutaussehende darunter?«, wollte Michelle wissen.

»Mach ihr nicht den Mund wässrig, um Himmels willen!«, beschwor Mrs Ball Jackie. »Sie muss sich auf ihr letztes Studienjahr konzentrieren. Ihr Tutor meinte letzte Woche, sie hätte das Zeug zur Strafverteidigerin.«

»Ja.« Michelle grinste. »Wenn also einer von euch einen Mord begangen hat, ruft mich an.«

»Sag doch so was nicht!« Mrs Ball war hell entsetzt: Schon wieder ein Grund zur Sorge! »Bitte sie auch nicht, deine Brautjungfer zu werden«, wandte sie sich wieder an Jackie. »Sie kann wirklich keine Ablenkung brauchen. Aber du wirst diesmal ja sicher nicht wieder eine große Hochzeit haben wollen, oder?«

Jackie war sehr stolz darauf, dass sie es schaffte, das alles lächelnd wegzustecken. »O nein – wir dachten daran, es in Dads Garage durchzuziehen, wenn er sich von ein paar seiner Schachteln mit Handwerksabfällen trennen kann.«

»Ich nehme an, das ist ein Scherz«, sagte Mrs Ball, die sich da bei Jackie nie wirklich sicher war. »Bring doch die Ingwerwaffeln rein, Michelle. Und sag ihm, er kann noch mehr haben, wenn er will.« Mehr Ingwerwaffeln! Dan musste ziemlichen Eindruck gemacht haben.

Michelle entschwand mit der Platte.

»Du siehst müde aus, Mum«, wechselte Jackie in mitfühlendem Ton das Thema.

»Das bin ich auch. Ist ja kein Wunder nach der ganzen Aufregung. Ich will mich nicht beschweren, aber ich musste euren Vater gestern Abend um sieben losschicken, um für heute ein Hühnchen aufzutreiben! Ich schärfte ihm ein, er solle ein großes bringen, aber er hatte seine Brille vergessen, und du weißt ja, wie schlecht er ohne sieht, und so kam er mit einem Truthahn an! Im Juli! Ich möchte nicht wissen, was Dan von uns hält.« Erschöpft von ihrer Tirade hielt sie einen Moment inne und fragte Jackie dann: »Bist du dir wirklich sicher, Liebes?«

»Ja.«

»Nun, ich sorge mich natürlich.« Es war wahrscheinlich das abgenutzteste Wort ihres Vokabulars.

»Und weshalb genau, Mum?«

»Na ja – immerhin willst du schon wieder mal heiraten.«

»Erst das zweite Mal, Mum.«

»Jetzt werde nicht unhöflich. Du weißt doch selbst, wie du bist. Du gehst alles mit einem solchen Enthusiasmus an! Mit einer solchen Energie! Und ich bewundere dich ja auch dafür. Erinnerst du dich noch an das Projekt in der Schule, als die ganze Klasse diesen riesigen Quilt nähen musste? Ich sah zwar, wenn ich ehrlich sein soll, keinen Sinn darin, denn wie auch dein Vater sagte, gäbe es auf der ganzen Welt kein Bett, das groß genug für das Ding wäre, aber du bekamst einen Preis, weil du die meisten der kleinen Quadrate genäht hattest. Weißt du das noch? Es war eine wunderhübsche Lumpenpuppe. Wir waren so stolz auf dich.«

Die Geschichte erzählte sie mit Begeisterung – vorzugsweise an Weihnachten, nach ein paar Sherrys –, als wäre der Lumpenpuppen-Preis der Höhepunkt in Jackies Leben gewesen, ihre größte Errungenschaft, an die seither nichts mehr herangereicht hatte. Doch Jackie wollte den Augenblick nicht zerstören, und so sagte sie lächelnd: »Zorabelle.«

»Was?«

»Das war der Name, den ich der Lumpenpuppe gab.«

»O ja – Zorabelle. Das war so typisch für dich. Wir anderen wollten sie Jane nennen.« Aus irgendeinem Grund schien sie das zu erheitern, denn sie brach in schallendes Gelächter aus, und Jackie stimmte ein, und dann schaukelten sie sich gegenseitig hoch, bis Mrs Ball zu japsen anfing und ihr die Tränen kamen. »Hör auf!«, flehte sie, kramte ein Taschentuch heraus und tupfte sich die Wangen ab.

Plötzlich stand Dan in der Tür. Es gefiel ihm sichtlich, dass sie so vergnügt waren. »Ich wollte Sie fragen, wo ich eine Axt finde«, wandte er sich an Mrs Ball.

Sie wurde unvermittelt ernst und warf einen Blick zu ihrem Mann hinüber. »Ich hoffe, er hat Sie nicht verärgert.«

Jetzt musste Dan auch lachen. »Nein, nein.«

»Manchmal hätte ich nämlich selbst nicht übel Lust, zur Axt zu greifen.«

»Er hat mir den abgestorbenen Baum im Garten gezeigt, und ich bot ihm an, ihn zu fällen«, erklärte Dan.

»Das wäre wunderbar!«, sagte Mrs Ball. »Ich sorge mich nämlich ständig, dass er umstürzen und Michelle töten oder schwer verletzen könnte. Sie hat nur noch ein Jahr bis zu ihrem Juraabschluss, wissen Sie.«

»Ja, das haben Sie mir erzählt.« Er blinzelte Jackie zu und ging.

»Er ist ein ausgesprochen netter Kerl«, verkündete Mrs Ball. »Auch wenn man sich bemühte, fände man nichts an ihm auszusetzen.«

»Dann habe ich also dein Einverständnis?«

»Seit wann brauchst du mein Einverständnis für irgendwas?«, fragte Mrs Ball.

»Ich brauche es nicht, aber ich hätte es gern, Mum.«

Mrs Ball rückte ihren Haarreif zurecht. »Ich möchte nur nicht, dass dir wieder wehgetan wird.«

»Ich weiß, Mum.«

»Es brach mir fast das Herz, als ich dich nach deiner Rückkehr aus London oben in deinem Zimmer die Nächte durchweinen hörte. Ich sagte zu eurem Vater, wenn sie doch nur ein bisschen nachdenken würde, bevor sie etwas tut.«

»Wie hast du das gemeint? Worüber hätte ich nachdenken sollen? Dass es schiefgehen könnte? In so einem Fall täte das wohl niemand. Aber sonst denke ich sehr wohl nach, bevor ich etwas tue.«

»Das schon – aber nicht über Dinge wie der Rest von uns.«

Womit sie die Rente und Sicherheit und Ersparnisse für ein Seniorenheim meinte. Jackie bekam bei der bloßen Vorstellung schon Kopfschmerzen.

Mrs Ball missdeutete ihr Schweigen als Zeichen von Verärgerung und setzte hastig hinzu: »Oh, ich gebe durchaus auch Henry Schuld.«

»Am Scheitern unserer Ehe?«

»Ich sagte zu deinem Vater, der Bursche hat ihr mit seinen Anrufen und Briefen und Wochenendbesuchen völlig den Kopf verdreht. Es war, als lebtet ihr beide nicht auf dieser Welt, als lebtet ihr auf einem ... Planeten der Liebe.« Jackie war verblüfft. Mrs Ball ebenso. In sachlichem Ton erklärte sie: »Ich mag Dan. Man kann mit ihm reden. Bei ihm weiß man, wo man dran ist.«

Damit besiegelte sie ihr Einverständnis, und irritierenderweise gefiel Jackie, was ihre Mutter gesagt hatte. Es war ein gutes Gefühl zu wissen, mit wem man es zu tun hatte, anstatt sich ständig zu fragen, ständig zu hoffen und dann enttäuscht zu werden.

Mrs Ball setzte hörbar zufrieden hinzu: »Und, weißt du, ich glaube, du bist in den sechs Monaten, die du ihn kennst, etwas häuslicher geworden.«

»Du wusstest doch bis gestern gar nichts von seiner Existenz!«, erwiderte Jackie scharf.

Mrs Ball seufzte. »Es ist wirklich schwer, es dir recht zu machen. Wenn ich gesagt hätte, dass er mir nicht gefällt, wärst du gekränkt gewesen – aber dass er mir gefällt, passt dir auch nicht.«

»Dein Vater hat ein hundertsiebenunddreißigteiliges Bohrerset«, sagte Dan auf der Rückfahrt quer durch die Stadt staunend. »Das wünsche ich mir zu Weihnachten.«

»Ach, hör auf.«

Er schaute sie überrascht an. »Was ist denn?«

»Du kannst jetzt aufhören zu heucheln.«

»Ich verstehe wirklich nicht, warum du mir das unterstellst. Ich habe ihm übrigens gesagt, dass ich ein Ticket für das Freundschaftsspiel Irland–Argentinien bekommen könnte, wenn er Lust hätte mitzugehen.«

»Dad und Rugby?«

»Er schien durchaus interessiert zu sein.«

»Das Spielchen macht Dad immer. Aber er wird nicht mitgehen. Das tut er nie.«

»Wir werden sehen. Und der Truthahn deiner Mutter war sensationell. Ich werde eine Woche lang nichts zu essen brauchen.«

»Hör auf. Tu mir nicht auch noch schön, was meine Eltern angeht, Dan. Deine Schauspielerei war ganz offensichtlich und dein Spaß daran auch.«

»Sie werden für weiß Gott wie viele Jahre meine Schwiegereltern sein, und da kann es doch nicht verkehrt sein, sich um einen guten Start zu bemühen«, erwiderte er scheinbar gekränkt.

Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Du bist ganz schön durchtrieben.«

»Das bin ich nicht!«, empörte er sich. »Sie sind okay. Ehrlich.«

»Sie sind stinklangweilig.«

»Findest du?« Er klang aufrichtig.

Er mag meine Eltern tatsächlich, dachte Jackie. Das war nach dem positiven Urteil ihrer Mutter über Dan der zweite kleine Schock an diesem Tag. Aber vielleicht lag es ja an ihr. Vielleicht dachte sie wirklich anders als alle anderen. Und was hatte es ihr gebracht? Unterm Strich lediglich eine gescheiterte Ehe. Vielleicht war Originalität gar nicht so erstrebenswert – vielleicht sollte sie sich anpassen und leben wie alle anderen. Man konnte trotzdem Spaß haben, wie Michelle bewies, die große Hoffnung ihrer Eltern, die es schaffte, sich jedes Wochenende zuzuschütten und mit unpassenden Männern zu bumsen, jedoch klug genug war, keinen von ihnen zu heiraten, bei ihrem Leben zu bleiben, wie es war, und nicht nach London zu ziehen.

»Warum hast du mir nicht erzählt, wer Henry ist?«, platzte Dan in ihre Gedanken hinein.

Henrys Auftauchen in einer Unterhaltung war jedes Mal ein ziemlicher Schock für sie. »Habe ich.«

»Du hast mir nicht erzählt, dass er Restaurantkritiker ist. Du hast mir nicht erzählt, dass er berühmt ist.«

»Ach komm, Dan.«

»Sogar ich habe von ihm gehört, und ich interessiere mich nicht für Restaurantkritiken. Ich habe nichts übrig für dieses Cordon-bleu-Zeug, das man auf dem Teller suchen muss.« Er schaute sie an. »Du hast mir nur gesagt, dass er textet – als würde er Gebrauchsanweisungen für Computer verfassen oder das alberne Zeug auf der Rückseite von Cornflakespackungen.«

»Ich fand es eben nicht wichtig.«

»Dass dein Exmann ein großer Medientyp in London ist?«

»Er ist kein großer Medientyp.«

»Immerhin erscheint jede Woche sein Foto in der Zeitung! Nicht, dass ich diese Boulevardblätter lesen würde«, fügte er hastig hinzu. »Und wenn, dann nur den Sportteil.«

»Henry ist ein Restaurantkritiker, der sich einen Namen damit gemacht hat, boshaft zu sein, okay? Er macht alle nieder und wird dafür bezahlt. Toll.«

»Ich finde es nur interessant, dass du es nicht erwähnt hast. Vielleicht dachtest du, dass ich neidisch oder so was würde.«

»Nein, das dachte ich nicht.«

»Und so ist es auch nicht. Ich habe nämlich einen guten Job, weißt du. Ich bin zwar nicht berühmt, aber ich bin ziemlich gut. Ich bin wirklich nicht schlecht.« Wenn er sein Kinn noch weiter vorstreckte, würde er ärztliche Hilfe benötigen. »Ich meine, über Essen zu schreiben ... was ist das schon für ein Job?« Kein ernst zu nehmender, nach seinem Ton zu urteilen.

»Er war früher Chefkoch, und ich denke, da war es eine ganz natürliche Weiterentwicklung.« Sie verteidigte ihn nicht. Sie stellte nur die Tatsachen klar.

»Aha. Einer dem es Spaß macht, mit einer Schürze herumzulaufen und Omeletts hinzuzaubern, die auf der Zunge zergehen?«, spottete Dan. »Das wäre kein Job für mich, das kann ich dir sagen.«

Ein Segen, dachte Jackie, denn Kochen war nicht gerade seine Stärke: Das Curry vom vergangenen Abend lag ihr jetzt noch im Magen.

»Na ja – jedem das Seine«, meinte sie in der Hoffnung, dass er das Thema fallen lassen würde.

Er tat es nicht. »Du warst bestimmt auf vielen Partys. Eröffnungen und Galavorstellungen und rauschenden Bällen.«

»Am Anfang schon.« Es bereitete Jackie Mühe, freundlich zu bleiben.

Sie waren jeden Abend ausgegangen, und in der ersten Zeit hatte sie es genossen, aber dann war sie es müde geworden, und schließlich kam ihr der Verdacht, dass sie nur ausgingen, weil Henry keine Lust hatte, abends mit ihr allein zu Hause zu sein.

»Und da hast du massenweise Prominente kennengelernt, stimmt’s?« Dan war beinahe grün vor Neid.

»Könntest du bitte auf die Straße schauen, Dan?«

»Und wahrscheinlich auch Popstars, oder?«

»Dan! Der Laster!« Sie musste sich am Armaturenbrett abstützen, als er eine Vollbremsung machte, um nicht unter das Heck des Trucks zu geraten.

»Tut mir leid«, murmelte Dan, als sie nach dem Überholen wieder auf ihrer Straßenseite waren.

Der Schreck war ihnen beiden in die Glieder gefahren.

»Du musst damit aufhören, Dan. Du tust uns damit nichts Gutes.«

»Ich weiß.«

»Wir werden heiraten. Freuen wir uns doch lieber auf unsere Hochzeit, anstatt uns mit Henry und seinem Job zu beschäftigen.«

»Du hast recht. Es tut mir wirklich leid, Jackie. Vielleicht liegt es daran, dass ich heute deine Familie kennengelernt habe. Ich fühlte mich wie ein Eindringling. Immerhin war Henry vor mir bei ihnen.«

»Das schon, aber sie konnten ihn allesamt nicht ausstehen.«

Er horchte auf. »Tatsächlich?«

»Tatsächlich. Also kein Henry mehr, okay?«

Versöhnt legte er seine große Hand auf ihre. Einen Moment lang hatte sie das Gefühl, erdrückt zu werden.

Pralinen für zwischendurch

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