Читать книгу Perry Rhodan 26: Kontrollstation Modul (Silberband) - Clark Darlton - Страница 10
4.
ОглавлениеAcht der neun Space-Jets befanden sich auf dem Rückflug. Von ihren Kommandanten trafen kurz hintereinander per Richtfunk Botschaften an Bord der im Leerraum wartenden terranischen Schiffe ein. Die Nachrichten der Offiziere glichen einander verblüffend. Die acht Mannschaften hatten je eine Sonne mit einem Reflektorfeld gefunden, ohne Hinweise auf die eigentliche Station entdecken zu können.
Perry Rhodan und die Offiziere der CREST II hatten sich in der Zentrale des Flaggschiffes versammelt, um die Lage zu besprechen. Atlan, der an Bord der IMPERATOR weilte, verfolgte die Besprechung über die Bildschirme.
»Von Redhorse haben wir noch keine Nachricht«, sagte Rhodan. »Er ist offenbar am weitesten in die kleine Galaxis eingedrungen. Die Funkgespräche, die er mit verschiedenen Space-Jet-Kommandanten führte, lassen dies vermuten.«
»Captain Redhorse führte das letzte Gespräch über Hyperfunk mit Captain Kagato«, sagte Oberst Rudo. Seine dröhnende Stimme schien innerhalb der Zentrale einen Widerhall zu erzeugen. »Kagato berichtete uns, dass Redhorse ein System von drei Riesensonnen gefunden hätte. Die Konstellation scheint nicht auf natürlichem Wege entstanden zu sein. Kagato schätzt die ungefähre Entfernung dieses Systems zu unserem Standort im Leerraum auf knapp 2500 Lichtjahre. Redhorse kann also Andro-Beta noch nicht wieder verlassen haben.«
»Es sähe Redhorse ähnlich, auf eigene Faust etwas zu unternehmen«, klang Atlans Stimme in den Empfängern auf.
Rhodan unterdrückte ein Lächeln. Atlan konnte sich nicht an die eigenmächtigen Handlungen terranischer Raumfahrer gewöhnen. Obwohl er einsah, dass gerade diese Eigenmächtigkeiten es waren, die den Terranern oft in gefährlichen Situationen halfen, war ihm eine solche Mentalität unbegreiflich.
»Ich habe ausdrücklich befohlen, dass die Jets umkehren müssen, wenn sie ihr Ziel erreicht und identifiziert haben«, erinnerte Rhodan den Arkoniden.
»Captain Redhorse wird bestimmt einen Grund finden, diese Identifikation auszudehnen, besonders dann, wenn er Grund zur Annahme hat, den richtigen Sender gefunden zu haben.«
Das konnte Rhodan nicht bestreiten. Er hoffte jedoch, dass sich Redhorse nicht auf riskante Abenteuer einließ. Der Cheyenne war ein Draufgänger, aber er besaß ein ausgeprägtes Verantwortungsgefühl. Trotzdem konnte die SJ-4C in Schwierigkeiten verwickelt werden.
»Wir wollen abwarten«, sagte Rhodan. »Es kann noch einige Zeit dauern, bis wir Nachricht von Redhorse erhalten.«
»Wir sollten die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die neunte Space-Jet nicht mehr zurückkehrt«, sagte Oberstleutnant Huise, der Erste Offizier der CREST II.
Nach diesen Worten sah Rhodan in verschiedenen Gesichtern Bestürzung. Huise hatte das ausgesprochen, was die meisten der Raumfahrer glaubten. Wenn man neun Space-Jets in eine Galaxis entsandte, die sich im Aufruhr befand, dann musste man damit rechnen, dass mindestens eine davon verlorenging.
Doch Rhodan glaubte nicht an den Tod Redhorses und dessen Mannschaft.
»Warten wir ab, bis die acht Space-Jets wieder in ihren Hangars stehen. Bis zu diesem Zeitpunkt hat sich Redhorse vielleicht schon gemeldet.«
Rhodan spürte, dass er die Männer nicht überzeugen konnte. Sie waren zur Aufgabe ihres Stützpunktes innerhalb Andro-Betas gezwungen worden. Es sah jetzt so aus, als hätte das Solare Imperium seine vorgeschobene Basis endgültig verloren.
Innerhalb der kleinen Galaxis tobten die Mobys. Brutal führten sie die Befehle der Meister der Insel aus. Wie unmenschlich mussten jene sein, die die Mobys als Wächter ausgewählt hatten. Sämtliche Wachstationen und Fallen deuteten immer wieder auf die unvorstellbare Grausamkeit hin.
Rhodans Gesichtsausdruck veränderte sich unmerklich. Wer ihn gut kannte, sah jetzt feste Entschlossenheit in seinem Gesicht.
Sie hatten weder aufgegeben noch die Hoffnung verloren.
Sie waren lediglich einen Schritt zurückgegangen.
Und irgendwann, dachte Rhodan überzeugt, würden sie wieder einen Schritt nach vorn tun. Einen großen Schritt.
Bis nach Andromeda.
Die Nacht war erfüllt von Kampflärm, vom Gesang der Unsichtbaren, vom Zischen und Fauchen der Kombistrahler und den Schreien der Männer, die sich durch Zurufe zu verständigen suchten. Nichts mehr erinnerte an die friedvolle Stille, die hier noch vor Minuten geherrscht hatte.
Don Redhorse stand bei Brazos Surfat und feuerte auf das Monstrum. Gilliam, Doutreval und Bradon waren auf der anderen Seite der Space-Jet. Dort hörte man das Tosen ihrer Waffen, sah die gelben Flammenspeere die Dunkelheit spalten und auf den Angreifer zuschießen.
Das Untier hatte seinen Vormarsch eingestellt. Es gab ab und zu ein dumpfes Stöhnen von sich. Sein mächtiger Schwanz peitschte die Erde und wirbelte Moos und Schlammbatzen durch die Luft. Die Haut des Sumpfbewohners erwies sich gegen den Strahlenbeschuss erstaunlich widerstandsfähig, außerdem schien der Gegner der Terraner ein zähes Leben zu besitzen. Dazu kam, dass die meisten Schüsse nur auf gut Glück abgefeuert wurden und selten ihr Ziel fanden.
Das Heulen im Wald schwoll an. Es bildete eine schreckliche Begleitmusik zu der gespenstischen Szene am Rande der Sümpfe.
»Es bewegt sich wieder!«, schrie Redhorse.
»Wir müssen dichter ran«, gab Surfat mit gleicher Lautstärke zurück.
Redhorse sah ein, dass der Korporal recht hatte. Nur ab und zu sah er den Körper der Riesenschlange. Auf quadratmetergroßen Flächen stand das Moos in Brand. Der aufsteigende Rauch nahm den Männern fast völlig die Sicht. Gilliam, Doutreval und Bradon hatten eine günstigere Position, doch sie mussten ständig aufpassen, dass sie nicht vom peitschenden Schwanz des Monstrums getroffen wurden.
Das Sumpfungeheuer schien die Absicht zu haben, auf jeden Fall bis zur Space-Jet zu gelangen. Allmählich schob es sich darauf zu. Das Mittelstück des Schlangenkörpers war von unzähligen Schüssen getroffen und machte einen leblosen Eindruck. Doch der Kopfteil der Bestie lebte. Der Instinkt ließ das Tier seine letzten Kräfte aktivieren. Es stemmte mit Hilfe seines Schwanzes den zerschossenen Körperteil voran. Es war ein mühsames Vorankriechen, doch jeder Ruck brachte die Sumpfschlange ein paar Meter näher an die Jet heran.
Redhorse und Surfat mussten brennenden Moosbüscheln ausweichen. Der ätzende Qualm brannte in den Augen. Surfat hustete.
Plötzlich erbebte der Boden. Redhorse hatte das Gefühl, auf einer unsicheren Gummimatte zu stehen. Er wusste sofort, dass diese Vibration nicht auf den Angreifer zurückzuführen war. Irgendwo musste ein starkes Erdbeben sein, dessen Ausläufer auch dieses Land erschütterten. Surfat schrie irgend etwas, doch Redhorse, der damit beschäftigt war, sein Gleichgewicht zu halten, verstand ihn nicht. Er taumelte an einigen brennenden Pilzen vorüber.
Da sah er vor sich im aufsteigenden Qualm den Kopf der Schlange. Im Gegensatz zum übrigen Körper war er winzig. Zwei kaltblickende Augen glänzten im Feuerschein. Hustend riss Redhorse den Strahler hoch und zielte auf den hin und her pendelnden Kopf. Ein neuer Erdstoß warf ihn fast von den Füßen. Die Schlange gab einen dumpfen Laut von sich und wälzte sich mühsam in Richtung auf die Jet weiter. Mit höchster Konzentration zielte Redhorse abermals.
Surfat schoss vor ihm, aber mindestens einen halben Meter am Kopf des Ungeheuers vorbei. Dreißig Meter vor ihnen, in der Nähe des Schwanzes, versuchten die drei anderen Besatzungsmitglieder der SJ-4C, den entscheidenden Treffer anzubringen.
Die Schlange schien die Gefahr, die ihr drohte, zu spüren. Sie duckte ihren Kopf ins Moos, so dass dieser kaum noch sichtbar war. Der dritte Erdstoß erschien Redhorse weniger heftig, aber er dachte an die Möglichkeit eines Vulkanausbruches. Erst jetzt wurde er sich der Tatsache bewusst, dass der Gesang im Pilzwald mit Einsetzen des Erdbebens verstummt war.
Redhorse feuerte zwei Schüsse ab, die jedoch nur die Pflanzen in Brand steckten.
Unverhofft änderte die Schlange ihre Taktik. Statt vorwärts, wälzte sie sich in seitlicher Richtung davon. Funken stoben auf, wenn ihr mächtiger Körper einen Brandherd überrollte. Von der anderen Seite der Space-Jet ertönte ein Schmerzensschrei.
»Gilliam!«, schrie Surfat. »Er wurde von diesem Biest getroffen.«
Im Aufblitzen einer Waffe sah Redhorse für wenige Sekunden den am Boden liegenden Gilliam. Doutreval stand über ihn gebeugt, um ihm zu helfen, während Bradon ruhig im Moos kniete und auf das Gleam-Ungeheuer schoss.
Da hob sich vor Redhorse und Surfat der Kopf des Sumpfungeheuers aus dem Pflanzenteppich. Redhorse sah nur einen Schatten. Er sprang zur Seite, auf gut Glück einen Schuss abfeuernd. Surfat war weniger schnell. Der Schlag traf ihn genau gegen die Brust. Er sank ächzend nieder, kniete noch einen Augenblick wie benommen da und brach dann endgültig zusammen.
Kalter Zorn stieg in Redhorse auf. Mindestens zwanzigmal war dieses Geschöpf jetzt getroffen worden, ohne eine Wirkung zu zeigen, die den Captain an ein baldiges Ende des Kampfes glauben ließ.
Mit erstaunlicher Geschwindigkeit hatte sich die Schlange davongewälzt und war jetzt nur noch zehn Meter vom Diskusschiff entfernt. Redhorse wusste, dass ein paar Schläge des Schwanzes die Kanzel zerstören konnten. Halb betäubt wankte er hinter dem Giganten her, nur von dem Wunsch beseelt, die Space-Jet, die ihre einzige Fluchtmöglichkeit war, vor einem Angriff zu bewahren.
Vor ihm blitzten wieder Schüsse auf, und er sah Sergeant Whip Gilliam mit schmerzverzerrtem Gesicht auf die Space-Jet zukriechen. Schräg hinter ihm standen Doutreval und Bradon. Die Uniformen der Männer waren zerfetzt und wiesen Brandflecke auf. Redhorse wusste, dass er nicht besser aussah.
Gilliam schwang sich in die Schleuse der Jet und schoss auf das herankriechende Untier. Doutreval und Bradon war im Augenblick der Weg abgeschnitten. Von Surfat war nichts zu sehen.
Redhorse nahm einen Anlauf und sprang über das zerschossene Mittelteil der Schlange hinweg. Gleich darauf stand er unterhalb der Schleuse. Er warf einen kurzen Blick zu Gilliam hinauf. Im Licht der Kontrollen schimmerte das Haar des Sergeanten rötlich. Sein Gesicht war von Schweiß bedeckt. Redhorse begann wieder zu schießen.
Die Schlange näherte sich der Space-Jet bis auf vier Meter, bevor ein Zufallstreffer ihren Kopf zerfetzte. Ein letzter Ruck ging durch den mächtigen Tierkörper, dann lag er still. Das Prasseln der Flammen war das einzige Geräusch, das noch zu hören war.
Redhorse lehnte sich mit dem Rücken gegen die Schleusenumrandung. Über ihm kauerte Gilliam. Doutreval und Bradon kamen herangestürmt.
»Sucht Surfat!«, krächzte Redhorse.
Doch der dicke Korporal kam bereits auf die Jet zu. Er hatte seine Uniformjacke verloren. Das Hemd klebte schweißdurchtränkt an seinem Körper.
Redhorse war erleichtert, als er feststellte, dass seine Mannschaft die Auseinandersetzung ohne schwere Verletzungen überstanden hatte.
Surfat machte neben ihm halt.
»Hat jemand Appetit auf ein saftiges Schlangensteak?«, erkundigte er sich.
Doutreval strich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
»Ich dachte, Sie wären tot«, sagte er zu Surfat.
Ein klägliches Miauen ließ die Männer in die Schleusenkammer blicken. Mister Jefferson kam verstört zu ihnen herausgewatschelt. »Er ist aufgewacht«, sagte Bradon. »Der Lärm hat ihn erschreckt.«
»Haben Sie das Erdbeben bemerkt, Sir?«, fragte Gilliam.
»Ja, Sergeant. Ich befürchte, dass sich so etwas in stärkerem Maße wiederholen kann. Auch ein Vulkanausbruch ist möglich. Außerdem müssen wir ständig mit einem neuen Angriff aus dem Sumpf rechnen.«
»Wir werden Gleam bald verlassen können«, sagte Doutreval. »Sobald es hell wird, schließen wir die Reparaturarbeiten ab.«
Redhorse blickte sie der Reihe nach an. »Wir verlassen diese Welt nicht, bevor wir wissen, wer die Sonnenuhr in den Bergen aufgestellt und Mister Jefferson einen Metallring verpasst hat. Außerdem werden wir feststellen, wer dort drüben im Wald singt und was es mit den sonderbaren Pflanzen und Tieren auf sich hat.«
Surfat hob Mister Jefferson aus der Schleuse und setzte ihn auf seine rechte Schulter.
»Lass dir keine Angst einjagen, Kleiner«, sagte er zu dem Tier. »In Wirklichkeit ist dieser Captain Redhorse ein überaus friedfertiger Mensch.«
Die letzten Stunden der Nacht verliefen ruhig. Als die Sonne aufging und die fünf Terraner die Space-Jet verließen, sahen sie die Zerstörungen, die der nächtliche Kampf hinterlassen hatte. Ein großer Teil des Pflanzenwuchses rund um die Space-Jet war verbrannt. Die Schlange hatte Löcher und Furchen in den Boden gerissen. Die SJ-4C war mit Schmutz bedeckt. Das tote Ungeheuer lag verkrümmt im Moos. Redhorse schätzte seine Körperlänge auf vierzig Meter. Wahrscheinlich besaß dieses Tier ebenso wie der Gravotänzer variable Organe, die für die eigentümlichen Schwerkraftverhältnisse auf Gleam geschaffen waren. Nur so war die gewaltige Kraft zu erklären, die der Angreifer mit seinem Schwanz entwickelt hatte.
Die Männer selbst hatten den Kampf gut überstanden, aber sie alle hatten Brandwunden davongetragen. Surfat klagte über Schmerzen. Redhorse vermutete, dass der Korporal eine oder mehrere Rippen gebrochen hatte. Sergeant Gilliam hatte einen großen Bluterguss am Oberarm.
Sie reinigten ihre Waffen, dann nahmen Doutreval und Gilliam ihre Arbeit an der Schleusenhalterung wieder auf. Zuvor hatte der Funker vergeblich versucht, irgendwelche Impulse mit seinen Geräten zu empfangen.
Redhorse, Surfat und Bradon untersuchten ihren toten Gegner. Vom Kopf der Riesenschlange war nicht mehr viel übrig. Die Haut des Tieres glich jener, die Doutreval am vergangenen Tag gefunden hatte. Allerdings hatten sie hier ein wesentlich größeres Exemplar vor sich. Trotzdem konnte die alte Haut von dieser Schlange sein. Vielleicht hatte sie mehrere Wachstumsperioden mitgemacht.
Surfat sagte: »Ich glaube, dieses Tier ist kein Pflanzenfresser. Es war vergangene Nacht auf Raub aus.«
»Ich frage mich, ob der Gesang im Wald mit dem Angriff des Tieres etwas zu tun hat«, sagte Redhorse.
»Das klingt unwahrscheinlich«, meinte Bradon.
»Als Doutreval von der Riesenschildkröte angegriffen wurde, ertönte dieses Geheul ebenfalls«, erinnerte sich Surfat. »Allerdings war zu diesem Zeitpunkt das Tier bereits tot.«
»Trotzdem könnte ein Zusammenhang bestehen«, beharrte Redhorse.
Brazos Surfat blickte voller Unbehagen zum Waldrand. »Wenn ich mir vorstelle, dass Chard und ich in den Wald eingedrungen waren ...«
»Niemand hat uns belästigt«, sagte Bradon. »Vielleicht hat der Captain mit seiner Vermutung nicht unrecht, denn die Roboter flüchteten während des Gesanges.«
Redhorse berührte mit den Fußspitzen den toten Schlangenkörper. Er dachte angestrengt nach.
»Ist es möglich, dass der Gesang eine völlig andere Bedeutung hat, als wir jetzt annehmen?«, fragte er.
»Wie sollen wir das verstehen?«, wollte Bradon wissen.
»Vielleicht sollten wir jedes Mal mit diesem Geheul gewarnt werden«, sagte Redhorse. »Vielleicht ist uns jemand freundlich gesinnt und wollte uns auf die Flucht der Roboter und auf den Beginn des Erdbebens aufmerksam machen.«
»Das ist mir zu hoch«, erklärte Surfat. »An solche Freundschaftsbeweise glaube ich nicht. Vergessen Sie nicht, dass dies ein Planet ist, der von den Meistern der Insel für unangemeldete Besucher präpariert wurde. Wie kann man mit Freundlichkeit jemand zum Aufgeben seiner Pläne veranlassen?«
»Ich bin mir auch nicht sicher«, gestand Redhorse. »Es ist nur eine Ahnung.«
»Was können wir tun, um herauszufinden, ob diese Ahnung richtig ist?«, fragte Bradon.
»Wir müssen noch einmal in den Wald«, entschied Redhorse. »Diesmal gehen Surfat und ich. Wir nehmen Mister Jefferson mit. Vielleicht führt uns das Tier an den richtigen Platz.«
»Das ist ein gefährlicher Plan, Sir«, meinte Bradon wenig begeistert.
»Wenn die Unbekannten im Wald unseren Tod wollten, hätten sie bereits angegriffen«, hielt im Redhorse entgegen. »Doch daran glaube ich nicht. Bestimmt steht uns eine Überraschung bevor, wenn wir Kontakt zu den geheimnisvollen Sängern aufnehmen.«
Sie gingen zur Space-Jet zurück. Mister Jefferson schlief noch. Surfat klopfte mit den Händen leicht gegen die Kiste. Mister Jefferson erwachte. Er legte den Kopf auf den Kistenrand und blinzelte zu den Männern empor.
»Komm her, mein Kleiner!«, lockte Surfat.
Das Tier schien sich an die Stimme zu erinnern. Es sprang aus seinem Lager und schnüffelte an Surfats Beinen. Dann kletterte es an ihm hoch und nahm seinen Platz auf der rechten Schulter ein.
»Es mag mich«, erklärte Surfat verlegen. »Es hat erkannt, welche menschlichen Qualitäten ich habe.«
Bradon stöhnte. »Mir scheint, Mister Jefferson ist ein ausgesprochen schlechter Menschenkenner.«
Surfat legte sein Gesicht in würdevolle Falten und verließ die Space-Jet.
»Glauben Sie, dass der Schlag, den ihm die Schlange versetzt hat, auch geistigen Schaden angerichtet hat, Captain?«, fragte Bradon besorgt.
Redhorse wiegte nachdenklich den Kopf. »Wer will das sagen?«
Als der Captain die Schleuse verließ, stand Surfat bei Gilliam und dem Funker. Die drei Männer diskutierten heftig darüber, ob man Mister Jefferson etwas von den mitgeführten Nahrungsmitteln geben sollte, oder ob es besser war, wenn man dem Tier die Nahrungsbeschaffung selbst überließ.
»Ich habe noch nie gehört, dass ein Tier Konserven oder Konzentrate mag«, erklärte Doutreval. »Ich erinnere mich an einen Mann, der seinen Goldhamster mit Vitaminpillen fütterte. Nach wenigen Wochen musste der Hamster getötet werden.«
»Ja«, sagte Gilliam bedächtig. »Natürliche Kost ist immer das beste.«
Surfat streckte anklagend den rechten Arm aus. »Ihr befürchtet, dass Mister Jefferson unseren Bestand an Nahrungsmitteln dezimieren könnte«, warf er den beiden Männern vor. »In Wirklichkeit wisst ihr genau, dass ein eingemachter Pudding das richtige für das Tier ist.«
»Ich kann mich nicht erinnern, dass wir eingemachten Pudding in unserem Vorrat haben«, sagte Doutreval.
Redhorse unterbrach das Gespräch. Surfat folgte ihm widerstrebend in Richtung zum Wald. Schwerfällig stapfte er neben dem Captain her.
»Sir«, beschwerte sich Surfat, »ich habe das Gefühl, von verschiedenen Mitgliedern unserer Mannschaft nicht für ernst genommen zu werden.«
»Auf Ihre Gefühle konnte man sich schon immer verlassen«, lächelte Redhorse.
»Das ist ...« Surfat unterbrach sich und schaute mit aufgerissenen Augen zum Waldrand. »Sir ...«, stammelte er.
Redhorse hatte die seltsamen Gestalten bereits gesehen. Mister Jefferson wurde plötzlich erregt und klopfte heftig mit seinem Stummelschwanz gegen Surfats Rücken.
»Das sind ... Menschen!«, rief Surfat erregt.
»Nein«, sagte Redhorse ruhig. »Es sind Fremde.«
Etwa hundert Wesen waren zwischen den Bäumen hervorgekommen. Sie schienen nicht bewaffnet zu sein. Sie kamen direkt auf die Space-Jet zu. Redhorse sah, dass die Unbekannten menschenähnlich waren. Je näher sie jedoch herankamen, desto deutlicher wurde es, wie wenig sie mit Terranern gemeinsam hatten.
Die Fremden waren zartgliedrig und auffallend schlank. Ihre durchschnittliche Größe betrug fast zwei Meter.
Surfat äußerte fassungslos: »Schauen Sie sich diese komischen Kleider an, die sie tragen.«
Die Kleidung der Eingeborenen war tatsächlich ungewöhnlich. Die Oberkörper wurden von farbigen Trikots bedeckt. Von den Hüften ab wölbten sich weit abstehende Reifröcke, die mit Stäben so verstärkt waren, dass sie wie Regenschirme aussahen. Diese seltsamen Röcke reichten nur bis knapp über die Oberschenkel. Redhorse vermutete, dass die Röcke nicht ohne Grund diese Form besaßen. Die festen Stäbe, mit denen sie verstärkt waren, zeigten deutlich, dass die Reifröcke keine reine Modeangelegenheit waren.
Etwa dreißig Meter von den beiden Terranern entfernt blieben die Gleamors stehen. Sie machten einen lebhaften, aber friedfertigen Eindruck. Redhorse sah, dass alle Fremden kahlköpfig waren. Sie besaßen eine zartblaue Hautfarbe. Das Fremdartigste im Gesicht eines Gleamors waren die Lippen. Sie waren wulstig und ungewöhnlich breit. Redhorse beobachtete, wie manche der Eingeborenen ab und zu die Unterlippe vorstülpten und auf diese Weise eine Art Teller bildeten. Redhorse wurde sofort an den Gravotänzer erinnert. Wahrscheinlich ernährten sich auch die Eingeborenen vorwiegend von Pilzkulturen.
»Da kommt einer auf uns zu«, meldete Surfat.
Redhorse sah, wie ein Gleamor sich aus der Gruppe löste und langsam herankam. Als er die Hälfte des Weges zurückgelegt hatte, blieb er stehen und hob beide Arme in die Höhe. Er rief irgend etwas Unverständliches.
»Was will er?«, fragte Surfat misstrauisch.
»Vielleicht suchen sie noch ein paar Mitglieder für ihren Chor«, sagte Redhorse sarkastisch. Dann hob er, dem Beispiel des Eingeborenen folgend, ebenfalls beide Arme. Er hielt es jedoch für besser, keine Begrüßung zu rufen. Auch Surfat streckte die Arme hoch. Leider gehörten zur Ausrüstung der Jet auch keine Translatoren, so dass die Verständigung mit den Eingeborenen zu einem weiteren Abenteuer wurde.
Eine Weile geschah überhaupt nichts. Die Bewohner zweier Planeten blickten sich an, und jeder schien darauf zu warten, dass der andere irgend etwas unternahm. Ein kurzer Blick zur Space-Jet überzeugte Redhorse, dass Bradon, Gilliam und Doutreval sich mit ihren Waffen in der Schleuse versammelt hatten. Das war eine ausgezeichnete Rückendeckung.
»Wie lange wollen wir so stehenbleiben?«, fragte Surfat mürrisch. »Mir sterben die Arme ab. Ich bin weder ein Fakir noch ein Sonnenanbeter.«
Redhorse blickte Surfat an. Der Korporal bot ein klägliches Bild. Mit hochgestreckten Armen, den Bauch weit herausgestreckt, erinnerte er an einen altindischen Tempelgötzen. Mister Jefferson klammerte sich an Surfat fest und war offenbar sehr zufrieden.
Endlich ließ der Gleamor die Arme sinken.
»Klachahaiii?«, rief er freundlich und stülpte die Unterlippe vor.
»Hoffentlich erwartet er nicht, dass wir unser Gesicht in ähnlicher Weise strapazieren, Sir«, sagte Surfat.
»Diese Burschen scheinen friedlich zu sein«, sagte Redhorse. »Es sieht so aus, als sollte sich meine Vermutung als richtig erweisen.«
»Er kommt näher, Captain!«, rief Surfat.
Der Eingeborene bewegte sich graziös über das Moos, während ihm seine Begleiter aufmunternde Worte nachriefen. Drei Meter vor den beiden Terranern blieb der Fremde abermals stehen. Redhorse fragte sich, was im Kopf dieses Wesens vorgehen mochte. Musste der Gleamor nicht glauben, dass er bösartige Invasoren vor sich hatte?
Redhorse sah jetzt, dass die Augen des Eingeborenen glasklar und nur in der Iris leicht gelblich gefärbt waren. Sie schienen mit Helium gefüllt zu sein.
»Lei-Lei-Saleinti«, sagte der Gleamor. Dann deutete er auf Surfat und stieß ein bellendes Gelächter aus. »Perheite! Perheite! Perheite!«, rief er immer wieder. Mister Jefferson miaute begeistert und rieb seinen Kopf an Surfats massigem Nacken.
»Wenn ich feststelle, dass er sich über mich lustig macht«, sagte Surfat drohend, »dann werde ich sein Röckchen heben und ihm den dürren Hintern versohlen.«
»Beschwören Sie keine unnötigen Komplikationen herauf, Korporal«, beschwichtigte ihn Redhorse. »Vielleicht freut sich der Gleamor darüber, dass Sie sich mit Mister Jefferson angefreundet haben.«
»Etaiii!«, schrie der Eingeborene seinem wartenden Stamm zu.
Ein begeistertes Geschrei war die Antwort, dann stürmten die hundert Gleamors heran. Surfat wurde blass und hob den Kombistrahler.
»Wollen wir uns überrennen lassen, Sir?«, rief er.
»Sie haben keine Waffen und scheinen friedfertig zu sein«, sagte Redhorse. »Wollen wir auf intelligente Wesen schießen, die unbewaffnet sind?«
Surfat senkte den Kopf. Wenige Augenblicke später waren die beiden Terraner von den Eingeborenen umringt. Dürre Händchen streckten sich ihnen entgegen, glänzende Augen betrachteten sie neugierig. Dann wurden Redhorse und Surfat auf die schmalen Schultern einiger Gleamors gehoben und mit lautem Sing-Sang zur Space-Jet getragen.
Surfat schien sich auf seinem schwankenden Platz nicht wohl zu fühlen.
»Diese Begeisterung scheint mir doch etwas übertrieben zu sein!«, rief er Redhorse zu.
Redhorse überlegte fieberhaft. Das Verhalten der Eingeborenen war tatsächlich ungewöhnlich. Es bestanden keine Zweifel daran, dass sie es waren, die im Wald gesungen hatten. Auch jetzt stimmten sie diesen eigenartigen Gesang an. Warum waren sie erst jetzt aufgetaucht? Warum feierten sie die Terraner wie gute Freunde?
Redhorse ahnte, dass er auf diese Fragen vorerst keine Antworten finden würde. Das Geheimnis Gleams war noch rätselhafter geworden.
Sie erreichten die Space-Jet.
»Hallo, Korporal!«, rief Bradon aus der Schleuse. »Schämen Sie sich nicht, sich von diesen schwächlichen Wesen tragen zu lassen?«
Surfat sprang hastig auf den Boden und warf Bradon einen bösen Blick zu. Die Eingeborenen versammelten sich vor dem Diskusraumschiff. Auch Redhorse ließ sich absetzen und ging zur Schleuse.
»Vorläufig lassen wir keinen dieser Burschen in die Jet«, ordnete er an. »Ich will erst wissen, was sie vorhaben.«
Die Eingeborenen schlugen vor der Space-Jet ihr Lager auf. Sie schienen glücklich zu sein, dass man sie nicht zurückschickte. Etwa dreißig Gleamors versammelten sich vor der toten Riesenschlange und stimmten einen Trauergesang an.
»Das hört sich fast an, als trauerten sie um das Untier«, sagte Doutreval. »Vielleicht sind sie nur gekommen, um es auf heimtückische Weise zu rächen.«
»Ich glaube, dass sie sehr empfindsame Wesen sind«, sagte Redhorse. »Der Tod in jeder Form scheint ihnen nahezugehen. Läge dort einer von uns, würden sie wahrscheinlich ebenso jammern.«
Eine andere Gruppe von Gleamors hatte den toten Gravotänzer umringt und begann dort ebenfalls mit dem eigenartigen Gesang.
»Diese Singerei wirkt einschläfernd«, sagte Surfat.
Redhorse konnte an sich keine Anzeichen beginnender Müdigkeit feststellen, deshalb hielt er Surfats Feststellung für übertrieben. Doutreval und Gilliam nahmen die Reparaturarbeiten wieder auf. Sofort waren einige Gleamors bei ihnen und machten durch Handzeichen verständlich, dass sie bei der Arbeit helfen wollten.
»So etwas Hilfsbereites ist mir in meinem Leben noch nicht begegnet«, staunte Doutreval. »Sie sind direkt verrückt danach, uns jeden Handgriff abzunehmen.«
Diese Eigenart der Eingeborenen erschien Redhorse verdächtig. Er wusste nicht, wie er sein Misstrauen begründen sollte, doch ein sicheres Gefühl sagte ihm, dass er die Gleamors nicht aus den Augen lassen durfte. Sie waren zwar unbewaffnet und körperlich schwach, aber in ihrer übertriebenen Freundlichkeit schien irgendeine Gefahr verborgen zu liegen. Redhorse sagte sich im stillen, dass es keinerlei Beweise für bösartige Absichten der Eingeborenen gab. Sicher war es unlogisch, sie zu verdächtigen.
Redhorse beschloss, den Anführer der Gleamors zu finden und eine Verständigungsmöglichkeit herbeizuführen.
Der Captain ging zu der Gruppe, die unmittelbar vor der Space-Jet lagerte. Sofort boten sich einige der Eingeborenen an, ihn zu tragen. Redhorse lehnte jedoch ab.
Redhorse kauerte sich vor den Gleamors auf den kahlgebrannten Boden nieder. Erwartungsvoll blickten ihn die Fremden an. Ihre Augen sahen wie Glaskugeln aus. Ein paar Eingeborene führten Tragebeutel mit. Daraus entnahmen sie ab und zu eine Handvoll Pilze, stülpten die Unterlippe vor und schoben die Nahrung in den Mund.
Redhorse deutete auf seine Brust.
»Don!«, sagte er laut.
Die Eingeborenen kicherten und fingen an zu singen.
»Ruhe!«, schrie Redhorse sie an. Das wirkte. Der Gesang verstummte. Redhorse legte eine Hand auf die Schulter des vor ihm sitzenden Gleamors, mit der anderen deutete er abermals auf sich.
»Don!«, sagte er wieder.
»Elaiii!«, jubelte der Eingeborene. »Heitelea!«
Entweder konnte das Wesen Redhorses einfache Geste tatsächlich nicht verstehen, oder es stellte sich dumm. Redhorse versuchte, in den glasklaren Augen seines Gegenübers irgendeine Reaktion festzustellen, doch im Gesicht des Eingeborenen zeigte sich nichts als Freundlichkeit.
»Ich traue euch nicht«, murmelte Redhorse. »Ich werde den Verdacht nicht los, dass ihr uns ein gelungenes Schauspiel vorführt.«
»Redalei«, sagte der Gleamor mit liebenswürdigem Lächeln.
Redhorse hatte eine neue Idee. Er verließ die Gleamors und ging zur Space-Jet. Noch immer waren Doutreval und Gilliam von einigen Eingeborenen umringt, die sich eifrig bemühten, den Männern bei den Handreichungen zu helfen.
Brazos Surfat hockte in der Schleuse. Auf seinen Beinen lag ein Kombistrahlgewehr.
»Hat einer der Kerle in die Jet einzudringen versucht?«, fragte Redhorse.
Surfat tätschelte die Waffe. »Machen Sie sich darüber keine Gedanken, Sir. An mir kommt keiner vorbei.«
»Wo ist Bradon?«, fragte Redhorse.
Surfat deutete mit dem Daumen hinter sich. »In der Kanzel, Captain.«
Redhorse ging an Surfat vorbei. Dabei wurde Mister Jefferson sichtbar. Das Tier lag hinter Surfat und schlief. Als Redhorse den Kommandoraum betrat, fand er Bradon vor der Funkanlage.
»Es kommt noch immer nichts durch, Sir«, sagte der junge Raumfahrer.
»Soweit ich mich erinnern kann, sind Sie ein Zeichentalent, Chard«, sagte Redhorse. »Ich habe einige gute Zeichnungen von Ihnen gesehen.«
»Soll ich für Sie die tote Schlange malen, Sir?«
»Nein«, entgegnete Redhorse, »mich.«
Bradon runzelte die Stirn. »Heißt das, dass Sie ein Bild von sich wünschen, Sir?«
Redhorse ging zum Kartentisch und zog ein Blatt hervor. »Kommen Sie zu mir«, forderte er Bradon auf. Er überreichte dem Offiziersanwärter einen Schreibstift.
»Zeichnen Sie auf das Papier eine Figur, die man als Raumfahrer erkennen kann. Es muss kein Meisterwerk sein. Die Hauptsache, man weiß, was es darstellen soll.«
»Was haben Sie vor?«, wollte Bradon wissen. Schnell zeichnete er einige Striche.
»Ich will mich mit den Gleamors unterhalten«, erklärte Redhorse. »Bisher bin ich dabei auf Schwierigkeiten gestoßen.« Er blickte über Bradons Schulter und deutete auf die Zeichnung. »Vielleicht verstehen die Eingeborenen das.«
In wenigen Minuten war Bradon fertig. »Mit oder ohne Waffe?«, erkundigte er sich.
»Ohne«, entschied Redhorse und verließ die Kommandokanzel. Als er in der Schleuse auftauchte, erschienen sofort einige Eingeborene, um festzustellen, ob sie ihm nicht irgendwie helfen konnten. Redhorse rief einen von ihnen zu sich. Er hielt ihm Bradons gelungene Zeichnung vor die Augen. Dann deutete er abwechselnd auf das Bild und auf sich und sagte dreimal seinen Namen.
Der Gleamor nahm das Papier, faltete es sorgfältig zusammen und zog sich damit zum Lager seines Stammes zurück. Damit hatte Redhorse nicht gerechnet. Er beschloss, einige Zeit auf eine Reaktion der Gleamors zu warten. Vielleicht beriet sich der Mann, dem Redhorse die Zeichnung gegeben hatte, mit seinem Anführer.
Vier Stunden nach Sonnenaufgang hatten Gilliam und Doutreval die Halterung repariert und begannen, sie wieder einzubauen. Sofort waren sie von Gleamors umringt, die ihnen die Arbeit abnehmen wollten. Redhorse beobachtete die Eingeborenen von der Schleusenkammer aus. Sein Unbehagen hatte nicht nachgelassen, doch es gab nicht den geringsten Hinweis, der bösartige Absichten der Eingeborenen vermuten ließ. Dieses Volk schien tatsächlich daran Gefallen zu finden, den unbekannten Raumfahrern voller Selbstlosigkeit zu helfen.
Redhorse hatte Surfat und Chard Bradon als Wachen aufgestellt. Er glaubte nicht, dass die Gleamors eine Gewähr dafür waren, dass kein weiterer Angriff erfolgte.
Als Redhorse schon nicht mehr damit rechnete, kam ein hochgewachsener Eingeborener mit Bradons Zeichnung zur Schleuse.
»Nun?«, erkundigte sich Redhorse gespannt. »Was gibt es zu berichten?«
Die schlanken Finger des Mannes zeigten auf den gezeichneten Raumfahrer. Der Gleamor nickte Redhorse zu und sagte: »Treleite.«
Redhorse richtete sich auf. Dieser Gleamor schien intelligenter als seine Stammesangehörigen zu sein. Vielleicht bot sich hier eine Gelegenheit zur Verständigung.
Redhorse deutete ebenfalls auf das Bild und nannte seinen Vornamen.
»Treleite«, wiederholte der Gleamor. Demonstrativ hob er das Papier für alle Umstehenden sichtbar über seinen Kopf und zerriss es in vier Teile.
Sofort griff Redhorse nach seiner Waffe. Doutreval und Gilliam unterbrachen ihre Arbeit. Der Gleamor warf die Papierfetzen achtlos zu Boden und lächelte Redhorse freundlich zu. Dann ging er würdevoll davon.
Doutreval strich die Haare aus seinem ölverschmierten Gesicht und blickte überlegend hinter dem Gleamor her.
»Verstehen Sie das, Sir?«, fragte er.
Langsam schüttelte Redhorse den Kopf. Die völlig unerwartete Handlung des Fremden hatte ihn schockiert. Sie passte in keiner Weise zu dem bisherigen Verhalten der Gleamors. Warum hatte der Eingeborene gelacht, nachdem er die Zeichnung vernichtet hatte? Hielt er diese Tat etwa für einen weiteren Freundschaftsbeweis?
»Das ist ein seltsamer Verein«, sagte Gilliam gedehnt. »Wir sollten gut auf sie aufpassen.«
Der Sergeant schien ebenfalls gewisse Befürchtungen zu haben, stellte Redhorse fest. Er hatte das Gefühl, kurz vor der Lösung des Rätsels zu stehen, aber irgend etwas schien ihn davon abzuhalten, das Problem durch richtiges Vorgehen zu klären. Die Gleamors besaßen eine eigenartige Mentalität. In den wenigen Stunden, während denen Redhorse sich mit diesen Wesen befasst hatte, konnte er nicht genug über dieses Volk erfahren haben, um es zu verstehen. Er wusste noch nicht einmal, woher die Gleamors kamen. Er kannte weder ihre Lebensverhältnisse noch ihre Intelligenzstufe. Die hundert Fremden waren einfach aus dem Wald gekommen, um sich in der Nähe der Space-Jet niederzulassen. Hatten sie vorher in einem Dorf gelebt, oder durchstreiften sie ihren Planeten als Nomaden? Hatten sie ihre Waffen irgendwo zurückgelassen, oder waren sie so glücklich, nie welche gekannt zu haben?
Redhorse hätte diesen Fragen ein gutes Dutzend weiterer hinzufügen können, auf die es ebenfalls keine Antworten gab. Die Gleamors waren freundlich und schienen im allgemeinen damit zufrieden zu sein, wenn sie ein sorgloses Leben führen konnten.
»Sobald Sie die Halterung eingebaut haben, halten wir in der Kanzel eine Besprechung ab«, sagte Redhorse zu Doutreval und Gilliam. »Wir müssen mehr über diese Gleamors herausfinden. Ich habe das sichere Gefühl, dass wir auf der Spur einer großen Sache sind.«
»Glauben Sie, dass wir den Sender noch finden?«, fragte Doutreval.
»Ich wünschte, ich könnte diese Frage mit Ja beantworten«, sagte Redhorse. »Aber im Augenblick scheinen wir weiter von unserem eigentlichen Ziel entfernt zu sein als bei Beginn dieses Unternehmens.«
Brazos Surfat hatte sich freiwillig als Wächter gemeldet, weil er, wie er behauptete, doch nicht in der Lage war, irgendeine Idee zu äußern, die ihnen weiterhelfen konnte. Die vier anderen Männer hatten sich innerhalb der Kommandokanzel versammelt.
Don Redhorse hatte in einem kurzen Bericht zusammengefasst, was auf Gleam passiert war, in der Hoffnung, dass einem der Männer dabei irgend etwas auffallen würde, was sie außer acht gelassen hatten. Er sagte abschließend:
»Wir wissen, dass alles, was uns hier begegnet, fremd ist, und obwohl Gleam einen friedlichen Eindruck macht, kann jeden Augenblick irgend etwas Unvorhergesehenes passieren.«
»Obwohl die Gleamor ständig in unserer Nähe sind, scheinen sie sich zu weigern, eine Verständigung herbeizuführen«, sagte Doutreval. »Das beweist die zerrissene Zeichnung und alle anderen Versuche des Captains in dieser Richtung.«
»Das beweist überhaupt nichts«, widersprach Bradon. »Wissen wir denn, ob die Eingeborenen nicht ebenfalls eine Verständigung herbeiführen wollen – auf ihre Weise?«
Redhorse stand von seinem Sitz auf. »Ich glaube, dass Sie etwas zu weit gehen, Chard«, sagte er nachdenklich. »Die Mentalität eines extraterrestrischen Lebewesens kann nie so verschieden von der unseren sein, dass es nicht bestimmte Gesten und Begriffe gibt, die eine primitive Unterhaltung zulassen. Die Mannschaften unserer Explorerraumschiffe sind schon auf unzählige Sternenvölker gestoßen, die noch am Anfang ihrer Entwicklung standen und kaum Intelligenz besaßen. Selbst in diesen Fällen gelang fast immer eine Annäherung. Denken Sie an die Sonnenuhr. Im Prinzip gleicht sie jenen, die es auch auf der Erde gibt. Unter solchen Umständen müsste ein Bild, wie das von Bradon gezeichnete, immer auf Verständnis stoßen.«
»Wir wissen nicht, ob die Gleamors diese Sonnenuhr aufgestellt haben«, sagte Bradon. »Es können auch Mitglieder eines anderen Volkes gewesen sein.«
Bevor sie weitersprechen konnten, kam Surfat herein.
»Sir«, sagte er zu Redhorse. »Es ist besser, wenn Sie jetzt alle hinauskommen.«
»Was ist passiert, Brazos?«, fragte Redhorse und griff nach seiner Waffe. Nacheinander folgten sie dem Korporal in die Schleusenkammer.
»Die Roboter«, sagte Surfat grimmig. »Sie sind zurückgekommen.«
Redhorse starrte auf das jetzt schon vertraute Bild der Landschaft hinaus. Die beiden Kampfroboter standen bolzengerade etwa hundert Meter von der Space-Jet entfernt.
»Wo kamen sie her?«, fragte Redhorse den Korporal.
»Ich habe nicht aufgepasst«, gestand Surfat. »Meine Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf die Eingeborenen.« Er musste Mister Jefferson abwehren, der Gefallen an seinen Ohrläppchen gefunden hatte und daran zu knabbern begann. »Als ich aufblickte, standen sie dort. Wenn sie nicht mehr verrückt sind, dann sind sie mir auf jeden Fall unheimlich, Captain.«
»Warum kommen sie nicht näher heran?«, wollte Bradon wissen. »Sie stehen dort, als wüssten sie nicht, was sie jetzt zu tun haben.«
Redhorse beobachtete die Eingeborenen. Die Gleamors beachteten die beiden Kampfmaschinen überhaupt nicht. Ein paar warteten vor der Schleuse darauf, dass sie den fünf Terranern irgendwie helfen konnten. Erwartungsvoll lächelten sie zur Schleuse hinauf.
»Das gefällt mir nicht«, erklärte Gilliam. »Sieht fast nach einer Falle aus, Sir.«
»Was wollen wir machen?«, erkundigte sich Surfat ratlos. »Wir können die beiden Roboter doch nicht dort drüben lassen.«
»Sie bewegen sich!«, rief Doutreval.
Jeder der Roboter vollführte eine scharfe Körperdrehung, so dass sie sich Rücken an Rücken gegenüberstanden.
»Das sieht ziemlich militärisch aus«, sagte Bradon.
Die Roboter marschierten los, in genau entgegengesetzten Richtungen. Jeder legte etwa zwanzig Meter zurück, dann blieben sie stehen. Keiner der Eingeborenen schien den Vorgang für wichtig genug zu halten, um ihm eine besondere Bedeutung beizumessen.
Minuten verstrichen, bevor die Roboter sich abermals bewegten. Beide drehten sich um 180 Grad, so dass sie sich jetzt ihre Brustseiten zuwandten.
Gilliam war der erste, der begriff, was dort draußen vorging.
»Bei allen Planeten, Captain! Sie duellieren sich!«
Bevor Redhorse etwas erwidern konnte, flammten die Waffen der Roboter auf. Sekunden später verglühten beide in atomarer Gluthitze. Zwei glühende Metallklumpen blieben zurück.
»Sie hatten beide ihre Schutzschirme nicht eingeschaltet«, sagte Bradon, und man konnte die Unruhe, die ihn ergriffen hatte, aus seiner Stimme heraushören.
»Immerhin brauchen wir uns jetzt keine Gedanken mehr darüber zu machen, wo sie geblieben sind«, sagte Redhorse trocken.
»Wie kann so etwas passieren?«, knurrte Surfat. »Von sich aus kommt keine Positronik auf eine so verrückte Idee. Die Roboter wurden beeinflusst.« Er hob drohend seinen Karabiner. »Ich wette, die Gleamors sind dafür verantwortlich.«
»Ich bezweifle, dass Sie diese Wette gewinnen würden«, meinte Bradon. »Warum sollten die Gleamors die Roboter für uns gut sichtbar aufmarschieren und sich dann gegenseitig zerstören lassen? Sie hätten diesen Kampf auch irgendwo im Wald austragen lassen können, so dass unser Misstrauen sich nicht vergrößert hätte.«
»Was für ein verrückter Planet«, seufzte Surfat. »Captain, warum gehen wir nicht in die Jet, schließen die Schleuse und treten den Rückflug an?«
»Das wäre sicher das vernünftigste«, gab Redhorse zu. »Doch nun bin ich noch entschlossener als schon zuvor, herauszufinden, was hier eigentlich gespielt wird. Vielleicht warten sie nur darauf, in die Jet zu kommen. Vielleicht ist es das, worauf sie lauern, ohne dass wir es mit Sicherheit beweisen können. Geben wir ihnen eine kleine Chance, dann haben wir die Möglichkeit, etwas über die Eingeborenen zu erfahren.«
Ohne zu zögern, verließ Redhorse die Schleuse. Er musste nicht bis zum Lager der Gleamors gehen, denn als er das Schiff verließ, waren sofort einige Männer um ihn herum, die darauf warteten, dass er seine Absichten irgendwie kundtat. Wahrscheinlich, dachte Redhorse sarkastisch, hätten die sogar Moos aus dem Boden gerissen, wenn er mit einer solch sinnlosen Arbeit begonnen hätte.
Redhorse packte einen der Gleamors am Arm und zog ihn mit sich zur Space-Jet zurück. Der Fremde wehrte sich nicht. Auch die anderen Eingeborenen machten keine Anstalten, irgend etwas zu unternehmen. In freundlicher Hilfsbereitschaft begleiteten sie Redhorse zur Schleuse zurück.
»Hört auf zu grinsen!«, schrie Redhorse sie an. »Ab sofort ist Krieg. Versteht ihr? Krieg.«
»Perleite!«, schrien sie begeistert und wollten Redhorse helfen, ihren durchaus nicht ängstlichen Stammesgenossen in die Schleuse zu bringen.
Surfat und Bradon trieben die vordringenden Eingeborenen jedoch zurück, so dass Redhorse mit seinem Opfer ungehindert in die Kanzel gehen konnte. Mister Jefferson quietschte vergnügt, als Surfat nach einem heftigen Stoß das Gleichgewicht verlor und fast aus der Schleuse gestürzt wäre.
Redhorse wandte seine Aufmerksamkeit dem Eingeborenen zu. Der Gleamor gab durch nichts zu erkennen, dass ihn das Innere des Diskusschiffes interessierte. Seine glasklaren Augen waren auf Redhorse gerichtet.
»Du machst den Eindruck, als würdest du nur auf eine Gelegenheit warten, uns irgendwelche Liebesdienste zu erweisen«, sagte Redhorse drohend. »Doch wir glauben dir nicht.«
Der Gleamor kicherte belustigt und verschränkte seine dürren Ärmchen über der Brust. Sein Reifrock wippte bei jeder Bewegung auf und nieder.
Redhorse gestand sich ein, dass er selten ein harmloseres Bild gesehen hatte. Trotzdem begann er sich mit dem Mann zu beschäftigen. Eine Stunde bemühte er sich, die freundliche Haltung des Eingeborenen zu durchbrechen. Er schrie ihn an, er bedrohte ihn mit der Waffe und schlug ihm sogar zweimal heftig gegen die Brust.
Der Gleamor ertrug alles und schien sogar Gefallen daran zu finden. Entweder war er ein ausgezeichneter Schauspieler, oder er besaß nicht den geringsten Selbsterhaltungstrieb. Vielleicht gab es noch eine andere, völlig verrückte Möglichkeit, an die Redhorse jetzt nicht dachte.
Als Redhorse den Eingeborenen wieder zur Schleuse brachte, schwitzte er vor Anstrengung. Als wollte er die Erfolglosigkeit von Redhorses Bemühungen demonstrieren, versuchte der Gleamor, dem Offizier aus der Schleuse zu helfen.
Keiner der vier Männer fragte den Cheyenne nach dem Ausgang des Experimentes. Das Ergebnis zeichnete sich deutlich in Redhorses verschlossenem Gesicht ab.
Die Gleamors versammelten sich in ihrem notdürftigen Lager.
»Jetzt singen sie wieder«, sagte Gilliam erbittert.
Die Eingeborenen stimmten ihren eigenartigen Gesang an, der mehr einem traurigen Heulen glich. Redhorse beobachtete sie stumm, wie sie ihre mageren Arme erhoben, als wollten sie die Hilfe unbekannter Götter erflehen.
»Immer, wenn sie singen, passiert etwas«, sagte Doutreval.
Redhorse ließ seine Blicke über die Landschaft gleiten. Gleam, dachte er, war eine einzige Herausforderung. So eigenartig, wie der Planet vom Weltall aus ausgesehen hatte, so seltsam waren auch die Vorgänge auf seiner Oberfläche.
Es gab immer wieder Planeten, die eine solche Herausforderung an einen Raumfahrer waren. Ein Mann konnte sich zurückziehen, ohne die Herausforderung anzunehmen. Doch das lag nicht in Redhorses Absicht.
»Hat irgend jemand einen Vorschlag?«, klang Bradons Stimme auf.
Er erhielt keine Antwort. Alle vier Männer blickten abwartend auf Captain Redhorse. Von ihm hing es ab, ob sie jetzt in die Sicherheit des Leerraumes zurückfliegen oder eine weitere Nacht auf Gleam verbringen würden.
Redhorse ließ sie nicht lange warten.
»Wir bleiben«, sagte er ruhig. Seine feste Stimme übertönte den Gesang der Gleamors.
Captain Don Redhorse hatte nun die Herausforderung angenommen.